Legal Lexikon

Vollziehende Gewalt


Begriff und Definition der vollziehenden Gewalt

Die vollziehende Gewalt, auch als Exekutive bezeichnet, ist neben der Gesetzgebung (Legislative) und der Rechtsprechung (Judikative) eine der drei Gewalten im Gewaltenteilungsprinzip demokratischer Staaten. Sie umfasst sämtliche Staatsorgane und Institutionen, die zur Ausführung der Gesetze befugt sind. Im deutschen Rechtskreislauf findet der Begriff seine rechtliche Verankerung vor allem im Grundgesetz (GG), das die einzelnen Funktionen und Kompetenzen der vollziehenden Gewalt sowie deren Abgrenzung zur legislativen und judikativen Gewalt eindeutig definiert.

Systematische Einordnung der vollziehenden Gewalt

Die vollziehende Gewalt ist gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ein wesentlicher Bestandteil des staatlichen Aufbaus. Ihr obliegt insbesondere die praktische Umsetzung und Anwendung der von der Legislative beschlossenen Gesetze. Die Exekutive ist dabei mit einer Vielzahl hoheitlicher Aufgaben betraut, die von der Verwaltungstätigkeit über die innere und äußere Sicherheit bis hin zur Durchsetzung von Verwaltungsakten reichen.

Organe und Akteure der vollziehenden Gewalt

Die Bundesregierung

Im Bund ist die Bundesregierung das zentrale Organ der vollziehenden Gewalt. Sie setzt sich zusammen aus der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler und den Bundesministerien. Die Bundesregierung hat gemäß Art. 62 GG die Aufgabe, die Bundesgesetze auszuführen und die Richtlinien der Politik zu bestimmen.

Die Landesregierungen und Landesverwaltungen

In den Bundesländern sind die jeweiligen Landesregierungen zuständig. Sie sind sowohl für die Ausführung der Bundesgesetze im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung als auch für die Ausführung eigener Landesgesetze verantwortlich. Die Ausführung der Gesetze durch die Landesbehörden ist ebenfalls von zentraler Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Staatswesens.

Nachgeordnete Behörden und Verwaltungsträger

Neben den obersten Exekutivorganen erfüllen untergeordnete Behörden (z. B. Polizei, Finanzämter, Ordnungsämter) die konkrete Verwaltungstätigkeit. Auch Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts nehmen Verwaltungsaufgaben wahr, sofern ihnen diese per Gesetz übertragen wurden.

Aufgaben und Befugnisse der vollziehenden Gewalt

Gesetzesausführung

Der Kernbereich der vollziehenden Gewalt ist die Ausführung bestehender Gesetze. Dies umfasst sowohl den Erlass von Verwaltungsakten als auch die Schaffung von Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen, sofern die gesetzliche Ermächtigung dazu besteht.

Ordnungs-, Sicherheits- und Eingriffsverwaltung

Im Rahmen der Ordnungsverwaltung sorgt die vollziehende Gewalt für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dies beinhaltet polizeiliche Maßnahmen, das Polizeirecht und das allgemeine Ordnungsrecht. Im Rahmen der Eingriffsverwaltung ist die Exekutive befugt, Grundrechtseingriffe zu tätigen, etwa durch Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder Sicherstellungen, stets begrenzt durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gesetzmäßigkeitserfordernis.

Leistungsverwaltung und Daseinsvorsorge

Die vollziehende Gewalt übernimmt auch Aufgaben der Leistungsverwaltung, etwa bei der Gewährung von Sozialleistungen, Kindergeld, Renten oder Fördermitteln. Ein weiterer Bereich ist die Daseinsvorsorge, die beispielsweise die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Energie und anderen grundlegenden Leistungen sichert.

Grenzen und Kontrolle der vollziehenden Gewalt

Gesetzesbindung und Gesetzmäßigkeit

Die vollziehende Gewalt ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Jeder Akt der Exekutive muss daher eine wirksame gesetzliche Grundlage haben. Das Legalitätsprinzip unterscheidet zwischen dem Vorrang und dem Vorbehalt des Gesetzes: Kein Handeln gegen und kein Handeln ohne Gesetz.

Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle

Die Exekutive unterliegt der Kontrolle durch die Legislative, beispielsweise durch parlamentarische Anfragen, Untersuchungsausschüsse oder das Haushaltsrecht. Die Judikative überprüft exekutive Maßnahmen im Wege der Verwaltungsgerichte, wodurch die Rechtmäßigkeit exekutiven Handelns sichergestellt wird.

Rechtsschutz und Verwaltungskontrolle

Personen, die sich durch Maßnahmen der vollziehenden Gewalt in ihren Rechten verletzt sehen, haben gemäß Art. 19 Abs. 4 GG Anspruch auf effektiven Rechtsschutz. Die Verwaltungsgerichte prüfen in Verfahren die Vereinbarkeit exekutiven Handelns mit geltendem Recht.

Die vollziehende Gewalt im europäischen und internationalen Kontext

Auch auf europäischer und internationaler Ebene besteht die vollziehende Gewalt, beispielsweise in der Europäischen Kommission als Exekutivorgan der EU. Die Zusammenarbeit zwischen nationalen und supranationalen Exekutivorganen ist insbesondere bei grenzüberschreitenden Aufgaben, wie innere Sicherheit, Zoll oder Außenpolitik, von wachsender Bedeutung.

Unterschiede zur Legislative und Judikative

Abgrenzung zur Legislative

Anders als die Legislative, welche für die Gesetzgebung zuständig ist, beschränkt sich die vollziehende Gewalt auf die Ausführung und Anwendung des bestehenden Rechts. Sie verfügt nicht über das Initiativrecht zur Setzung allgemeinverbindlicher Rechtsnormen, soweit das nicht ausdrücklich durch Gesetz zugelassen ist.

Abgrenzung zur Judikative

Die Judikative entscheidet über Streitigkeiten und kontrolliert die Rechtmäßigkeit exekutiven Handelns. Die Exekutive darf weder in den Kernbereich der Rechtsprechung eingreifen noch Urteile außer Kraft setzen.

Bedeutung der vollziehenden Gewalt für den Rechtsstaat

Die vollziehende Gewalt ist ein zentrales Element funktionsfähiger Rechtsstaaten. Sie gewährleistet die konkrete Umsetzung demokratisch legitimierter Gesetze, schützt die öffentliche Sicherheit und sorgt für die effiziente Verwaltung der Daseinsvorsorge. Die unabhängige Kontrolle durch Legislative und Judikative ist dabei essenziell, um staatliches Handeln zu binden und Freiheitsrechte zu sichern.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
  • Gesetz über die ordentliche Gerichtsbarkeit (GVG)
  • Allgemeines Verwaltungsrecht, insbesondere § 35 VwVfG
  • Kommentarliteratur zum Staatsrecht
  • Veröffentlichungen der Bundeszentrale für politische Bildung

Häufig gestellte Fragen

Wer übt die vollziehende Gewalt im Staat aus und wie wird ihre Zuständigkeit rechtlich begründet?

Im rechtlichen Kontext wird die vollziehende Gewalt, häufig synonym mit der Exekutive bezeichnet, vorrangig von den Organen der Verwaltung und der Regierung ausgeübt. Auf Bundesebene sind dies insbesondere die Bundesregierung und die Bundesministerien, auf Landesebene die Landesregierungen und nachgeordneten Behörden. Die rechtliche Grundlage für die Zuständigkeit der vollziehenden Gewalt wird im Grundgesetz verankert, namentlich in Artikel 20 Absatz 2 und Absatz 3. Dort ist das Prinzip der Gewaltenteilung geregelt, wonach die vollziehende Gewalt eigenständig agiert, jedoch an Gesetz und Recht gebunden ist. Die Zuständigkeiten der Exekutive ergeben sich weiterhin aus Einzelgesetzen, wie etwa dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), dem Bundesministergesetz (BMinG) sowie den jeweiligen Landesgesetzen. Die konkrete Ausübung vollziehender Gewalt erfolgt durch behördliche Handlungen wie Verwaltungsakte, Realakte oder den Erlass von Rechtsverordnungen. Diese Tätigkeiten sind stets an die demokratische Legitimation sowie Kontrollmechanismen des Parlaments und der Gerichte gebunden.

Welche Kontrollmechanismen bestehen gegenüber der vollziehenden Gewalt?

Im Rechtsstaat unterliegt die vollziehende Gewalt strukturellen und funktionalen Kontrollmechanismen, um ihre Bindung an Gesetz und Recht sicherzustellen. Zum einen besteht die parlamentarische Kontrolle, durch die Parlamente (Bundestag/Landtage) Auskünfte verlangen, Anfragen stellen und Untersuchungsausschüsse einsetzen können. Darüber hinaus wirkt die gerichtliche Kontrolle, wobei die Verwaltungsgerichte prüfen, ob Verwaltungshandeln rechtmäßig und mit Grundrechten vereinbar ist. Der Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe kontrollieren die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Exekutive. Schließlich kommt dem Bundespräsidenten eine gewisse Kontrollfunktion zu, indem Gesetze nur nach verfassungsgemäßer Ausfertigung in Kraft treten. Weitere Kontrollinstanzen sind Bürgerbeauftragte, Ombudspersonen sowie die Presse, die als sogenannte vierte Gewalt eine indirekte Kontrollwirkung entfaltet.

In welchen Formen kann vollziehende Gewalt auftreten und wie sind diese rechtlich voneinander abzugrenzen?

Die vollziehende Gewalt manifestiert sich rechtlich in unterschiedlichen Handlungsformen. Hauptsächlich sind dies der Verwaltungsakt, das ist jede Verfügung, Entscheidung oder Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalles mit Außenwirkung (§ 35 VwVfG). Daneben gibt es Rechtsverordnungen und Satzungen, die generelle Regeln für unbestimmte Adressaten treffen und an eine gesetzliche Ermächtigung gebunden sind. Weiterhin werden Realakte (z.B. Auskünfte, Warnungen, Benutzungen von Amtshilfe) unterschieden, die faktisch wirken, ohne unmittelbar Rechtsverhältnisse zu regeln. Polizeiliche Maßnahmen als Teil vollziehender Gewalt sind nochmals speziell durch Gefahrenabwehrrecht geregelt. Die Abgrenzung erfolgt rechtssystematisch anhand des Adressatenkreises, der Außenwirkung und der Einzelfall- oder Allgemeinregelung.

Wie ist das Verhältnis zwischen vollziehender Gewalt und privater Rechtssetzung geregelt?

Die vollziehende Gewalt ist grundsätzlich als Trägerin öffentlicher Gewalt an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG) und unterscheidet sich damit systematisch von privater Rechtssetzung, wie sie etwa durch Verträge oder interne Satzungen von Vereinen erfolgt. Private Akteure können demgegenüber keine hoheitlichen Maßnahmen ergreifen. Delegationen von Aufgaben an Private (z.B. Beliehene, Verwaltungshelfer) sind nur unter strikter gesetzlicher Grundlage zulässig und unterliegen weiterhin der staatlichen Aufsicht. Das Verhältnis zwischen öffentlicher (vollziehender) und privater Rechtssetzung ist stets von der Wahrung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung geprägt, sodass staatliche Befugnisse nicht grenzenlos auf Private übertragen werden dürfen.

Welche rechtlichen Grenzen bestehen für die Ausübung vollziehender Gewalt?

Die vollziehende Gewalt ist in Deutschland durch das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beschränkt: Sie darf nur aufgrund gesetzlicher Grundlage handeln und muss verfassungsrechtliche Schranken, insbesondere die Grundrechte der Bürger (Art. 1-19 GG), beachten. Wesentliche Entscheidungen, die Grundrechte berühren, erfordern eine formelle gesetzliche Regelung (Wesentlichkeitstheorie). Weiterhin sind allgemeine rechtsstaatliche Prinzipien wie Verhältnismäßigkeit, Bestimmtheitsgebot, Vertrauensschutz und Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren. Internationale Vorgaben (z.B. der Europäischen Union oder der Europäischen Menschenrechtskonvention) können zusätzliche Beschränkungen bedeuten. Bei Verstößen gegen diese Grenzen sind Verwaltungsakte anfechtbar und können durch Gerichte aufgehoben werden.

Welche Rolle spielen Bundes- und Landesbehörden innerhalb der vollziehenden Gewalt?

Die vollziehende Gewalt gliedert sich in eine föderal strukturierte Hierarchie, die sowohl Bundes- als auch Landesbehörden umfasst. Das Grundgesetz regelt die Zuständigkeiten grundsätzlich so, dass die Länder die Verwaltung der Bundesgesetze ausführen, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft (Art. 30, 83 ff. GG). Die Bundesbehörden (z. B. Bundesministerien, Bundesämter) sind vorrangig für bundesweit geltende Verwaltungsaufgaben zuständig, während die Länder eigene Landesgesetze vollziehen und in vielen Fällen auch für den Vollzug von Bundesgesetzen verantwortlich sind. Die Zusammenarbeit wird durch Vorgaben zur Bund-Länder-Kooperation und durch Weisungsrechte geregelt. Dieser Föderalismus stellt sicher, dass vollziehende Gewalt dezentralisiert, aber dennoch kohärent ausgeübt werden kann.