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Vollendung (einer Straftat)


Begriff der Vollendung (einer Straftat)

Die Vollendung (einer Straftat) ist ein zentraler Begriff im Strafrecht und markiert den Zeitpunkt, ab dem ein strafbares Verhalten als abgeschlossen gilt. Die rechtliche Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung ist von grundlegender Bedeutung für die Beurteilung von Schuld, Strafe und weiteren Rechtsfolgen einer Straftat. Im Folgenden werden die verschiedenen Facetten des Begriffs Vollendung umfassend erläutert.


Allgemeine Definition und Abgrenzung zur Versuchsstrafbarkeit

Die Vollendung einer Straftat liegt vor, wenn sämtliche gesetzlichen Tatbestandsmerkmale eines Strafgesetzes durch das Verhalten des Täters verwirklicht worden sind. Der Tatbestand regelt in den einzelnen Straftatbeständen, ab welchem Zeitpunkt das strafbare Verhalten vollständig „verwirklicht“ ist und somit Strafbarkeit wegen vollendeter Tat gegeben ist.

Im Gegensatz dazu steht der Strafversuch, bei dem der Täter zwar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzt, das strafbare Verhalten jedoch noch nicht alle erforderlichen Merkmale erfüllt. Versuch und Vollendung unterscheiden sich oft bereits durch kleine, aber entscheidende Umstände, die für den Schuldspruch und das Strafmaß von erheblicher Bedeutung sind.


Voraussetzungen der Vollendung

Tatbestandsmäßige Vollendung

Voraussetzung einer vollendeten Straftat ist, dass objektive und – sofern erforderlich – subjektive Tatbestandsmerkmale verwirklicht wurden. Dies umfasst:

  • Objektive Tatbestandsmerkmale: Handlungen, Erfolge, Kausalität und objektive Zurechnung.
  • Subjektive Tatbestandsmerkmale: Zum Beispiel Vorsatz oder besondere Absichten (etwa die Zueignungsabsicht beim Diebstahl).

Zeitpunkt der Vollendung

Der Zeitpunkt der Vollendung ist der Moment, in dem das letzte von der Norm geforderte Tatbestandsmerkmal verwirklicht ist. Dies kann, je nach Deliktstyp, unterschiedlich sein:

  • Beendigungsdelikte: Die Tat gilt als vollendet, sobald sie das gesetzlich vorgesehene Ziel erreicht (bspw. Tötung eines Menschen beim § 212 StGB).
  • Unterlassungsdelikte: Hier ist die Frist maßgeblich, innerhalb derer gehandelt werden musste.

Bedeutung der Vollendung für die Rechtsfolgen

Auswirkungen auf die Strafbarkeit

Mit dem Eintritt der Vollendung ist der Täter regelmäßig wegen des vollendeten Delikts strafbar. Die Versuchsstrafbarkeit ist in den meisten Fällen mit geringerer Strafandrohung versehen und teilweise nur bei Verbrechen, nicht bei Vergehen vorgesehen (§ 23 StGB). Mit der Vollendung erweitert sich der Strafrahmen und es kommen im Einzelfall andere Nebenfolgen in Betracht.

Bedeutung für die Beteiligung

Im Hinblick auf die Beteiligung (Mittäterschaft, Anstiftung, Beihilfe) ist der Vollendungszeitpunkt entscheidend für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sowie die Unterscheidung zwischen versuchter und vollendeter Beihilfe beziehungsweise Anstiftung.


Abgrenzung zu Beendigung der Straftat

Es ist zwischen Vollendung und Beendigung der Straftat zu unterscheiden. Die Beendigung liegt vor, wenn das tatbestandliche Unrecht abgeschlossen ist und keine rechtserheblichen Folgehandlungen mehr möglich sind (z.B. beim Diebstahl: Vollendung mit Gewahrsamsbruch, Beendigung mit Sicherung der Beute). Die Beendigung ist insbesondere zum Beispiel für den Rücktritt vom Versuch (§ 24 StGB) oder für mögliche Strafmilderungen beim Nachtatverhalten (z.B. tätige Reue) relevant.


Beispiele für Vollendung bei verschiedenen Deliktstypen

Erfolgsdelikte

Beispiel Totschlag (§ 212 StGB):
Vollendet mit Eintritt des Todes des Opfers.

Tätigkeitsdelikte

Beispiel Hausfriedensbruch (§ 123 StGB):
Vollendet mit dem rechtswidrigen Betreten der Wohnung, unabhängig von einem weiteren Erfolg.

Unterlassungsdelikte

Beispiel Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB):
Vollendet, wenn die Hilfeleistung unterbleibt, obwohl objektiv und subjektiv Hilfe möglich und zumutbar gewesen wäre.


Sonderfälle: Dauerdelikte, erfolgsqualifizierte Delikte und mehr

Dauerdelikte

Bei Dauerdelikten (z.B. Freiheitsberaubung, § 239 StGB) ist die Tat mit der Herbeiführung des Dauertatbestandes vollendet, dauert jedoch bis zur Beendigung an.

Erfolgsqualifizierte Delikte

Bei erfolgsqualifizierten Delikten (z.B. Raub mit Todesfolge, § 251 StGB) ist der Grundtatbestand mit Eintritt des Erfolgs vollendet. Die Qualifikation erfordert den Eintritt eines zusätzlichen schweren Erfolgs durch den Täter.


Rechtliche Relevanz der Vollendung im Strafprozessrecht

Beginn der Verfolgungs- und Verjährungsfrist

Der Eintritt der Vollendung ist von erheblicher Bedeutung für den Beginn der strafrechtlichen Verfolgungs- und Verjährungsfristen. Die Frist zur Strafverfolgung beginnt grundsätzlich mit Vollendung der Straftat zu laufen (§ 78a StGB).

Auswirkungen auf strafprozessuale Maßnahmen

Maßnahmen wie Untersuchungshaft, Durchsuchung oder Beschlagnahme setzen in der Regel voraus, dass ein hinreichender Tatverdacht bezüglich einer vollendeten oder versuchten Straftat besteht. Der Tatzeitpunkt ist daher entscheidend für zahlreiche strafprozessuale Fragestellungen.


Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Schönke/Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch
  • Fischer, Strafgesetzbuch, Kommentar
  • Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil

Zusammenfassung

Die Vollendung einer Straftat ist ein zentraler Begriff zur Bestimmung der Strafbarkeit und hat erhebliche Auswirkungen auf Strafrahmen, Rechtsfolgen, Beteiligung, strafprozessuale Maßnahmen und Beginn der Verjährungsfristen. Die genaue Bestimmung, wann eine Straftat als vollendet anzusehen ist, hängt von den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen sowie der jeweiligen Deliktsform ab. Eine differenzierte Betrachtung der Vollendung ermöglicht eine sachgerechte Anwendung und Auslegung des Strafrechts.

Häufig gestellte Fragen

Wann gilt eine Straftat als vollendet?

Eine Straftat gilt als vollendet, wenn sämtliche gesetzlichen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Straftat verwirklicht sind. Dies bedeutet, dass der Täter alle im Strafgesetz normierten Voraussetzungen erfüllt hat, die für die Strafbarkeit vorgesehen sind. Der Zeitpunkt der Vollendung ist dabei nicht mit dem jeweils gewünschten Erfolg oder dem Eintritt der Rechtsgutverletzung gleichzusetzen; es reicht aus, dass die Merkmale objektiv vorliegen. So kann bei Erfolgsdelikten, wie etwa der Körperverletzung (§ 223 StGB), die Tat mit der tatsächlichen körperlichen Misshandlung abgeschlossen sein, unabhängig davon, ob Spätfolgen entstehen. Bei den sogenannten Tätigkeitsdelikten, wie zum Beispiel dem Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), ist die Tat mit dem aktiven Handeln, etwa dem Betreten der Wohnung gegen den Willen des Berechtigten, vollendet. Die Feststellung der Vollendung ist deshalb besonders wichtig, da sie maßgebliche Bedeutung für die rechtliche Einordnung der Tat und etwaige Strafzumessung hat.

Welche Bedeutung hat die Vollendung einer Straftat für Versuch und Rücktritt?

Die Vollendung einer Straftat markiert im Strafrecht die Grenze zwischen Versuch und vollendetem Delikt. Ein strafbarer Versuch liegt regelmäßig vor, wenn der Täter zur Tat unmittelbar ansetzt, jedoch noch nicht alle Tatbestandsmerkmale erfüllt hat („Tat beginnt“), während nach der Vollendung die Tat als abgeschlossen gilt. Ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 StGB ist nur solange möglich, wie die Tat nicht vollendet ist. Nach der Vollendung kann allenfalls ein strafmildernder Rücktritt vom Versuch einer Qualifikation, etwa einer schweren Körperverletzung, oder eine tätige Reue bei bestimmten Delikten relevant sein. Daher ist die exakte Feststellung des Vollendungszeitpunkts zentral für die strafrechtliche Bewertung des Verhaltens.

Wie unterscheidet sich die Vollendung von der Beendigung einer Straftat?

Während die Vollendung die Erfüllung aller gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen meint, bezieht sich die Beendigung einer Straftat auf den Zeitpunkt, zu dem das strafbare Verhalten objektiv insgesamt abgeschlossen und keine Auswirkungen mehr entfalten kann. Dies ist insbesondere für Fragen der Strafvereitelung nach § 258 StGB oder bei der Strafbarkeit nachträglicher Tathandlungen von Relevanz. Beispielsweise ist die Tat des Diebstahls mit der Wegnahme der Sache bereits vollendet, beendet ist der Diebstahl hingegen erst mit der gesicherten Beute und dem Abschluss der Tatausführung, etwa beim Abtransport des Diebesguts.

Welche Auswirkungen hat der Zeitpunkt der Vollendung auf die Strafbarkeit von Mittätern und Teilnehmern?

Im Rahmen der Mittäterschaft (§ 25 II StGB) oder Teilnahme (§§ 26, 27 StGB) ist der Zeitpunkt der Vollendung entscheidend für die strafrechtliche Verantwortlichkeit. Eine Teilnahmehandlung (Anstiftung oder Beihilfe) muss sich auf eine rechtswidrige Haupttat beziehen, die zumindest im Versuchsstadium begonnen wurde, aber erst mit der Vollendung als abgeschlossen gilt. Personen, die nach der Vollendung eingreifen, können nicht mehr als Teilnehmer an der Tat, sondern allenfalls wegen Begünstigung oder Strafvereitelung belangt werden. Die Frage der Vollendung hat daher Auswirkungen auf die dogmatische Einordnung und damit auf den Strafausspruch.

Gibt es Delikte, bei denen Sonderregeln zur Vollendung gelten?

Ja, insbesondere bei Dauerdelikten und Unterlassungsdelikten gelten spezielle Regelungen. Dauerdelikte, wie beispielsweise die Freiheitsberaubung (§ 239 I StGB), gelten mit dem Fortdauern des rechtswidrigen Zustands als noch nicht beendet, obwohl die Tat bereits vollendet wurde. Bei Unterlassungsdelikten kommt es für die Vollendung auf das Ausbleiben der gebotenen Handlung und den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges an. Bei sogenannten Unternehmensdelikten, in denen bereits ein Tätigwerden in Richtung der Tatbestandsverwirklichung strafbar ist, kann ebenfalls eine abweichende Bewertung erfolgen.

Wie wirkt sich die Vollendung auf die Verjährungsfristen einer Straftat aus?

Die Verjährung beginnt gemäß § 78a StGB grundsätzlich mit der Vollendung der Tat, das heißt mit dem Zeitpunkt, an dem der Täter sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt hat. Bei Dauerdelikten setzt die Verjährungsfrist erst mit der Beendigung der Tat ein. Die genaue Bestimmung des Zeitpunkts der Vollendung ist daher maßgeblich für den Beginn der strafrechtlichen Verfolgungsfrist und kann entscheidend dafür sein, ob die Tat noch verfolgt werden kann.

Welche Rolle spielt die Vollendung im Urteilstenor und bei der Strafzumessung?

In der strafgerichtlichen Praxis wird im Urteil ausdrücklich festgestellt, ob eine Tat vollendet oder lediglich versucht wurde, da von dieser Feststellung erhebliche Konsequenzen für die Strafzumessung ausgehen. Der Strafrahmen ist bei Versuchsdelikten gemäß § 23 StGB in der Regel gemildert, während bei vollendeter Tat die volle Strafandrohung des Tatbestands gilt. Auch für die Rechtsfolgen wie Maßregeln der Besserung und Sicherung ist die Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung von Relevanz.