Vollendung einer Straftat: Bedeutung und Grundprinzip
Die Vollendung einer Straftat bezeichnet den Zeitpunkt, in dem alle gesetzlichen Merkmale eines bestimmten Tatbestands verwirklicht sind. Ab diesem Moment gilt die Tat als „fertig begangen“. Entscheidend ist dabei, dass nicht nur das äußere Geschehen (das sichtbare Verhalten und eventuelle Folgen), sondern auch die innere Seite (zum Beispiel Absicht oder Fahrlässigkeit, je nach Tatbestand) zusammenpassen. Mit der Vollendung treten regelmäßig die vollen strafrechtlichen Folgen ein; zuvor kann es sich lediglich um Vorbereitung oder Versuch handeln.
Abgrenzung zu Vorbereitung, Versuch und Beendigung
Vorbereitung
Vorbereitungen sind Handlungen, die einer möglichen Tat vorangehen, ohne schon unmittelbar in die Tat einzumünden. Beispiele sind Planungen, Besorgungen oder Anbahnungshandlungen. Sie sind grundsätzlich nicht strafbar, es sei denn, das Gesetz erklärt bestimmte Vorbereitungshandlungen ausnahmsweise selbst zur Straftat.
Versuch
Der Versuch beginnt, wenn jemand nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur Tat ansetzt, die Tat aber noch nicht vollendet ist. Der Versuch betrifft regelmäßig vorsätzliches Handeln. Ob ein Versuch strafbar ist, hängt von der Art des Delikts ab. Der Versuch wird milder bewertet als die Vollendung, weil der angestrebte tatbestandliche Erfolg (bei Erfolgsdelikten) noch nicht eingetreten ist.
Vollendung
Eine Tat ist vollendet, wenn alle objektiven (äußeren) und die erforderlichen subjektiven (inneren) Merkmale des Tatbestands verwirklicht sind. Bei absichtlichen Taten gehört dazu in der Regel Vorsatz; bei fahrlässigen Taten die pflichtwidrige Verletzung der gebotenen Sorgfalt, die zum tatbestandlichen Erfolg führt.
Beendigung
Die Beendigung bezeichnet regelmäßig das tatsächliche „Abschließen“ der Tat, wenn der deliktische Zustand gesichert oder die Tathandlung vollständig abgeschlossen ist. Sie liegt zeitlich nach der Vollendung. Die Unterscheidung ist wichtig, weil bestimmte Rechtsfolgen (etwa Fristen oder die Einordnung von Anschlussverhalten) an die Beendigung anknüpfen können.
Zeitpunkt der Vollendung je nach Deliktstyp
Tätigkeitsdelikte
Bei Tätigkeitsdelikten genügt die Ausführung der verbotenen Handlung. Die Vollendung tritt mit Abschluss der Handlung ein, unabhängig von einem besonderen Erfolg.
Erfolgsdelikte
Bei Erfolgsdelikten gehört ein bestimmter Erfolg (zum Beispiel eine Verletzung, ein Schaden oder eine Zustandsveränderung) zum Tatbestand. Vollendung tritt erst mit Eintritt dieses Erfolgs ein. Zuvor liegt, sofern bereits unmittelbar angesetzt wurde, nur Versuch vor.
Zustandsdelikte
Bei Zustandsdelikten besteht der tatbestandliche Erfolg in der Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustands. Die Vollendung erfolgt mit der Herbeiführung des Zustands. Der Zustand kann fortwirken, ohne dass das Delikt als „Dauerdelikt“ gilt.
Dauerdelikte
Dauerdelikte sind dadurch gekennzeichnet, dass der Täter den rechtswidrigen Zustand nicht nur herbeiführt, sondern ihn aktiv aufrechterhält. Vollendung tritt mit der ersten Herbeiführung ein; die Tat dauert bis zur Beendigung fort. Das kann etwa für Fristen eine Rolle spielen.
Unterlassungsdelikte
Bei echten Unterlassungsdelikten besteht die Pflicht zu einem Tätigwerden unabhängig von einem bestimmten Erfolg. Vollendung tritt ein, wenn die gebotene Handlung während des Pflichtzeitraums pflichtwidrig unterlassen wurde. Bei unechten Unterlassungsdelikten (Pflicht zur Abwendung eines Erfolgs) ist die Tat vollendet, wenn der tatbestandliche Erfolg eintritt, den der Verpflichtete verhindern sollte.
Erfolgsqualifizierte Delikte
Bei erfolgsqualifizierten Delikten verbindet sich eine Grundtat mit einer besonders schweren Folge. Vollendung der Qualifikation liegt vor, wenn die Grundtat verwirklicht ist und die schwere Folge in zurechenbarer Weise hinzugetreten ist. Die schwerwiegende Folge kann zeitlich nach der Grundtat eintreten.
Bedeutung der Vollendung im System
Strafbarkeit und Strafrahmen
Die Vollendung markiert regelmäßig den Übergang zur vollen Strafbarkeit. Beim Versuch kommt regelmäßig ein milderer Strafrahmen zur Anwendung. Bei Fahrlässigkeitsdelikten gibt es typischerweise keinen Versuch; sie sind mit Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs vollendet.
Rücktritt und tätige Reue
Ein strafbefreiender Rücktritt ist an den Versuch geknüpft und setzt voraus, dass die Tat noch nicht vollendet ist. Nach Vollendung kommt ein Rücktritt nicht mehr in Betracht. In einzelnen Deliktsgruppen können besondere Formen nachträglicher Wiedergutmachung eine Rolle spielen, die aber eigenständigen Regeln folgen.
Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe)
Teilnahmehandlungen knüpfen an eine vorsätzliche Haupttat an. Klassische Teilnahme bezieht sich auf die Phase bis zur Vollendung. Unterstützungen oder Handlungen nach der Vollendung können als eigenständige Anschlussdelikte bewertet werden und fallen nicht mehr unter die ursprüngliche Teilnahme.
Versuchsunrecht und Vollendungsunrecht
Das Unrecht einer versuchten Tat wird geringer gewichtet als das Unrecht der vollendeten Tat, weil das angestrebte Ergebnis (bei Erfolgsdelikten) noch nicht eingetreten ist oder der Rechtsgutsangriff noch geringer ausgeprägt ist. Mit der Vollendung ist die tatbestandliche Rechtsgutsverletzung vollständig verwirklicht.
Zeitliche und örtliche Einordnung
Tatzeit und Tatort
Für die Vollendung sind sowohl die Tatzeit als auch der Tatort bedeutsam. Bei Erfolgsdelikten kann der Ort des Erfolgs eine Rolle spielen; bei Tätigkeitsdelikten der Ort der Handlung. In digitalen Konstellationen kommen Orte in Betracht, an denen gehandelt wurde, an denen Empfänger angesprochen wurden oder an denen der tatbestandliche Erfolg eintrat.
Verjährung
Die Verjährungsfristen knüpfen im Regelfall an die Vollendung an. Bei Dauerdelikten beginnt die maßgebliche Frist regelmäßig erst mit der Beendigung, da die Tat bis dahin fortwirkt. Die genaue Einordnung kann je nach Deliktstyp variieren.
Irrtümer und Sonderkonstellationen
Glaube an Vollendung (Putativvollendung)
Hält der Täter die Tat schon für vollendet, obwohl objektiv noch nicht alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, liegt weiterhin Versuch vor. Die irrige Vorstellung ändert nichts daran, dass die Vollendung objektiv fehlt.
Untauglicher Versuch
Wer zur Tat ansetzt, obwohl das Mittel oder der Gegenstand untauglich ist, kann sich eines untauglichen Versuchs schuldig machen. Eine Vollendung scheidet dann aus, weil der tatbestandliche Erfolg schon aufgrund der Untauglichkeit nicht eintreten kann.
Praxisnahe Einordnung
– Bei einer bloßen Vorbereitungstätigkeit (z. B. Anschaffung von Werkzeugen) liegt noch keine Vollendung vor.
– Setzt jemand unmittelbar zur Tat an, ohne dass der tatbestandliche Erfolg eintritt, handelt es sich um Versuch.
– Tritt der tatbestandliche Erfolg hinzu oder ist die verbotene Tätigkeit abgeschlossen, ist die Tat vollendet.
– Wird der deliktische Zustand fortlaufend aufrechterhalten, kann die Tat als Dauerdelikt über die Vollendung hinaus andauern und erst mit der Beendigung enden.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet „Vollendung einer Straftat“ in einfachen Worten?
Vollendung heißt, dass alle Merkmale eines bestimmten Straftatbestands erfüllt sind. Ab diesem Zeitpunkt gilt die Tat rechtlich als vollständig begangen.
Worin liegt der Unterschied zwischen Vollendung und Beendigung?
Vollendung ist das Erreichen aller Tatbestandsmerkmale. Beendigung meint das tatsächliche „Abschließen“ der Tat, wenn der rechtswidrige Zustand gesichert oder die Tathandlung vollständig abgeschlossen ist. Beendigung liegt zeitlich nach der Vollendung.
Ab wann beginnt die Verjährung: bei Vollendung oder Beendigung?
Im Regelfall knüpft die Verjährung an die Vollendung an. Bei Taten, die fortdauern, beginnt die Frist regelmäßig erst mit der Beendigung.
Ist der Versuch weniger schwer strafbar als die Vollendung?
Ja, der Versuch wird in der Regel milder bewertet als die vollendete Tat. Das hängt damit zusammen, dass das volle Unrecht der Tat noch nicht verwirklicht ist.
Kann man nach Vollendung noch strafbefreiend zurücktreten?
Ein strafbefreiender Rücktritt bezieht sich auf den Versuch. Nach der Vollendung ist ein Rücktritt nicht mehr möglich; es können aber je nach Delikt andere, eigenständige Institute mit besonderer Wirkung vorgesehen sein.
Wann ist eine Unterlassungstat vollendet?
Bei echten Unterlassungsdelikten mit Handlungspflicht ist die Tat vollendet, wenn die gebotene Handlung während des Pflichtzeitraums nicht vorgenommen wurde. Bei unechten Unterlassungsdelikten tritt Vollendung mit Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs ein, den die verpflichtete Person hätte verhindern sollen.
Welche Rolle spielt die Vollendung für Anstiftung und Beihilfe?
Teilnahmehandlungen beziehen sich typischerweise auf die Haupttat bis zur Vollendung. Handlungen nach Vollendung der Tat können als eigenständige Anschlussdelikte bewertet werden und sind keine klassische Teilnahme mehr.
Wie wird die Vollendung bei internetbasierten Taten bestimmt?
Je nach Tat kommt es auf den Ort und Zeitpunkt der Handlung, der Übermittlung oder des Erfolgs an. Vollendung liegt vor, wenn die tatbestandlichen Merkmale in der digitalen Konstellation erfüllt sind; relevant können etwa der Versandzeitpunkt, der Empfang oder der Eintritt eines Erfolgs sein.