Legal Lexikon

Volksbegehren


Definition und rechtlicher Rahmen des Volksbegehrens

Das Volksbegehren stellt in Deutschland, Österreich und anderen deutschsprachigen Rechtsordnungen ein zentrales Instrument der direkten Demokratie dar. Es eröffnet Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, unmittelbar auf den Gesetzgebungsprozess Einfluss zu nehmen, indem sie eine bestimmte Angelegenheit durch Unterschriftensammlung zur Entscheidung bringen. In Form und Rechtswirkungen unterliegt das Volksbegehren einer Vielzahl rechtlicher Regelungen, die sich je nach Staat, Bundesland oder Gemeinde unterscheiden. Die rechtlichen Grundlagen des Volksbegehrens sind im jeweiligen Verfassungsrecht, spezifischen einfachen Gesetzen sowie in Verwaltungsvorschriften normiert.

Begriffliche Abgrenzung: Volksbegehren, Volksentscheid, Bürgerbegehren

Das Volksbegehren ist abzugrenzen vom Volksentscheid sowie vom Bürgerbegehren:

  • Der Volksentscheid stellt das nachfolgende Verfahren dar, bei dem die Stimmberechtigten durch Abstimmung endgültig über den Gegenstand des Volksbegehrens entscheiden.
  • Das Bürgerbegehren ist vor allem auf kommunaler Ebene relevant und betrifft etwa Gemeinde- oder Stadtebene.

Im Fokus dieses Beitrags steht die landes- und bundesrechtliche Ebene des Volksbegehrens.

Rechtsgrundlagen des Volksbegehrens

Volksbegehren im Grundgesetz und in den Landesverfassungen

Bundesebene

Auf Bundesebene ist das Volksbegehren im Grundgesetz in eingeschränkter Form vorgesehen. Gemäß Art. 76 Abs. 1 GG kann ein Gesetzesvorschlag von der Bundesregierung, vom Bundestag oder vom Bundesrat eingebracht werden. Das Grundgesetz sieht jedoch keine unmittelbare Einbringung von Gesetzesvorlagen durch ein Volksbegehren vor. Eine Ausnahmeregelung existiert in Art. 29 GG für Neugliederungen des Bundesgebietes.

Landesebene

Die deutschen Landesverfassungen enthalten hingegen explizite Regelungen zum Volksbegehren und damit zur direkten Mitwirkung der Bürgerschaft an der Gesetzgebung. Diese Landesregelungen konkretisieren Verfahren, Zulässigkeit, Umfang und die jeweilige Zuständigkeit.

Wesentliche gesetzliche Grundlagen

Die Durchführungsbestimmungen zu Volksbegehren finden sich regelmäßig in speziellen Landesgesetzen, beispielsweise dem Bayerischen Gesetz über das Volksbegehren und den Volksentscheid (VAbstG), dem Berliner Abstimmungsgesetz oder dem Hamburgischen Abstimmungsgesetz. Sie legen das genaue Verfahren sowie Rechte und Pflichten der Beteiligten fest.

Verfahren und Ablauf eines Volksbegehrens

Initiierung und Antragsberechtigung

Ein Volksbegehren wird grundsätzlich durch einen Antrag initiiert, der von einer bestimmten Mindestzahl an Stimmberechtigten unterzeichnet sein muss. Die Anforderungen an die Antragsberechtigung orientieren sich an der jeweiligen Landesgesetzgebung. Regelmäßig sind alle Bürgerinnen und Bürger antragsberechtigt, die zum Zeitpunkt der Unterschrift das Wahlrecht zum Landtag bzw. der zuständigen Körperschaft besitzen.

Formale Anforderungen

Die Initiatoren eines Volksbegehrens müssen einen ausformulierten Gesetzesvorschlag oder ein konkretes politisches Anliegen vorlegen. Viele Landesgesetze verlangen die Einreichung in schriftlicher oder elektronischer Form. Die Eintragungsfrist beginnt mit der amtlichen Zulassung des Begehrens und erstreckt sich auf einen gesetzlich festgelegten Zeitraum.

Unterschriftensammlung und Eintragungsverfahren

Das Sammeln der erforderlichen Unterschriften erfolgt zumeist durch freie Sammlung oder in amtlichen Eintragungsstellen (Rathäuser, Bürgerbüros). Die Landesgesetze regeln detailliert die Zahl der für ein erfolgreiches Volksbegehren notwendigen Unterschriften – häufig ein bestimmter Prozentsatz der Wahlberechtigten (z. B. 10 % in Bayern).

Prüfung und Zulassung

Nach Ablauf der Eintragungsfrist prüfen die zuständigen Behörden die formelle und materielle Zulässigkeit des Volksbegehrens. Dazu zählen:

  • Überprüfung der Unterschriften auf Authentizität und Wahlberechtigung
  • Vereinbarkeit des Begehrens mit höherrangigem Recht (insbesondere Verfassung und EU-Recht)
  • Einhaltung von Verfahrensvorschriften und Fristen

Nicht zulässig sind etwa Begehren, die sich auf den Haushalt, Abgaben oder Ruhegehälter beziehen, sofern dies im jeweiligen Landesrecht so bestimmt ist.

Erfolg und weitere Schritte

Ist das Volksbegehren zulässig und erreicht die erforderliche Unterstützungszahl, muss sich das zuständige Parlament mit dem Anliegen befassen. Lehnt das Parlament die Übernahme des Anliegens ab, schließt sich in der Regel der Volksentscheid an, bei dem die Bevölkerung in einer landesweiten Abstimmung entscheidet.

Rechtliche Wirkungen und Bedeutung des Volksbegehrens

Bindungskraft

Das Parlament ist grundsätzlich verpflichtet, den Inhalt eines erfolgreichen Volksbegehrens zu beraten. Die unmittelbare Gesetzgebungskompetenz bleibt weiterhin beim Parlament, sofern kein Volksentscheid stattfindet. Erst durch einen erfolgreichen Volksentscheid tritt das gewünschte Gesetz auch tatsächlich in Kraft, sofern das Quorum erfüllt wird.

Materielle Schranken

Den Landesverfassungen und Gesetzen sind verschiedene materielle Grenzen des Volksbegehrens zu entnehmen. Dazu gehören:

  • Schutz der Verfassung: Volksbegehren, die Verfassungsänderungen zum Ziel haben, unterliegen meist besonderen Anforderungen
  • Unzulässigkeit bei Finanz- und Haushaltsfragen
  • Vereinbarkeit mit internationalen Verträgen und EU-Recht

Rechtsschutz und Anfechtung

Abgelehnte oder nicht zugelassene Volksbegehren können in aller Regel einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Zuständig ist in erster Instanz häufig das jeweilige Landesverfassungsgericht. Die Anfechtung kann sich gegen die formelle oder materielle Entscheidung der Behörde richten, die das Begehren bearbeitet.

Sonderformen des Volksbegehrens

Kommunales Bürgerbegehren

In vielen Bundesländern ist die Durchführung von Bürgerbegehren auf der Ebene der Gemeinde- oder Stadtverwaltung vorgesehen. Es gelten hierfür erleichterte Anforderungen hinsichtlich der Unterstützerzahlen und Verfahrensschritte.

Volksbegehren zur Verfassungsänderung

Für verfassungsändernde Volksbegehren gelten in der Regel erhöhte Hürden hinsichtlich Quoren, Zulassungsverfahren und materieller Prüfung.

Volksbegehren in Österreich

Auch in Österreich ist das Volksbegehren ein bedeutendes Element der direkten Demokratie. Die rechtlichen Grundlagen finden sich vor allem im Volksbegehrengesetz 2018 (VBGl 2018) sowie in der Bundesverfassung. Das Verfahren ähnelt in wesentlichen Punkten dem deutschen Modell, enthält aber spezifische österreichische Eigenheiten, wie die verpflichtende Behandlung von Volksbegehren im Nationalrat.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • Art. 29, 76 GG (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland)
  • Bayerisches Gesetz über das Volksbegehren und den Volksentscheid (VAbstG)
  • Berliner Abstimmungsgesetz (AbstG BE)
  • Volksbegehrengesetz 2018 (Österreich)
  • Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar
  • BVerfGE 8, 104 – Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Volksbegehren

Dieser Beitrag bietet einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Grundlagen, das Verfahren sowie die Bedeutung des Instruments „Volksbegehren“ im deutschen und österreichischen Recht und berücksichtigt die entscheidenden gesetzlichen Regelungen, materielle Grenzen sowie prozessuale Aspekte.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, ein Volksbegehren zu unterzeichnen?

Zur Unterzeichnung eines Volksbegehrens sind grundsätzlich alle Personen berechtigt, die zum Zeitpunkt der Unterschrift das aktive Wahlrecht für die jeweilige Volksvertretung besitzen, für die das Volksbegehren vorgesehen ist. In Deutschland richtet sich die Zulassung nach den jeweiligen landesrechtlichen oder bundesrechtlichen Vorschriften. Die Forderungen sind zum Beispiel: deutsche Staatsangehörigkeit, ein bestimmtes Mindestalter (in der Regel Volljährigkeit, also 18 Jahre, in manchen Bundesländern bereits ab 16 Jahren) sowie die Erfüllung weiterer Wahlrechtsgrundsätze des jeweiligen Wahlgesetzes (wie Wohnsitz, nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen). Die genaue Ausgestaltung kann von Bundesland zu Bundesland variieren, da das Volksbegehren hauptsächlich Gegenstand der Landesverfassung ist. Teilweise gibt es Sonderregelungen für Bürgerinnen und Bürger aus der EU oder Minderjährige.

Welche formalen Anforderungen muss ein Volksbegehren erfüllen?

Ein Volksbegehren muss zahlreiche formale Anforderungen erfüllen, bevor es zur weiteren Prüfung zugelassen werden kann. Hierzu zählt insbesondere die ordnungsgemäße Formulierung und Begründung des Begehrens. Die Einreichung erfolgt meist schriftlich an die zuständige Behörde oder das Parlament. Der Text des Gesetzentwurfs (oder die sonstige Forderung) muss eindeutig und verständlich formuliert sein, damit die Unterzeichner genau wissen, worüber sie abstimmen. Es dürfen keine unzulässigen Inhalte enthalten sein, wie etwa Verstöße gegen die Verfassung oder gesetzliche Ausschlussgegenstände (etwa Haushalts- oder Abgabengesetze, je nach Land). Außerdem müssen Unterstützungsunterschriften in einer vorgegebenen Mindestanzahl beigebracht werden; diese Anzahl hängt vom konkreten Quorum der jeweiligen Rechtsordnung ab. Ordnungsgemäße Registrierungsverfahren sorgen außerdem für die Überprüfung der Berechtigung der Unterzeichner.

Welche Fristen sind beim Volksbegehren einzuhalten?

Volksbegehren sind an verschiedene Fristen gebunden, die im jeweils einschlägigen Recht – häufig Landesverfassungen und Ausführungsgesetze – geregelt sind. Diese Fristen betreffen insbesondere die Phase der Unterschriftensammlung, aber auch die Einreichung und Bearbeitung des Begehrens durch die Behörde. Für die Sammlung der Unterschriften besteht üblicherweise eine festgeschriebene Mindest- und Höchstdauer (zum Beispiel mehrere Monate), um eine ausreichende Beteiligung zu gewährleisten und Missbrauch zu verhindern. Nach Einreichung des Begehrens besteht eine Prüfungsfrist für die Behörden bezüglich der Zulässigkeit und der formalen Prüfung. Bei erfolgreicher Einreichung greifen weitere Fristen für die Behandlung durch das zuständige Parlament oder die Initiierung eines Volksentscheids; diese Zeitspannen sind im Gesetz präzise festgelegt, um das Verfahren zu beschleunigen und Transparenz zu schaffen.

Welche rechtlichen Einschränkungen bestehen bezüglich des Gegenstands eines Volksbegehrens?

Nicht alle Themen dürfen in einem Volksbegehren behandelt werden. Der Gesetzgeber schließt aus rechtlichen und praktischen Gründen bestimmte Gegenstände von der direkten Demokratie aus. Dazu zählen typischerweise Finanzausgleiche, Haushaltsgesetze, Abgabengesetze, Dienstrechtsvorschriften oder Fragen der internationalen Verträge. Die konkreten Ausschlussgründe variieren je nach Bundesland oder dem Bund selbst. Der Gesetzgeber möchte damit verhindern, dass die Haushaltsführung oder völkerrechtliche Verpflichtungen durch kurzfristige Mehrheiten beeinträchtigt oder unterlaufen werden. Ebenfalls ausgeschlossen sind verfassungswidrige Inhalte. Unzulässige Volksbegehren werden bereits im Prüfverfahren von den zuständigen Stellen abgelehnt.

Wie läuft die rechtliche Prüfung eines Volksbegehrens ab?

Die rechtliche Prüfung eines Volksbegehrens erfolgt in mehreren Stufen: Nach Einreichung werden zunächst die formalen Voraussetzungen (zum Beispiel ordnungsgemäße Unterschriftensammlung, ausreichende Zahl der Unterschriften, Einhaltung der Fristen) kontrolliert. Anschließend erfolgt eine inhaltliche Prüfung. Dabei wird insbesondere geprüft, ob das Anliegen verfassungsmäßig ist und keine ausgeschlossenen Materien betrifft. Diese Kontrolle übernehmen in der Regel die Landeswahlleiter oder spezielle Ausschüsse. Im Streitfall, also bei Ablehnung eines Begehrens, können die Initiatoren gerichtlichen Rechtsschutz suchen, meist in Form einer Verfassungsbeschwerde oder durch den Gang zu Verwaltungsgerichten. Durch diese umfassende Prüfung wird sichergestellt, dass nur zulässige und rechtskonforme Initiativen zur Abstimmung gelangen.

Welche Rolle nehmen Gerichte im Verfahren um ein Volksbegehren ein?

Gerichte sind im Rahmen von Volksbegehren hauptsächlich als Kontrollinstanz tätig. Sollte ein Volksbegehren von den zuständigen Behörden als unzulässig abgelehnt werden, besteht für die Initiatoren die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Klage zu erheben oder einen Antrag auf verfassungsrechtliche Prüfung zu stellen. Die Gerichte überprüfen dann, ob das betreffende Volksbegehren tatsächlich unzulässig ist, zum Beispiel weil es den Ausschlussbestimmungen unterliegt oder die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Sie beschäftigen sich außerdem mit möglichen Verstößen in der Durchführung des Abstimmungsprozesses, dem Ablauf der Unterschriftensammlung oder der amtlichen Informationspflicht vor einem Volksentscheid. Die gerichtliche Kontrolle gewährleistet, dass das Verfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht.

Welche Folgen hat ein erfolgreiches Volksbegehren aus rechtlicher Sicht?

Rechtlich betrachtet zwingt ein erfolgreiches Volksbegehren den Gesetzgeber oder das zuständige Entscheidungskollektiv (Landtag, Bundestag) zur Behandlung des eingebrachten Anliegens. Kommt es zu einem Volksentscheid und entscheidet sich die Mehrheit der Abstimmenden für den Vorschlag, so ist der Entscheid in den allermeisten Fällen für die jeweiligen staatlichen Organe bindend und muss innerhalb bestimmter Fristen umgesetzt werden. Die genaue rechtliche Wirkung (ob bindend oder nur beratend) ergibt sich aus den jeweiligen Regelungen der Bundes- und Landesgesetze sowie den landesspezifischen Verfassungsbestimmungen. Verstöße gegen die Umsetzung sind rechtlich anfechtbar und können zu weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen führen.