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Volksaktie


Definition und rechtliche Grundlagen der Volksaktie

Die Volksaktie ist ein Begriff aus dem deutschen Wertpapierrecht und bezieht sich auf Aktien, die im Zuge von Privatisierungen ehemals staatlicher Unternehmen gezielt einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich gemacht werden. Im Zentrum steht dabei das politische und gesellschaftliche Ziel, die Eigentumsbildung breiter Bevölkerungskreise an Produktivvermögen zu fördern. Der Begriff ist weder im deutschen Aktienrecht noch im Wertpapierhandelsgesetz ausdrücklich definiert, sondern wird vornehmlich im Kontext staatlicher Privatisierungsmaßnahmen verwendet.

Volksaktien sind reguläre Namens- oder Inhaberaktien einer Aktiengesellschaft, deren Emission und Platzierung jedoch unter besonderen Rahmenbedingungen erfolgt. Zu deren rechtlicher Einordnung und Behandlung im deutschen Recht gibt es zahlreiche Regelungen im Aktiengesetz (AktG), im Wertpapierprospektgesetz (WpPG), Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie im Börsengesetz (BörsG), die auf diese Form des Aktienerwerbs Anwendung finden.

Begriffsentwicklung und Hintergrund

Die Bezeichnung „Volksaktie“ wurde insbesondere bei den großen deutschen Privatisierungsvorhaben der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bzw. nach der Wiedervereinigung Deutschlands verwendet. Paradebeispiele hierfür sind die Emissionen der Deutschen Telekom AG, der Volkswagen AG sowie der ehemaligen VEBA AG. Ziel war es, durch gezielten Vertrieb, Werbemaßnahmen und attraktive Kaufbedingungen möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern die Beteiligung zu ermöglichen.

Emissionsverfahren und rechtliche Regelungen

Privatisierung und Volksaktie im öffentlichen Recht

Die Emission von Volksaktien findet typischerweise im Zuge der Privatisierung öffentlich-rechtlicher Unternehmen statt, deren Anteile zuvor ganz oder überwiegend im Besitz des Bundes oder eines Bundeslandes standen. Die Überführung von Unternehmensteilen aus öffentlichem Eigentum in Privateigentum erfolgt auf Basis entsprechender Privatisierungsbeschlüsse sowie gesetzlicher Spezialregelungen, beispielsweise durch Privatisierungsgesetze des Bundes oder Landesparlamente.

Aktienemission gemäß Aktiengesetz und WpPG

Die Ausgabe von Volksaktien unterliegt den allgemeinen aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Anforderungen. Wesentliche rechtliche Grundlagen sind unter anderem:

Aktiengesetz (AktG):

  • Die Ausgabe von Aktien erfolgt in Form einer Kapitalerhöhung laut §§ 182 ff. AktG.
  • Die Zeichnung und Zuteilung unterliegt spezialgesetzlichen Aktienemissionsbedingungen (§ 203 AktG).

Wertpapierprospektgesetz (WpPG):

  • Die öffentliche Platzierung von Aktien erfordert nach § 3 WpPG einen vollumfänglichen Prospekt, der alle rechtlich relevanten Informationen über den Emittenten und das Wertpapier enthalten muss.
  • Die Billigung des Prospekts erfolgt durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Börsenzulassungsrecht:

  • Für eine breite Streuung werden die Volksaktien im Regelfall an einer Börse eingeführt. Hierzu ist die Zulassung gemäß §§ 32 ff. BörsG erforderlich.

Besondere Zuteilungsmodalitäten und Zeichnung

Im Rahmen der Volksaktie werden häufig Sonderregelungen zur Zeichnung und Zuteilung getroffen, etwa Höchstzeichnungsvolumina für Privatanleger oder bevorzugte Zuteilung an natürliche Personen mit Wohnsitz im Inland. Ziel ist die Verhinderung von Konzentrationen der Aktien in einzelnen institutionellen Händen und eine möglichst breite Streuung. Diese Praxis ist zulässig, sofern sie diskriminierungsfrei und transparent ausgestaltet wird. Die Modalitäten müssen im Verkaufsprospekt hinreichend dargestellt werden.

Preispolitik und Kaufanreize

Volksaktien-Emissionen sind vielfach geprägt von politischen Zielsetzungen. Hierzu gehören häufig Kaufanreize wie ein Platzierungsrabatt („Volksaktien-Rabatt“), Mitarbeiteraktienprogramme oder Halteprämien. Solche Maßnahmen sind kapitalmarktrechtlich zulässig, sofern sie im Prospekt hinreichend beschrieben, diskriminierungsfrei angeboten und transparent durchgeführt werden.

Börsenrechtliche und kapitalmarktrechtliche Aspekte

Information und Anlegerschutz

Die Platzierung und der Handel von Volksaktien unterliegen umfassenden Anforderungen des Anleger- und Verbraucherschutzes. Neben Prospektpflichten bestehen laufende Mitteilungspflichten der Emittenten (Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, Insiderrecht, Transparenzrichtlinie etc.).

Gemeinnützige Informationskampagnen stellen daneben eine wesentliche flankierende Maßnahme dar; sie bedürfen jedoch strikter Neutralität und sachlicher Informationsvermittlung, um etwaigen Täuschungsvorwürfen oder Anfechtbarkeiten zu begegnen.

Handel und Übertragbarkeit

Die rechtliche Behandlung von Volksaktien unterscheidet sich grundsätzlich nicht von anderen Aktien derselben Gesellschaft. Einschränkungen hinsichtlich Handel oder Übertragbarkeit sind aus gesellschaftsrechtlicher Sicht unzulässig, sofern nicht spezifische gesetzliche Regelungen, insbesondere im Interesse des Kleinanlegerschutzes, greifen.

Handelbarkeit:

  • Inhaberschaft und handelstechnische Übertragung richten sich nach §§ 68 ff. AktG, im Falle von Namensaktien nach § 67 AktG, bei Inhaberaktien nach § 68 AktG.

Depotführung:

  • Die Volksaktien werden depotfähig ausgegeben und unterliegen den Vorschriften zur Wertpapierverwahrung (§§ 1 ff. DepotG).

Steuerliche Aspekte der Volksaktie

Erwerb und Veräußerung

Der Erwerb von Volksaktien ist nach geltendem deutschen Steuerrecht zunächst keine steuerpflichtige Handlung. Im Falle späterer Veräußerungen fallen – abhängig von Anlagezeitraum und persönlichen Freibeträgen – Einkommens- beziehungsweise Abgeltungsteuer gemäß §§ 20, 32d EStG auf erzielte Kursgewinne an. Für Mitarbeiteraktien können zusätzliche steuerliche Befreiungen (§ 3 Nr. 39 EStG) gelten.

Besonderheiten bei der Volksaktie

Speziell für Volksaktien wurden keine speziellen Steuervorteile normiert, vielmehr gelten die allgemeinen Vorschriften über Aktienanlagen. Steuerliche Begünstigungen werden – wenn überhaupt – regelmäßig im Rahmen flankierender Maßnahmen (etwa Mitarbeiterbeteiligungsprogramme) gewährt.

Volksaktie im internationalen Kontext

Der Terminus „Volksaktie“ ist außerhalb Deutschlands nicht gebräuchlich; vergleichbare Privatisierungs- und Aktienplatzierungskonzepte existieren jedoch in zahlreichen Staaten (z. B. Frankreich, Großbritannien, Österreich), wobei die jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen differieren.

Zusammenfassung

Die Volksaktie steht als Sammelbegriff für Aktien privatisierter, zuvor staatlicher Unternehmen, die gezielt an die breite Bevölkerung emittiert werden. Ausgangspunkt ist regelmäßig ein staatlicher Privatisierungsbeschluss, gefolgt von einer Kapitalerhöhung und öffentlicher Platzierung gemäß den kapital- und börsenrechtlichen Vorschriften (insbesondere AktG, WpPG, BörsG, WpHG). Besondere rechtliche Bedeutung bekommt die Volksaktie durch spezielle Zuteilungs- und Preismodelle zur Förderung von Eigentumsbildung sowie durch besondere Informations- und Anlegerschutzmaßnahmen. Spezielle gesetzliche Privilegien bestehen über die regulatorischen Rahmenbedingungen hinaus nicht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen gewährleisten einen diskriminierungsfreien, transparenten und marktkonformen Ablauf unter Berücksichtigung der kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Regelungen sind beim Erwerb von Volksaktien zu beachten?

Beim Erwerb von Volksaktien gelten in Deutschland grundsätzlich die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), des Aktiengesetzes (AktG) sowie die Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union im Bereich der Kapitalmarktregulierung (z.B. MiFID II). Emittenten, die ihre Aktien im Rahmen eines „Volksaktien“-Programms anbieten, sind verpflichtet, einen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gebilligten Wertpapierprospekt zu veröffentlichen. Dieser Prospekt muss alle wesentlichen Informationen zum Unternehmen, den angebotenen Aktien, den Risiken und den Rechten der Erwerber enthalten. Für bestimmte Zielgruppen (z.B. Privatanleger) können zudem zusätzliche Anlegerschutzvorgaben, etwa Informations- und Beratungspflichten durch Finanzdienstleister, greifen. Ferner ist insbesondere das Verbot der Marktmanipulation und des Insiderhandels zu beachten, sodass auch für Volksaktien der Erwerb und der anschließende Handel strengen Transparenz- und Verhaltenspflichten unterliegen.

Welche Informationspflichten müssen Emittenten gegenüber Kleinanlegern erfüllen?

Emittenten sind nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und dem EU-Prospektrecht verpflichtet, allen potenziellen Anlegern umfassende und leicht verständliche Informationen über das angebotene Wertpapier, das Unternehmen sowie die mit der Anlage verbundenen Risiken bereitzustellen. Besonders bei Angeboten, die sich als Volksaktien explizit auch an Kleinanleger richten, ist ein sogenannter Basisinformationsblatt (Key Information Document, KID) nach PRIIPs-Verordnung vorgeschrieben. Dieses Dokument soll die wichtigsten Merkmale und Risiken des Investments in verständlicher Form darstellen. Darüber hinaus trifft Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Beratungspflicht, sofern sie Privatkunden beim Kauf der Volksaktie unterstützen; hierzu gehören die Ermittlung der Geeignetheit und Angemessenheit sowie die Dokumentation der Beratung.

Unterliegen Volksaktien besonderen Sperrfristen oder Haltefristen?

Rechtlich gesehen gibt es für Volksaktien grundsätzlich keine speziellen, gesetzlichen Sperr- oder Haltefristen, die sich allein aus der Eigenschaft als „Volksaktie“ ableiten lassen. Etwaige Haltefristen können jedoch durch gesellschaftsvertragliche Regelungen, durch im Prospekt festgelegte Bedingungen oder durch spezielle Programme (z.B. Mitarbeiterbeteiligungsmodelle oder Anreizsysteme für Kleinanleger) eingeführt werden. Daneben sieht insbesondere das Wertpapierhandelsrecht für bestimmte, mit dem Emittenten verbundene Personengruppen (z.B. Vorstandsmitglieder) besondere Mitteilungs- und Haltepflichten bei Insidergeschäften vor. Für Privatanleger gelten indes keine allgemeinen gesetzlichen Veräußerungsbeschränkungen.

Welche Haftungsregelungen greifen bei fehlerhaften Angaben im Zusammenhang mit Volksaktien?

Kommt es im Rahmen eines Volksaktien-Angebots zu fehlerhaften, unvollständigen oder irreführenden Angaben im Wertpapierprospekt oder in anderen offiziellen Unterlagen, greifen umfangreiche Prospekthaftungsregelungen nach §§ 21 ff. Wertpapierprospektgesetz (WpPG) bzw. nach den entsprechenden europäischen Regelungen. Darauf basierend können geschädigte Anleger Schadensersatzansprüche gegen den Emittenten, die verantwortlichen Organmitglieder sowie eventuelle Konsortialbanken geltend machen. Die Haftung umfasst grundsätzlich den Ersatz des durch den Erwerb der Aktie entstandenen Schadens. Die Ansprüche müssen jedoch in der Regel binnen zwei Jahren nach Kenntniserlangung vom Prospektfehler geltend gemacht werden; danach können sie verjähren.

Was passiert aus rechtlicher Sicht bei einer Überzeichnung eines Volksaktien-Angebots?

Bei einer Überzeichnung – das heißt, wenn mehr Aktien nachgefragt als angeboten werden – sind die Regeln zur Zuteilung im Wertpapierprospekt geregelt und müssen den aufsichtsrechtlichen Vorgaben entsprechen. In der Praxis kommen häufig Losverfahren, proportionale Zuteilungen oder Mindest- und Höchstbeträge pro Zeichner zur Anwendung. Rechtlich sind hierbei die Gleichbehandlung aller Antragsteller sowie die Transparenz des Verfahrens zwingend. Differenzierte Zuteilungen (z.B. Bevorzugung von Kleinanlegern im Sinne der Förderung einer breiten Streuung) sind zulässig, sofern sie im Prospekt klar beschrieben und entsprechend kommuniziert wurden. Verstöße gegen diese Regeln können Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Nachzuteilung auslösen.

Welche steuerrechtlichen Aspekte sind beim Erwerb und Verkauf von Volksaktien zu beachten?

Der Erwerb und Verkauf von Volksaktien unterliegt grundsätzlich den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Vorschriften für Wertpapiergeschäfte. Gewinne aus dem Verkauf von Volksaktien werden als Kapitalerträge behandelt und unterliegen in Deutschland der Abgeltungsteuer (pauschal 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). Auch Dividendenzahlungen sind steuerpflichtig. Es bestehen keine speziellen steuerlichen Vergünstigungen für Volksaktien. Wurden die Aktien aus Arbeitnehmerprogrammen (z.B. Belegschaftsaktien) erworben, können ggf. Freibeträge oder andere steuerliche Vorteile greifen; dies ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Steuerliche Pflichten im Zusammenhang mit Volksaktien bestehen auch im Hinblick auf die jährliche Erklärung der Kapitalerträge im Rahmen der Einkommensteuererklärung.