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Viehtreiben


Begriff und Definition des Viehtreibens

Der Begriff Viehtreiben bezeichnet primär das Fortbewegen von Vieh, insbesondere von landwirtschaftlichen Nutztieren wie Rindern, Schafen, Schweinen oder Pferden, von einem Ort zum anderen. Im rechtlichen Kontext umfasst das Viehtreiben neben der tatsächlichen Handlung auch die damit einhergehenden Rechte, Pflichten und Regelungen, die sich aus unterschiedlichen Rechtsgebieten ergeben. Dabei spielt insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Strafgesetzbuch (StGB), das Tierschutzrecht sowie das Straßenverkehrsrecht eine Rolle. Der Vorgang beinhaltet sowohl das kontrollierte Bewegen von Vieh auf privaten Flächen als auch das Treiben auf öffentlichen Wegen oder Straßen.

Viehtreiben im bürgerlichen Recht

Haftungsrechtliche Aspekte

Im deutschen Zivilrecht ist das Viehtreiben maßgeblich im Rahmen des § 834 BGB („Haftung des Tieraufsehers“) geregelt. Die Haftung bezieht sich insbesondere auf Schäden, die durch das getriebene Vieh verursacht werden. Derjenige, der das Vieh treibt (z. B. Tieraufseher, Hirt), unterliegt der sogenannten Tierhalterhaftung und ist regelmäßig für Schäden verantwortlich, die aus einer mangelhaften Beaufsichtigung oder Kontrolle des Viehs entstehen. Diese Haftung erstreckt sich sowohl auf Sach- als auch Personenschäden, etwa wenn Vieh auf eine Straße läuft und einen Verkehrsunfall verursacht.

Haftungsausnahmen und Beweislast

Eine Haftungsfreistellung kann nur erfolgen, wenn der verantwortliche Viehtreiber nachweisen kann, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt erfüllt oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. Die Beweislast hierfür trifft grundsätzlich den Tieraufseher beziehungsweise den für das Viehtreiben Verantwortlichen.

Eigentümer- und Besitzrechte

Das Viehtreiben kann Auswirkungen auf Eigentümer- und Besitzverhältnisse haben, insbesondere wenn Vieh fremde Grundstücke betritt. Nach § 906 BGB sind Eigentümer verpflichtet, Einwirkungen auf ihr Grundstück zu dulden, soweit diese ortsüblich sind und die Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen. Beim Viehtreiben kann jedoch aus einem Betreten fremder Grundstücke eine Besitzstörung oder ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB resultieren.

Viehtreiben im öffentlichen Recht

Straßenverkehr und Sicherheit

Das Treiben von Vieh auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen ist nach straßenrechtlichen Vorschriften, insbesondere nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) und dem Bundesfernstraßengesetz, geregelt. Nach § 28 StVO ist das Viehtreiben auf öffentlichen Straßen nur unter Berücksichtigung besonderer Sorgfaltspflichten zulässig. So ist beispielsweise erforderlich, dass das Vieh von einer geeigneten Person begleitet und die Gefahrensicherung für andere Verkehrsteilnehmer jederzeit gewährleistet wird.

Meldepflicht und Sondergenehmigungen

Das Viehtreiben kann je nach Region einer behördlichen Meldepflicht oder einer Sondergenehmigung unterliegen, insbesondere wenn große Herden, spezielle Straßen oder längere Distanzen betroffen sind. Die zuständigen kommunalen Behörden regeln die Einzelheiten im Rahmen von Satzungen oder Verordnungen.

Haftung bei Verkehrsunfällen

Kommt es infolge des Viehtreibens auf öffentlichen Verkehrswegen zu einem Unfall, greift in der Regel die Haftung nach § 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz) sowie ergänzend die Tierhalterhaftung aus dem BGB. Die Haftung kann durch den Nachweis einer besonderen Gefahrenlage oder Fahrlässigkeit verschärft sein.

Viehtreiben und Tierschutz

Das Viehtreiben unterliegt insbesondere den Vorgaben des Tierschutzgesetzes (TierSchG), wonach jede Bewegung von Tieren so zu erfolgen hat, dass ihnen keine vermeidbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.

Tierschutzrechtliche Anforderungen

Gemäß § 3 TierSchG ist es verboten, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Das unsachgemäße Treiben von Vieh, zum Beispiel mit übermäßiger Gewaltanwendung, wäre daher unzulässig und kann ordnungswidrigkeits- oder strafrechtlich sanktioniert werden.

Tierschutz beim Transport

Das Viehtreiben im Zusammenhang mit dem Transport von Tieren wird durch spezifische Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 zum Schutz von Tieren beim Transport reglementiert. Diese Anforderungen schreiben vor, dass Tiere während des Treibens angemessen behandelt und transportgeeignete Hilfsmittel verwendet werden müssen.

Viehtreiben im Straf- und Ordnungsrecht

Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten

Das unerlaubte Treiben von Vieh kann verschiedene Straftatbestände verwirklichen, insbesondere die Sachbeschädigung (§ 303 StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) oder eine Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB). Ordnungswidrigkeiten sind häufig bei Verstößen gegen das Straßenverkehrsrecht oder die tierschutzrechtlichen Vorschriften relevant.

Verantwortlichkeit und Sanktionen

Die Sanktionierung richtet sich nach dem jeweiligen Rechtsverstoß und kann von Bußgeldern über Schadensersatzansprüche bis hin zu Freiheitsstrafen reichen, etwa bei grob fahrlässigem Verhalten mit gravierenden Folgen für Mensch, Tier oder Sachen.

Viehtreiben in landwirtschaftlichen und historischen Kontexten

Traditioneller und moderner Zusammenhang

Das Viehtreiben war und ist Bestandteil des ländlichen Lebens, insbesondere beim Almauftrieb oder -abtrieb sowie beim Wechsel der Weideflächen. Die rechtliche Einordnung hat sich im Zuge der Veränderungen in Landwirtschaft und Verkehrsaufkommen weiterentwickelt und unterliegt heute einer strengen Regulierung zur Sicherstellung von Verkehrssicherung, Tierschutz und Haftung.

Besondere regionale Regelungen

In manchen Bundesländern oder Gemeinden gelten spezielle Regelungen für das Viehtreiben, die über die bundesweit geltenden Vorschriften hinausgehen. Diese Bestimmungen sind von den jeweiligen örtlichen Behörden festgelegt.

Zusammenfassung

Das Viehtreiben umfasst nach deutschem Recht eine Vielzahl rechtlicher Aspekte aus dem Zivil-, Straßenverkehrs-, Tierschutz- sowie Straf- und Ordnungsrecht. Die rechtlichen Anforderungen sowie die Haftung richten sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem Ort des Viehtreibens, der Anzahl der Tiere, dem Verhalten der Tiere und der Sorgfalt des Treibenden. Verstöße können weitreichende Folgen nach sich ziehen, sowohl zivilrechtlich im Rahmen der Schadenshaftung als auch öffentlich-rechtlich in Bezug auf Ordnung- oder Strafwidrigkeiten. Eine sorgfältige Beachtung und Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ist beim Viehtreiben unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist rechtlich verantwortlich beim Viehtreiben auf öffentlichen Straßen?

Die rechtliche Verantwortung beim Viehtreiben auf öffentlichen Straßen liegt grundsätzlich beim Tierhalter oder der von ihm beauftragten Person (z.B. Hirte oder Viehtreiber). Nach § 833 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) haftet der Tierhalter für Schäden, die von seinen Tieren verursacht werden. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass beim Treiben auf öffentlichen Verkehrswegen die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) gilt. Insbesondere § 28 StVO regelt, dass Tiere nur unter Aufsicht einer geeigneten Person und so geführt werden dürfen, dass eine Behinderung und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vermieden wird. Der verantwortliche Viehtreiber muss sicherstellen, dass ausreichend Personal zur Kontrolle des Viehs vorhanden ist und dass erforderliche Sicherungsmaßnahmen wie Warnwesten, Begleitfahrzeuge oder Warnzeichen eingesetzt werden. Wird hiergegen verstoßen und es kommt zu Unfällen oder Behinderungen, kann der Halter oder Viehtreiber für entstandene Schäden sowohl zivilrechtlich als auch ordnungswidrig bzw. strafrechtlich haftbar gemacht werden.

Welche Genehmigungen sind beim Viehtreiben erforderlich?

Für das Viehtreiben auf öffentlichen Straßen und Wegen ist in vielen Bundesländern eine Genehmigung einzuholen. Die rechtliche Grundlage bildet hier das Straßenrecht, dem zufolge Sondernutzungen öffentlicher Verkehrsflächen genehmigungspflichtig sind. Je nach Gemeinde- bzw. Landeskreisverwaltung kann eine Erlaubnis bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde erforderlich sein, insbesondere wenn größere Herden oder längere Strecken betroffen sind. Auch sind unter Umständen zeitliche Beschränkungen oder Auflagen für Route und Begleitmaßnahmen möglich. In manchen Bundesländern existieren zudem spezielle Vorschriften oder Verordnungen, etwa zur Seuchenprävention, die zusätzliche Anzeigen oder Erlaubnisse, beispielsweise vom Veterinäramt, verlangen können.

Welche Verkehrsregeln sind beim Viehtreiben zu beachten?

Maßgeblich ist § 28 Abs. 2 StVO, der bestimmt, dass Haustiere auf öffentlichen Straßen nur unter ständiger Aufsicht geführt werden dürfen. Die Tiere sind so zu lenken, dass sie niemanden gefährden oder behindern. Dies schließt beispielsweise die Verpflichtung ein, ausreichend Abstand zu Fußgängern und Fahrzeugen einzuhalten, und ggf. die Beteiligung von Hilfspersonen zur besseren Lenkung und Absicherung der Herde. Je nach Sichtverhältnissen und Tageszeit können Warnwesten, Beleuchtung oder Warnsignale erforderlich sein. Bei größeren Viehtrieben kann die zuständige Straßenverkehrsbehörde zudem festlegen, dass Begleitfahrzeuge mit gelben Rundumleuchten im Einsatz sind oder die Straße kurzfristig gesperrt werden muss. Jede Missachtung dieser Vorschriften kann als Ordnungswidrigkeit verfolgt und mit Bußgeldern belegt werden.

Welche Haftungsfragen ergeben sich beim Viehtreiben im Schadensfall?

Kommt es beim Viehtreiben zu einem Unfall mit Personen- oder Sachschaden, etwa wenn Tiere die Kontrolle verlieren und in den fließenden Verkehr geraten, steht regelmäßig die Halterhaftung gemäß § 833 BGB im Mittelpunkt. Die sogenannte Gefährdungshaftung führt dazu, dass der Tierhalter für Schäden, die durch das typische Verhalten eines Tieres verursacht werden, unabhängig von eigenem Verschulden haftet. Daneben kann eine deliktische Haftung nach § 823 BGB in Betracht kommen, etwa wenn organisatorische Sorgfaltspflichten verletzt wurden, wie eine unzureichende Überwachung der Herde oder fehlende Verkehrsabsicherung. In Einzelfällen kann auch eine Mithaftung Dritter, beispielsweise eines nicht ausreichend überwachten Mitarbeiters, geprüft werden. Der Geschädigte kann seine Ansprüche zivilrechtlich geltend machen, wobei die Haftung in aller Regel nicht durch den Nachweis des Verschuldens ausgeschlossen werden kann.

Welche besonderen Pflichten gelten zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer?

Der Viehtreiber hat eine besondere Verkehrssicherungspflicht und muss alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um andere Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen, die sich aus dem Viehtreiben ergeben könnten. Dazu gehört, die Größe der Herde sowie die Anzahl und Qualifikation der begleitenden Personen der jeweiligen Verkehrssituation anzupassen. Warn- und Sicherungseinrichtungen wie mobile Warnschilder, Warnleuchten oder Begleitfahrzeuge können verpflichtend sein, insbesondere bei schlechter Sicht oder auf besonders befahrenen Straßenabschnitten. Bei Dunkelheit oder schlechter Wetterlage sind reflektierende Ausrüstung und ausreichende Beleuchtung für Vieh und Treiber erforderlich, um frühzeitig erkannt zu werden. Auch die Information der lokalen Polizei oder Straßenmeisterei kann geboten sein, um bestimmte Strecken abzusperren oder den Verkehr umzuleiten.

Welche Besonderheiten bestehen beim Viehtreiben über Landes- oder Gemeindegrenzen hinweg?

Das Viehtreiben über Landes- oder Gemeindegrenzen kann zusätzliche rechtliche Anforderungen und Meldepflichten nach sich ziehen. Neben den allgemeinen Regelungen des Straßen- und Verkehrsrechts greifen dann möglicherweise landesrechtliche Vorschriften, wie das Viehverkehrsgesetz oder tierseuchenrechtliche Bestimmungen. Bei grenzüberschreitendem Viehtreiben ist häufig eine vorherige Anzeige bei den zuständigen Veterinärämtern erforderlich, insbesondere um Seuchenprophylaxe und die Rückverfolgbarkeit der Tiere zu gewährleisten. Je nach Kommune müssen gegebenenfalls Absprachen mit mehreren Straßenverkehrsbehörden getroffen und mehrere Erlaubnisse eingeholt werden.

Welche Strafen und Bußgelder drohen bei Verstößen gegen die Vorschriften zum Viehtreiben?

Verstöße gegen die Verkehrs- und Sicherungsregeln beim Viehtreiben können als Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG (Straßenverkehrsgesetz) oder spezielle landesrechtliche Vorschriften geahndet werden. Mögliche Sanktionen reichen von Verwarnungs- und Bußgeldern – die je nach Schwere des Verstoßes auch mehrere Hundert Euro umfassen können – bis hin zu Schadensersatzforderungen bei zivilrechtlichen Haftungsfällen. Kommt es infolge eines Verstoßes zu Personenschäden oder grober Fahrlässigkeit, kann im Einzelfall auch eine strafrechtliche Verfolgung, etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung (§§ 229, 222 StGB), drohen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass bei wiederholter Missachtung der Auflagen ein vorübergehendes oder dauerhaftes Verbot der Nutzung öffentlicher Wege zum Viehtreiben ausgesprochen wird.