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Verwandtschaft


Begriff und Bedeutung der Verwandtschaft im Recht

Verwandtschaft stellt im Recht einen zentralen Begriff dar, der die rechtlichen Beziehungen zwischen natürlichen Personen beschreibt, die durch Abstammung oder Rechtsakte wie Adoption miteinander verbunden sind. Die genaue Definition, die rechtlichen Auswirkungen sowie die Unterschiede zu weiteren familienrechtlichen Begriffen werden im Folgenden umfassend erläutert.


Definition der Verwandtschaft

Abstammungsprinzip

Die Verwandtschaft ergibt sich grundsätzlich aus dem Abstammungsverhältnis zwischen natürlichen Personen. Es besteht zwischen Personen, die voneinander abstammen oder einen gemeinsamen Vorfahren besitzen. Rechtlich ist die Verwandtschaft nicht auf die biologische Abstammung beschränkt: Beispielsweise werden adoptierte Personen in vielen Rechtsordnungen rechtlich als Abkömmlinge behandelt.

Adoptivverhältnis

Durch die Adoption entsteht ein rechtlich vollwertiges Verwandtschaftsverhältnis zwischen Adoptivkind und Adoptiveltern sowie deren Verwandten. Rechtlich gleichgestellt wird die Adoptivverwandtschaft vielfach mit der Abstammungsverwandtschaft, wobei hier Besonderheiten zu beachten sind (vgl. §§ 1754 ff. BGB).


Grade und Linien der Verwandtschaft

Verwandtschaftsgrade

Die rechtliche Bestimmung der Verwandtschaft erfolgt nach Graden. Maßgeblich ist die Zahl der vermittelnden Geburten zwischen den jeweiligen Personen.

  • Erster Grad: Verhältnis zwischen Eltern und Kindern
  • Zweiter Grad: Verhältnis zwischen Großeltern und Enkeln oder zwischen Geschwistern
  • Dritter Grad: Verhältnis zwischen Urgroßeltern und Urenkeln oder Kindern von Geschwistern untereinander (Neffen, Nichten)

Der Verwandtschaftsgrad ist oftmals bedeutsam für Fragen des Erbrechts, Unterhaltsrechts sowie für Eheverbote.

Verwandtschaftslinien

Verwandte werden unterschieden in:

  • Gerade Linie: Personen, die voneinander abstammen (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel).
  • Seitenlinie: Personen, die nur durch einen gemeinsamen Vorfahren verwandt sind (Geschwister, Onkel, Tante, Neffen, Nichten).

Rechtliche Bedeutung der Verwandtschaft

Abstammungs- und Kindschaftsrecht

Im Abstammungsrecht wird das Verwandtschaftsverhältnis – insbesondere das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern – geregelt. Dieses Verhältnis wirkt sich auf zahlreiche Bereiche, wie das Sorgerecht und das Umgangsrecht, aus.

Unterhaltsrecht

Eine der wesentlichen rechtlichen Folgen der Verwandtschaft besteht in der gegenseitigen Unterhaltspflicht. Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Die Anforderungen und Reichweite der Unterhaltspflicht richten sich nach weiteren gesetzlichen Bestimmungen und werden im Einzelfall geprüft.

Erbrechtliche Relevanz

Im Erbrecht ist das Verwandtschaftsverhältnis zentral. Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach dem Grad der Verwandtschaft zu dem verstorbenen Erblasser. Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge (Kinder, Enkel), zweiter Ordnung die Eltern sowie deren Abkömmlinge (Geschwister, Neffen, Nichten) usw. (§§ 1924 ff. BGB).

Ehe- und Verwandtschaftsverbote

Das Bestehen naher Verwandtschaftsverhältnisse kann dazu führen, dass die Ehe zwischen bestimmten Personen verboten ist. Nach § 1307 BGB dürfen Verwandte in gerader Linie sowie Geschwister keine Ehe miteinander eingehen.


Abgrenzung: Verwandtschaft und Schwägerschaft

Von der Verwandtschaft abzugrenzen ist die Schwägerschaft, welche sich auf Beziehungen bezieht, die durch die Ehe oder Lebenspartnerschaft entstehen. Schwägerschaft begründet andere rechtliche Folgen, insbesondere keine unmittelbaren Unterhaltspflichten oder Erbansprüche, wie sie zwischen Verwandten gegeben sein können.


Beendigung und Änderung der Verwandtschaftsverhältnisse

Adoption

Durch Adoption wird ein neues Verwandtschaftsverhältnis rechtswirksam begründet. Das bestehende Verhältnis zu den leiblichen Eltern erlischt im Falle einer Volladoption (§ 1755 BGB).

Anfechtung und Feststellung der Abstammung

Die rechtliche Zuordnung einer Person als Kind einer bestimmten Person kann durch gerichtliche Verfahren aufgehoben oder festgestellt werden. Die Anfechtung der Vaterschaft ist hier besonders praxisrelevant (§§ 1599, 1600 BGB).


Internationales Privatrecht

Im internationalen Kontext ist maßgeblich, welchem Recht das Verwandtschaftsverhältnis unterfällt. Relevante Vorschriften finden sich im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB). Insbesondere bei grenzüberschreitenden Beziehungen ist zu prüfen, welches nationale Recht Anwendung findet.


Übersicht: Rechtliche Folgen der Verwandtschaft

| Bereich | Rechtsfolgen |
|——————–|—————————————————–|
| Unterhaltsrecht | Unterhaltspflicht zwischen Verwandten in gerader Linie |
| Erbrecht | Gesetzliche Erbfolge, Pflichtteilsrechte |
| Eherecht | Eheverbote bei zu naher Verwandtschaft |
| Sorge- und Umgangsrecht | Rechtliche Zuweisung elterlicher Verantwortung |
| Zeugnisverweigerungsrecht | Zugehörige zur Familie dürfen Aussage verweigern |


Zusammenfassung

Verwandtschaft ist im Recht ein maßgebliches Abstammungs- und Kindschaftsverhältnis, das eine Vielzahl von rechtlichen Folgen und Verpflichtungen mit sich bringt. Die genaue Bestimmung der Verwandtschaftsgrade und -linien, die Unterscheidung zur Schwägerschaft sowie die Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen sind besonders im Familien-, Erb- und Unterhaltsrecht von zentraler Bedeutung. Das Verwandtschaftsverhältnis kann durch Adoption oder gerichtliche Feststellung und Anfechtung verändert werden, wobei auch internationale Normen zu beachten sind.


Rechtlicher Hinweis: Die Inhalte dieses Artikels dienen der allgemeinen rechtlichen Information und ersetzen keine individuelle Beratung im Einzelfall.

Häufig gestellte Fragen

Wer gilt rechtlich als Verwandter im Sinne des Erbrechts?

Im Erbrecht ist der Verwandtschaftsbegriff zentral, weil das Gesetz die Erbfolge grundsätzlich nach dem Grad der Verwandtschaft zum Erblasser bestimmt. Nach § 1589 BGB sind Personen miteinander verwandt, wenn sie entweder voneinander abstammen (Abstammungsverhältnis) oder von derselben dritten Person abstammen (Seitenverwandtschaft). Im Erbrecht wird zudem nach Ordnungen differenziert: Zur ersten Ordnung gehören die Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel), zur zweiten Ordnung die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (also Geschwister, Nichten, Neffen), zur dritten Ordnung die Großeltern samt deren Abkömmlingen usw. Ehegatten und eingetragene Lebenspartner sind keine Verwandten im rechtlichen Sinn, haben aber besondere erbrechtliche Stellungen. Schwiegereltern, Stiefkinder und Pflegekinder gelten ebenfalls nicht automatisch als Verwandte, es sei denn, die Voraussetzungen für eine rechtliche Verwandtschaft, zum Beispiel durch Adoption, liegen vor.

Welche Rolle spielt die Verwandtschaft im Unterhaltsrecht?

Im Unterhaltsrecht ist die Verwandtschaft maßgeblich für die Unterhaltspflicht. Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Das betrifft insbesondere das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern sowie umgekehrt. Seitenverwandte (zum Beispiel Geschwister, Onkel/Tanten oder Cousins/Cousinen) sind nach deutschem Recht grundsätzlich nicht unterhaltspflichtig. Die Unterhaltspflicht umfasst sowohl den Anspruch Minderjähriger auf Kindesunterhalt gegenüber den Eltern als auch die sogenannte Elternunterhaltspflicht, wonach Kinder gegenüber ihren Eltern verpflichtet sein können, Unterhalt zu leisten, wenn diese im Alter pflegebedürftig werden. Die konkrete Verpflichtung hängt von Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit ab.

Wie werden Verwandtschaftsverhältnisse im Abstammungsrecht festgestellt?

Verwandtschaftsverhältnisse im Abstammungsrecht werden durch Abstammungserklärungen, Geburtsurkunden und gegebenenfalls durch gerichtliche Feststellungsverfahren bestimmt. Für Kinder, die in einer Ehe geboren werden, gilt der Ehemann der Mutter gemäß § 1592 Nr. 1 BGB automatisch als rechtlicher Vater (Vermutung der Vaterschaft). Außerhalb der Ehe ist eine Anerkennung der Vaterschaft erforderlich, die öffentlich beurkundet werden muss. Bei Zweifeln kann eine gerichtliche Feststellung der Abstammung, meist durch ein DNA-Gutachten, erfolgen. Die rechtliche Mutter ist stets die Frau, die das Kind geboren hat (§ 1591 BGB). Das Abstammungsrecht ist ausschlaggebend für zahlreiche weitere Rechtsfragen, darunter Erbrecht, Unterhaltsansprüche und namensrechtliche Belange.

Welche Bedeutung hat die Verwandtschaft für das Sorgerecht?

Im Kontext des Sorgerechts ist die Elterneigenschaft – und damit die Verwandtschaft in gerader Linie – entscheidend. Sorgerecht steht den rechtlichen Eltern zu. Großeltern oder andere Verwandte sind grundsätzlich nicht sorgeberechtigt, können aber in Ausnahmefällen, beispielsweise bei Gefährdung des Kindeswohls oder Tod der Eltern, das Sorgerecht auf Antrag übertragen bekommen (§ 1680 BGB). Die Verwandtschaft kann darüber hinaus Bedeutung für das Umgangsrecht haben: Großeltern, Geschwister und andere enge Bezugspersonen haben nach § 1685 BGB ein eigenes gesetzliches Umgangsrecht mit dem Kind, sofern dies dem Wohl des Kindes dient.

Wie wirkt sich eine Adoption auf bestehende Verwandtschaftsverhältnisse aus?

Mit einer Adoption erlöschen grundsätzlich die bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse des Adoptivkindes zu seiner Herkunftsfamilie, soweit nicht das Verwandtschaftsverhältnis zu einem Elternteil bestehen bleibt (z. B. bei Stiefkindadoption, § 1756 BGB). Der Adoptierte wird rechtlich so gestellt, als wäre er ein leibliches Kind der adoptierenden Eltern. Damit gehen alle Rechte und Pflichten, etwa im Erb- und Unterhaltsrecht, auf die Adoptiveltern über. Im Gegenzug enden Rechte und Pflichten gegenüber den bisherigen leiblichen Eltern, sofern die Adoption als Volladoption (Stieffamilien ausgenommen) durchgeführt wurde. Auch die Erbfolge ändert sich entsprechend.

Können Schwiegereltern oder Stiefkinder rechtlich als Verwandte gelten?

Schwiegereltern, Stiefkinder oder Schwiegerkinder sind nach deutschem Recht keine Verwandten im engeren Sinn, sondern Verschwägerte oder Stiefverwandte. Schwägerschaft ist in § 1590 BGB geregelt und beschreibt das Verhältnis zwischen einem Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten. Stiefkinder werden erst durch eine Adoption mit dem Stiefelternteil rechtlich als Verwandte betrachtet. Lediglich im Sozialrecht, etwa beim sogenannten Familienpflegezeitgesetz oder im Hinblick auf bestimmte Versorgungsleistungen, werden auch verschwägerte oder stiefverwandte Personen einbezogen, im Familien- oder Erbrecht hingegen prinzipiell nicht.

Wie werden Auskünfte über Verwandtschaftsverhältnisse im rechtlichen Kontext eingeholt?

Zur Klärung von Verwandtschaftsverhältnissen werden meist Personenstandsurkunden wie Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden beim Standesamt angefordert. Bei Unklarheiten kann das Familiengericht eingeschaltet werden, etwa zur Feststellung der Vaterschaft (§§ 1599 ff. BGB). Für erbrechtliche und unterhaltsrechtliche Verfahren verlangen Gerichte regelmäßig beglaubigte Nachweise der Verwandtschaftsgrade, da von diesen wesentliche Rechtsfolgen abhängen. Im Einzelfall kann auch ein Abstammungsgutachten eingefordert werden. Die Einsichtnahme in Personenstandsregister ist nur bestimmten berechtigten Personen und in definierten Fällen möglich, um den Schutz personenbezogener Daten zu gewährleisten.