Begriff und Rechtsstellung des Verwaltungsrats
Der Verwaltungsrat ist ein zentrales Organ in internationalen Gesellschaftsstrukturen, insbesondere im Aktienrecht verschiedener europäischer Länder, beispielsweise in der Schweiz und Liechtenstein. Er übernimmt die Leitung, Überwachung und Vertretung einer Kapitalgesellschaft, während seine konkrete Ausgestaltung vom jeweiligen Gesellschaftsrecht abhängt.
Allgemeine Definition
Der Verwaltungsrat fungiert als Leitungs- und Überwachungsorgan vorrangig bei Aktiengesellschaften sowie vergleichbaren Kapitalgesellschaften. Seine Aufgaben, Rechte und Pflichten sind jeweils gesetzlich festgelegt und unterscheiden sich länderspezifisch.
Rechtsgrundlagen und gesetzliche Verankerung
Schweiz
Gesellschaftsrechtliche Einordnung
In der Schweiz ist der Verwaltungsrat das zentrale Organ der Aktiengesellschaft (Art. 707 ff. Obligationenrecht, OR). Er besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern und wird grundsätzlich von der Generalversammlung gewählt.
Aufgaben und Kompetenzen
Gemäß Art. 716a OR zählen zu den unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben insbesondere:
- Die Oberleitung der Gesellschaft sowie Erlass der nötigen Weisungen,
- Festlegung der Organisation,
- Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung,
- Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen,
- Oberaufsicht über Geschäftsführung und -vertretung,
- Erstellung des Geschäftsberichts und Vorbereitung der Generalversammlung sowie Ausführung ihrer Beschlüsse,
- Benachrichtigung des Gerichts im Falle einer Überschuldung.
Die Geschäftsführung kann an Dritte (z.B. eine Geschäftsleitung) delegiert werden, die genannten Kernaufgaben verbleiben jedoch zwingend beim Verwaltungsrat.
Vertretungsmacht
Der Verwaltungsrat vertritt die Gesellschaft nach außen. Er kann diese Befugnisse ganz oder teilweise delegieren, trägt aber weiterhin die Gesamtverantwortung.
Haftung
Verwaltungsratsmitglieder haften persönlich für Schäden, die sie durch absichtliche oder fahrlässige Pflichtverletzung verursachen (Art. 754 OR). Die Haftung erstreckt sich auf die Verletzung gesetzlicher oder statutarischer Sorgfaltspflichten, sowohl im Bereich der Geschäftsleitung als auch der Überwachung.
Deutschland
Monistisches und dualistisches System
Im deutschen Aktienrecht besteht das dualistische System von Vorstand (Leitung) und Aufsichtsrat (Überwachung). Einen Verwaltungsrat gibt es im klassischen Sinne nur im Rahmen des monistischen Systems einer Europäischen Gesellschaft (SE) nach der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001.
Verwaltungsrat der SE
Hier übernimmt der Verwaltungsrat sowohl die Leitungs- als auch Überwachungsfunktion (§ 23 ff. SEAG). Mitglieder des Verwaltungsrats sind zur gewissenhaften und pflichtgemäßen Verwaltung verpflichtet. Rechtsgrundlage für Haftung und Corporate Governance findet sich im deutschen SE-Ausführungsgesetz.
Liechtenstein
Gesellschaftsrechtliches Pendant
Das Personen- und Gesellschaftsrecht (PG) Liechtensteins kennt für die Aktiengesellschaft den Verwaltungsrat als Leitungsorgan. Die Bestimmungen ähneln stark dem Schweizer Modell.
Zusammensetzung und Amtsausübung
Wahl und Zusammensetzung
Die Mitgliederzahl ist gesetzlich oder satzungsmäßig festgelegt. Häufig ist bei Publikumsgesellschaften ein Mindestmaß an Unabhängigkeit gefordert, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Die Wahl erfolgt grundsätzlich durch die Gesellschafterversammlung für eine bestimmte, oft mehrjährige Amtsperiode.
Interne Organisation
Vielfach bestehen Organstrukturen wie Präsident, Vizepräsident und Komitees (z.B. für Revision, Vergütung, Nominierung). Die innere Ordnung regelt insbesondere Aufgabenverteilung und Beschlussfassung.
Abberufung und Ausscheiden
Verwaltungsräte können durch Gesellschafterbeschluss, Ablauf der Amtsdauer, Rücktritt oder Tod aus dem Amt scheiden. Das Gesetz regelt Rechte und Pflichten nach dem Ausscheiden (z.B. Herausgabepflichten, Wettbewerbsverbote).
Pflichten und Verantwortlichkeiten des Verwaltungsrats
Sorgfalts- und Treuepflichten
Jedes Mitglied ist verpflichtet, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Organswalters anzuwenden und die Interessen der Gesellschaft zu wahren. Bei Pflichtverletzungen drohen sowohl gesellschaftsrechtliche Sanktionen als auch persönliche Haftung.
Berichtspflichten und Kontrolle
Der Verwaltungsrat gewährleistet die Einhaltung gesetzlicher Berichtspflichten (z.B. Erstellung des Jahresabschlusses, Bericht an die Eigentümerversammlung) und sorgt für ein wirksames Kontroll- und Risikomanagementsystem.
Verschwiegenheit und Wettbewerbsverbot
Die Verschwiegenheitspflicht dient dem Schutz interner Informationen, das Wettbewerbsverbot verhindert eigenmächtige Geschäfte auf Kosten der Gesellschaft.
Haftung und Verantwortlichkeit
Gesellschaftsrechtliche Haftung
Mitglieder können persönlich für Schäden haften, die aus der Verletzung ihrer gesetzlichen und statutarischen Pflichten resultieren. Die Haftung umfasst sowohl die Leistungs- als auch die Überwachungspflicht.
Straf- und zivilrechtliche Haftungsrisiken
Verletzungen, etwa im Bereich der Insolvenzantragspflicht, gegenüber Gläubigern oder bei unterlassenen Kontrollhandlungen, können straf- oder zivilrechtliche Konsequenzen haben.
D&O-Versicherung
Zur Absicherung dienen oftmals Directors-and-Officers-Versicherungen, die das persönliche Haftungsrisiko abdecken.
Verwaltungsrat im internationalen Vergleich
Rechtsordnungen kennen den Verwaltungsrat mit unterschiedlichen Kompetenzen und Haftungsregimen. Während im schweizerischen und liechtensteinischen Recht der Verwaltungsrat als Leitungsorgan etabliert ist, nimmt im angelsächsischen Recht traditionell der Board of Directors vergleichbare Funktionen wahr. In monistischen SEs nach europäischem Recht wird der Verwaltungsrat als einheitliches Organ ausgestaltet.
Zusammenfassung
Der Verwaltungsrat ist das zentrale Organ der Leitung und Überwachung von Aktiengesellschaften in diversen Rechtsordnungen. Er übt weitreichende Befugnisse und Pflichten aus, denen eine strenge Haftung und Detailregelung gegenübersteht. Die konkrete Ausgestaltung seiner Rechte und Pflichten, seiner Zusammensetzung und Haftung hängt von der jeweiligen nationalen Gesetzgebung und der konkreten Gesellschaftsform ab. Die Rolle des Verwaltungsrats wird maßgeblich durch die Grundprinzipien der Unternehmensführung, der Verantwortlichkeit und der gesetzlichen Überwachungspflichten geprägt.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird ein Verwaltungsrat rechtlich bestellt und abberufen?
Der Verwaltungsrat wird in der Regel durch die Generalversammlung der Aktionäre einer Aktiengesellschaft bestellt, wobei die genauen Abläufe und Voraussetzungen im Aktiengesetz (zumeist § 95-§ 117 AktG) geregelt sind. Die Bestellung erfolgt meist für eine bestimmte Amtszeit, die in der Satzung der Gesellschaft festgelegt ist. Es bedarf einer formellen Wahl durch einen Beschluss der Aktionäre, der meist mit einfacher Mehrheit gefasst wird, sofern die Satzung keine qualifizierte Mehrheit vorsieht. Die Eintragung der bestellten Verwaltungsratsmitglieder ins Handelsregister ist zwingend erforderlich, um die Bestellung rechtlich wirksam werden zu lassen. Hinsichtlich der Abberufung ist zu beachten, dass eine solche grundsätzlich jederzeit und ohne Angabe von Gründen durch die Generalversammlung möglich ist, sofern die Satzung der Gesellschaft keine Einschränkungen enthält. Die Abberufung entfaltet ebenfalls erst mit der Eintragung im Handelsregister rechtliche Wirksamkeit. Bei besonderen Zweifeln oder Streitigkeiten betreffend die Bestellung oder Abberufung gibt das Gericht auf Antrag eine Entscheidung, um Rechtssicherheit zu schaffen.
Welche gesetzlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten treffen den Verwaltungsrat?
Der Verwaltungsrat unterliegt in rechtlicher Hinsicht umfangreichen gesetzlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten. Zu seinen zentralen Aufgaben gehören die Oberleitung der Gesellschaft, die Festlegung der Organisation, die Ernennung und Überwachung der Geschäftsleitung sowie die Ausgestaltung des internen Kontrollsystems. Er muss die Einhaltung gesetzlicher, statutarischer und regulatorischer Bestimmungen sicherstellen. Darüber hinaus obliegt dem Verwaltungsrat die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung (Sorgfaltspflicht, § 93 AktG) und zur Wahrung der Interessen des Unternehmens (Treuepflicht). Verletzungen dieser Pflichten können zu persönlichen Haftungsansprüchen führen, etwa bei Pflichtverletzungen, die zu einem Schaden für die Gesellschaft geführt haben. Auch spezifische Aufgaben wie die Einberufung der Generalversammlung, die Erstellung des Jahresberichts und die Vorbereitung von Beschlussvorlagen gehören zum gesetzlichen Pflichtenkreis. Der Verwaltungsrat ist zudem verpflichtet, Interessenkonflikte offen zu legen und gegebenenfalls von Entscheidungen, in denen er befangen ist, abzusehen.
Wie haftet ein Verwaltungsrat nach dem Gesetz?
Die Haftung des Verwaltungsrats ist im Wesentlichen aus dem Deliktsrecht und dem Gesellschaftsrecht abzuleiten. Nach § 93 AktG haftet der Verwaltungsrat für Schäden, die der Gesellschaft durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzung entstehen, gesamtschuldnerisch. Dies betrifft sowohl Handlungen als auch Unterlassungen, die gegen die gesetzlichen oder statutarischen Pflichten verstoßen. Die Haftung ist dabei nicht auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt, sondern umfasst jede Form von Fahrlässigkeit, wobei individuelle Entlastung möglich ist, wenn das betreffende Mitglied nachweisen kann, dass es seine Sorgfaltspflichten nicht verletzt hat. Die Beweislast liegt hierbei in der Regel beim Verwaltungsrat. Außenstehenden Dritten gegenüber haftet der Verwaltungsrat nur in Ausnahmefällen, beispielsweise bei Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Kapitalerhaltungs- oder Gläubigerschutzvorschriften.
Welche besonderen Beschränkungen und Verbote gelten für Mitglieder des Verwaltungsrats?
Mitglieder des Verwaltungsrats sind rechtlich durch diverse Beschränkungen und Verbote gebunden. Dazu gehören insbesondere das Verbot eigener Geschäfte mit der Gesellschaft, die Interessenkonflikte auslösen könnten, und das Verbot der Stimmenausübung bei Beschlüssen, die das Mitglied persönlich betreffen (Insichgeschäft nach § 34 BGB). Auch das Wettbewerbsverbot spielt eine zentrale Rolle, da Mitglieder des Verwaltungsrats keine direkten oder indirekten konkurrierenden Tätigkeiten für Dritte aufnehmen dürfen, sofern dies nicht ausdrücklich von der Gesellschaft genehmigt wurde. Ferner gibt es umfangreiche Vorschriften zur Offenlegung bedeutender Beteiligungen und zur Informationspflicht gegenüber Aktionären und Aufsichtsbehörden. Verstöße gegen diese Vorgaben können nicht nur zur Abberufung, sondern auch zu Schadensersatzansprüchen führen.
Wann und wie muss der Verwaltungsrat laut Gesetz Beschlüsse fassen?
Die Beschlussfähigkeit sowie die Art und Weise der Beschlussfassung des Verwaltungsrats sind gesetzlich und satzungsmäßig geregelt. In der Regel ist der Verwaltungsrat beschlussfähig, wenn mindestens die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist, sofern die Satzung nichts anderes vorsieht. Beschlüsse werden meistens mit einfacher Mehrheit gefasst, es sei denn, eine qualifizierte Mehrheit wird satzungsmäßig verlangt oder das Gesetz bestimmt etwas anderes. Die Beschlussfassung erfolgt in der Regel auf formell einberufenen Sitzungen, wobei auch schriftliche oder elektronische Abstimmungen möglich sind, sofern dies die Satzung gestattet und alle Mitglieder dieser Form zustimmen. Für bestimmte wesentliche Beschlüsse (z. B. zu Jahresabschluss oder Satzungsänderungen) gelten erhöhte Anforderungen hinsichtlich Transparenz und Dokumentation, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die Protokollierung von Beschlüssen ist gesetzlich vorgeschrieben und muss den Anforderungen der gesellschaftsrechtlichen Buchführungs- und Dokumentationspflichten genügen.
Welche Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer beeinflussen die Zusammensetzung des Verwaltungsrats?
In bestimmten Gesellschaften, insbesondere in mitbestimmungspflichtigen Unternehmen gemäß dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) oder Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG), wirken die Arbeitnehmer an der Zusammensetzung des Verwaltungsrats mit. Im Falle des MitbestG besteht der Verwaltungsrat aus zu gleichen Teilen aus Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmervertreter werden dabei in gesonderten Wahlen durch die Belegschaft bestimmt. Rechtsgrundlage für diese Praxis ist das jeweilige Mitbestimmungsgesetz, das auch detaillierte Regelungen zur Wahl, Amtsdauer und zu besonderen Ausschlussgründen für Arbeitnehmervertreter enthält. Diese gesetzlichen Vorschriften stellen sicher, dass Arbeitnehmerinteressen im Verwaltungsrat angemessen Berücksichtigung finden, was insbesondere bei strategischen Entscheidungen von Relevanz ist.
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Vergütung des Verwaltungsrats?
Die Vergütung des Verwaltungsrats ist gesetzlich an Transparenz- und Veröffentlichungspflichten gebunden. Nach den entsprechenden aktienrechtlichen Vorschriften muss die Vergütung einzelner Verwaltungsratsmitglieder offengelegt werden, in der Regel im Anhang zum Jahresabschluss oder im Vergütungsbericht. Die Höhe und Struktur der Vergütung richtet sich nach den Satzungsregelungen oder einem Beschluss der Hauptversammlung. Dabei ist gesetzlich vorgegeben, dass die Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und zur Lage des Unternehmens stehen muss (§ 113 AktG). Übermäßig hohe oder vom Unternehmenserfolg unabhängige Vergütungen können von den Aktionären beanstandet oder angefochten werden. Zudem sind in manchen Jurisdiktionen variable Vergütungsbestandteile an bestimmte Erfolgsparameter gebunden und gesetzlich reglementiert. Ein Verstoß gegen diese Regelungen kann nicht nur zivilrechtliche Ansprüche auslösen, sondern unter Umständen auch zu steuer- oder strafrechtlichen Konsequenzen führen.