Definition und Begriff des Verwaltungsabkommens
Ein Verwaltungsabkommen ist eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Verwaltungsträgern, die der Regelung bestimmter verwaltungsrechtlicher Angelegenheiten dient. In Deutschland sind Verwaltungsabkommen vor allem im Bereich der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden von Bedeutung. Sie ermöglichen die flexible und praxisnahe Abstimmung staatlicher Aufgaben, die nicht durch förmliche Gesetzgebungsakte, sondern durch einvernehmliche Regelungen der beteiligten Behörden erfolgen. Verwaltungsabkommen gehören zum Nebenrecht der Staatsorganisation und stehen neben Gesetz, Verordnung und Satzung als besondere Form der hoheitlichen Kooperation.
Rechtsnatur und Einordnung
Charakteristika und Abgrenzung
Verwaltungsabkommen sind rechtlich als wechselseitige Vereinbarungen zwischen hoheitlichen Rechtsträgern einzuordnen. Sie besitzen vertraglichen Charakter und sind als sogenannter „öffentlicher Vertrag“ (im Unterschied zum zivilrechtlichen Vertrag) nach deutschem Verwaltungsverfahrensrecht zu behandeln. Verwaltungsabkommen unterscheiden sich von Gesetzesrecht und Verwaltungsakten dadurch, dass sie nicht unmittelbar Rechte und Pflichten gegenüber dem Bürger begründen, sondern vorrangig die internen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Verwaltungsträgern regeln.
Eine wichtige Abgrenzung besteht zu Staatsverträgen: Während diese hoheitliche Absprachen zwischen Staaten oder Bundesländern auf der Grundlage von Art. 52 GG (Grundgesetz) oder Art. 32 GG betreffen und in der Regel der Zustimmung der zuständigen Parlamente bedürfen, sind Verwaltungsabkommen rein verwaltungsinterne Verständigungen, die keine Außenwirkung gegenüber Dritten entfalten.
Rechtsgrundlagen
Für den Abschluss von Verwaltungsabkommen bestehen keine ausdrücklichen verfassungs- oder einfachgesetzlichen Vorgaben; vielmehr ist ihre Zulässigkeit allgemein anerkannt, solange sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen oder in Parlamentsvorbehalte eingreifen. Ausgangspunkt ist das Prinzip der Eigenständigkeit und Eigenkompetenz der Verwaltungsträger im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben, insbesondere Art. 30 und Art. 83 ff. GG für die Verteilung der Verwaltungskompetenzen im Bundesstaat.
Formen und Erscheinungsformen
Inhaltliche Unterscheidungen
Verwaltungsabkommen können sich auf eine Vielzahl von Regelungsmaterien beziehen. Typische Anwendungsfelder sind:
- Gemeinsame Durchführung bestimmter Verwaltungsaufgaben durch mehrere Länder (z. B. Prüfungsämter, Behördenkooperation)
- Regelungen über die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen oder Dienstleistungen
- Harmonisierung von Verwaltungspraxis und -verfahren in länderübergreifenden Sachverhalten
Form und Verfahren des Abschlusses
Verwaltungsabkommen bedürfen keiner besonderen Form; sie können schriftlich oder mündlich, explizit oder konkludent abgeschlossen werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Nachweisbarkeit werden sie jedoch meist schriftlich fixiert. Die Kompetenz zum Abschluss besitzt jeweils die nach innen zuständige Stelle des Verwaltungsträgers. Da Verwaltungsabkommen keine allgemeinen Gesetzeswirkung entfalten, unterliegen sie keinen besonderen Veröffentlichungspflichten.
Rechtliche Wirkungen und Bindungswirkungen
Bindungswirkung für die Verwaltungsträger
Verwaltungsabkommen binden grundsätzlich nur die beteiligten Verwaltungsträger und entfalten keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber Dritten, insbesondere nicht gegenüber Bürgerinnen und Bürgern. Gleichwohl können sie faktisch Auswirkungen auf die Rechte oder Pflichten Dritter haben, etwa durch die einheitliche Verwaltungspraxis in bestimmten Sachbereichen.
Ein Verwaltungsabkommen wirkt als Selbstbindung der beteiligten Verwaltungsträger im Rahmen ihrer Organisations- und Aufgabenerfüllung. Die Verletzung solcher Abkommen kann im Innenverhältnis rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, gegebenenfalls auch Schadensersatzpflichten zwischen den Verwaltungsträgern, sofern eine entsprechende Regelung vorgesehen ist. Öffentliche Interessen oder zwingendes Recht können jedoch einer strikten Bindung entgegenstehen (z. B. bei späterem Parlamentsgesetz).
Verhältnis zu Parlamentsgesetzen und Rechtsverordnungen
Verwaltungsabkommen dürfen nur solche Regelungen treffen, die im gesetzlichen Kompetenzrahmen der Verwaltungsträger liegen. Sie können keine gesetzlichen Vorgaben ändern oder außer Kraft setzen. Normhierarchisch steht das Verwaltungsabkommen unterhalb von Gesetz, Rechtsverordnung und Satzung. Im Konfliktfall hat das höherrangige Recht stets Vorrang. Die Bindungswirkung entfällt, soweit gesetzgeberische Veränderungen eintreten, denen das Verwaltungsabkommen nicht angepasst wird.
Außenwirkung und Rechtsschutz
Da Verwaltungsabkommen selbst keine Außenwirkung entfalten, sind sie grundsätzlich der gerichtlichen Nachprüfung durch Verwaltungsgerichte entzogen. Erst wenn auf ihrer Grundlage Verwaltungsakte gesetzt werden, kann überprüft werden, ob diese im Einklang mit dem zugrundeliegenden Abkommen sowie dem höherrangigen Recht stehen. Eine unmittelbare Klagemöglichkeit für betroffene Dritte besteht daher regelmäßig nicht.
Beispielhafte Anwendungsbereiche
Ländergemeinsame Einrichtungen
Verwaltungsabkommen sind typisch beim gemeinsamen Betrieb von Landesbehörden, beispielsweise länderübergreifende Prüfungsämter für bestimmte Wirtschaftsprüfer oder die länderübergreifend organisierte Zentralstelle für das grenzüberschreitende Abfallmanagement.
Bund-Länder-Kooperation
Im Bereich der föderalen Kooperation können Bund und Länder über Verwaltungsabkommen etwa Regelungen zur Abstimmung im Katastrophenschutz, bei Großveranstaltungen oder in der IT-Zusammenarbeit treffen. Solche Absprachen zielen auf die effiziente Wahrnehmung gemeinsamer Verwaltungsaufgaben ab.
Kommunale Zusammenarbeit
Auch auf der kommunalen Ebene dienen Verwaltungsabkommen der Zusammenarbeit, etwa bei der Wahrnehmung von Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge, Abfallwirtschaft oder bei der gemeinsamen Nutzung von Spezialgeräten.
Abgrenzung zu anderen Rechtsinstrumenten
Staatsverträge
Staatsverträge (im Verhältnis Bund-Länder, Länder-Länder oder zwischen Staaten) bedürfen der Ratifikation durch die Parlamenten und werden durch Gesetz in Kraft gesetzt, während Verwaltungsabkommen reine Verwaltungsabsprachen sind und keiner politischen Billigung bedürfen.
Verwaltungsvereinbarungen
Verwaltungsabkommen werden häufig synonym mit dem Begriff Verwaltungsvereinbarung verwendet. Teils wird jedoch differenziert: Verwaltungsvereinbarungen können auch interne Regelungen innerhalb einer Verwaltung bezeichnen, während Verwaltungsabkommen stets der Verständigung zwischen verschiedenen selbstständigen Verwaltungsträgern dienen.
Verwaltungsakte
Verwaltungsakte sind hoheitliche Einzelmaßnahmen mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Drittbetroffenen. Verwaltungsabkommen richten sich hingegen ausschließlich an die beteiligten Verwaltungsträger.
Beendigung, Kündigung und Anpassung
Verwaltungsabkommen können zeitlich befristet oder unbefristet geschlossen werden. Für ihre Beendigung gilt vorrangig die individuelle Vereinbarung im Abkommen selbst. Mangels gesetzlicher Vorgaben sind Kündigungs- oder Anpassungsmodalitäten im Regelfall ausdrücklich zu regeln. Im Übrigen können übergeordnete öffentliche Interessen oder Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Anpassung oder Aufhebung erzwingen.
Literatur und weiterführende Hinweise
- Maurer, Hartmut: Allgemeines Verwaltungsrecht, Kapitel zur Formen und Instrumenten der verwaltungsinternen Kooperation
- Peine, Hans-Jürgen: Das Abkommen im öffentlichen Recht, in: Jura 1987, S. 97-109
- Wahl, Rüdiger: Verwaltungsrecht, 10. Auflage, Abschnitt zum Verwaltungsabkommen
Zusammenfassung:
Verwaltungsabkommen sind bedeutende Instrumente der verwaltungsinternen Kooperation zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Als vertragliche Absprachen ordnen sie die Zusammenarbeit untereinander, ohne unmittelbar rechtsverbindliche Wirkungen gegenüber Dritten zu entfalten. Ihre rechtliche Bedeutung liegt in der Förderung einer effizienten und flexiblen Verwaltungspraxis im Rahmen der Verfassungs- und Gesetzgebungskompetenzen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Abschluss eines Verwaltungsabkommens vorliegen?
Für den Abschluss eines Verwaltungsabkommens müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein, die je nach Art des Abkommens sowie der beteiligten Ebenen (z.B. Bund, Länder, Kommunen oder mit ausländischen Verwaltungsträgern) variieren können. Generell ist erforderlich, dass die beteiligten Stellen überhaupt rechtlich befugt sind, ein solches Abkommen einzugehen, was meist aus der jeweiligen Aufgaben- und Zuständigkeitsordnung hervorgeht. Zudem dürfen durch das Verwaltungsabkommen keine gesetzlichen Vorgaben umgangen oder geändert werden; es muss sich im Rahmen der geltenden Rechtsordnung bewegen. Oftmals verlangt das Haushaltsrecht eine vorherige Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde, insbesondere, wenn finanzielle Verpflichtungen eingegangen werden. Darüber hinaus können verwaltungsinterne Regelungen bestimmte Verfahren und Gremienbeteiligungen vorschreiben, beispielsweise Zustimmungspflichten durch den Landtag oder das zuständige Ministerium bei größeren Abkommen. Bei internationalen Verwaltungsabkommen ist zudem das Zustimmungserfordernis des Bundestags nach Art. 59 Abs. 2 GG zu beachten, sofern Rechte und Pflichten des Bundes betroffen sind. Schließlich kann die Form eines Verwaltungsabkommens unterschiedlich sein: Es ist meist schriftlich festzuhalten, wobei jedoch grundsätzlich keine Formvorschrift besteht, soweit nicht Spezialregelungen greifen.
Welche rechtlichen Wirkungen entfaltet ein Verwaltungsabkommen gegenüber Dritten?
Ein Verwaltungsabkommen bindet grundsätzlich nur die beteiligten Verwaltungsträger und entfaltet keine unmittelbare Außenwirkung gegenüber Dritten, insbesondere Privaten. Es besitzt den Charakter eines rein verwaltungsinternen Rechtsgeschäfts, sodass daraus grundsätzlich keine subjektiven Rechte oder Pflichten für außenstehende Personen entstehen. Dritte können aus einem Verwaltungsabkommen weder Ansprüche gegen die Verwaltung noch gegen den anderen Verwaltungsträger herleiten. Ebenso wenig können durch ein Verwaltungsabkommen bestehende Rechte oder Pflichten Dritter abgeändert werden; dies bleibt dem förmlichen Gesetzgeber vorbehalten. Die Bindungswirkung besteht ausschließlich „inter partes“, d.h. im Innenverhältnis zwischen den Vertragspartnern des Verwaltungsabkommens. Sollte jedoch ein Verwaltungsabkommen zur Grundlage für Verwaltungsakte werden, die gegenüber Dritten erlassen werden, so kann dies mittelbare Auswirkungen haben; in diesen Fällen bleibt jedoch jeder Verwaltungsakt selbstständig rechtlich überprüfbar.
Kann durch ein Verwaltungsabkommen Gesetzesrecht modifiziert werden?
Ein Verwaltungsabkommen ist formal und materiell dem einfachen Gesetzesrecht nachgeordnet und kann daher keine Bestimmungen des Gesetzesrechts aufheben, abändern oder erweitern. Verstöße gegen zwingendes Recht führen zur Teilnichtigkeit des Verwaltungsabkommens oder lassen es insgesamt als unwirksam erscheinen. Soweit Gesetze oder Rechtsverordnungen bestehende Regelungen treffen, müssen sich die Parteien eines Verwaltungsabkommens hieran halten; das Abkommen darf lediglich die Ausführung, Handhabung oder Koordination gesetzlicher Vorgaben der beteiligten Stellen untereinander regeln. Ausnahmen bestehen nur, insoweit das Gesetz ausdrücklich die Möglichkeit abweichender verwaltungsrechtlicher Vereinbarungen vorsieht oder den Verwaltungsträgern entsprechende Gestaltungsspielräume einräumt. Im Falle einer Kollision mit höherrangigem Recht ist stets das Gesetz vorrangig zu beachten.
Unterliegt der Abschluss eines Verwaltungsabkommens besonderen Kontrollen?
Ja, der Abschluss eines Verwaltungsabkommens kann verschiedenen rechtlichen und verwaltungsinternen Kontrollmechanismen unterliegen. Zunächst muss die Zuständigkeit der abschließenden Behörden zweifelsfrei sein, was oft durch interne Prüfungen sichergestellt wird. In bestimmten Fällen ist die Zustimmung übergeordneter oder aufsichtführender Stellen einzuholen, insbesondere wenn es sich um Fragen von erheblicher rechtlicher, finanzieller oder politischer Tragweite handelt. Bei grenzüberschreitenden oder internationalen Verwaltungsabkommen bestehen oft Melde- oder Anzeigepflichten gegenüber dem Auswärtigen Amt oder parlamentarische Kontrollrechte. Aber auch nach Abschluss kann ein Verwaltungsabkommen gerichtlich überprüfbar sein, etwa im Rahmen einer kommunalaufsichtlichen Beanstandung oder wenn im Zusammenhang mit dessen Umsetzung Rechtsstreitigkeiten entstehen. Dabei sind vor allem die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und das Willkürverbot maßgeblich.
Wie kann ein Verwaltungsabkommen beendet oder geändert werden?
Die Beendigung oder Änderung eines Verwaltungsabkommens richtet sich primär nach dessen vertraglichen Bestimmungen. In der Praxis enthalten Verwaltungsabkommen üblicherweise Regelungen zu Laufzeit, Kündigungsrecht, Änderungen und dem Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten. Ist nichts vereinbart, gelten die allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts und des öffentlichen Rechts, z.B. das Recht zur einvernehmlichen Aufhebung oder zur Kündigung aus wichtigem Grund. Besonders gravierende Änderungen der Sach- oder Rechtslage können ein Anpassungs- oder Kündigungsrecht begründen, insbesondere wenn das Abkommen aufgrund nachträglich eintretender Umstände zwecklos oder gar rechtswidrig würde. Werden mit dem Verwaltungsabkommen Rechtspositionen Dritter berührt, sind deren rechtliche Belange auch nach Änderung oder Beendigung zu wahren. Bei internationalen Verwaltungsabkommen gelten ergänzend völkerrechtliche Grundsätze, insbesondere das pacta sunt servanda sowie spezifische Beendigungsregeln.
Welche Unterschiede bestehen zwischen einem Verwaltungsabkommen und einem öffentlich-rechtlichen Vertrag?
Verwaltungsabkommen sind verwaltungsinterne Abspracheinstrumente, die ausschließlich zwischen Verwaltungsträgern geschlossen werden und keine unmittelbare rechtliche Außenwirkung entfalten. Sie sind daher von öffentlich-rechtlichen Verträgen zu unterscheiden, die zwischen einem Verwaltungsträger und einem Privaten unter Nutzung der Instrumente des Verwaltungsverfahrensgesetzes (§§ 54 ff. VwVfG) abgeschlossen werden und unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber Dritten begründen können. Während öffentlich-rechtliche Verträge gesetzlich einer spezialisierten Regelung und gerichtlichen Kontrolle unterliegen, verbleiben Verwaltungsabkommen in der Sphäre zwischen den Beteiligten und sind grundsätzlich keine tauglichen Rechtsgrundlagen für belastende Maßnahmen gegenüber Dritten. Die Regelungskompetenz ist somit bei Verwaltungsabkommen auf das Innenverhältnis zwischen Verwaltungsträgern beschränkt.