Legal Lexikon

Vertreter


Begriff und rechtliche Grundlagen des Vertreters

Der Begriff des Vertreters bezeichnet im deutschen Recht eine Person, die berechtigt und verpflichtet ist, im Namen eines anderen (des Vertretenen) rechtsgeschäftlich zu handeln. Die Vertretung stellt ein zentrales Institut im Zivilrecht dar und regelt die Möglichkeit, dass eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung nicht von der unmittelbar betroffenen natürlichen oder juristischen Person selbst, sondern durch einen Dritten abgegeben oder entgegengenommen wird. Die wesentliche gesetzliche Grundlage findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 164 bis 181 BGB.

Voraussetzungen der Vertretung

Vertretungsmacht

Ein wesentliches Element der Vertretung ist die Vertretungsmacht. Sie ist die rechtliche Befugnis des Vertreters, im Namen des Vertretenen zu handeln. Die Vertretungsmacht kann auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruhen.

Gesetzliche Vertretungsmacht

Gesetzliche Vertreter sind Personen, denen das Gesetz die Berechtigung und Pflicht zur Vertretung überträgt. Typische Fälle sind die elterliche Sorge bei minderjährigen Kindern (§ 1629 BGB) oder der Vorstand eines Vereins (§ 26 BGB).

Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht)

Eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht wird durch die Erteilung einer Vollmacht begründet. Die Vollmacht ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Vollmachtgebers an den Vertreter oder an den Geschäftspartner des Vertreters (§ 167 BGB).

Offenkundigkeitsprinzip

Der Vertreter muss offenlegen, dass er im Namen des Vertretenen handelt (Offenkundigkeit). Gemäß § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB entfaltet ein Vertretergeschäft grundsätzlich nur dann Wirkung für und gegen den Vertretenen, wenn der Dritte weiß oder erkennen kann, dass der Vertreter nicht als eigene Person, sondern für einen anderen auftritt.

Geschäftsfähigkeit des Vertreters und des Vertretenen

Der Vertreter muss zumindest geschäftsfähig im Rahmen der durch die Vertretungsmacht gesetzten Grenzen sein, während der Vertretene nicht voll geschäftsfähig sein muss (beispielsweise bei Eltern als Vertreter ihrer minderjährigen Kinder).

Arten der Vertretung

Unmittelbare und mittelbare Stellvertretung

Bei der unmittelbaren Stellvertretung handelt der Vertreter im Namen und für Rechnung des Vertretenen, sodass die Rechtsfolgen unmittelbar beim Vertretenen eintreten. Die mittelbare Stellvertretung, insbesondere im Handelsrecht als Kommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB), ist davon dadurch unterschieden, dass der Vertreter zwar für einen anderen handelt, aber im eigenen Namen auftritt.

Einzel- und Gesamtvertretung

Ist nur ein Vertreter bestellbar, spricht man von Einzelvertretung. Bei mehreren Vertretern ist Gesamtvertretung dann gegeben, wenn diese nur gemeinschaftlich handeln dürfen, was typischerweise bei Vorstandsgremien einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH der Fall ist.

Wirkungen der Vertretung

Wird ein wirksames Vertretergeschäft abgeschlossen, treten die Rechtsfolgen unmittelbar beim Vertretenen ein (§ 164 Abs. 1 BGB). Dies gilt sowohl für Verpflichtungsgeschäfte als auch für Verfügungsgeschäfte.

Grenzen der Vertretung

Insichgeschäfte

Insichgeschäfte, auch Selbstkontrahieren genannt, sind gemäß § 181 BGB grundsätzlich unzulässig, sofern nicht der Vertretene diesen ausdrücklich gestattet hat, es sich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt oder das Geschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht.

Missbrauch der Vertretungsmacht

Ein Vertreter überschreitet seine Vertretungsmacht oder handelt entgegen der Interessen des Vertretenen. Die Rechtswirkungen eines rechtsmissbräuchlichen Handelns sind umstritten und hängen häufig von den Umständen des Einzelfalls ab.

Erlöschen der Vertretungsmacht

Die Vertretungsmacht kann aus verschiedenen Gründen erlöschen, etwa durch Zeitablauf, Widerruf, Erfüllung des zugrundeliegenden Geschäfts oder durch den Tod des Vertretenen oder des Vertreters, sofern nicht anders geregelt (§ 168 BGB).

Sonderformen der Vertretung

Organschaftliche Vertretung

Dies betrifft insbesondere juristische Personen und Personengesellschaften, wie etwa Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer Aktiengesellschaft. Die organschaftliche Vertretung ist gesetzlich normiert und in der Regel im Handelsregister verzeichnet.

Prokura und Handlungsvollmacht

Im Handelsrecht gibt es spezielle Formen der Vertretungsmacht:

  • Prokura (§§ 48 ff. HGB): Eine umfassende, vom Inhaber eines Handelsgeschäfts erteilte Vertretungsmacht mit weitgehenden Befugnissen.
  • Handlungsvollmacht (§ 54 HGB): Bezieht sich auf bestimmte Arten von Geschäften und ist weniger weitgehend als die Prokura.

Vertretung im Prozessrecht

Im Zivilprozessrecht werden Parteien in spezifischen Fällen durch einen Vertreter – in der Regel einen Prozessbevollmächtigten – vor Gericht vertreten. Die Vertretung im gerichtlichen Verfahren ist insbesondere durch die Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt.

Vertretung im internationalen Privatrecht

Die Regeln zur Vertretung finden auch im internationalen Privatrecht Anwendung. Insbesondere ist dabei zu beachten, welches Recht auf die Vertretungsmacht und das Vertretergeschäft anwendbar ist. Maßgeblich sind hier die Bestimmungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) sowie einschlägige europäische Verordnungen.

Bedeutung des Vertreters im Rechtsverkehr

Die Vertretung dient der Förderung und Vereinfachung des Rechtsverkehrs, insbesondere für Unternehmen und Personen, die nicht selbst tätig werden können oder wollen. Das Vertretungsrecht ermöglicht eine Vielzahl wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Konstellationen und ist heute aus dem deutschen und internationalen Rechtsleben nicht mehr wegzudenken.


Quelle: Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Handelsgesetzbuch (HGB) in der jeweils aktuellen Fassung bieten die maßgeblichen Regelungen zur Vertretung. Für die praktische Handhabung sollte stets der aktuelle Stand der Gesetzgebung sowie einschlägige Rechtsprechung beachtet werden.

Häufig gestellte Fragen

Wann muss ein Vertreter einen Vertretungsmacht nachweisen und wie erfolgt dieser Nachweis im rechtlichen Kontext?

Der Nachweis der Vertretungsmacht ist insbesondere dann erforderlich, wenn der Vertreter im Namen des Vertretenen rechtsgeschäftlich handelt und der Geschäftspartner Zweifel an der Bevollmächtigung hat. Grundsätzlich ist die Vertretungsmacht keine Wirksamkeitsvoraussetzung des Geschäfts, sondern betrifft das Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem; dennoch steht dem Geschäftspartner das Recht zu, bei berechtigtem Interesse einen Nachweis zu verlangen. Der Nachweis kann durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde erfolgen, etwa schriftlich oder in besonderen Fällen notariell beglaubigt. Fehlt eine solche Urkunde oder wird sie nicht anerkannt, kann der Geschäftspartner das Geschäft verweigern oder – im Falle einer sogenannten Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177 BGB) – auf die Genehmigung des Vertretenen bestehen. In bestimmten Situationen, wie etwa bei notariellen Verträgen (Kaufverträge über Grundstücke, GmbH-Gründungen etc.), ist schon von Gesetzes wegen eine schriftliche oder notarielle Bevollmächtigung zwingend vorgeschrieben. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr ist häufig die Vorlage einer Prokura ausreichend. Im Streitfall kann der Nachweis auch im Wege eines gerichtlichen Verfahrens, etwa durch Zeugenaussagen oder andere Beweismittel, erbracht werden.

Welche Pflichten treffen den Vertreter im Rahmen seiner rechtsgeschäftlichen Tätigkeit?

Ein Vertreter ist verpflichtet, nach Maßgabe der ihm erteilten Vertretungsmacht und der Weisungen des Vertretenen zu handeln. Dabei hat er die Interessen des Vertretenen zu wahren und jedweden Interessenkonflikt zu vermeiden. Pflichtwidrigkeiten, wie das Überschreiten der Vertretungsmacht, lösen regelmäßig Haftungsfragen aus. Ferner ist der Vertreter zur ordnungsgemäßen Information und gegebenenfalls zur Rechenschaftslegung gegenüber dem Vertretenen verpflichtet, sofern dies besonders vereinbart oder gesetzlich vorgeschrieben ist (etwa bei der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677 ff. BGB). Handelt der Vertreter entgegen den Weisungen oder missbraucht seine Stellung, kann er auf Schadensersatz haften, sowohl gegenüber dem Vertretenen als auch im besonderen Fall gegenüber Dritten, sollten diese durch das Verhalten des Vertreters Schaden erleiden und eine eigene Anspruchsgrundlage (z.B. culpa in contrahendo, unerlaubte Handlung) besteht.

In welchen Fällen haftet der Vertreter persönlich gegenüber dem Geschäftspartner?

Die persönliche Haftung des Vertreters kann insbesondere in den Fällen eintreten, in denen er ohne Vertretungsmacht gehandelt hat (§ 179 BGB). In diesen Fällen kann der Geschäftspartner wahlweise die Erfüllung des Geschäfts oder Schadensersatz verlangen, sofern der Vertretene das Geschäft nicht genehmigt. Eine Haftung tritt nicht ein, wenn der Vertreter seinen Mangel an Vertretungsmacht offenlegt oder der Geschäftspartner diesen kennt oder kennen muss. Bei Scheingeschäften sowie bei Kollusion mit dem Geschäftspartner kann die Haftung sowohl straf- als auch zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen. Unabhängig davon kann eine persönliche Haftung entstehen, wenn der Vertreter eigene rechtsgeschäftliche Verpflichtungen eingegangen ist (z.B. als Mitunterzeichner) oder eine Haftungsübernahme ausdrücklich vereinbart wurde.

Welche Formerfordernisse gelten für die Erteilung einer Vollmacht?

Die Erteilung einer Vollmacht ist grundsätzlich formfrei möglich, d. h. sie kann mündlich, schriftlich oder auch konkludent erfolgen. Eine Ausnahme besteht, wenn das Grundgeschäft einer besonderen Form bedarf (§ 167 Abs. 2 BGB). Beispielsweise muss eine Vollmacht, die zum Erwerb von Grundstücken berechtigt, nach § 311b BGB schriftlich und teilweise sogar notariell erfolgen. Bei der Prokura verlangt § 48 HGB eine ausdrückliche, schriftliche Erteilung. Im Rechtsverkehr empfiehlt sich zur Beweisführung regelmäßig eine schriftliche Ausfertigung der Vollmacht, auch wenn das Gesetz nicht ausdrücklich darauf abstellt. Gleichwohl kann die Formfreiheit durch Parteienvereinbarung eingeschränkt werden, was in vielen Unternehmen (z.B. durch Unterschriftenregelungen oder Geschäftsordnungen) vorgegeben wird.

Kann die Vertretungsmacht nachträglich genehmigt werden, und welche Rechtsfolgen hat dies?

Nach § 177 BGB kann ein ohne Vertretungsmacht abgeschlossener Vertrag durch den Vertretenen nachträglich genehmigt werden. Die Genehmigung wirkt rückwirkend (ex tunc), so dass das Geschäft von Anfang an als wirksam zustande gekommen gilt. Bis zur Genehmigung ist der Vertrag schwebend unwirksam; verweigert der Vertretene die Genehmigung, ist das Rechtsgeschäft endgültig unwirksam, und der Vertreter kann ggf. nach § 179 BGB persönlich haftbar gemacht werden. Die Genehmigung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen, muss jedoch unzweideutig erteilt werden. Wird eine Genehmigung verweigert, ist das Geschäft endgültig nichtig, es sei denn, es greifen Ausnahmen, etwa bei Vertretergeschäften im öffentlichen Recht.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Einzel- und Gesamtvertretung?

Bei der Einzelvertretung ist eine Person alleine berechtigt, für den Vertretenen zu handeln, während bei der Gesamtvertretung mehrere Vertreter nur gemeinsam handeln dürfen. Die Art der Vertretung ergibt sich aus dem Gesetz, der Satzung (z.B. einer GmbH oder eines Vereins) oder einer individuellen Vollmacht. Die Gesamtvertretung ist insbesondere im Gesellschaftsrecht verbreitet; sie soll die Kontrolle und die Absicherung der Interessen des Vertretenen erhöhen. Im Außenverhältnis muss der Geschäftspartner darauf achten, dass alle zur Gesamtvertretung befugten Personen das Geschäft unterzeichnen, da sonst das Geschäft mangels Vertretungsmacht unwirksam sein kann. Von der Gesamtvertretung zu unterscheiden ist die organschaftliche Vertretung, etwa durch den Geschäftsführer einer GmbH oder den Vorstand einer AG, die ebenfalls Regelungsmechanismen unterliegt.

Wie und unter welchen Voraussetzungen kann eine erteilte Vollmacht widerrufen werden?

Die Vollmacht ist grundsätzlich jederzeit widerruflich, auch wenn sie als unwiderruflich bezeichnet oder auf bestimmte Zeit erteilt wurde (§ 168 Satz 2 BGB). Der Widerruf erfolgt entweder ausdrücklich oder konkludent, etwa durch die Rücknahme der Vollmachtsurkunde. Für den Geschäftspartner ist der Widerruf jedoch erst dann wirksam, wenn er von ihm Kenntnis erlangt, es sei denn, die Vollmacht war für das Innenverhältnis ausgestellt (Innenvollmacht). Bei der Außenvollmacht erlangt der Widerruf erst Wirksamkeit, wenn der Dritte informiert wird. In manchen Fällen, wie z.B. bei Notarvollmachten oder bei Prozessvollmachten, bestehen besondere Widerrufsregeln. Ein durch Widerruf vorzeitig entlassenes Vertretungsverhältnis kann im Übrigen auch Schadensersatzpflichten beim Vertretenen auslösen, wenn etwa eine treuwidrige Entziehung der Vertretungsmacht vorliegt.