Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Verteidiger

Verteidiger

Begriff und Stellung des Verteidigers

Ein Verteidiger ist die rechtskundige Vertretung einer beschuldigten oder angeklagten Person im Strafverfahren. Er wahrt die Verfahrensrechte, wirkt auf ein faires Verfahren hin und bringt entlastende Gesichtspunkte in das Verfahren ein. Der Verteidiger handelt unabhängig, allein den Interessen der vertretenen Person verpflichtet und ist an Recht und Gesetz gebunden.

Aufgaben und Funktionen

Wahrung der Verfahrensrechte

Der Verteidiger achtet auf die Einhaltung aller Verfahrensregeln. Dazu gehört insbesondere, Zugangsrechte zu Informationen durchzusetzen, unzulässige Eingriffe in Grundrechte zu beanstanden und die Gleichbehandlung im Verfahren sicherzustellen.

Mitwirkung an der Sachaufklärung

Der Verteidiger trägt dazu bei, das Tatgeschehen umfassend zu beleuchten. Er macht entlastende Umstände geltend, stellt Fragen an Zeugen, beantragt Beweiserhebungen und prüft, ob vorliegende Beweise verwertbar sind.

Einordnung und Kommunikation

Der Verteidiger erklärt den Ablauf des Verfahrens, die Bedeutung prozessualer Entscheidungen und die möglichen Folgen, um informierte Entscheidungen der vertretenen Person zu ermöglichen.

Beginn und Bestellung des Verteidigers

Wahlverteidiger

Ein Wahlverteidiger wird von der beschuldigten Person selbst ausgewählt und beauftragt. Er übernimmt die Vertretung ab Mandatserteilung und kann in allen Verfahrensabschnitten tätig werden.

Pflichtverteidiger

Ein Pflichtverteidiger wird durch das Gericht beigeordnet, wenn die Mitwirkung einer Verteidigung gesetzlich notwendig ist. Dies betrifft insbesondere Verfahren mit erheblicher Schwere, bei Untersuchungshaft, bei erkennbaren Verständigungsschwierigkeiten oder wenn die verfahrensrechtliche Komplexität eine Verteidigung erforderlich macht. Die beigeordnete Person ist in ihrer Tätigkeit unabhängig; die vertretene Person kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Wechsel anregen.

Rechte des Verteidigers

Akteneinsicht

Der Verteidiger kann Einsicht in die Ermittlungs- und Verfahrensakten nehmen, um den Sachverhalt, Beweise und Verfahrensschritte zu prüfen. Dadurch wird eine fundierte Verfahrensbeteiligung ermöglicht.

Anwesenheits- und Fragerechte

Bei Vernehmungen und in der Hauptverhandlung darf der Verteidiger anwesend sein, Fragen stellen, Einwände erheben und Anträge zur Verfahrensgestaltung und Beweiserhebung stellen.

Antrags- und Beweisantragsrechte

Der Verteidiger kann Beweisanträge, Beweisermittlungsanträge, Ablehnungsanträge gegen Verfahrensbeteiligte sowie Anträge zur Unterbrechung, Aussetzung oder Einstellung des Verfahrens stellen, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist.

Rechtsmittel

Der Verteidiger kann im Namen der vertretenen Person Rechtsmittel einlegen und begründen, etwa gegen Entscheidungen in der Ermittlungsphase, gegen Urteile oder Beschlüsse.

Vertrauliche Kommunikation

Besuche, Gespräche und Schriftverkehr zwischen Verteidiger und Mandantschaft unterliegen einem besonderen Vertrauensschutz. Dies gilt auch bei Haft, wo Kontaktmöglichkeiten gesetzlich abgesichert sind.

Schutz des Vertrauensverhältnisses

Unterlagen aus der Verteidigertätigkeit und die Kommunikation mit der Mandantschaft genießen einen erhöhten Schutz vor staatlichem Zugriff. Ziel ist, die unbefangene und effektive Verteidigung zu sichern.

Pflichten und Grenzen

Verschwiegenheit

Der Verteidiger ist zur Verschwiegenheit über alles verpflichtet, was ihm in Ausübung seiner Tätigkeit anvertraut oder bekannt wird. Diese Pflicht dient dem Vertrauensverhältnis und gilt zeitlich unbegrenzt.

Wahrheit und Redlichkeit im Verfahren

Der Verteidiger darf keine unwahren Beweismittel einführen, keine Beweise manipulieren und keine unzulässigen Verfahrensvorteile anstreben. Er darf die Aussage der vertretenen Person nicht verfälschen oder fingierte Geschehensabläufe präsentieren.

Loyalität und Interessenkonflikte

Der Verteidiger wahrt ausschließlich die Interessen der vertretenen Person. Bestehen Interessenkonflikte, etwa bei Verteidigung mehrerer Personen mit widerstreitenden Interessen, ist eine Mandatsführung unzulässig.

Auftreten in der Öffentlichkeit

Erklärungen gegenüber Medien müssen das faire Verfahren und Persönlichkeitsrechte wahren; unzulässige Einflussnahmen sind untersagt.

Verteidigung im Verfahrensablauf

Ermittlungsverfahren

Der Verteidiger prüft die Zulässigkeit von Ermittlungsmaßnahmen, begleitet Vernehmungen, stellt Anträge zur Beweiserhebung und achtet auf die Wahrung der Verfahrensrechte.

Zwischenverfahren

Nach Erhebung der Anklage kann der Verteidiger Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens vorbringen und die Beweislage erneut bewerten.

Hauptverhandlung

Der Verteidiger wirkt an der Beweisaufnahme mit, stellt Beweisanträge, hält Plädoyers und beanstandet Verfahrensverstöße. Er achtet darauf, dass die Rechte der vertretenen Person im Sitzungssaal gewahrt bleiben.

Rechtsmittelverfahren

Im Anschluss an eine Entscheidung kann der Verteidiger Rechtsmittel einlegen und begründen. Er überprüft, ob Verfahrens- oder Sachfehler vorliegen und ob eine Korrektur in Betracht kommt.

Kosten und Vergütung

Beim Wahlverteidiger richtet sich die Vergütung nach den gesetzlichen Gebühren oder einer gesonderten Honorarvereinbarung. Neben Gebühren können Auslagen wie Reisekosten und Kopierkosten anfallen.

Der Pflichtverteidiger wird aus öffentlichen Mitteln vergütet. Abhängig vom Ausgang des Verfahrens kann eine spätere Erstattung von Kosten durch die verurteilte Person angeordnet werden. Die Qualität der Verteidigung ist unabhängig von der Art der Bestellung gleichgerichtet.

Abgrenzungen zu anderen Rollen

Der Verteidiger vertritt die beschuldigte oder angeklagte Person. Davon zu unterscheiden sind die Vertretung von Nebenklageberechtigten, die die Opferseite stärkt, sowie der Zeugenbeistand, der allein die Rechte von Zeugen in ihrer Vernehmung schützt. In Bußgeldverfahren kann die Rolle der Verteidigung in ähnlicher Weise ausgeübt werden. In zivil- und verwaltungsrechtlichen Verfahren wird üblicherweise von Prozessvertretung oder Bevollmächtigung gesprochen; der Begriff Verteidiger ist dort unüblich.

Häufig gestellte Fragen

Wer darf Verteidiger sein?

Als Verteidiger treten in der Regel zur Vertretung befugte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auf. In bestimmten, eng umgrenzten Fällen können auch andere zur Verteidigung zugelassen sein; in Strafsachen ist die Vertretung durch hierzu befugte Rechtsanwälte der Regelfall.

Was ist der Unterschied zwischen Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger?

Der Wahlverteidiger wird privat ausgewählt und beauftragt. Der Pflichtverteidiger wird durch das Gericht beigeordnet, wenn die Mitwirkung einer Verteidigung gesetzlich notwendig ist. Beide handeln unabhängig und vertreten die Interessen der mandatierten Person in gleicher Weise.

Wann ist ein Verteidiger zwingend vorgesehen?

Eine Verteidigung ist insbesondere dann unverzichtbar, wenn die Schwere der Vorwürfe oder die möglichen Rechtsfolgen erheblich sind, wenn Untersuchungshaft vollzogen wird oder wenn die beschuldigte Person ersichtlich nicht in der Lage ist, ihre Rechte selbst zu wahren. Auch besondere Schwierigkeit oder rechtliche Komplexität können die Bestellung erforderlich machen.

Welche Rechte hat der Verteidiger im Ermittlungsverfahren?

Er kann Akteneinsicht nehmen, an Vernehmungen teilnehmen, Fragen stellen, Beweiserhebungen anregen und gegen unzulässige Maßnahmen Einwände erheben. Zudem überwacht er die Einhaltung der Verfahrensrechte der beschuldigten Person.

Darf der Verteidiger mit der beschuldigten Person vertraulich kommunizieren?

Ja. Gespräche und Schriftverkehr sind besonders geschützt. Auch in Haft besteht ein abgesicherter Zugang zur vertraulichen Kommunikation, damit die Verteidigung ohne Beeinträchtigungen stattfinden kann.

Kann der Verteidiger Beweisanträge stellen?

Ja. Der Verteidiger kann Beweisanträge und Beweisermittlungsanträge einreichen. Das Gericht prüft die Zulässigkeit und Erheblichkeit; unzulässige oder offensichtlich ungeeignete Anträge können zurückgewiesen werden.

Ist ein Wechsel des Verteidigers möglich?

Ein Wechsel des Wahlverteidigers ist grundsätzlich möglich. Bei Pflichtverteidigung kann ein Wechsel in Betracht kommen, wenn gewichtige Gründe vorliegen, etwa nachhaltige Störungen des Vertrauensverhältnisses. Über den Wechsel entscheidet das Gericht.

Wer trägt die Kosten der Verteidigung?

Bei Wahlverteidigung trägt die vertretene Person grundsätzlich die Kosten nach Gebührenrecht oder Vereinbarung. Bei Pflichtverteidigung erfolgt die Vergütung aus öffentlichen Mitteln; je nach Ausgang des Verfahrens kann eine spätere Kostentragung durch die verurteilte Person angeordnet werden.