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Verteidiger


Begriff und Rolle des Verteidigers im Rechtssystem

Der Begriff Verteidiger beschreibt im rechtlichen Kontext eine Person, die eine Partei, insbesondere im Strafverfahren, rechtsförmlich vertritt und ihre Interessen wahrnimmt. Insbesondere im Strafrecht kommt dem Verteidiger eine zentrale Bedeutung zu: Er verteidigt die Rechte des Beschuldigten oder Angeklagten im Verfahren gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und vor Gericht. Die Tätigkeit des Verteidigers ist sowohl ein Instrument zur Durchsetzung von Verfahrensgrundrechten als auch eine Voraussetzung für ein faires Verfahren gemäß den Grundsätzen rechtsstaatlicher Justiz.


Rechtliche Grundlagen des Verteidigers

Strafprozessordnung und gesetzliche Basis

Die zentralen Vorschriften über den Verteidiger finden sich in der Strafprozessordnung (StPO), insbesondere in den §§ 137 ff. StPO. Die Rolle, Bestellung, Aufgaben und Befugnisse des Verteidigers werden darin detailliert geregelt. Art. 6 Abs. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistet zudem das Recht auf Verteidigung durch einen Verteidiger eigener Wahl.

Zulassung und Bestellung zum Verteidiger

Ein Verteidiger im Strafverfahren ist im Allgemeinen ein zur Vertretung vor Gericht befugter Rechtsanwalt. Die Bestellung zum Verteidiger kann durch den Mandanten (Wahlverteidiger) oder durch das Gericht (Pflichtverteidiger) erfolgen.

Wahlverteidiger:
Der Beschuldigte kann grundsätzlich frei denjenigen auswählen, den er mit der Verteidigung beauftragen will. Die Bestellung erfolgt durch eine entsprechende Vollmacht.

Pflichtverteidiger:
In bestimmten Fällen schreibt das Gesetz die Mitwirkung eines Verteidigers zwingend vor (notwendige Verteidigung), beispielsweise bei schweren Straftaten oder wenn der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann. Hier erfolgt die Bestellung durch das Gericht.

Unvereinbarkeit und Ausschlussgründe

Zur Wahrung der Verfahrensgerechtigkeit ist die Übernahme der Verteidigung durch bestimmte Personen ausgeschlossen. Insbesondere dürfen Richter, Staatsanwälte sowie Beamte der Ermittlungsbehörden nicht als Verteidiger auftreten. Weitere Ausschlussgründe können persönliche Beziehungen zwischen Verteidiger und Partei oder ein Interessenkonflikt sein.


Aufgaben und Pflichten des Verteidigers

Verteidigung der Rechte des Mandanten

Hauptaufgabe des Verteidigers ist es, die Rechte des Beschuldigten/Angeklagten in jeder Phase des Verfahrens zu schützen. Dazu gehören unter anderem:

  • Beratung und Aufklärung über Rechte und Risiken
  • Akteneinsicht (§ 147 StPO)
  • Antragsstellung, Beweisanträge sowie sonstige prozessuale Initiativen
  • Teilnahme an Vernehmungen, Hauptverhandlung und anderen Verfahrenshandlungen

Schweigepflicht und Verschwiegenheit

Der Verteidiger unterliegt einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 BRAO). Alle Informationen, die im Rahmen der Mandatsbeziehung bekannt werden, dürfen ohne ausdrückliche Zustimmung des Mandanten nicht weitergegeben werden. Verstöße gegen die Schweigepflicht sind strafbewehrt.

Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit

Der Verteidiger ist in der Ausübung seiner Tätigkeit unabhängig und ausschließlich den Interessen des Mandanten verpflichtet. Er ist jedoch an Recht und Gesetz gebunden. Ein Weisungsrecht Dritter besteht nicht.

Sorgfaltspflichten

Der Verteidiger ist verpflichtet, die Interessen des Mandanten mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen und alle rechtlichen Möglichkeiten zu dessen Gunsten auszuschöpfen. Dazu zählt auch die Pflicht, sich regelmäßig fortzubilden und immer den aktuellen rechtlichen Rahmen zu berücksichtigen.


Verteidiger in verschiedenen Verfahrensarten

Strafverfahren

Im Strafverfahren ist der Verteidiger zentrale Instanz im Rahmen des Prinzips der Waffengleichheit. Er nimmt als Beistand des Beschuldigten an allen wesentlichen Verfahrensabschnitten teil und ist befugt, prozessuale Rechte (z. B. Beweisanträge, Rechtsmittel) geltend zu machen.

Ordnungswidrigkeitenrecht

Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren kann sich der Betroffene durch einen Verteidiger vertreten lassen, etwa im Bußgeldverfahren, wobei sich die Rechte des Verteidigers analog zum Strafverfahren gestalten.

Jugendstrafrecht

Besondere Vorschriften gelten im Jugendstrafverfahren (§ 68 JGG). Hier ist die Bestellung eines Verteidigers häufiger zwingend vorgesehen, etwa wenn das Verfahren zu besonders schweren Konsequenzen führen kann oder die Interessenwahrnehmung des Jugendlichen gefährdet ist.


Rechte des Verteidigers

Akteneinsichtsrecht

Ein zentrales Recht des Verteidigers ist die Akteneinsicht. Dies ermöglicht eine sachgerechte Vorbereitung der Verteidigung und ist Voraussetzung für das rechtliche Gehör. Die Akteneinsicht umfasst sämtliche Unterlagen, die für das Verfahren von Bedeutung sind.

Anwesenheit und Mitwirkung im Verfahren

Der Verteidiger hat das Recht, an sämtlichen Vernehmungen sowie an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Er darf dem Beschuldigten beistehen, Fragen stellen und Prozesshandlungen wie Anträge und Erklärungen abgeben.

Kontakt zum Mandanten

Dem Verteidiger steht der uneingeschränkte Kontakt zum Mandanten, auch in Untersuchungshaft, zu. Die Verteidigung darf durch Behörden nicht überwacht oder beeinträchtigt werden (sog. Verteidigungsprivileg).


Pflichten und Grenzen des Verteidigers

Verbot der Beihilfe zur Strafvereitelung

Der Verteidiger darf das Verfahren nicht bewusst in rechtswidriger Weise behindern oder zur Strafvereitelung beitragen. Die Standespflichten und das Strafrecht ziehen hier klare Grenzen.

Wahrheitspflicht

Trotz der Aufgabe, den Mandanten bestmöglich zu vertreten, unterliegt der Verteidiger keiner Wahrheitspflicht im engeren Sinn, ist jedoch verpflichtet, keine wissentlich falschen Tatsachen vorzutragen oder zu Beweiszwecken zu produzieren.

Interessenkonflikte und Mandatsniederlegung

Besteht ein Interessenkonflikt, etwa durch die Mandatierung mehrerer beschuldigter Personen mit widerstreitenden Interessen, hat der Verteidiger das Mandat niederzulegen.


Der Verteidiger im internationalen Recht

Das Recht auf Verteidigung findet sich nicht nur im nationalen Recht, sondern ist durch internationale Abkommen, wie die Europäische Menschenrechtskonvention (Art. 6 EMRK) und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Art. 14) gewährleistet. Diese Vorschriften sichern dem Beschuldigten umfassende Verteidigungsrechte im Strafverfahren zu.


Historische Entwicklung und Bedeutung

Das Recht auf Verteidigung ist ein wesentliches Element moderner Rechtsstaatlichkeit. Die Möglichkeit, sich durch einen Verteidiger beraten und vertreten zu lassen, wurde im Lauf der Rechtsgeschichte immer weiter ausgebaut und ist heute integraler Bestandteil eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Es trägt dazu bei, die Chancengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung zu gewährleisten und Fehlurteile zu verhindern.


Literaturhinweise

  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)
  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
  • Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
  • Kommentar zur StPO (Meyer-Goßner/Schmitt)
  • Löwe-Rosenberg, StPO Kommentar

Fazit

Der Verteidiger nimmt im Rechtssystem eine zentrale und unverzichtbare Rolle ein. Seine gesetzlichen Befugnisse, Pflichten und Rechte sichern ein faires Verfahren und wahren die Interessen der verteidigten Partei. Die rechtliche Ausgestaltung der Verteidigung ist ein wesentliches Element rechtsstaatlicher Verfahren und bildet eine der wichtigsten Säulen der Strafrechtspflege.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben hat ein Verteidiger im Strafverfahren?

Der Verteidiger im Strafverfahren übernimmt eine Vielzahl von Aufgaben, um die Rechte und Interessen des Beschuldigten bestmöglich zu vertreten. Er ist in jeder Phase des Strafverfahrens befugt, Akteneinsicht zu nehmen (§ 147 StPO), Beweisanträge zu stellen, Anträge und Erklärungen abzugeben sowie Zweifel an der Rechtmäßigkeit von polizeilichen oder richterlichen Maßnahmen zu äußern. Der Verteidiger prüft die Eröffnung und den Inhalt eines Strafverfahrens, entwickelt gemeinsam mit dem Mandanten eine Verteidigungsstrategie und wahrt dabei das Recht auf ein faires Verfahren. Während der Ermittlungen kann der Verteidiger bei polizeilichen Vernehmungen anwesend sein, Stellungnahmen vorbereiten und entlastendes Material beschaffen. Im gerichtlichen Hauptverfahren plädiert er, stellt prozessuale Anträge, befragt Zeugen und Sachverständige und stellt sicher, dass Rechte des Mandanten nicht verletzt werden. Bei Freiheitsentzug achtet er darauf, dass dessen Bedingungen angemessen sind und überprüft Haftentscheidungen. Nach einer Verurteilung setzt sich der Verteidiger mit Rechtsmitteln wie Berufung oder Revision weiter für den Mandanten ein. Im gesamten Verlauf wahrt er die Schweigepflicht und unterliegt strengen standesrechtlichen Regeln.

Wie erfolgt die Bestellung eines Pflichtverteidigers?

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfolgt in den gesetzlich bestimmten Fällen der sogenannten „notwendigen Verteidigung“ nach § 140 StPO. Sie ist zwingend, wenn besondere Voraussetzungen vorliegen, zum Beispiel bei schwerwiegenden Tatvorwürfen (Verbrechen), bei Untersuchungshaft oder wenn der Beschuldigte sich selbst nicht verteidigen kann (z. B. wegen einer geistigen oder körperlichen Behinderung). Auf Antrag des Beschuldigten, aber auch von Amts wegen, bestellt das Gericht in solchen Fällen einen Verteidiger. Wünscht der Beschuldigte einen bestimmten Verteidiger, wird diesem Wunsch in der Regel entsprochen, sofern dem keine wichtigen Gründe entgegenstehen. Der Pflichtverteidiger übernimmt dann die gleichen Aufgaben wie ein Wahlverteidiger, wird aber vom Staat bezahlt. Diese Bestellung kann aufgehoben werden, falls die Voraussetzungen wegfallen oder der Beschuldigte einen Wahlanwalt mandatieren möchte.

Wann ist ein Wechsel des Verteidigers möglich?

Ein Wechsel des Verteidigers im Strafverfahren ist grundsätzlich möglich, steht jedoch unter bestimmten Bedingungen. Bei einem Wahlverteidiger kann der Beschuldigte die Mandatierung jederzeit aufheben und einen anderen Rechtsanwalt beauftragen, wobei eventuell vertraglich vereinbarte Gebührenregelungen zu beachten sind. Im Fall des Pflichtverteidigers ist der Wechsel nur unter engen Voraussetzungen zulässig: Das Gericht kann auf Antrag des Beschuldigten oder des Pflichtverteidigers einen Wechsel anordnen, wenn das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist oder aus zwingenden Gründen die Bestellung eines anderen Verteidigers erforderlich erscheint (§ 143a StPO). Ein bloßes Unbehagen oder eine taktische Motivation reicht hierfür jedoch nicht aus; vielmehr muss dargelegt werden, weshalb eine effektive Verteidigung nicht (mehr) gewährleistet ist.

Welche Rechte und Pflichten hat ein Verteidiger gegenüber seinem Mandanten?

Der Verteidiger ist zur umfassenden und sorgfältigen Beratung sowie zur gewissenhaften Vertretung der Interessen seines Mandanten verpflichtet. Dazu zählt insbesondere, den Mandanten über den Stand des Verfahrens, die vorhandenen Beweismittel, die rechtlichen Möglichkeiten und Risiken sowie über die Erfolgsaussichten einzelner Verteidigungshandlungen aufzuklären. Die anwaltliche Schweigepflicht (§ 43a BRAO, § 203 StGB) ist eine der zentralen Pflichten: Weder über das Mandatsverhältnis noch über Inhalte darf der Verteidiger Dritten Auskunft geben, es sei denn, der Mandant entbindet ihn ausdrücklich davon. Der Verteidiger muss loyal, jedoch zugleich unabhängig agieren und darf keine widerstreitenden Interessen vertreten. Er darf keine Beweismittel unterdrücken oder manipulieren und muss stets innerhalb der gesetzlichen und berufsrechtlichen Grenzen arbeiten.

Welche Befugnisse hat ein Verteidiger im Ermittlungsverfahren?

Im Ermittlungsverfahren hat der Verteidiger zahlreiche prozessuale Rechte, um die Verteidigung effektiv auszuüben. Zu den wichtigsten Befugnissen zählt die Akteneinsicht, womit der Verteidiger Zugang zu allen relevanten Ermittlungsunterlagen erhält. Er hat das Recht, bei Vernehmungen des Mandanten oder bei richterlichen Anhörungen anwesend zu sein, Beweisanregungen oder -anträge zu stellen, Anträge auf Haftprüfung oder Haftverschonung zu stellen sowie auf etwaige Fehler im Ermittlungsverfahren hinzuweisen. Auch kann er Gespräche mit seinem Mandanten führen, unabhängig davon, ob sich dieser in Untersuchungshaft befindet oder nicht; im Fall der Haft gelten jedoch bestimmte Besuchsregelungen. Der Verteidiger kann Einspruch gegen polizeiliche Maßnahmen einlegen und im Rahmen des Verfahrens Entscheidungen des Gerichts rechtlich überprüfen lassen.

Welche Kosten entstehen durch die Verteidigung und wer trägt sie?

Die Kosten der Verteidigung unterscheiden sich je nach Art der Mandatierung. Beim Wahlverteidiger schließen Mandant und Verteidiger eine Vergütungsvereinbarung, die sich entweder nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder nach individueller Absprache richtet. Hinzu können Auslagen für Gutachten, Reisekosten oder sonstige notwendige Maßnahmen kommen. Wird ein Pflichtverteidiger bestellt, trägt zunächst die Staatskasse die Kosten der notwendigen Verteidigung. Wird der Beschuldigte jedoch rechtskräftig verurteilt, können ihm die Kosten im Rahmen des Kostenerstattungsprinzips (§ 465 StPO) ganz oder teilweise auferlegt werden. Im Falle eines Freispruchs oder einer Einstellung zu Gunsten des Mandanten verbleiben die Kosten in der Regel bei der Staatskasse. Ein eventueller Wechsel vom Wahl- auf den Pflichtverteidiger kann Auswirkungen auf die Kostentragung haben.

Welche Rolle spielt der Verteidiger bei Rechtsmitteln wie Berufung oder Revision?

Der Verteidiger berät den Mandanten nach einer Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit und Erfolgsaussichten von Rechtsmitteln wie Berufung (gegen Urteile des Amtsgerichts) oder Revision (gegen Urteile der Landgerichte oder Oberlandesgerichte). Er ist befugt, diese Rechtsmittel zu Protokoll geben oder schriftlich einreichen. Der Verteidiger stellt sicher, dass erforderliche Fristen eingehalten werden und begründet das Rechtsmittel mit rechtlich relevanten Argumenten, die das Urteil angreifen. Im Revisionsverfahren prüft der Verteidiger gezielt auf Verfahrensfehler oder Rechtsanwendungsfehler, die eine Aufhebung oder Abänderung des Urteils rechtfertigen könnten. Auch hier bleibt er der Verschwiegenheit verpflichtet und hält den Mandanten stets über den Fortgang des Verfahrens informiert. Im Einzelfall kann er das Rechtsmittel auch zurücknehmen, wenn dies aus strategischer Sicht sinnvoll erscheint, nach Rücksprache mit dem Mandanten.