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Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit


Definition und Rechtsnatur des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG)

Ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist eine besondere Rechtsform von Versicherungsunternehmen, bei der sich die Mitglieder zur gegenseitigen Absicherung gegen bestimmte Risiken zusammenschließen. Der VVaG ist ein Zusammenschluss auf Grundlage des Solidaritätsprinzips, bei dem die Mitglieder zugleich Träger, Versicherungsnehmer und Risikoträger sind. Rechtlich handelt es sich beim Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit um eine eigenständige Körperschaft des privaten Rechts, die ausschließlich Versicherungszwecken dient und keine Aktiengesellschaft ist.

Abgrenzung zu anderen Versicherungsformen

Im Gegensatz zur Versicherung in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG), bei der die Anteile von Aktionären gehalten werden, ist beim VVaG die Mitgliedschaft der Versicherungsnehmer das grundlegende Element der Verfassung. Die Mitglieder bestimmen gemeinschaftlich die Geschicke des Vereins, insbesondere im Rahmen der Mitgliederversammlung. Gewinne oder Überschüsse kommen entweder der Mitgliedermehrheit zugute oder werden für satzungsgemäße Zwecke verwendet.

Rechtsgrundlagen und Regulierung

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit werden im Wesentlichen durch das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geregelt. Ergänzend greifen die Satzung des jeweiligen VVaG und aufsichtsbehördliche Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Gründung und Entstehung des VVaG

Voraussetzungen für die Gründung

Für die Gründung eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen gemäß §§ 15 ff. VAG erfüllt sein:

  • Erstellung einer Satzung mit Pflichtbestandteilen (Zweck, Beiträge, Rechte und Pflichten der Mitglieder, Organe usw.)
  • Anerkennung durch die Versicherungsaufsicht (BaFin)
  • Bildung eines Sicherungsvermögens als Deckung für Risiken
  • Nachweis der erforderlichen Rücklagen und finanziellen Ausstattung

Satzung und Mitgliedschaft

Die Satzung ist das zentrale Regelungswerk des VVaG. Sie enthält insbesondere Bestimmungen zu:

  • Eintritts- und Austrittsbedingungen der Mitglieder
  • Rechte und Pflichten der Mitgliederversammlung
  • Beitragsgestaltung und Leistungskatalog
  • Regelungen zu Nachschusspflichten und Beteiligung an Überschüssen

Rechtsstellung der Mitglieder

Mitglieder eines VVaG sind die Versicherungsnehmer, die durch den Abschluss eines Versicherungsvertrags die Mitgliedschaft erwerben. Es bestehen zwei Hauptgruppen:

  • Pflichtversicherte Mitglieder, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen aufgenommen werden müssen (z.B. bei berufsständischen Einrichtungen)
  • Freiwillige Mitglieder, die auf eigenen Antrag aufgenommen werden

Die Mitglieder verfügen über Stimmrechte in der Mitgliederversammlung und haben Anspruch auf Teilhabe an Überschüssen und anderen satzungsmäßigen Leistungen. Sie können jedoch im Insolvenzfall verpflichtet sein, Nachschüsse im Rahmen der Satzung zu leisten.

Organe und Verwaltung des VVaG

Die Struktur eines VVaG ist geprägt von genossenschaftlichen Prinzipien. Zwingend vorgesehene Organe sind:

Mitgliederversammlung

  • Höchstes Organ des VVaG, das über grundlegende Angelegenheiten entscheidet (z.B. Satzungsänderungen, Wahl des Vorstands und der Aufsichtsgremien, Verwendung von Überschüssen)
  • Jedes Mitglied besitzt in der Regel eine Stimme („one man, one vote“)

Vorstand

  • Führt die laufenden Geschäfte und vertritt den Verein nach außen (§ 26 BGB i.V.m. § 33 VAG)
  • Bestellung und Abberufung erfolgen durch die Mitgliederversammlung oder ein Aufsichtsgremium

Aufsichtsrat (sofern gesetzlich oder satzungsmäßig vorgesehen)

  • Kontrolliert die Geschäftsführung und übernimmt Überwachungsaufgaben

Besonderheiten des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit

Nachschusspflicht und Haftung

Ein wesentliches Kennzeichen des VVaG ist die potenzielle Nachschusspflicht der Mitglieder. Sollte die bestehende Beitragseinnahme zur Deckung von Schäden und Aufwendungen nicht ausreichen, können die Mitglieder gemäß Satzung zu Nachzahlungen verpflichtet werden. Die maximale Nachschusshöhe ist in der Satzung festzulegen und bedarf behördlicher Genehmigung.

Überschussbeteiligung

Erwirtschaftete Überschüsse werden grundsätzlich – unter Berücksichtigung gesetzlicher und satzungsmäßiger Rücklagen – an die Mitglieder ausgeschüttet oder zur Beitragssenkung eingesetzt. Ziel ist die Förderung der Mitgliederinteressen und nicht die Erzielung von Unternehmensgewinnen zugunsten Dritter.

Selbsthilfecharakter und Gemeinwohlorientierung

VVaG verfolgen regelmäßig gemeinnützige oder berufsgruppenspezifische Interessen. Sie sind häufig in Bereichen aktiv, in denen das individuell kalkulierte Versicherungsrisiko schlecht übertragbar ist (beispielsweise berufsständische Versorgungswerke, regionale Krankenversicherungen).

Ablauf und Beendigung der Mitgliedschaft

Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft

Die Mitgliedschaft beginnt in der Regel mit Abschluss eines Versicherungsvertrags und endet mit Kündigung oder Ablauf des Vertrags. Weitere Beendigungsmöglichkeiten ergeben sich aus der Satzung (z.B. Ausschluss bei Zahlungsverzug).

Liquidation und Insolvenz

Wird ein VVaG aufgelöst, regelt die Satzung die Verteilung des Vermögens. Die Mitglieder haften im Rahmen der vereinbarten Nachschusspflichten. Im Insolvenzfall greift das Insolvenzrecht; die Priorität der Gläubiger richtet sich nach gesellschafts- und vereinsrechtlichen sowie aufsichtsrechtlichen Bestimmungen.

Unterschiede zu anderen Gesellschaftsformen im Versicherungswesen

| Kriterium | VVaG | Aktiengesellschaft (AG) | GmbH (Vermögensverwaltend) |
|—————————-|——————————–|——————————|———————————-|
| Trägerschaft | Mitglieder (Versicherungsnehmer) | Anteilseigner (Aktionäre) | Gesellschafter |
| Gewinnverwendung | Überschuss an Mitglieder | Gewinn für Aktionäre | Gewinn für Gesellschafter |
| Haftung | Mitglieder ggf. mit Nachschuss | Beschränkt auf Einlage | Beschränkt auf Einlage |
| Mitbestimmung | Demokratieprinzip (Stimmrecht) | Stimmrecht nach Anteilen | Stimmrecht nach Anteilen |

Bedeutung und praktische Relevanz

Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind insbesondere im Bereich Lebens-, Kranken- und Haftpflichtversicherung weit verbreitet. Ihre rechtsformspezifischen Besonderheiten machen sie für versicherungswillige Gemeinschaften besonders attraktiv, wenn ein hohes Maß an Selbstbestimmung, Transparenz und Solidarität angestrebt wird.

Zusammenfassung

Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist eine eigenständige, rechtlich genau geregelte Gesellschaftsform im deutschen Versicherungswesen, deren Organisationsprinzip auf der Solidarität und Selbsthilfe seiner Mitglieder basiert. Durch umfangreiche rechtliche Regelungen, insbesondere aus dem Versicherungsaufsichtsgesetz und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, wird die Funktionsweise, Verwaltung und Haftung dieses Unternehmens geregelt, um die Interessen und die Absicherung der Mitglieder effektiv sicherzustellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtsform besitzt ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit und welche gesetzlichen Regelungen gelten?

Der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist eine eigenständige, körperschaftlich organisierte Rechtsform, die in Deutschland nach den Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) geregelt ist. Zentral ist dabei § 15 VAG, der die Grundlagen des VVaG zum Gegenstand hat. Weiterführende Regelungen finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere im Bereich des Vereinsrechts, soweit das VAG keine abweichenden Bestimmungen vorsieht. Der VVaG unterscheidet sich von Aktiengesellschaften und anderen Kapitalgesellschaften maßgeblich durch seine Mitgliederstruktur, da die Versicherungsnehmer zugleich Träger des Vereins und damit Mitunternehmer sind. Organe des VVaG sind nach den gesetzlichen Bestimmungen in der Regel der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Mitgliedervertreterversammlung oder Mitgliederversammlung. Das VAG normiert zudem Anforderungen an die finanzielle Ausstattung, die Geschäftsführung und die Kontrolle durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Gründung sowie die laufende Geschäftstätigkeit unterliegen einer besonderen Aufsicht, um die Belange der Mitglieder und Versicherten zu schützen.

Wie erfolgt die Mitgliedschaft und welche rechtlichen Folgen hat sie?

Die Mitgliedschaft im VVaG ist mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages automatisch begründet, da der Versicherungsnehmer als Mitglied fungiert. Die rechtliche Ausgestaltung ist insbesondere in der Satzung des VVaG geregelt, die in Übereinstimmung mit dem VAG stehen muss. Mitgliederrechte und -pflichten ergeben sich daher sowohl aus der Satzung als auch aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag. Typische Rechte der Mitglieder sind das Stimmrecht in der Mitglieder- oder Vertreterversammlung sowie das Recht auf Information über bestimmte Vereinsangelegenheiten (§ 34 ff. VAG). Pflichten können sich etwa aus Umlagen bei finanziellen Engpässen oder aus Beitragspflichten ergeben. Die Mitgliedschaft kann unter bestimmten Bedingungen enden, etwa durch Beendigung des Versicherungsvertrages oder Ausschluss gemäß Satzung. Der Rechtsschutz der Mitglieder gegenüber dem Verein sowie den Organen ist im VAG und in der Satzung näher geregelt.

Welche organschaftlichen Regelungen herrschen im VVaG und welche juristischen Besonderheiten bestehen?

Die Hauptorgane des VVaG sind Vorstand, Aufsichtsrat und die Mitglieder- beziehungsweise Vertreterversammlung. Der Vorstand führt die Geschäfte und vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich (§ 26 BGB i.V.m. §§ 32 ff. VAG). Der Aufsichtsrat kontrolliert den Vorstand und ist bei wichtigen Geschäftsentscheidungen einzubinden. Die Mitglieder- oder Vertreterversammlung übt mittelbare Kontrolle über die Geschicke des Vereins aus, mit Befugnissen zur Entlastung des Vorstandes, zur Wahl des Aufsichtsrats sowie zur Änderung der Satzung. Die Wahl der Vertreter wird durch die Satzung bestimmt und muss der Transparenzanforderung des VAG gerecht werden. Besondere juristische Implikationen können bei Interessenkonflikten zwischen Organen und Mitgliedern sowie bei der Abstimmung von Grundsatzfragen auftreten, da die Mitgliederrechte im VVaG einen hohen Stellenwert genießen.

Wie unterscheidet sich die Haftung im VVaG von anderen Versicherungsunternehmen?

Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Rechtsformen ist die Haftung der Mitglieder. Grundsätzlich haftet beim VVaG nicht das Gesellschaftskapital, sondern die Versicherungsgemeinschaft selbst. Die Satzung kann vorsehen, dass die Mitglieder bei Beitragsknappheit zu Nachschüssen oder Umlagen verpflichtet sind (§ 171 VAG). Allerdings ist die Haftung der Mitglieder im Regelfall begrenzt, in der Regel auf die Höhe der satzungsmäßig festgelegten Nachschüsse oder auf ihren Beitrag. Das Risiko eines Totalverlusts besteht im Unterschied zu Kapitalgesellschaften nicht. Die genaue Ausgestaltung der Haftung und Nachschusspflicht ist zwingend in der Satzung zu regeln und transparent den Mitgliedern offenzulegen. Die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen sehen zudem vor, dass die wirtschaftlichen Belange der Mitglieder hierbei besonders zu schützen sind.

Welche steuerrechtlichen Besonderheiten gelten für Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit?

VVaG unterliegen grundsätzlich denselben steuerlichen Regelungen wie andere Versicherungsunternehmen. Einkünfte aus Kapitalvermögen, Betriebsergebnisse und erwirtschaftete Überschüsse sind nach dem Körperschaftsteuergesetz (KStG) und Gewerbesteuergesetz (GewStG) zu versteuern. Eine Besonderheit ergibt sich jedoch daraus, dass VVaG keine typischen Gewinnzwecke verfolgen, sondern Überschüsse zugunsten der Mitglieder verwenden. Steuerrechtlich können so genannte Beitragsrückerstattungen als Aufwand berücksichtigt werden. Dennoch ist der VVaG keine gemeinnützige Institution, sondern eine Körperschaft des Privatrechts mit entsprechender Steuerpflicht. Zuwendungen an Mitglieder unterliegen daher der Überprüfung auf ihre steuerliche Behandlung. Zudem bestehen für bestimmte kleine Versicherungsvereine Sonderregelungen, beispielsweise im Rahmen des § 210 VAG.

Welche Anforderungen bestehen an die Aufsicht und die Genehmigungspflichten eines VVaG?

Gemäß dem VAG bedarf jeder VVaG einer Erlaubnis durch die BaFin, bevor er seine Geschäftstätigkeit aufnehmen darf (§ 8 VAG). Die Aufsicht erstreckt sich auf die Geschäftsführung, die finanzielle Ausstattung, die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen und die laufende Versicherungstätigkeit. Besonders zu beachten sind dabei die Vorschriften zur Solvabilität (Eigenmittelausstattung), zur Geschäftsorganisation und zur Risikosteuerung. Jede Satzungsänderung, Fusion oder Umwandlung des VVaG bedarf meist einer aufsichtsrechtlichen Genehmigung (§ 13 VAG). Die Aufsicht sorgt für die Einhaltung der Rechte der Mitglieder und die dauerhafte Erfüllung der Versicherungsverbindlichkeiten. Verstöße gegen das VAG können zu weitreichenden aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bis hin zum Entzug der Erlaubnis führen.

Wie erfolgt die Beendigung oder Umwandlung eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit aus rechtlicher Sicht?

Die Auflösung des VVaG ist im VAG sowie satzungsrechtlich geregelt. Die wichtigsten Gründe sind Liquidation, Fusion oder Umwandlung in eine andere Rechtsform nach den Vorgaben des Umwandlungsgesetzes (UmwG) sowie des VAG. Die Abwicklung (Liquidation) erfolgt durch die Organe oder eigens bestellte Liquidatoren und unterliegt der strengen Kontrolle durch die BaFin, die Sicherstellung der Versichertengemeinschaft steht im Vordergrund. Bei einer Umwandlung müssen die Rechte der Mitglieder gewahrt bleiben, insbesondere dürfen durch eine Überführung in eine Kapitalgesellschaft die Mitglieder nicht unangemessen benachteiligt werden (§ 212 VAG). Jeder Schritt ist genehmigungspflichtig bei der Aufsichtsbehörde, und die Mitglieder sind angemessen zu beteiligen und zu informieren.