Legal Lexikon

Verschmelzung


Begriff und Bedeutung der Verschmelzung im Recht

Die Verschmelzung ist im Recht ein zentraler Begriff des Gesellschaftsrechts und bezeichnet einen Vorgang, bei dem zwei oder mehr rechtlich selbständige Unternehmen zu einer Einheit zusammengefügt werden. Sie ist eine der wichtigsten Formen von Unternehmensumstrukturierungen und stellt ein gesetzlich geregeltes Verfahren dar, bei dem das Vermögen mindestens einer übertragenden Gesellschaft im Rahmen einer Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere (aufnehmende) Gesellschaft übergeht. Die rechtlichen Grundlagen für die Verschmelzung sind in Deutschland insbesondere im Umwandlungsgesetz (UmwG) niedergelegt.


Rechtliche Grundlagen der Verschmelzung

Umwandlungsgesetz (UmwG) und weitere Vorschriften

Die Verschmelzung von Unternehmen ist primär im Umwandlungsgesetz (UmwG) geregelt (§§ 2 ff. UmwG). Daneben können je nach beteiligter Rechtsform und Branche ergänzende Vorschriften gelten, etwa das Aktiengesetz (AktG), das GmbH-Gesetz (GmbHG), das Handelsgesetzbuch (HGB) oder europäische Verordnungen wie die SE-VO für Europäische Gesellschaften.

Formen der Verschmelzung

Es existieren zwei hauptsächliche Ausgestaltungsformen:

  • Verschmelzung durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG): Das Vermögen einer oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaft/en) geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine bereits bestehende Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) über. Die übertragenden Gesellschaften erlöschen.
  • Verschmelzung durch Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG): Mehrere Gesellschaften übertragen ihr Vermögen auf eine neue, zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft. Die übertragenden Gesellschaften erlöschen.

Beide Formen erfordern zwingend die Auflösung ohne Abwicklung der übertragenden Unternehmen.


Voraussetzungen und Ablauf einer Verschmelzung

Beteiligte Gesellschaftsformen

Eine Verschmelzung können Kapitalgesellschaften (z.B. AG, GmbH), Personenhandelsgesellschaften (z.B. OHG, KG) oder auch Genossenschaften durchführen, sofern das Gesetz dies zulässt. Eine Beschränkung besteht auf rechtsfähige, im Handelsregister eingetragene Unternehmen.

Verschmelzungsvertrag und Verschmelzungsbericht

Für die Verschmelzung bedarf es gemäß § 4 UmwG eines notariell beurkundeten Verschmelzungsvertrages. Dieser Vertrag muss unter anderem Angaben zu folgenden Punkten enthalten:

  • Name, Sitz und Rechtsform der beteiligten Gesellschaften
  • Verschmelzungsmodus (Aufnahme oder Neugründung)
  • Austauschverhältnis der Unternehmensanteile
  • Einzelheiten zur Anteilsgewährung oder Abfindung
  • Zeitpunkt, von dem an die Anteile als gewährt gelten

Ergänzend ist häufig ein Verschmelzungsbericht der Unternehmensleitungen erforderlich, der den geplanten Vorgang für die Gesellschafter erläutert.

Vorbereitung und Durchführung der Verschmelzung

Die Vorbereitung umfasst zumeist:

  1. Erstellung eines Verschmelzungsplans: Oft in Form des Verschmelzungsvertrages.
  2. Prüfung durch sachverständige Prüfer: Je nach Konstellation (insbesondere bei AG und GmbH) ist eine Prüfung durch unabhängige Prüfer vorgesehen.
  3. Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlungen: Die Verschmelzung bedarf qualifizierter Mehrheiten (i.d.R. 75% der abgegebenen Stimmen).
  4. Anmeldung und Eintragung im Handelsregister: Die Wirksamkeit der Verschmelzung tritt mit der Eintragung im Handelsregister ein.

Gesamtrechtsnachfolge

Mit Wirksamwerden der Verschmelzung geht das gesamte Vermögen, einschließlich aller Verbindlichkeiten und Verträge, als Ganzes und ohne Einzelübertragungen auf die übernehmende Gesellschaft über (§ 20 UmwG). Ausgenommen sind höchstpersönliche Rechte und Verträge mit sog. Change-of-Control-Klauseln, welche ggf. einer Zustimmung bedürfen.


Schutz der Gläubiger und Anteilsinhaber

Gläubigerschutz

Zum Schutz der Gläubiger bestehen nach §§ 22 ff. UmwG umfangreiche Regelungen. Gläubiger können Sicherheitsleistungen verlangen, sofern sie durch die Verschmelzung benachteiligt werden. Entsprechende Bekanntmachungs- und Wartefristen sind einzuhalten.

Schutz der Anteils- und Aktionärsrechte

Für Anteilsinhaber sind besondere Vorkehrungen vorgesehen, um deren Rechte zu wahren. Insbesondere Aktionäre und Minderheitsgesellschafter können unter Umständen Barausgleich oder einen Vergleich verlangen. Des Weiteren bestehen Anfechtungsrechte gegen die Verschmelzungsbeschlüsse, etwa wegen Bewertungsfehlern.


Steuerliche Aspekte der Verschmelzung

Eine Verschmelzung kann erhebliche steuerliche Folgen haben. Sie wird steuerlich als Unternehmensübertragung behandelt, wobei das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) vorrangig Anwendung findet. Darin werden insbesondere die Bedingungen für eine steuerneutrale bzw. steuerpflichtige Übertragung des Betriebsvermögens festgelegt. Eine Verschmelzung kann zudem Auswirkungen auf Gewinnermittlung, Verlustvorträge und steuerliche Abschreibungen haben.


Verschmelzung im europäischen und internationalen Kontext

Europäische Verschmelzung

Durch Richtlinien der Europäischen Union, insbesondere die Richtlinie 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, wurde das Recht der grenzüberschreitenden Verschmelzung harmonisiert. Das Umwandlungsgesetz enthält in §§ 122a ff. Sonderregelungen für die grenzüberschreitende Verschmelzung.

Internationale Verschmelzung

Außerhalb des europäischen Raums können weitere rechtliche Anforderungen und Einschränkungen bestehen, etwa Genehmigungspflichten in bestimmten Sektoren oder Beachtung ausländischer Rechtsordnungen.


Abgrenzung zu anderen Umwandlungsformen

Es ist zwischen der Verschmelzung und anderen Unternehmenstransaktionen zu unterscheiden:

  • Spaltung: Unternehmen werden in der Weise aufgeteilt, dass Vermögensteile auf neue oder bereits bestehende Gesellschaften übertragen werden.
  • Einbringung: Einzelne Vermögensgegenstände oder Unternehmensteile werden auf eine andere Gesellschaft übertragen, meist gegen Gewährung von Anteilen.
  • Aufnahme: Ein Unternehmen übernimmt ein anderes durch Einbringung seines gesamten Vermögens.

Jede dieser Umwandlungsformen folgt eigenen gesetzlichen Regelungen und Prozessen.


Wirtschaftliche und praktische Bedeutung der Verschmelzung

Die Verschmelzung ist ein zentrales Instrument der Unternehmensrestrukturierung, etwa zur Nutzung von Synergien, Verbesserung der Marktposition, Optimierung von Organisationsstrukturen oder Abwicklung von Unternehmenstransaktionen. Sie kann auch im Rahmen von Sanierungen oder Nachfolgeregelungen eingesetzt werden.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

  • Umwandlungsgesetz (UmwG)
  • Umwandlungssteuergesetz (UmwStG)
  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Aktiengesetz (AktG)
  • GmbH-Gesetz (GmbHG)
  • Europäische Verschmelzungsrichtlinie (Richtlinie 2005/56/EG)

Fazit

Die Verschmelzung ist ein vielschichtiger, streng gesetzlich geregelter Vorgang zur Verschaffung einheitlicher wirtschaftlicher Strukturen und Rechtsverhältnisse im Unternehmensbereich. Durch ihre Gestaltung als Gesamtrechtsnachfolge und die umfassenden Schutzmechanismen für Gläubiger und Anteilseigner trägt sie wesentlich zur Rechtssicherheit und Flexibilität in der Unternehmensorganisation bei.

Häufig gestellte Fragen

Wie läuft das Verschmelzungsverfahren rechtlich ab?

Das Verschmelzungsverfahren ist im Wesentlichen im Umwandlungsgesetz (UmwG) geregelt und unterliegt strengen formalen und materiellen Anforderungen. Zu Beginn müssen die beteiligten Gesellschaften jeweils einen Verschmelzungsbeschluss fassen, der meist einer qualifizierten Mehrheit bedarf. Der Verschmelzungsvertrag, der zuvor von den Geschäftsleitungen ausgehandelt und notariell beurkundet wurde, bildet die Grundlage für die Entscheidung der Gesellschafter. Nach der Beschlussfassung findet eine Anmeldung zur Eintragung der Verschmelzung beim Registergericht statt, wobei umfangreiche Unterlagen, wie der Verschmelzungsvertrag, die Verschmelzungsberichte, Prüfungsberichte und aktuelle Bilanzen einzureichen sind. Das Registergericht prüft die Rechtmäßigkeit aller Unterlagen. Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft tritt die Verschmelzung rechtlich in Kraft; das Vermögen der übertragenden Gesellschaft geht damit im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über. Die übertragende Gesellschaft erlischt ohne Liquidation. Der gesamte Ablauf wird dabei von Fristen und Anfechtungsmöglichkeiten begleitet, insbesondere können Aktionäre oder Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen gegen den Verschmelzungsbeschluss klagen, was Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Verschmelzung haben kann.

Welche rechtlichen Folgen hat eine Verschmelzung für Gläubiger der beteiligten Gesellschaften?

Für die Gläubiger der beteiligten Gesellschaften hat die Verschmelzung weitreichende Konsequenzen. Grundsätzlich übernimmt die übernehmende Gesellschaft sämtliche Rechte und Pflichten, also auch sämtliche Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft, im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge. Um die Interessen der Gläubiger zu schützen, sieht das UmwG einen besonderen Gläubigerschutz vor: Gläubiger können innerhalb bestimmter Fristen nach Bekanntmachung der Verschmelzung Sicherheitsleistungen verlangen, wenn sie glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderungen gefährdet wird. Das Registergericht prüft vor Eintragung der Verschmelzung, ob der Gläubigerschutz ordnungsgemäß erfolgt ist. Die Gläubiger haben so die Möglichkeit, sich gegen mögliche finanzielle Nachteile durch die Vermögensübertragung abzusichern.

Welche Rolle spielen die Verschmelzungsberichte und Prüfungsberichte?

Verschmelzungsberichte und Prüfungsberichte sind zentrale Dokumente im rechtlichen Verschmelzungsverfahren. Die Verschmelzungsberichte werden von den Geschäftsführungen der beteiligten Gesellschaften erstellt und erläutern die rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergründe sowie die Auswirkungen der Verschmelzung, insbesondere für die Gesellschafter. Sie sind insbesondere bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften wie GmbH oder AG verpflichtend. Ergänzend dazu sieht das UmwG grundsätzlich vor, dass die Verschmelzung durch einen oder mehrere unabhängige sachverständige Prüfer begutachtet wird (Verschmelzungsprüfung), die den Verschmelzungsvertrag sowie das Umtauschverhältnis der Geschäftsanteile auf ihre Angemessenheit und die Interessenwahrung der Gesellschafter untersuchen. Die Prüfungsberichte und Verschmelzungsberichte müssen den Gesellschaftern rechtzeitig vor der Beschlussfassung zur Verfügung gestellt werden, um eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Bei kleinen Gesellschaften oder im Konzernverbund kann von diesen Pflichten unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden.

Welche Mitbestimmungsrechte und Mitwirkungspflichten haben Arbeitnehmervertretungen im Verschmelzungsverfahren?

Im Rahmen des Verschmelzungsverfahrens haben Arbeitnehmervertretungen, wie Betriebsräte oder gegebenenfalls europäische Betriebsräte, umfangreiche Mitwirkungs- und Informationsrechte. Das UmwG sowie das Betriebsverfassungsgesetz verlangen, dass die Arbeitnehmer frühzeitig und umfassend über die geplante Verschmelzung unterrichtet werden. Zudem müssen sie über die voraussichtlichen Auswirkungen auf die Arbeitnehmerrechte, konkrete personelle Konsequenzen sowie geplante Maßnahmen informiert werden. Arbeitnehmervertretungen haben das Recht, zu dem Vorhaben Stellung zu nehmen, und die Geschäftsleitungen sind verpflichtet, diese Stellungnahmen sowohl der Gesellschafterversammlung als auch den Registergerichten vorzulegen. In bestimmten Konstellationen, insbesondere bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, kommen weitergehende Mitbestimmungsrechte nach dem SEBG (Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft) zur Anwendung, die beispielsweise Verhandlungen über ein Beteiligungsverfahren der Arbeitnehmer vorsehen.

Welche Fristen und Veröffentlichungspflichten sind bei einer Verschmelzung zu beachten?

Bei einer Verschmelzung müssen zahlreiche gesetzliche Fristen und Veröffentlichungspflichten eingehalten werden. Nach Abschluss des Verschmelzungsvertrags ist dieser unverzüglich beim Handelsregister einzureichen. Die geplante Verschmelzung muss dann mindestens einen Monat vor der Beschlussfassung durch die Gesellschafter öffentlich bekannt gemacht werden, dabei sind insbesondere auch Informationen zu den Rechten der Gläubiger und Arbeitnehmer zu veröffentlichen. Nach der Beschlussfassung ist die Verschmelzung wiederum zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft ist für das Wirksamwerden maßgeblich, von diesem Zeitpunkt an entfalten sich auch alle rechtlichen Folgen. Die Einhaltung aller Fristen und Veröffentlichungspflichten wird vom Registergericht streng geprüft und ist Voraussetzung für die rechtliche Wirksamkeit der Verschmelzung.

Welche Klagemöglichkeiten stehen Gesellschaftern im Rahmen einer Verschmelzung offen?

Gesellschafter, die mit der geplanten Verschmelzung nicht einverstanden sind, haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Vor allem besteht die Möglichkeit, gegen den Verschmelzungsbeschluss Anfechtungsklage vor den ordentlichen Gerichten zu erheben. Die Klage kann sich insbesondere auf formelle Fehler, auf Verletzungen des Umwandlungsgesetzes oder auf Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses stützen. In bestimmten Fällen, wie bei der Aktiengesellschaft, können Anfechtungsklagen die Registereintragung und damit das Wirksamwerden der Verschmelzung blockieren, sofern kein Freigabeverfahren durchgeführt wird. Zusätzlich können Minderheitsgesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen Abfindung verlangen (sog. Spruchverfahren), wenn sie durch das Umtauschverhältnis benachteiligt werden. Die rechtzeitige und ordnungsgemäße Durchführung dieser Klagen ist für den Erfolg maßgebend.