Begriff und rechtliche Einordnung der Verlustzuweisungsgesellschaft
Die Verlustzuweisungsgesellschaft ist ein in Deutschland gebräuchlicher Begriff, der insbesondere in den 1970er- bis 1990er-Jahren zur Bezeichnung bestimmter Gesellschaftsformen verwendet wurde. Er beschreibt Gesellschaften, deren Hauptzweck die Zuweisung steuerlicher Verluste an die Gesellschafter ist. Die Gesellschaftsstruktur wurde insbesondere im Rahmen von Steuersparmodellen im Zusammenhang mit geschlossenen Fonds und bestimmten Anlagemodellen genutzt.
Gesellschaftsrechtliche Grundlagen
Gesellschaftsformen und Typen
Die Verlustzuweisungsgesellschaft manifestiert sich typischerweise in der Form der Personengesellschaft, hauptsächlich als Kommanditgesellschaft (KG) oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Auch die Partnerschaftsgesellschaft (PartG) oder atypisch stille Gesellschaft konnte in der Vergangenheit als Struktur gewählt werden.
Kommanditgesellschaft (KG)
Die Kommanditgesellschaft ist für Verlustzuweisungsgesellschaften besonders geeignet, da sich die Haftung und Beteiligung der Gesellschafter flexibel gestalten lässt. Beim Kommanditisten ist die Haftung auf die im Handelsregister eingetragene Haftsumme beschränkt, sodass das Risiko für den einzelnen Gesellschafter kalkulierbar bleibt.
Gesellschaftsvertragliche Ausgestaltung
Typisches Merkmal einer Verlustzuweisungsgesellschaft ist die Gestaltung des Gesellschaftsvertrags, mit dem Ziel, Verluste in der Anfangsphase der Unternehmung zu erwirtschaften und auf die Gesellschafter zu verteilen. Diese vertraglichen Gestaltungen betreffen beispielsweise die Gewinn- und Verlustverteilungsregeln sowie die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung.
Steuerliche Grundlagen und Bedeutung
Steuerliche Anerkennung
Die Verlustzuweisungsgesellschaft hat ihren Ursprung in steuerlichen Überlegungen: Nach dem deutschen Einkommensteuergesetz kommt es bei Personengesellschaften zu einer transparenten Besteuerung (Transparenzprinzip). Die von der Gesellschaft erwirtschafteten Verluste werden den einzelnen Gesellschaftern nach dem jeweiligen Beteiligungsverhältnis zugeordnet (sogenannte Durchgriffsbesteuerung).
Steuerlicher Verlustausgleich
Die steuerliche Anerkennung der durch die Gesellschaft ermittelten Verluste ermöglichte es Anlegern, diese mit anderen Einkünften zu verrechnen und so ihre Steuerlast zu senken. Die Attraktivität dieser Modelle führte zu einer Vielzahl von Verlustzuweisungsgesellschaften, insbesondere im Bereich Immobilienfonds, Filmfonds und Schiffsbeteiligungen.
Gesetzliche Einschränkungen
Mit dem Ziel, Steuergestaltungen einzudämmen, die auf dem Konstrukt der Verlustzuweisungsgesellschaft aufbauten, hat der Gesetzgeber im Laufe der Jahre verschiedene Einschränkungen eingeführt. Von besonderer Bedeutung sind hierbei:
- § 15a EStG (Verlustverrechnungsbeschränkung): Verluste eines Kommanditisten können nur bis zur Höhe des zum Ende des Wirtschaftsjahres vorhandenen Kapitalkontos (unter Berücksichtigung der Haftsumme) steuerlich abgezogen werden.
- Fremdfinanzierungsverbot: Im Zusammenhang mit geschlossenen Fonds gewinnt das Verhältnis von Eigen- zur Fremdfinanzierung für die steuerliche Anerkennung der Verluste an Bedeutung.
- § 2b EStG (Abzugsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle): Steuerliche Verluste aus Modellen, bei denen die Gewinnerzielungsabsicht nicht im Vordergrund steht, werden für den Abzug begrenzt.
Abgrenzung zu anderen Gesellschaftsmodellen
Wesentlich ist die Abgrenzung zu Gesellschaften, deren Zweck auf nachhaltiger Gewinnerzielung beruht. Bei Verlustzuweisungsgesellschaften steht die kurzfristige Generierung und Zuweisung von Verlusten im Vordergrund – typischerweise in den Anfangsjahren – während klassische Unternehmensgründungen langfristige Gewinne anstreben.
Wirtschaftliche und zivilrechtliche Aspekte
Haftungsstruktur
Die Haftung der Gesellschafter richtet sich nach der gewählten Gesellschaftsform und ist in der Regel auf die Kommanditeinlage begrenzt. Dies minimiert das unternehmerische Risiko, war aber auch regelmäßig Gegenstand gesetzgeberischer Maßnahmen gegen eine missbräuchliche Gestaltung.
Beteiligungsmodelle
Verlustzuweisungsgesellschaften treten oft als geschlossene Fonds auf. Anleger beteiligen sich mit Kapitaleinlagen und sind in der Regel als Kommanditisten beteiligt. Die Geschäftsführung übernimmt zumeist ein persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär-GmbH).
Risikoaufklärung und Prospektpflicht
Bei der Beteiligung an Verlustzuweisungsgesellschaften sind umfangreiche Pflichten zur Risikoaufklärung und Prospektierung zu beachten. Seit der Einführung des Verkaufsprospektgesetzes und später des Vermögensanlagengesetzes unterliegen solche Modelle umfangreichen Informationspflichten gegenüber den Anlegern.
Entwicklung und aktuelle rechtliche Situation
Einschränkung von Verlustzuweisungen
Infolge der intensiven Nutzung solcher Gesellschaften zur Steueroptimierung hat der Gesetzgeber durch zahlreiche Maßnahmen die Möglichkeiten zur Übertragung steuerlicher Verluste an Gesellschafter eingeschränkt. Die steuerliche Behandlung orientiert sich heute stärker an dem Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital sowie an der tatsächlichen unternehmerischen Tätigkeit und Gewinnerzielungsabsicht.
Rechtsprechung
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat maßgeblich zur Begrenzung der steuerlichen Zuweisung von Verlusten beigetragen, insbesondere mit Blick auf steuerrechtliches Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.
Aktuelle Praxis
Aufgrund der gesetzlichen Einschränkungen haben Verlustzuweisungsgesellschaften in ihrer ursprünglichen Form an Bedeutung verloren. Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten sind erheblich eingeschränkt und bedürfen einer sorgfältigen rechtlichen sowie wirtschaftlichen Bewertung im Einzelfall. Heute sind überwiegend unternehmerisch geprägte Beteiligungsmodelle am Markt anzutreffen, bei denen die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund steht.
Zusammenfassung
Die Verlustzuweisungsgesellschaft war über viele Jahre ein zentrales Instrument der steuerlichen Verlustverrechnung im Rahmen geschlossener Beteiligungsmodelle. Die umfangreichen gesetzlichen Restriktionen und Änderungen des Steuerrechts sowie die Weiterentwicklung der Rechtsprechung haben die Attraktivität und Verbreitung solcher Gesellschaften erheblich reduziert. Modernes Gesellschafts- und Steuerrecht orientiert sich heute an einer nachhaltigen Gewinnerzielung und der Vermeidung missbräuchlicher Steuergestaltungen. Die gesellschafts- und steuerrechtlichen Anforderungen an derartige Modellgesellschaften sind hoch und bedürfen im Einzelfall einer detaillierten Analyse.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Anerkennung einer Verlustzuweisungsgesellschaft erfüllt sein?
Für die steuerliche und zivilrechtliche Anerkennung einer Verlustzuweisungsgesellschaft müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen gegeben sein. Zunächst muss die Gesellschaft rechtswirksam gegründet worden sein, was insbesondere bei Personengesellschaften wie der Kommanditgesellschaft (KG) oder der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen wirksamen Gesellschaftsvertrag einschließt. Der Gesellschaftsvertrag muss die konkrete Verteilung von Gewinnen und vor allem von Verlusten eindeutig regeln. Die Verlustzuweisung an einzelne Gesellschafter darf dabei nicht gegen zwingende gesetzliche Vorschriften (z.B. § 172 ff. HGB bei Kommanditisten) oder den Grundsatz des Gläubigerschutzes verstoßen. Ferner ist es rechtlich erforderlich, dass die Gesellschaft tatsächlich ein wirtschaftliches Risiko trägt. Reine Steuergestaltungen, bei denen keine unternehmerische Tätigkeit vorliegt (sogenannte „Verlustzuweisungsmodelle“), werden seit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Einführung des § 15b EStG steuerlich nicht mehr anerkannt. Zusätzlich ist zu beachten, dass die steuerlichen Vorschriften, etwa zur Gewinner- und Verlustzurechnung, zwingend eingehalten werden. Weitere Voraussetzungen können sich aus spezialgesetzlichen Regelungen ergeben, etwa im Immobilienbereich durch das Investmentrechtsregime oder aus dem jeweiligen Regelungszweck des Projektgeschäfts.
Welche Konsequenzen hat die Verlustzuweisung für die persönliche Haftung der Gesellschafter?
Im rechtlichen Kontext unterscheidet sich die persönliche Haftung der Gesellschafter je nach Gesellschaftsform erheblich. Bei der klassischen Personengesellschaft, etwa der GbR oder der offenen Handelsgesellschaft (OHG), haften die Gesellschafter grundsätzlich unbeschränkt, d. h. mit ihrem gesamten Privatvermögen auch für die zugewiesenen Verluste. Bei der Kommanditgesellschaft (KG) hingegen ist die Haftung des Kommanditisten auf seine Einlage beschränkt, soweit diese vollständig geleistet ist. Wird ein Verlust über die Hafteinlage hinaus zugewiesen, besteht für den Kommanditisten keine weitergehende Haftung. Allerdings kann eine sogenannte „negative Kapitalkontoentwicklung“ steuerrechtliche Implikationen haben, insbesondere im Hinblick auf § 15a EStG. In der GmbH & Co. KG haftet wiederum nur die Komplementär-GmbH unbeschränkt, die Kommanditisten grundsätzlich beschränkt. Wichtig ist jeweils, dass die Regelungen zur Verlustzuweisung im Gesellschaftsvertrag klar definiert sind, um spätere Haftungsstreitigkeiten zu vermeiden.
Welche steuerrechtlichen Besonderheiten gelten bei der Verlustzuweisung?
Die steuerliche Behandlung von Verlustzuweisungen ist insbesondere seit Einführung des § 15b EStG wesentlich eingeschränkt. Grundsätzlich können Gesellschafter ihre ihnen zugewiesenen Verluste zur Minderung ihres zu versteuernden Einkommens geltend machen. Allerdings sind diese Verluste steuerlich nur dann abziehbar, wenn sie nicht aus Steuerstundungsmodellen resultieren. Verlustzuweisungsmodelle, bei denen der wirtschaftliche Geschäftszweck nahezu ausschließlich in der Erzeugung von steuerlichen Verlusten liegt, erkennt das Finanzamt aufgrund der Regelung des § 15b EStG nicht mehr an. Verluste aus solchen Modellen dürfen nur mit späteren Gewinnen aus demselben Modell verrechnet werden („Verlustverrechnungsbeschränkung“). Darüber hinaus müssen die Gesellschafter Kapitalkonten führen, und etwaige Verlustzuweisungen dürfen nicht zu einer unbeschränkt abziehbaren negativen Kapitalkontenentwicklung führen. Ausnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten sind im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.
Gibt es Einschränkungen oder Grenzen für die Höhe der möglichen Verlustzuweisung?
Rechtlich bestehen verschiedene Schranken hinsichtlich der Verlustzuweisung, die sowohl aus dem zivil- als auch aus dem Steuerrecht herrühren. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und spezifischeren gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen dürfen keine Verlustzuweisungen erfolgen, die die Einlagenpflichten und die Gläubigerschutzvorschriften aushöhlen, z.B. beim Kommanditisten einer KG stets begrenzt auf die Hafteinlage. Steuerlich begrenzt § 15a EStG die Möglichkeit des Verlustausgleichs: Kommanditisten können Verluste nur insoweit ausgleichen, wie sie Eigenkapital in die Gesellschaft eingebracht haben oder eine Nachschusspflicht besteht. Hiermit wird das sog. „wirtschaftliche Risiko“ als Maßstab eingeführt. Darüber hinaus sind in bestimmten Sondersituationen, wie bei intransparenten oder missbräuchlichen Gestaltungskonstrukten, weitere Einschränkungen möglich. Eine umfassende Verlustzuweisung kann zudem gesellschaftsintern (aus dem Gesellschaftsvertrag) begrenzt sein. Übersteigt eine zugewiesene Verlustquote diese Grenzen, ist sie rechtlich wie steuerlich unwirksam.
Welche Pflichten bestehen für die Gesellschafter hinsichtlich Offenlegung und Dokumentation der Verlustzuweisung?
Gesellschafter von Verlustzuweisungsgesellschaften haben sowohl nach Handelsrecht als auch nach steuerrechtlichen Vorschriften umfassende Offenlegungs- und Dokumentationspflichten. Im handelsrechtlichen Sinne ergibt sich die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung und Erstellung von Jahresabschlüssen, in denen die Verlustverteilung transparent auszuweisen ist. Steuerlich müssen die einzelnen Gesellschafter ihre Verlustanteile im Rahmen ihrer Einkommen- oder Körperschaftsteuererklärung samt Begründung ausweisen. Die Gesellschaft hat entsprechende Kapitalkonten zu führen, aus denen die jeweilige Verlustzuweisung hervorgeht. Die zugrundeliegenden Gesellschaftsverträge, Beschlüsse und steuerlichen Feststellungsbescheide sind aufzubewahren. Im Rahmen einer Betriebsprüfung kann das Finanzamt die vollständige Transparenz verlangen und Einsicht in sämtliche Unterlagen fordern. Die Erfüllung dieser Pflicht ist Grundvoraussetzung für die steuerliche Anerkennung der Verlustzuweisung.
Welche Bedeutung haben Nachschusspflichten bei Verlustzuweisungsgesellschaften?
Die Verpflichtung zur Nachschussleistung kann sowohl im Gesellschaftsvertrag geregelt sein als auch sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben. Im Zusammenhang mit Verlustzuweisungsgesellschaften spielt sie insbesondere dann eine Rolle, wenn die zugewiesenen Verluste das Kapitalkonto eines Gesellschafters ins Minus laufen lassen. Gesellschaftsvertraglich kann geregelt werden, ob im Fall einer negativen Entwicklung der Kapitalkonten Nachschüsse verlangt werden dürfen oder ob die Haftung der Gesellschafter auf ihre Einlage beschränkt bleibt. Steuerlich ist dies relevant, weil der Verlustausgleich nach § 15a EStG für Kommanditisten nur dann zulässig ist, wenn sie durch eine Nachschusspflicht tatsächlich ein erhöhtes wirtschaftliches Risiko tragen. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Nachschusspflicht beeinflusst somit in großem Maße die Möglichkeit der Verlustzuweisung und deren steuerliche Berücksichtigung.
Wie erfolgt die rechtliche Behandlung der Verlustzuweisung bei Ausstieg oder Eintritt von Gesellschaftern?
Der Ein- oder Austritt von Gesellschaftern in eine Verlustzuweisungsgesellschaft führt zu einer anspruchsvollen rechtlichen Behandlung der Verlustzuweisungen, sowohl gesellschaftsvertraglich als auch steuerlich. Beim Eintritt eines neuen Gesellschafters sind die bisherigen und die zukünftigen Verlustzuweisungen klar voneinander abzugrenzen; dies geschieht zumeist durch Stichtagsregelungen, wonach der neue Gesellschafter ab dem Eintrittszeitpunkt an Gewinnen oder Verlusten beteiligt wird. Bei Austritt eines Gesellschafters ist sorgfältig zu dokumentieren, in welchem Umfang diesem noch Verluste (bzw. bereits entstandene Verluste) zuzurechnen sind, auch um spätere Streitigkeiten zu verhindern. Besonders zu beachten ist, dass bei Ausscheiden aus der Gesellschaft eventuell aufgelaufene Verlustvorträge nicht automatisch auf den Nachfolger übergehen, sondern gesellschafts- und steuerrechtlich jeweils gesondert zu behandeln sind. Steuerlich ist eine Einzelzuordnung und – je nach Gestaltung – eine gesonderte Feststellung der Verlustanteile erforderlich.