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Verlustrücktrag (carry back)


Begriff und Rechtsgrundlagen des Verlustrücktrags (Carry Back)

Der Verlustrücktrag (carry back) ist eine steuerliche Regelung, die es Steuerpflichtigen ermöglicht, einen im aktuellen Veranlagungszeitraum entstandenen Verlust auf vorhergehende Jahre zurückzutragen. Dies führt dazu, dass der in zurückgetragenen Jahren entstandene steuerliche Gewinn nachträglich gemindert und bereits gezahlte Steuern ganz oder teilweise erstattet werden. Der Verlustrücktrag ist sowohl im Einkommensteuerrecht als auch im Körperschaftsteuerrecht von erheblicher Bedeutung und unterliegt spezifischen gesetzlichen Vorschriften.

Gesetzliche Grundlagen in Deutschland

Der Verlustrücktrag ist im deutschen Steuerrecht vor allem in § 10d Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen, den zulässigen Umfang und das Verfahren für den Rücktrag negativer Einkünfte. Auch im Körperschaftsteuergesetz (KStG) finden sich vergleichbare Regelungen zum Verlustrücktrag für Kapitalgesellschaften.

§ 10d Einkommensteuergesetz (EStG)

Der entscheidende Absatz lautet auszugsweise:

„Negative Einkünfte sind, soweit sie 1 Mio. Euro (bei zusammenveranlagten Ehegatten 2 Mio. Euro) nicht übersteigen, bis zu diesem Betrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen (Verlustrücktrag).“

Die Vorschrift legt ferner fest, dass ein verbleibender Verlustabzug, der durch den Rücktrag nicht ausgeglichen wurde, in künftige Jahre vorgetragen werden kann (Verlustvortrag).

Verlustrücktrag im Körperschaftsteuerrecht

Auch juristische Personen, etwa Kapitalgesellschaften, können gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d EStG negative Einkünfte zurücktragen. Besonderheiten ergeben sich bei Umwandlungen und steuerlichen Organschaften.

Funktionsweise und Ablauf des Verlustrücktrags

Entstehung und Ermittlung eines steuerlichen Verlusts

Ein steuerlicher Verlust entsteht, wenn die negativen Einkünfte eines Veranlagungszeitraums den Gesamtbetrag der positiven Einkünfte unterschreiten. Bei der Ermittlung sind verschiedene steuerliche Vorschriften und Abzugsverbote zu beachten. Maßgeblich sind die Ergebnisse der jeweiligen Einkunftsarten nach § 2 EStG für natürliche Personen bzw. nach § 8 Abs. 1 KStG für Körperschaften.

Antrag und Durchführung des Rücktrags

Der Verlustrücktrag wird grundsätzlich von Amts wegen im Rahmen der Veranlagung durch das Finanzamt berücksichtigt. Der Steuerpflichtige kann jedoch beantragen, den Verlustrücktrag ganz oder teilweise auszuschließen (§ 10d Abs. 1 Satz 5 EStG), etwa um bereits bestandskräftige Steuerbescheide nicht zu ändern oder den Verlust lieber in künftige Jahre vortragen zu lassen.

Änderung bereits erlassener Steuerbescheide

Durch den Verlustrücktrag kann ein früherer, bereits bestandskräftiger Steuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geändert werden. Das Finanzamt erlässt in diesem Fall einen geänderten Steuerbescheid für das Jahr des Verlustrücktrags und erstattet ggf. zu viel gezahlte Steuer.

Fristen und Ablauf

Maßgeblich ist die allgemeine Festsetzungsverjährung nach der Abgabenordnung. Der Verlustrücktrag erfolgt für den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum – ein Rücktrag in weiter zurückliegende Jahre ist nicht zulässig.

Beschränkungen und Modifikationen des Verlustrücktrags

Höhe des maximalen Verlustrücktrags

Nach derzeit geltendem Recht (Stand 2024) ist der Verlustrücktrag auf einen Höchstbetrag von 1 Mio. Euro (2 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung) pro Jahr begrenzt. Ein darüber hinausgehender Verlust kann nur in zukünftige Jahre vorgetragen werden.

Sonderregelungen aufgrund von Gesetzesänderungen

Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde der zulässige Höchstbetrag des Verlustrücktrags zeitweise auf 10 Mio. Euro (20 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung) angehoben (z. B. durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz, BGBl. I 2020, S. 1512). Seit dem Jahr 2024 gelten wieder die regulären Obergrenzen.

Ausschluss und Begrenzung

Bestimmte negative Einkünfte, beispielsweise Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG), unterliegen gesonderten Vorschriften und können nicht in den Verlustrücktrag einbezogen werden. Auch Verluste aus beschränkter Steuerpflicht sind vom Verlustrücktrag ausgeschlossen.

Auswirkungen des Verlustrücktrags auf die Steuerlast

Steuerliche Entlastung durch den Verlustrücktrag

Der Verlustrücktrag bewirkt eine nachträgliche Minderung der Steuerlast im Rücktragsjahr, indem der Verlust die Berechnungsgrundlage für Einkommen- oder Körperschaftsteuer mindert. Die Folge ist eine Steuererstattung für das Rücktragsjahr.

Wechselwirkung mit dem Verlustvortrag

Sofern der Verlustrücktrag nicht vollständig ausgeschöpft werden kann, etwa weil er die Höchstbetragsgrenzen übersteigt oder der Steuerpflichtige auf den Rücktrag verzichtet, bleibt ein Verlustvortrag für nachfolgende Veranlagungszeiträume erhalten.

Verlustrücktrag im internationalen Steuerrecht

Allgemeine Übersicht

Das Konzept des Verlustrücktrags findet sich auch in vielen anderen Ländern. Der Begriff Carry Back ist im anglo-amerikanischen Steuerrecht verbreitet. Die Ausgestaltung, insbesondere die zulässige Höhe und die Rücktragsdauer, variiert je nach nationalem Steuerrecht erheblich.

Grenzüberschreitende Steuerfälle

Im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen besteht kein Anspruch auf einen grenzüberschreitenden Verlustrücktrag. Verluste können lediglich mit den positiven Einkünften im jeweiligen Land verrechnet werden, soweit das nationale Steuerrecht dies zulässt.

Abgrenzung: Verlustrücktrag und Verlustvortrag

Während der Verlustrücktrag die Möglichkeit einer nachträglichen Verlustverrechnung mit Einkünften des unmittelbar vorangegangenen Jahres bietet, sieht der Verlustvortrag gem. § 10d Abs. 2 EStG eine Verrechnung mit künftigen positiven Einkünften vor. Beide Verfahren sind alternative Formen der Verlustnutzung und schließen sich grundsätzlich nicht aus.

Rechtsprechung und Verwaltungserlasse

Aktuelle Urteile

Die Rechtsprechung – insbesondere des Bundesfinanzhofs – präzisiert fortlaufend Detailfragen zum Anwendungsbereich des Verlustrücktrags. Wichtige Streitfragen betreffen z. B. die Anwendung auf verschiedene Einkunftsarten, die Frage der Änderbarkeit von Steuerbescheiden und spezifische Sondervorschriften bei erstmaligem Verlustrücktrag.

Verwaltungsanweisungen

Finanzbehörden erlassen regelmäßig Anwendungserlasse und Verwaltungsanweisungen, die die Durchführung des Verlustrücktrags weiter konkretisieren und für einen einheitlichen Vollzug sorgen.

Literaturverweise und weiterführende Quellen

  • EStG-Kommentar BWK, Kommentar zu § 10d
  • Körperschaftsteuergesetz-Kommentar KStG
  • Bundesfinanzministerium, Anwendungsschreiben zu § 10d EStG
  • BFH-Urteile zum Thema Verlustrücktrag
  • Abgabenordnung (AO), § 175

Zusammenfassung

Der Verlustrücktrag (carry back) ist ein wesentliches Instrument im deutschen Steuerrecht zur nachträglichen Steuerentlastung durch Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen des Vorjahres. Er ist durch zahlreiche gesetzliche Regelungen, Höchstbetragsgrenzen sowie durch aktuelle Rechtsprechung und Verwaltungspraxis detailliert ausgestaltet. Das Verständnis der jeweiligen Anwendungsregelungen und Grenzen ist für die steuerliche Planung und Gestaltung unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Wie ist der Verlustrücktrag rechtlich geregelt?

Der Verlustrücktrag findet seine gesetzliche Grundlage im deutschen Einkommensteuerrecht, insbesondere in § 10d Einkommensteuergesetz (EStG). Danach können Steuerpflichtige negative Einkünfte eines Veranlagungszeitraums in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurücktragen. Das Ziel dieser Regelung ist es, steuerliche Nachteile abzumildern, die durch die unterschiedliche Verteilung von Gewinnen und Verlusten über die Jahre hinweg entstehen können. Die Durchführung des Verlustrücktrags erfolgt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Voraussetzung ist, dass der Verlust in der Steuererklärung ordnungsgemäß festzustellen ist und keine gesetzlichen Ausschluss- oder Begrenzungstatbestände greifen. Ergänzende Vorschriften enthalten Durchführungsverordnungen und Verwaltungserlasse, die die Anwendung der Regelung konkretisieren und Fristen sowie Verfahrensabläufe vorgeben.

Welche Fristen sind beim Verlustrücktrag zu beachten?

Die Inanspruchnahme des Verlustrücktrags unterliegt bestimmten Fristen, die sich unmittelbar aus dem Steuerverfahrensrecht ergeben. Maßgeblich ist hierbei die Abgabe der Steuererklärung: Der Verlustrücktrag muss spätestens mit Abgabe der Steuererklärung für das Jahr des Verlusts beantragt werden. Nach einer rechtskräftigen Veranlagung ist i.d.R. ein Rücktrag nur noch im Rahmen des § 173 AO möglich, also wenn nachträglich neue Tatsachen bekannt werden. Darüber hinaus gilt die allgemeine Festsetzungsverjährung gemäß §§ 169 ff. AO, typischerweise vier Jahre ab Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Ein verlängerter Rücktrag in Folgejahre ist nicht möglich; der Verlustrücktrag ist auf das unmittelbar vorangegangene Jahr beschränkt.

Gibt es Beschränkungen hinsichtlich der Höhe des verlustabzugsfähigen Betrags beim Verlustrücktrag?

Ja, § 10d EStG sieht hinsichtlich des Verlustrücktrags klare Begrenzungen vor. Im Grundsatz ist der Rücktrag auf einen Höchstbetrag von 1.000.000 Euro (bei Zusammenveranlagung 2.000.000 Euro) beschränkt. Verluste, die diesen Betrag überschreiten, können nicht im Rahmen des Rücktrags geltend gemacht werden, sondern sind gemäß den gesetzlichen Regelungen in den sog. Verlustvortrag einzustellen. Es besteht zudem die Möglichkeit, den Rücktragsbetrag durch Erklärung beim Finanzamt freiwillig auf einen niedrigeren Betrag zu begrenzen (§ 10d Abs. 1 Satz 5 EStG). Außerdem gelten abweichende Regelungen für bestimmte Sonderfälle wie z. B. für Körperschaften nach § 8 KStG.

Wie erfolgt die verfahrensrechtliche Umsetzung des Verlustrücktrags?

Die praktische Durchführung des Verlustrücktrags erfolgt über die Einkommensteuerveranlagung. Der Verlust ist in der Steuererklärung anzugeben, das Finanzamt prüft sodann, ob und in welcher Höhe ein Verlustrücktrag auf das Vorjahr möglich ist. Für den Rücktrag muss zwingend eine Änderung des Steuerbescheids des vorangegangenen Jahres erfolgen, sofern dieser bereits bestandskräftig ist, geschieht dies durch einen sog. Grundlagenbescheid (§ 10d Abs. 3 EStG). In der Praxis wird der Verlust zuerst mit dem im Verlustentstehungsjahr vorhandenen Einkommen verrechnet, der verbleibende Verlustbetrag wird dann rückgetragen, maximal jedoch bis zur gesetzlichen Grenze. Eventuell verbleibende Verluste werden in künftige Jahre vorgetragen. Eine besondere Erklärung zum Verlustrücktrag ist im Feststellungsbogen vorzunehmen.

Kann der Verlustrücktrag auch teilweise ausgeschlossen werden?

Steuerpflichtige können den Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG auf Antrag ganz oder teilweise ausschließen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn im Verlustentstehungsjahr mit einem Einkommen gerechnet wird, das zu einem höheren Steuersatz führt als im Jahr des Rücktrags, sodass ein späterer Verlustvortrag steuerlich günstiger ist. Der Antrag, den Verlustrücktrag zu beschränken oder ganz auszuschließen, muss zusammen mit der Steuererklärung für das Verlustjahr gestellt werden. Nachträgliche Änderungen des Antrags sind nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheides nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 173 ff. AO möglich.

Ist der Verlustrücktrag auch im Rahmen von Körperschaften anwendbar?

Im Bereich der Körperschaftsteuer ist der Verlustrücktrag über die Verweisung in § 8 Abs. 1 KStG ebenfalls anwendbar. Allerdings gibt es hier zusätzliche Einschränkungen, insbesondere durch körperschaftsteuerliche Spezialregelungen wie die Mindestbesteuerung und die sog. Mantelkaufregelung nach § 8c KStG, die den Verlustabzug bei umfassender Änderung der Gesellschafterstruktur beschränken können. Auch für Körperschaften gilt der Verlustrücktrag grundsätzlich nur auf das unmittelbar vorangegangene Veranlagungsjahr und ist betragsmäßig limitiert. Sonderregelungen gelten zudem für Organgesellschaften innerhalb von körperschaftsteuerlichen Organschaften.

Welche Auswirkungen hat der Verlustrücktrag auf die Festsetzung von Vorauszahlungen im Folgejahr?

Kommt es durch den Verlustrücktrag zu einer erheblichen Steuererstattung, wird in der Regel auch die Bemessungsgrundlage für die Vorauszahlungen im Folgejahr angepasst. Gemäß § 37 EStG sind die Vorauszahlungen nach dem mutmaßlichen Einkommen des laufenden Jahres zu bemessen. Im Ergebnis können durch Verlustverrechnung entstandene Erstattungen die künftigen Vorauszahlungsbescheide reduzieren oder ganz entfallen lassen. Es empfiehlt sich, nach Durchführung des Verlustrücktrags einen entsprechenden Antrag auf Anpassung der Vorauszahlungen beim Finanzamt zu stellen, um Liquiditätsbelastungen zu vermeiden.