Begriff und Legaldefinition der Verhetzenden Beleidigung
Die verhetzende Beleidigung ist ein strafrechtlicher Begriff, der bestimmte Formen der Beleidigung unter Strafe stellt, bei denen durch beleidigende Äußerungen zusätzlich eine gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen gerichtete Hetze vorliegt. Vor allem im deutschen Recht ist die verhetzende Beleidigung nicht ausdrücklich unter dieser Bezeichnung geregelt, sondern bildet eine Schnittmenge zwischen den Straftatbeständen der Beleidigung (§ 185 StGB), üblen Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB) und insbesondere des § 130 StGB – Volksverhetzung. In Österreich existiert mit § 283 StGB „Verhetzung“ eine spezielle Regelung, deren Anwendungsbereich strafschärfend auf beleidigende Elemente ausgeweitet werden kann.
Abgrenzung zum Begriff der Beleidigung
Die Beleidigung nach § 185 StGB umfasst ehrverletzende Äußerungen, die nicht notwendigerweise einen Bezug zu einer gesellschaftlichen Gruppe oder ein Aufwiegelungspotential aufweisen müssen. Die verhetzende Beleidigung zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, dass sie eine Gruppe von Menschen oder Einzelpersonen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen, religiösen oder sozialen Gruppe herabwürdigt und öffentlich gegen diese aufzustacheln versucht.
Gesetzliche Grundlagen: Regelungen in Deutschland
StGB – Strafgesetzbuch
In Deutschland wird die verhetzende Beleidigung rechtlich hauptsächlich durch folgende Paragraphen erfasst:
- § 185 StGB – Beleidigung: Allgemeiner Ehrschutz einzelner Personen und Gruppen.
- § 130 StGB – Volksverhetzung: Schützt das friedliche Zusammenleben vor Hetze gegen nationale, ethnische, religiöse oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen.
- § 189 StGB – Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener: Schutz der persönlichen Ehre Verstorbener.
Eine verhetzende Beleidigung erfüllt regelmäßig sowohl den Tatbestand der Beleidigung als auch Elemente der Volksverhetzung, insbesondere wenn die Äußerung in einer Weise erfolgt, die den öffentlichen Frieden stören kann.
§ 130 StGB – Volksverhetzung im Detail
§ 130 StGB unterteilt verschiedene Handlungsrichtungen, welche unter Strafe gestellt werden, z.B.:
- Aufstachelung zum Hass gegen nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen oder gegen Teile der Bevölkerung;
- Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen deren Angehörige;
- Beschimpfung, böswillige Verächtlichmachung oder Verleumdung dieser Gruppen auf eine Art, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Insbesondere der letzte Punkt überschneidet sich mit dem Begriff der verhetzenden Beleidigung, da die Tat durch beleidigende, verächtlichmachende oder verleumderische Äußerungen geprägt sein kann.
Voraussetzungen und Tatbestand
Subjektiver Tatbestand
Der Täter muss mit zumindest bedingtem Vorsatz handeln. Es reicht aus, dass er die Möglichkeit einer öffentlichen Friedensstörung erkennt und billigend in Kauf nimmt.
Objektiver Tatbestand
- Adressat: Ziel sind Einzelpersonen als Repräsentanten bestimmter Gruppen oder die Gruppen selbst.
- Öffentliche Kundgabe: Die Äußerung muss öffentlich oder in einer Weise erfolgen, die geeignet ist, eine breite Wirkung zu entfalten.
- Bezug zur Gruppe: Herabsetzungen erfolgen gerade mit dem Bezug zur ethnischen, religiösen oder sonstigen schützenswerten Identität und sind geeignet, Hass, Gewaltbereitschaft oder Verachtung zu fördern.
Beispiele für Gruppen, die gesetzlich geschützt sind: Volksgruppen, nationale, rassische, religiöse Gemeinschaften, sexuelle Minderheiten.
Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen
Beleidigung (§ 185 StGB)
Die einfache Beleidigung schützt die persönliche Ehre ohne gegen Gruppen gerichtete Hetze.
Üble Nachrede und Verleumdung (§§ 186, 187 StGB)
Diese Straftatbestände betreffen unwahre, rufschädigende Tatsachenbehauptungen über Einzelpersonen oder Gruppen, jedoch ohne Aufstachelung zum Hass.
Verbreitung volksverhetzender Inhalte (§§ 130, 130a StGB)
Hier setzt der Gesetzgeber einen besonderen Akzent auf öffentliche Wirkung und Friedensstörungspotenzial. Die Schwelle der Strafbarkeit ist höher als bei individueller Beleidigung.
Sanktionen und Strafmaß
Strafandrohung
Für Beleidigung (§ 185 StGB): Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, bei Tätlichkeit bis zu zwei Jahren.
Für Volksverhetzung (§ 130 StGB): Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen auch darüber hinaus.
Versuch und Teilnahme
Der Versuch der verhetzenden Beleidigung ist nicht strafbar, bei der Volksverhetzung hingegen schon. Anstiftung und Beihilfe werden nach allgemeinen Regeln geahndet.
Rechtsprechung und Praxisbeispiele
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hebt hervor, dass kontextabhängig jeder Einzelfall gewertet werden muss. Eine Grenze zur erlaubten Meinungsfreiheit ist überschritten, wenn Persönlichkeitsrechte systematisch verletzt und Gruppen zum Ziel öffentlicher Verächtlichmachung werden. Klassische Praxisbeispiele sind rassistische Schmierereien, Aufrufe gegen religiöse oder ethnische Minderheiten sowie Hassparolen, die öffentlich verbreitet werden.
Schutzbereich und Verfassungsrecht
Meinungsfreiheit und Schranken
Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet die Meinungsfreiheit. Der Gesetzgeber kann jedoch nach Art. 5 Abs. 2 GG durch allgemeine Gesetze – wie §§ 130, 185 StGB – insbesondere zum Schutz der persönlichen Ehre oder des öffentlichen Friedens Schranken ziehen. In ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verhetzende Beleidigungen nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit gedeckt.
Rechtslage in Österreich
In Österreich ist die Verhetzung gemäß § 283 StGB strafbar, wenn zu Hass gegen bestimmte Gruppen aufgestachelt oder Gewalt befürwortet wird. Auch herabwürdigende Passagen und beleidigende Taten gegen geschützte Gruppen können diesen Straftatbestand erfüllen.
Internationale Einordnung
Viele andere europäische Rechtsordnungen kennen ähnlich gelagerte Straftatbestände, etwa in Frankreich („provocation à la haine“), Großbritannien (Public Order Act) oder der Schweiz (Art. 261bis StGB). Internationaler Rahmen bildet die „Ausradierungs-Konvention“ (ICERD) der Vereinten Nationen, die zu einer effektiven Bekämpfung von Hetze und Diskriminierung verpflichtet.
Zusammenfassung und Bedeutung für die Praxis
Die verhetzende Beleidigung steht an der Schnittstelle zwischen Ehrdelikten und kollektiven Schutzgütern. Sie erfasst Verhaltensweisen, die nicht nur einzelne oder Gruppen in der Ehre verletzen, sondern auch geeignet sind, den gesellschaftlichen Frieden zu stören und eine Atmosphäre der Intoleranz und Gewaltbereitschaft zu schaffen. Durch die gesetzliche Ausgestaltung und die differenzierte Rechtsprechung wird der Schutz sowohl individuell als auch kollektiv gewährleistet. Die verhetzende Beleidigung stellt damit ein zentrales Instrument im Kampf gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und gesellschaftliche Spaltung dar.
Häufig gestellte Fragen
Welche Straftatbestände können bei einer verhetzenden Beleidigung neben § 130 StGB (Volksverhetzung) einschlägig sein?
Bei Sachverhalten rund um verhetzende Beleidigungen kommen regelmäßig mehrere Straftatbestände des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) in Betracht. Neben § 130 StGB (Volksverhetzung) ist zunächst § 185 StGB (Beleidigung) von zentraler Bedeutung. Beleidigung umfasst ehrenrührige Kundgaben der Missachtung oder Nichtachtung, wobei der Schutzbereich die persönliche Ehre des Einzelnen betrifft. Wird eine Gruppe aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion, Weltanschauung, Nationalität oder bestimmten sonstigen Merkmalen beleidigt, kann zusätzlich § 185 StGB greifen, selbst wenn bereits eine Strafbarkeit nach § 130 StGB vorliegt (sog. Tateinheit, § 52 StGB). Weiterhin kommen bei öffentlich geäußerten, ehrverletzenden Behauptungen über Gruppen oder Einzelpersonen die §§ 186 (Üble Nachrede) und 187 StGB (Verleumdung) in Betracht, sofern unwahre Tatsachen behauptet werden, die geeignet sind, das Ansehen zu schädigen. Auch der Tatbestand der Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) oder der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 Abs. 1 StGB) kann bei entsprechenden Inhalten gegeben sein. Des Weiteren kommt unter Umständen der Straftatbestand der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§ 166 StGB) in Betracht, insbesondere wenn religiöse Gruppen betroffen sind. Die Strafverfolgung findet in der Regel nur auf Antrag statt, §§ 194 ff. StGB, es sei denn, ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung liegt vor.
Wann liegt keine verhetzende Beleidigung, sondern zulässige Meinungsäußerung vor?
Das Grundgesetz garantiert die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG, welche jedoch ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, insbesondere den Vorschriften zum Schutz der persönlichen Ehre sowie dem Volksverhetzungsparagrafen, findet. Keine verhetzende Beleidigung liegt vor, wenn die Äußerung im Rahmen sachlicher Kritik erfolgt und weder die Menschenwürde anderer angreift noch zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen auffordert. Die Abgrenzung erfolgt unter Anwendung der sogenannten Wechselwirkungslehre, wobei das Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit und strafrechtlicher Grenzen berücksichtigt wird. Zentral ist hierbei das Kriterium der Schmähkritik; rein polemische, überspitzte oder provokante Meinungsäußerungen sind noch durch die Meinungsfreiheit geschützt, solange sie nicht die Grenze zur Diffamierung oder Aufstachelung überschreiten. Bei verhetzenden Beleidigungen ist außerdem von Bedeutung, ob die Äußerung grob ehrverletzend ist und gezielt auf die Herabwürdigung einer Person oder Gruppe abzielt – bloße Kritik ist straflos.
Gibt es Unterschiede zwischen verhetzender Beleidigung online und offline?
Im rechtlichen Kontext wird zwischen Online-Delikten (z.B. in sozialen Netzwerken, auf Websites oder in Foren) und Offline-Delikten (z.B. bei Versammlungen, auf Flugblättern oder im persönlichen Gespräch) in Bezug auf die Strafbarkeit grundsätzlich kein Unterschied gemacht, da die gesetzlichen Vorschriften des StGB tatortunabhängig gelten. Allerdings können sich im Einzelfall Auswirkungen auf die Strafzumessung, insbesondere hinsichtlich der Reichweite des Delikts und der Verbreitung des Inhalts, ergeben. Verhetzende Beleidigungen im Internet sind aufgrund der potentiell unbegrenzten Publikumswirksamkeit in der Regel als öffentlich begangene Taten zu werten und können daher gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit einer höheren Strafandrohung geahndet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Inhalte im Netz bleibend zugänglich sein können. Auch das Verfolgen der Täter kann komplexer sein, da teilweise internationale Jurisdiktionen berührt werden, was insbesondere Ermittlungsbefugnisse und Zustellungen betrifft.
Wer kann Opfer einer verhetzenden Beleidigung sein, und welche Gruppen sind besonders geschützt?
Als mögliche Opfer verhetzender Beleidigung kommen sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen in Betracht, wenn sie aufgrund bestimmter Merkmale wie Herkunft, Nationalität, Ethnie, Religion, Weltanschauung, sexueller Orientierung, Geschlecht, Behinderung oder anderer vergleichbarer Kriterien beleidigt, verächtlich gemacht oder bedroht werden. Die Vorschriften nach § 130 StGB schützen dabei insbesondere Gruppen von Menschen, Teile der Bevölkerung oder Einzelpersonen als Angehörige solcher Gruppen. Der besonderer Schutz dieses Straftatbestands ist darauf ausgerichtet, kollektive Identitäten vor Angriffen zu bewahren, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft zu stören oder bestimmte Gruppen auszugrenzen und zu stigmatisieren. Einzelpersonen werden vor allem durch die herkömmlichen Ehrdelikte (§§ 185 ff. StGB) geschützt, wenn sich die Tat gezielt gegen sie als Mitglied einer geschützten Gruppe richtet oder ihre Menschenwürde berührt wird.
Wird der Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung auch ohne Strafantrag verfolgt?
Die Strafverfolgung verhetzender Beleidigungen richtet sich nach dem jeweiligen Straftatbestand. Die Volksverhetzung gemäß § 130 StGB ist ein Offizialdelikt und wird von Amts wegen verfolgt – ein Strafantrag durch das Opfer ist nicht erforderlich. Die Beleidigungsdelikte nach §§ 185 bis 187 StGB sind hingegen grundsätzlich Antragsdelikte, werden also nur auf Antrag des unmittelbar Betroffenen verfolgt (§ 194 StGB), es sei denn, es besteht im Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, etwa bei besonderem Gewicht der Tat. Bei Mischformen, bei denen sowohl § 130 StGB als auch §§ 185 ff. StGB einschlägig sind, kommt es auf die konkrete rechtliche Würdigung durch die Behörden an.
Welche Sanktionen drohen bei einer verhetzenden Beleidigung?
Das Strafmaß variiert je nach angewendetem Straftatbestand und den Umständen des Einzelfalls. Bei Volksverhetzung (§ 130 StGB) droht grundsätzlich eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen oder bei Ersttätern kann auch eine Geldstrafe verhängt werden. Bei Beleidigungen (§ 185 StGB), übler Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) ist ein Rahmen von Geldstrafe bis hin zu Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren (bei Verleumdung) vorgesehen. Zusätzlich sind Nebenfolgen denkbar, etwa Schadensersatzansprüche des Opfers nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder zivilrechtliche Unterlassungsansprüche. Die Höhe der Strafe bemisst sich nach der Schwere der Tat, den Beweggründen, der Art und Weise des Vorbringens sowie etwaigen Vorstrafen und dem Verhalten nach der Tat (z.B. Entschuldigung, Rücknahme der Äußerung). Das öffentliche Interesse an der Ahndung solcher Taten ist in der Regel hoch, weshalb mit empfindlichen Sanktionen zu rechnen ist.