Verhaltensbedingte Kündigung

Verhaltensbedingte Kündigung: Begriff, Einordnung und Abgrenzung

Die verhaltensbedingte Kündigung ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die auf ein steuerbares Fehlverhalten der beschäftigten Person gestützt wird. Das zentrale Merkmal ist eine vorwerfbare Pflichtverletzung, die aus Sicht des Unternehmens die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Sie unterscheidet sich von der personenbedingten Kündigung (Eignungs- oder Fähigkeitsmängel ohne steuerbares Fehlverhalten) und der betriebsbedingten Kündigung (dringende betriebliche Erfordernisse).

Verhaltensbedingte Kündigungen können ordentlich (mit Frist) oder – bei besonders schwerem Fehlverhalten – außerordentlich (fristlos) ausgesprochen werden. Maßgeblich ist stets, ob das Verhalten in der Zukunft voraussichtlich erneut auftreten wird und ob mildere Mittel als die Beendigung zur Verfügung standen. Von der verhaltensbedingten Kündigung abzugrenzen ist die Verdachtskündigung, die auf einem dringenden Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung beruht und besondere Voraussetzungen hat.

Rechtliche Voraussetzungen

Pflichtverletzung und steuerbares Verhalten

Voraussetzung ist eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, die die betroffene Person hätte vermeiden können. Typische Konstellationen sind unter anderem:

  • beharrliche Arbeitsverweigerung oder Missachtung klarer Arbeitsanweisungen,
  • häufige und erhebliche Unpünktlichkeit oder unerlaubtes Fernbleiben,
  • Störungen des Betriebsfriedens, etwa durch Beleidigungen oder Drohungen,
  • Arbeitszeitbetrug, exzessive private Nutzung betrieblicher IT entgegen klarer Regeln,
  • Vermögensdelikte zulasten des Unternehmens oder von Kolleginnen und Kollegen,
  • Alkoholisierung oder Drogenkonsum am Arbeitsplatz bei entsprechender Gefahrenlage oder entgegen eindeutiger Regelungen,
  • Verstöße gegen Verschwiegenheitspflichten oder Datenschutzvorgaben.

Nicht verhaltensbedingt sind etwa Leistungsmängel aufgrund fehlender Eignung oder krankheitsbedingte Ausfälle, soweit kein steuerbares Fehlverhalten vorliegt.

Abmahnung und Warnfunktion

In der Regel ist vor einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung eine Abmahnung erforderlich. Sie soll auf das Fehlverhalten hinweisen, zur Vertragstreue anhalten und für den Wiederholungsfall die Kündigung in Aussicht stellen. Erst wenn trotz Abmahnung erneut gleichartiges Fehlverhalten auftritt, kann die Kündigung in Betracht kommen.

Inhalt und Form der Abmahnung

Die Abmahnung muss das konkrete Verhalten präzise beschreiben, unmissverständlich zur künftigen Unterlassung auffordern und arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung deutlich machen. Sie sollte zeitnah erfolgen und dem betroffenen Verhalten zugeordnet sein.

Entbehrlichkeit der Abmahnung

Eine Abmahnung kann entbehrlich sein, wenn das Fehlverhalten so schwer wiegt, dass schon der erste Verstoß das Vertrauen grundlegend zerstört oder offensichtlich ist, dass eine Verhaltensänderung nicht zu erwarten steht. Dies kommt nur ausnahmsweise in Betracht.

Negative Prognose und Interessenabwägung

Erforderlich ist eine negative Zukunftsprognose: Es müssen Umstände vorliegen, die erwarten lassen, dass sich das Fehlverhalten wiederholt. Zudem ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. Dabei spielen unter anderem die Dauer des Arbeitsverhältnisses, ein bisher störungsfreier Verlauf, die Schwere der Pflichtverletzung, die Verantwortung im Betrieb, die Reaktion auf die Abmahnung und soziale Gesichtspunkte eine Rolle.

Verhältnismäßigkeit und mildere Mittel

Die Kündigung ist nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig ist. Mildere Mittel – etwa Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Anpassung von Aufgaben – müssen geprüft und, soweit geeignet, vorrangig ausgeschöpft werden.

Ablauf und Form der Kündigung

Schriftform und Zugang

Die Kündigung bedarf der Schriftform mit eigenhändiger Unterschrift und wird erst mit Zugang wirksam. Der Zugang liegt vor, wenn das Schreiben in den Machtbereich der empfangenden Person gelangt und unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis genommen werden kann. Elektronische Formen genügen nicht.

Kündigungsfrist und Beendigungszeitpunkt

Bei der ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung sind die maßgeblichen Fristen aus Vertrag oder Tarifvertrag zu beachten. In der Probezeit gelten regelmäßig kürzere Fristen. Der Beendigungszeitpunkt bestimmt sich nach der jeweils einschlägigen Frist.

Ordentliche versus außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung

Die ordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis fristgerecht aufgrund vorwerfbaren Verhaltens. Die außerordentliche Kündigung setzt ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten voraus, das die Fortsetzung bis zum Ablauf der Frist unzumutbar macht. Sie muss innerhalb kurzer Zeit nach Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen erklärt werden.

Beteiligungsrechte und besondere Schutzvorschriften

Anhörung des Betriebsrats

Ist ein Betriebsrat vorhanden, ist dieser vor jeder Kündigung ordnungsgemäß anzuhören. Das Unternehmen muss die wesentlichen Kündigungsgründe mitteilen. Eine ohne erforderliche Anhörung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Besonderer Schutz bestimmter Personengruppen

Bestimmte Personengruppen genießen besonderen Kündigungsschutz. Hierzu zählen unter anderem Schwangere und Personen in Elternzeit, schwerbehinderte Menschen, Mitglieder von Interessenvertretungen oder Datenschutzbeauftragte. In diesen Fällen sind zusätzliche Voraussetzungen zu beachten, etwa Zustimmungen oder weitergehende Prüfungen der Zumutbarkeit.

Kündigung in der Probezeit und im Kleinbetrieb

Auch in der Probezeit kann verhaltensbedingt gekündigt werden. Zwar gelten dort erleichterte Bedingungen, dennoch müssen Mindestanforderungen wie die Beachtung der Schriftform, das Benachteiligungsverbot und das Willkürverbot eingehalten werden. In Kleinbetrieben greifen bestimmte allgemeine Schutzmechanismen unter Umständen nicht, gleichwohl sind Treu und Glauben sowie Diskriminierungsverbote zu beachten.

Beweis- und Dokumentationsfragen

Darlegungslast des Arbeitgebers

Das Unternehmen muss die Pflichtverletzung, deren Vorwerfbarkeit, die negative Zukunftsprognose, die ordnungsgemäße Abmahnung (soweit erforderlich) sowie die Interessenabwägung nachvollziehbar darlegen und im Streitfall beweisen. Eine sorgfältige Dokumentation des Vorfalls und der Reaktionen ist hierfür bedeutsam.

Verhalten der beschäftigten Person und Entlastung

Die beschäftigte Person kann entlastende Umstände vorbringen, etwa Missverständnisse, unklare Anweisungen, fehlende Schulungen oder eine einmalige, nachvollziehbar erklärbare Verfehlung. Auch eine positive Entwicklung nach einer Abmahnung kann die Prognose beeinflussen.

Typische Fallkonstellationen

Häufige Anwendungsfälle betreffen wiederholte unentschuldigte Fehlzeiten, erhebliche Verspätungen, grobe Respektlosigkeiten, Verstöße gegen IT- und Compliance-Regeln, Arbeitszeitmanipulation, unerlaubte Nebentätigkeit im Konflikt mit betrieblichen Interessen, die Verletzung von Geheimhaltungspflichten oder Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften.

Folgen und Anschlussfragen

Arbeitszeugnis

Nach der Beendigung besteht ein Anspruch auf ein Zeugnis. Der Kündigungsgrund wird im Zeugnis nicht ausdrücklich genannt. Die Formulierungen müssen der Wahrheit entsprechen und dürfen die berufliche Entwicklung nicht unangemessen erschweren.

Ansprüche bis zum Beendigungszeitpunkt

Vergütungs- und Urlaubsansprüche richten sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach den vertraglichen Regelungen. Offene Ansprüche sind abzurechnen; Freistellungen können unter Anrechnung von Resturlaub erfolgen, sofern dies rechtlich zulässig vereinbart wird.

Auswirkungen auf Leistungen der Arbeitsförderung

Verhaltensbedingte Kündigungen können sozialrechtliche Folgen haben. Insbesondere kann eine Sperrzeit in Betracht kommen, wenn die Beendigung auf vorwerfbarem Verhalten beruht. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls und die Beurteilung durch die zuständige Stelle.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet verhaltensbedingte Kündigung in einfachen Worten?

Sie bezeichnet die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, weil eine beschäftigte Person gegen vertragliche Pflichten verstoßen hat und dieses Fehlverhalten steuerbar war. Es geht um Vorfälle, die der betroffenen Person vorwerfbar sind und die das Vertrauen nachhaltig beeinträchtigen.

Muss vor einer verhaltensbedingten Kündigung immer abgemahnt werden?

In der Regel ja. Die Abmahnung soll auf das Fehlverhalten hinweisen, eine Verhaltensänderung bewirken und für den Wiederholungsfall die Kündigung androhen. Nur in besonders gravierenden Ausnahmefällen kann auf eine Abmahnung verzichtet werden.

Worin liegt der Unterschied zwischen ordentlicher und außerordentlicher verhaltensbedingter Kündigung?

Die ordentliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Die außerordentliche Kündigung wirkt fristlos, setzt ein besonders schweres Fehlverhalten voraus und muss innerhalb kurzer Zeit nach Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen erklärt werden.

Welche Rolle spielt die Interessenabwägung?

Es wird geprüft, ob die Beendigung trotz des Fehlverhaltens angemessen ist. Dabei werden unter anderem Dauer und Verlauf des Arbeitsverhältnisses, Schwere und Folgen des Verstoßes, Reaktionen auf Abmahnungen sowie soziale Faktoren berücksichtigt.

Gilt der Schutz durch den Betriebsrat auch bei verhaltensbedingter Kündigung?

Ja, der Betriebsrat ist vor Ausspruch jeder Kündigung anzuhören. Er erhält die wesentlichen Informationen zu Gründen und Umständen. Unterbleibt eine erforderliche Anhörung, ist die Kündigung unwirksam.

Kann auch in der Probezeit verhaltensbedingt gekündigt werden?

Ja. In der Probezeit gelten erleichterte Bedingungen und kürzere Fristen. Gleichwohl müssen die Schriftform, Benachteiligungsverbote und das Willkürverbot beachtet werden.

Welche Auswirkungen kann eine verhaltensbedingte Kündigung auf Leistungen der Arbeitsförderung haben?

Es kann zu Nachteilen kommen, wenn die Beendigung auf vorwerfbarem Verhalten beruht. Die Beurteilung erfolgt durch die zuständige Stelle und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.