Definition und Grundlagen der verhaltensbedingten Kündigung
Die verhaltensbedingte Kündigung ist eine besondere Form der ordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Sie wird ausgesprochen, wenn im Verhalten des Arbeitnehmers ein Grund liegt, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Die verhaltensbedingte Kündigung ist sowohl in Betrieben mit als auch ohne Betriebsrat relevant und unterliegt den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), sofern dessen Geltungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Rechtliche Einordnung und Voraussetzungen
Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzlichen Bestimmungen zur verhaltensbedingten Kündigung finden sich im Kündigungsschutzgesetz (KSchG), insbesondere in § 1 Abs. 2 KSchG. Daneben gelten die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere zu den Vertragsverletzungen (§§ 241, 242 BGB).
Voraussetzungen der verhaltensbedingten Kündigung
Für die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Vorliegen eines erheblichen Fehlverhaltens:
Das Verhalten des Arbeitnehmers muss arbeitsvertragliche Pflichten in signifikanter Weise verletzen.
- Pflichtverletzung trotz Abmahnung:
In der Regel ist eine ordnungsgemäße und einschlägige Abmahnung erforderlich. Sie soll verdeutlichen, dass das Verhalten nicht akzeptabel ist und im Wiederholungsfall Konsequenzen drohen.
- Interessenabwägung:
Eine genaue Abwägung der beiderseitigen Interessen hat zu erfolgen. Dabei werden insbesondere die Schwere der Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens, die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie die sozialen Auswirkungen der Kündigung berücksichtigt.
- Erfolglose Alternativen:
Mildere Mittel als die Kündigung (z.B. Versetzungen) müssen vorab geprüft und, wenn zumutbar, vorrangig eingesetzt werden.
- Kausalität:
Das Verhalten muss der entscheidende Grund für die Kündigung sein; eine andere Motivation (z.B. betriebs- oder personenbedingte Gründe) darf nicht im Vordergrund stehen.
Typische Fallgruppen der verhaltensbedingten Kündigung
Verhaltensbedingte Kündigungen stützen sich regelmäßig auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten. Zu den typischen Fallgruppen zählen:
Arbeitsverweigerung
Die hartnäckige und wiederholte Weigerung eines Arbeitnehmers, die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen, kann auch nach Abmahnung zur Kündigung führen.
Unentschuldigtes Fehlen und Zuspätkommen
Wiederholtes unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit oder gravantes Zuspätkommen stellen Pflichtverletzungen dar und rechtfertigen nach Abmahnung eine Kündigung.
Störung des Betriebsfriedens
Beleidigungen, Tätlichkeiten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen oder Dritten sowie fortgesetzte Störungen des Betriebsfriedens werden als erhebliche Vertragsverletzungen angesehen.
Straftaten im Arbeitsverhältnis
Die Begehung von Diebstahl, Unterschlagung, Betrug oder anderen Straftaten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis können auch bei geringfügigem Schaden eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses darstellen und eine verhaltensbedingte Kündigung begründen.
Missachtung betrieblicher Anweisungen
Beharrliche Verstöße gegen Dienstanweisungen oder Sicherheitsvorschriften rechtfertigen im Wiederholungsfall – nach vorheriger Abmahnung – eine Kündigung.
Anforderungen an die Abmahnung
Die Abmahnung hat eine zentrale Funktion im Rahmen der verhaltensbedingten Kündigung. Sie dient als Hinweisfunktion und gibt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Verhaltensänderung. Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung offensichtlich ausgeschlossen ist, etwa bei besonders schweren Pflichtverletzungen (z.B. bei Straftaten).
Eine wirksame Abmahnung muss folgende Kriterien erfüllen:
- Konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens
- Aufforderung zur Unterlassung
- Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen für den Wiederholungsfall
Anhörung des Arbeitnehmers und Mitwirkung des Betriebsrates
Anhörungspflicht des Arbeitnehmers
Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung ist die Stellungnahme des Arbeitnehmers zum vorgeworfenen Sachverhalt einzuholen. Diese Maßnahme dient der Sachverhaltsaufklärung und kann die Rechtmäßigkeit der Kündigung untermauern.
Beteiligung des Betriebsrates
Gemäß § 102 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung, unabhängig von deren Grund, anzuhören. Der Arbeitgeber hat die Gründe der beabsichtigten Kündigung umfassend und wahrheitsgemäß mitzuteilen. Ohne diese Anhörung ist die Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
Besonderheiten im Kündigungsschutzprozess
Im Kündigungsschutzprozess prüft das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung anhand der dargelegten Kriterien. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für die zur Kündigung führenden Tatsachen. Hierbei werden auch die sozialen Auswirkungen der Kündigung und das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers gewichtet.
Reagiert der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage, prüft das Gericht u.a.:
- Die Wirksamkeit der Abmahnung
- Die Angemessenheit der Interessenabwägung
- Die Einhaltung sozialer Schutzvorschriften
Verhältnis zu anderen Kündigungsarten
Abgrenzung zur personenbedingten Kündigung
Im Gegensatz zur verhaltensbedingten Kündigung liegt bei der personenbedingten Kündigung der Grund in den persönlichen Eigenschaften oder Fähigkeiten des Arbeitnehmers (z. B. krankheitsbedingte Kündigung), nicht aber in dessen steuerbarem Verhalten.
Abgrenzung zur betriebsbedingten Kündigung
Bei der betriebsbedingten Kündigung ist die Ursache im Wegfall des Arbeitsplatzes aufgrund unternehmerischer Entscheidungen oder wirtschaftlicher Entwicklungen zu sehen, nicht jedoch im Verhalten des Arbeitnehmers selbst.
Schutz besonderer Personengruppen
Für bestimmte Arbeitnehmergruppen, wie Schwerbehinderte, Mitglieder des Betriebsrats, Schwangere und Elternzeitlernende, gelten besondere Schutzvorschriften. Die Kündigung kann nur mit Zustimmung der jeweiligen Aufsichtsbehörde (z.B. Integrationsamt, Mutterschutzbehörde) ausgesprochen werden.
Zusammenfassung
Die verhaltensbedingte Kündigung ist ein Instrument zur Wahrung betrieblicher Interessen bei schwerwiegendem vertragswidrigem Verhalten von Arbeitnehmern. Für ihre Wirksamkeit ist eine Reihe formaler und materieller Voraussetzungen zu erfüllen, insbesondere das Vorliegen einer einschlägigen Abmahnung, eine sorgfältige Interessenabwägung sowie die Beteiligung betrieblicher Mitbestimmungsgremien. Im Kündigungsschutzprozess obliegt es dem Arbeitgeber, das vorwerfbare Verhalten und die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nachzuweisen. Die Abgrenzung zu anderen Kündigungsarten und die Beachtung besonderer Schutzvorschriften sind für die rechtssichere Umsetzung entscheidend.
Häufig gestellte Fragen
Welche formalen Voraussetzungen müssen für eine verhaltensbedingte Kündigung gemäß deutschem Arbeitsrecht erfüllt sein?
Für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung im deutschen Arbeitsrecht sind mehrere formale Voraussetzungen zu erfüllen. Zunächst muss das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung finden, was in der Regel bei Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern und bei Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als sechs Monaten gilt. Die Kündigung bedarf der Schriftform (§ 623 BGB), eine mündliche oder elektronische Kündigung ist entsprechend nichtig. Vor dem Ausspruch der Kündigung ist grundsätzlich eine vorherige Abmahnung erforderlich, es sei denn, das Fehlverhalten ist so schwerwiegend, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung unzumutbar ist. Zudem muss das Fehlverhalten konkret und detailliert im Kündigungsschreiben beschrieben werden, sodass der Arbeitnehmer die Gründe nachvollziehen kann. Ebenso ist die Zwei-Wochen-Frist bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB zu beachten. Besteht ein Betriebsrat, ist dieser gemäß § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß anzuhören, andernfalls ist die Kündigung unwirksam. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei der Interessenabwägung zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung – eventuell unter geänderten Bedingungen – zumutbar ist.
Wann ist eine vorherige Abmahnung bei einer verhaltensbedingten Kündigung entbehrlich?
Eine vorherige Abmahnung ist bei einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich erforderlich, da sie den Arbeitnehmer auf sein Fehlverhalten aufmerksam machen und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung geben soll. Ausnahmen hiervon sind nur in besonderen Fällen möglich. Entbehrlich ist eine Abmahnung insbesondere dann, wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend ist, dass eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung als gerechtfertigt angesehen wird. Dies kann etwa bei gravierenden Vertrauensverstößen wie Diebstahl, Betrug oder tätlichen Angriffen gegen Vorgesetzte oder Kollegen der Fall sein. In solchen Fällen kann dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden. Zudem kann eine Abmahnung entbehrlich sein, wenn der Arbeitnehmer eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er sein Verhalten auch in Zukunft nicht ändern wird, beispielsweise durch eine ausdrückliche Weigerung, bestimmte arbeitsvertragliche Pflichten zu erfüllen.
Welche Rolle spielt die Interessenabwägung bei der verhaltensbedingten Kündigung?
Die Interessenabwägung ist ein zentrales Element im Prozess der verhaltensbedingten Kündigung. Sie dient dazu, die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber den Interessen des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind diverse Faktoren zu berücksichtigen, wie die Schwere und Häufigkeit des Fehlverhaltens, die bislang gezeigte Betriebszugehörigkeit und das bisherige Verhalten des Arbeitnehmers, dessen Lebensalter, Unterhaltspflichten, der Grad des Verschuldens, die Dauer der Betriebszugehörigkeit sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kündigung. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Prognose gerechtfertigt ist, dass auch in Zukunft mit weiteren Pflichtverletzungen zu rechnen ist. Falls mildere Mittel wie eine Versetzung oder eine Änderungskündigung ausreichend und zumutbar wären, muss die Kündigung zurücktreten. Kommt die Interessenabwägung jedoch zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist, kann eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein.
Kann der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung auch bei geringfügigen Pflichtverletzungen aussprechen?
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist grundsätzlich möglich, jedoch unterliegt sie strengen Anforderungen und kann bei lediglich geringfügigen Pflichtverletzungen in der Regel nicht wirksam ausgesprochen werden. Im Einzelfall kommt es darauf an, ob das Fehlverhalten geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig zu erschüttern oder den Betriebsablauf erheblich zu stören. Erst bei einer nachhaltigen Störung oder einem nachhaltigen Vertrauensverlust kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Bei leichten Verstößen, etwa gelegentliches Zuspätkommen ohne schwerwiegende Auswirkungen, muss dem Arbeitnehmer zunächst durch eine Abmahnung die Möglichkeit zur Besserung gegeben werden. Nur wenn sich die Pflichtverletzungen trotz Abmahnung wiederholen, kann eine Kündigung als letztes Mittel in Betracht gezogen werden.
Welche Bedeutung hat die vorherige Abmahnung in Bezug auf spätere Kündigungsschutzklagen?
Die vorherige Abmahnung spielt auch im Rahmen späterer Kündigungsschutzklagen eine entscheidende Rolle. Im Kündigungsschutzverfahren prüft das Arbeitsgericht, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen desselben oder ähnlichen Pflichtverstoßes bereits abgemahnt hat und ob das abgemahnte Verhalten mit dem kündigungsrelevanten Verhalten identisch oder vergleichbar ist. Fehlt eine ordnungsgemäße Abmahnung oder bezieht sich die Abmahnung auf einen gänzlich anderen Lebenssachverhalt, wird die verhaltensbedingte Kündigung in der Regel als unwirksam angesehen. Darüber hinaus wird geprüft, ob die Abmahnung formell sowie inhaltlich den Anforderungen entspricht, also hinreichend konkret über das Fehlverhalten aufklärt und unmissverständlich Konsequenzen im Wiederholungsfall androht. Eine veraltete oder zu allgemein gehaltene Abmahnung kann vor Gericht als nicht ausreichend angesehen werden, was die Chancen des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess erhöht.
Wie unterscheidet sich die ordentliche von der außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung?
Die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung unterscheidet sich von der außerordentlichen (fristlosen) insbesondere durch die Einhaltung der gesetzlichen, tariflichen oder vertraglichen Kündigungsfristen. Bei einer ordentlichen Kündigung wird das Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der einschlägigen Fristen beendet, während die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung auflöst. Die außerordentliche Kündigung setzt das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen (§ 626 Abs. 1 BGB). Die Anforderungen an das Fehlverhalten des Arbeitnehmers und die Nachweispflicht des Arbeitgebers sind bei der außerordentlichen Kündigung somit erheblich strenger. Auch hier ist regelmäßig eine vorherige Abmahnung erforderlich, es sei denn, das Verhalten ist derart gravierend, dass sie nach den Umständen entbehrlich ist.
Welche Fristen müssen bei der verhaltensbedingten Kündigung vom Arbeitgeber beachtet werden?
Bei der ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung müssen die gesetzlichen, tariflichen oder arbeitsvertraglich vereinbarten Kündigungsfristen berücksichtigt werden (§ 622 BGB). Diese richten sich unter anderem nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung ist vom Arbeitgeber die Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten; das bedeutet, dass die Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden muss. Kommt der Arbeitgeber dieser Frist nicht nach, wird die Kündigung unzulässig. Darüber hinaus sind auch Verfahrensvorgaben wie die Anhörung des Betriebsrats (§ 102 BetrVG) bei einer Kündigung zwingend zu beachten; sie sind unabhängig von der Einhaltung sonstiger Fristen stets erforderlich.