Begriff und Bedeutung der Vergleichsmiete
Die Vergleichsmiete ist ein zentrales Instrument des deutschen Mietrechts und bezeichnet das ortsübliche Entgelt, das für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage in einer Gemeinde oder in einem vergleichbaren Wohngebiet in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Mieter*innen mit gesetzlichen Mietbindungen abgesehen, geändert worden ist. Vergleichsmiete dient primär als Maßstab zur Bestimmung der zulässigen Miethöhe, insbesondere im Rahmen von Mieterhöhungsverlangen nach § 558 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), bei der Begrenzung der Miethöhe nach der sogenannten Mietpreisbremse (vgl. § 556d BGB) sowie bei der Überprüfung auf Wucher gemäß § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG).
Gesetzliche Grundlagen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 558 BGB – Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete
§ 558 BGB regelt die Voraussetzungen und das Verfahren für die Anpassung der laufenden Wohnungsmiete an die ortsübliche Vergleichsmiete. Danach kann der Vermieter eine Mieterhöhung bis zur Vergleichsmiete verlangen, sofern die Miete seit mindestens 15 Monaten unverändert ist. Die Erhöhung ist auf maximal 20 % innerhalb von drei Jahren begrenzt (sog. Kappungsgrenze, teilweise auf 15 % abgesenkt, siehe § 558 Abs. 3 BGB). Maßstab der Vergleichsmiete ist hierbei, welche Mieten innerhalb der Gemeinde für vergleichbare Wohnungen (Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit, Lage) in den letzten sechs Jahren am Markt neu vereinbart oder geändert wurden.
§ 558d BGB – Mietspiegel als Begründungsgrundlage
Der Mietspiegel ist das von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieterseite oder Mieterseite erstellte Instrument zur systematischen Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Er ist gemäß § 558c, 558d BGB erstellt und wird als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet, sofern er nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von den Parteien anerkannt wurde.
Weitere rechtliche Vorschriften
§ 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStrG)
Das WiStrG ahndet Mietpreisüberhöhungen als Ordnungswidrigkeit, wenn die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mindestens 20 % übersteigt, die Wohnraumnachfrage den Wohnraumweit übersteigt (Mangelgebiet) und ein Ausnutzen der Wohnungsnot gegeben ist.
Mietpreisbremse (§ 556d BGB ff.)
Die Mietpreisbremse findet auf Gebiete mit angespannter Wohnraumnachfrage Anwendung und begrenzt die Miete bei Wiedervermietung auf maximal 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete, sofern kein gesetzlicher Ausnahmetatbestand greift.
Bestimmung der Vergleichsmiete
Kriterien der Vergleichbarkeit
Die Vergleichsmiete bezieht sich ausschließlich auf Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage (§ 558 Abs. 2 BGB). Zu beachten sind:
- Art der Wohnung: Typ (z. B. Altbau, Neubau, Einfamilienhaus, Reihenhaus, Etagenwohnung)
- Größe: Wohnfläche, Zahl der Zimmer
- Ausstattung: Heizungsart, Bad-/Küchenausstattung, Balkon, Aufzug u. a.
- Beschaffenheit: Renovierungszustand, Isolierung, Baujahr, energetischer Standard
- Lage: Mikrolage (Straße, Wohngebiet), Makrolage (Stadt, Ortsteil)
Zeitraum der Vergleichsmieten
Nur Mietverträge, die innerhalb der letzten sechs Jahre neu abgeschlossen oder geändert wurden, sind in die Bildung der Vergleichsmiete einzubeziehen (§ 558 Abs. 2 S. 2 BGB).
Mietspiegel und Alternativen
Mietspiegel
Er stellt das wichtigste Begründungsmittel für die ortsübliche Vergleichsmiete dar: Das von Gemeinden oder von Mieterverbänden und Vermieterverbänden gemeinsam erstellte Zahlenwerk bietet nach Wohnlagen und Wohnungstypen differenzierte Übersichten über die üblichen Mieten am Ort. Qualifizierte Mietspiegel genießen einen Anscheinsbeweis für ihre Richtigkeit.
Vergleichswohnungen
Fehlt ein Mietspiegel, können einzelne vergleichbare Wohnungen als Vergleich herangezogen werden. Mindestens drei namentlich bezeichnete Vergleichswohnungen müssen benannt werden, deren Mieten im Zeitraum der letzten sechs Jahre vereinbart oder geändert wurden (§ 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB).
Sachverständigengutachten
Ein neutraler Sachverständiger kann zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete beauftragt werden, insbesondere wenn weder Mietspiegel noch geeignete Vergleichswohnungen zur Verfügung stehen.
Bedeutung der Vergleichsmiete in der Praxis
Mieterhöhungsverlangen
Vermieter sind verpflichtet, das Mieterhöhungsverlangen nach § 558 ff. BGB schriftlich zu begründen und geeignete Vergleichsdaten (z. B. Mietspiegel, Vergleichswohnungen, Gutachten) beizufügen. Die Begründung dient der Transparenz und ermöglicht dem Mieter eine Überprüfung.
Kappungsgrenze und Mietpreisbremse
Die Vergleichsmiete fungiert als Obergrenze. Auch die Kappungsgrenze (20/prozentual) orientiert sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete. Bei der Wiedervermietung greift die Mietpreisbremse, soweit gesetzlich vorgesehen.
Überprüfung auf Mietpreisüberhöhung/Wucher
Die Sanktionierung überhöhter Mieten nach § 5 WiStrG sowie nach § 291 StGB („Wucher“) knüpft an die ortsübliche Vergleichsmiete an.
Abgrenzung
Die Vergleichsmiete unterscheidet sich rechtlich deutlich von der bei laufenden Mietverhältnissen tatsächlich gezahlten Miete, von Staffelmieten nach § 557a BGB sowie Indexmieten nach § 557b BGB. Während Staffelmieten und Indexmieten vorrangig mit dem Index oder festen Steigerungsraten arbeiten, bleibt für eine Mieterhöhung nach Vergleichsmiete immer das formalisierte Vergleichswertverfahren maßgebend.
Kritik und Reformüberlegungen
Immer wieder wird die Vergleichsmiete und deren Ermittlung kritisch diskutiert. Kritisiert werden unter anderem Erhebungsmethoden für Mietspiegel, der beschränkte Zeitraum von sechs Jahren sowie die Möglichkeit, dass starke Steigerungen auf dem Wohnungsmarkt „automatisch“ zur Anhebung der Vergleichsmieten führen (sog. Mieten-Preis-Spirale).
In verschiedenen Gesetzgebungsverfahren wird über Alternativen und Anpassungen diskutiert, beispielsweise über längere Referenzzeiträume, Erweiterungen von Mietspiegelpflichten und eine stärkere Einbeziehung von Bestandsmieten.
Literaturhinweise und weiterführende Quellen
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insb. §§ 558 ff. BGB, § 556d BGB
- Mietenspiegelverordnung (MSpV)
- Wirtschaftsstrafgesetz (§ 5 WiStrG)
- Bundesministerium der Justiz: Mietrechtliche Vorschriften und Erläuterungen
- Regionale qualifizierte Mietspiegel
Zusammenfassung:
Die Vergleichsmiete ist ein fundamentaler rechtlicher Referenzwert im deutschen Mietrecht, der vor allem bei Mieterhöhungen, der Begrenzung wiedervermieteter Mieten und der Überprüfung auf Mietpreisüberhöhungen zur Anwendung gelangt. Ihre fundierte Ermittlung, meist auf Basis von Mietspiegeln, sorgt für Transparenz und Rechtssicherheit im Mietwohnungsmarkt.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird die Vergleichsmiete rechtlich ermittelt?
Die rechtliche Ermittlung der Vergleichsmiete erfolgt gemäß § 558 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Hierbei wird auf die ortsübliche Miete abgestellt, die für Wohnungen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit innerhalb der letzten sechs Jahre vereinbart oder geändert worden ist. Dazu können insbesondere Mietspiegel, Auskünfte aus Mietdatenbanken, Auskünfte von Sachverständigen sowie drei Vergleichswohnungen herangezogen werden. Mietspiegel sind das zentrale Instrument und werden von Gemeinden bzw. Kommunen aufgestellt, sie unterscheiden zwischen einfachem und qualifiziertem Mietspiegel. Die Einhaltung der gesetzlich geforderten Vergleichsparameter ist zwingend, da ansonsten die Berechnungsgrundlage für eine Mieterhöhung angreifbar ist. Gerichte prüfen deshalb im Streitfall streng, ob die herangezogenen Vergleichsdaten den gesetzlichen Anforderungen genügen und aktuell genug sind.
Welche Rolle spielt der Mietspiegel für die Vergleichsmiete?
Der Mietspiegel ist das wichtigste rechtliche Hilfsmittel zur Feststellung der Vergleichsmiete. Er richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 558c BGB (einfacher Mietspiegel) bzw. § 558d BGB (qualifizierter Mietspiegel). Ein qualifizierter Mietspiegel wird nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und alle zwei Jahre der Marktentwicklung angepasst, was ihm vor Gericht eine besonders hohe Beweiskraft verleiht. Vermieter, die sich auf den Mietspiegel berufen, müssen die für die konkrete Wohnung zutreffenden Werte und Einordnungskriterien genau anführen. Gibt es keinen Mietspiegel, können auch andere geeignete Datenquellen wie Mietdatenbanken genutzt werden. Im Prozessfall akzeptieren Gerichte in aller Regel sowohl einfache als auch qualifizierte Mietspiegel, wobei qualifizierte Mietspiegel vorrangig gelten.
Wann darf der Vermieter die Miete auf die Vergleichsmiete anpassen?
Ein Vermieter darf die Miete bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 1 BGB erhöhen, wenn die Miete seit mindestens 15 Monaten unverändert ist und die Kappungsgrenze berücksichtigt wird. Die Kappungsgrenze besagt, dass die Miete innerhalb von drei Jahren höchstens um 20 Prozent, in manchen Gebieten (angespannte Wohnungsmärkte) nur um 15 Prozent, angehoben werden darf (§ 558 Abs. 3 BGB, Kappungsgrenzen-Verordnung). Ein weitere rechtliche Voraussetzung ist, dass die Mieterhöhung schriftlich und unter Angabe der geltend gemachten Vergleichsmiete sowie ihrer Begründung erfolgen muss. Das Schreiben muss außerdem die gesetzlichen Hinweise zum Mieterwiderspruch und zur Prüffrist enthalten.
Müssen die Parteien einer Mieterhöhung auf die Vergleichsmiete zustimmen?
Nach Zugang des schriftlichen Mieterhöhungsschreibens hat der Mieter gemäß § 558b BGB eine Überlegungsfrist von zwei vollen Kalendermonaten plus dem Ablauf des Monats, in dem das Schreiben zugestellt wurde. In dieser Zeit kann er zustimmen oder ablehnen. Mit Zustimmung wird die erhöhte Miete wirksam. Eine Klage auf Zustimmung ist möglich, wenn der Mieter nicht zustimmt, vom Vermieter aber die Rechtmäßigkeit der Mieterhöhung nachgewiesen werden kann. Verweigert der Mieter die Zustimmung unberechtigt, kann der Vermieter diese gerichtlich einklagen. Die gerichtliche Entscheidung wird dann zur Wirksamkeit der Mieterhöhung führen, sofern alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt waren.
Welche rechtlichen Anforderungen gelten an den Inhalt des Mieterhöhungsschreibens?
Das Mieterhöhungsschreiben muss bestimmte inhaltliche Anforderungen nach § 558a BGB erfüllen. Es bedarf der Textform und muss neben der geltend gemachten neuen Miethöhe insbesondere die Begründung der Mieterhöhung enthalten. Als Begründungsmittel sind zulässig: Mietspiegel, Mietdatenbank, Sachverständigengutachten, Angabe von mindestens drei Vergleichswohnungen oder die Information über eine bereits erfolgte oder noch zu erfolgende Modernisierung. Sind die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt, ist das Schreiben formell unwirksam, sodass die Fristen nicht zu laufen beginnen und eine Zustimmung des Mieters nicht verlangt werden kann.
Wie wird bei Modernisierungen die Vergleichsmiete rechtlich berücksichtigt?
Bei Modernisierungsmaßnahmen sind Mieterhöhungen über die Vergleichsmiete hinaus möglich, hier greifen die Besonderheiten des § 559 BGB. Der Vermieter kann prinzipiell unabhängig von der ortsüblichen Vergleichsmiete bis zu 8 Prozent der für die Wohnung aufgewendeten Kosten jährlich auf die Miete umlegen. Die ortsübliche Vergleichsmiete bildet dabei lediglich eine Deckelung für Mieterhöhungen im Sinne des § 558 BGB, spielt aber bei der Modernisierungsmieterhöhung unmittelbar keine Rolle. Allerdings ist eine Doppelberücksichtigung – also eine gleichzeitige Anhebung mit Verweis auf Modernisierung und auf Vergleichsmiete – unzulässig, hier muss jeweils klar differenziert werden.
Welche besonderen Rechtsvorschriften gelten bei angespannten Wohnungsmärkten für die Vergleichsmiete?
In angespannten Wohnungsmärkten kann die sogenannte Kappungsgrenzen-Verordnung nach § 558 Abs. 3 BGB zur Anwendung kommen, wodurch die zulässige Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren auf maximal 15 Prozent begrenzt wird, anstelle der ansonsten zulässigen 20 Prozent. Die entsprechende Festlegung erfolgt durch Landesregierungen per Rechtsverordnung. Zudem greifen in diesen Gebieten auch weitere mietpreisrechtliche Instrumente wie die Mietpreisbremse nach § 556d BGB bei Neuvermietung, die jedoch gesondert geregelt ist und mit der ortsüblichen Vergleichsmiete in Beziehung steht, weil sich die zulässige Miethöhe häufig am Wert der Vergleichsmiete orientiert.
Welche Rechtsmittel stehen Mietern bei unberechtigter Anpassung auf die Vergleichsmiete zur Verfügung?
Mieter, die eine Mieterhöhung für unberechtigt halten, haben das Recht, der geforderten Anpassung zunächst zu widersprechen und die Zahlung unter Vorbehalt zu leisten. Sie können darüber hinaus die Einhaltung der formellen und materiellen Anforderungen der Mieterhöhung gerichtlich überprüfen lassen. Die häufigsten Streitpunkte betreffen die Richtigkeit der Vergleichswerte, die Anwendung des Mietspiegels sowie die Einhaltung der Kappungsgrenze. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens kann ein Mietwertgutachten eingeholt werden, das klärt, inwieweit die angegebene Vergleichsmiete den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Bis zur gerichtlichen Klärung bleibt der Mieter zur Zahlung der alten Miete verpflichtet. Die Kosten eines Rechtsstreits trägt grundsätzlich die unterliegende Partei.