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Vergiftung


Begriff und Definition der Vergiftung im rechtlichen Kontext

Im rechtlichen Kontext bezeichnet der Begriff „Vergiftung“ eine Gesundheitsschädigung, die durch die Aufnahme von Giftstoffen verursacht wird. Die beurteiltere rechtliche Bedeutung von Vergiftung reicht von der zivil- und strafrechtlichen Haftung bei Gesundheitsbeeinträchtigungen bis zu spezifischen Regelungen im Arbeits-, Umwelt- und Arzneimittelrecht. Eine Vergiftung kann sowohl durch akutes als auch durch chronisches Einwirken toxischer Substanzen erfolgen.

Abgrenzung zu benachbarten Begriffen

Rechtlich wird zwischen Vergiftung, Kontamination und einfacher Gesundheitsbeeinträchtigung differenziert. Während die Kontamination meist die bloße Verunreinigung beschreibt, verlangt die Vergiftung eine schädigende Einwirkung eines Stoffes, die typischerweise durch dessen Giftwirkung hervorgerufen wird. Die vergiftungsbedingte Gesundheitsverletzung grenzt sich daher von physischen Verletzungen oder anderen Schädigungen ohne toxische Einwirkung ab.

Vergiftung im Strafrecht

Tatbestände mit Bezug zur Vergiftung

Im deutschen Strafrecht sind mehrere Tatbestände relevant, in denen die Vergiftung eine zentrale Rolle spielt. Zu den wichtigsten gehören:

Körperverletzung mittels Gift (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB)

Der Einsatz von Gift als gefährliches Werkzeug im Rahmen einer Körperverletzung stellt gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB eine Qualifikationstatbestand dar. Als „Gift“ gelten dabei Stoffe, die nach Art und Menge geeignet sind, erhebliche gesundheitliche Schäden herbeizuführen, unabhängig davon, ob diese künstlich oder natürlich vorliegen.

Gefährliche Körperverletzung und fahrlässige Vergiftung

Eine fahrlässige Beibringung von Gift, die zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung führt, kann nach den Vorschriften über fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) verfolgt werden. Eine (Mit-) Verursachung von Vergiftungsereignissen durch Unterlassen oder Sorgfaltswidrigkeit kann demnach strafbar sein.

Tötung durch Vergiftung (§ 211, § 212 StGB)

Bei Tötungsdelikten gelten sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Tötung durch Vergiften als besonders schwere Straftaten. Vergiftung wird in § 211 StGB als Mordmerkmal (heimtückische und grausame Tatausführung) genannt, das eine lebenslange Freiheitsstrafe nach sich ziehen kann, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.

Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Stoffen (§§ 314, 330 StGB)

Das Strafgesetzbuch stellt auch das Herbeiführen von Gefahren durch Vergiftung von Wasser (§ 324a StGB) und das Herbeiführen einer Explosion durch Gase (§ 308 StGB) unter Strafe. Insbesondere der unerlaubte Umgang mit gefährlichen Stoffen in gewerblichen, medizinischen oder industriellen Kontexten wird durch eine Vielzahl strafrechtlicher Vorschriften sanktioniert.

Definition von „Gift“ im Strafrecht

Nach gefestigter Rechtsprechung sind als Gift alle anorganischen oder organischen Substanzen anzusehen, die unter den konkreten Bedingungen ihrer Verabreichung durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung geeignet sind, erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen oder den Tod herbeizuführen.

Vergiftung im Zivilrecht

Haftungsrechtliche Aspekte

Die Aufnahme oder Verabreichung eines Giftstoffes kann zivilrechtliche Ansprüche insbesondere aus Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB), Produkthaftungsrecht sowie aus dem Vertragsrecht nach sich ziehen. Maßgeblich ist hierbei die Frage, ob eine vorsätzliche, fahrlässige oder zufällige Schädigung vorliegt.

Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche

Werden durch Vergiftung Gesundheitsschäden erlitten, können Betroffene Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen die verantwortliche Person oder Institution geltend machen. Die Haftung setzt regelmäßig voraus, dass die Vergiftung auf ein schuldhaftes Verhalten oder eine objektive Pflichtverletzung zurückzuführen ist.

Produkthaftung bei Vergiftung

Kommt es durch fehlerhafte Produkte (z.B. Nahrungsmittel, Arzneimittel, Chemikalien) zu Vergiftungserscheinungen, greifen die Regelungen des Produkthaftungsgesetzes (§§ 1 ff. ProdHaftG). Der Hersteller haftet verschuldensunabhängig für alle hiervon verursachten Personenschäden, sofern nachgewiesen werden kann, dass das Produkt bei Inverkehrbringen fehlerhaft war.

Arbeitsrechtlicher Schutz vor Vergiftung

Das Arbeitsrecht regelt detailliert den Umgang mit gefährlichen Stoffen am Arbeitsplatz. Nach der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist der Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitnehmer vor Vergiftungsrisiken zu schützen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Vergiftung im öffentlichen Recht

Umweltschutz und Wasserrecht

Im öffentlichen Recht werden besonders Gefährdungen durch Vergiftung im Umwelt- und Wasserrecht geregelt. Ziel ist der Schutz von Boden, Wasser und Luft vor Kontamination und chemischer Belastung.

Straf- und Bußgeldvorschriften im Umweltbereich

Vergiftungen von Oberflächen- oder Grundwasser werden gemäß § 324a StGB, § 62 WHG (Wasserhaushaltsgesetz), sowie auf Grundlage zahlreicher umweltrechtlicher Nebenbestimmungen geahndet. Verantwortlich können sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen gemacht werden, deren Handlungen oder Unterlassungen zu einer Umweltverschmutzung führen.

Lebensmittel- und Arzneimittelrecht

Im Lebensmittel- und Arzneimittelrecht ist die Verhinderung von Vergiftungen eines der zentralen Schutzgüter. Das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) und das Arzneimittelgesetz (AMG) enthalten jeweils Definitionen und spezifische Handlungsanweisungen zum Umgang mit und zur Vermeidung der Kontamination beziehungsweise Vergiftung der jeweiligen Produkte.

Rücknahme- und Meldepflichten

Werden Vergiftungen, z.B. durch fehlerhafte Arzneimittel oder belastete Lebensmittel, bekannt, müssen die Verantwortlichen unverzüglich Meldung machen und die betroffenen Produkte vom Markt nehmen.

Rechtliche Beweiserfordernisse und Nachweisprobleme

Der Nachweis einer Vergiftung, insbesondere die Rückführung auf eine bestimmte Ursache und eine bestimmte Verantwortlichkeit, stellt in der rechtlichen Praxis eine erhebliche Herausforderung dar. Aufgrund oft diffuser Symptome und vielfältiger potentieller Giftquellen besteht regelmäßig die Notwendigkeit, sachverständige Gutachten einzuholen und die Beweiskette lückenlos zu führen. Der Grad des Nachweises beeinflusst, ob und in welchem Umfang Ansprüche durchgesetzt werden können.

Relevante Rechtsprechung

Die Gerichte haben sich vielfach mit Fragen rund um die Vergiftung auseinandergesetzt, insbesondere wenn es um den Nachweis des Gifts, der Kausalitätskette (Kausalität zwischen Aufnahme und Schaden) und des Verschuldens geht. Der Bundesgerichtshof hat hierzu wiederholt festgestellt, dass die Anforderungen an die Darlegungslast und Beweisführung hoch, aber nicht unerfüllbar sind, sofern Anzeichen und Indizien systematisch gewertet werden.

Bedeutung für die Praxis

Vergiftungen sind in zahlreichen Lebensbereichen von rechtlicher Relevanz: im Arbeitsleben, im Umgang mit Produkten, in der Öffentlichkeit und im Privaten. Die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen und der damit verbundenen Sorgfalts- sowie Betreiberpflichten ist maßgeblich, um Haftungsrisiken zu minimieren und die Integrität der eigenen Rechtsposition zu stärken.


Literatur

  • Grebing, Helmut: Der Begriff des Gifts im Strafrecht, NStZ 1982, 502-505.
  • Bock, Christian/Wessels, Wolfgang: Das neue Umweltstrafrecht, 2. Auflage 2019.
  • MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl. 2021, § 224 Rn. 13 ff.

Weblinks

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei einer fahrlässigen Vergiftung?

Eine fahrlässige Vergiftung kann gemäß deutschem Strafrecht unterschiedliche rechtliche Folgen nach sich ziehen. Zunächst handelt es sich hierbei um eine Form der Körperverletzung (§ 223 StGB), die durch Fahrlässigkeit verursacht wurde (§ 229 StGB). Entscheidend ist dabei, dass der Täter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, wodurch eine andere Person eine Vergiftung erleidet. Die Strafe reicht hierbei von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Werden mehrere Personen oder besonders schutzwürdige Personengruppen (z. B. Kinder) verletzt, kann sich das Strafmaß erhöhen. Darüber hinaus kann auch eine zivilrechtliche Haftung entstehen, etwa auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach § 823 BGB. Die Haftung kann sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen treffen, beispielsweise wenn unsachgemäß mit gefährlichen Stoffen umgegangen wurde. Versicherungsrechtlich könnte zudem der Versicherungsschutz versagt werden, wenn ein grob fahrlässiges Verhalten festgestellt wird.

Ist das bloße Inverkehrbringen von giftigen Stoffen strafbar?

Das Inverkehrbringen von giftigen oder gesundheitsschädlichen Stoffen kann bereits unabhängig von einer eingetretenen Vergiftung strafbar sein, insbesondere nach § 328 StGB (Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Stoffen und Gütern). Hierbei wird darauf abgestellt, ob derjenige ohne behördliche Genehmigung gefährliche Stoffe herstellt, einführt, ausführt, lagert, befördert, oder abgibt. Zudem regeln spezielle Gesetze wie das Chemikaliengesetz (ChemG) oder das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) weitere Pflichten und Verbote im Umgang mit und dem Inverkehrbringen von giftigen Substanzen. Verstöße gegen diese können mit Freiheits- oder Geldstrafe geahndet werden, wobei zusätzlich verwaltungsrechtliche Konsequenzen wie der Entzug von Genehmigungen drohen.

Wann liegt eine strafbare Körperverletzung durch Vergiftung vor?

Eine Körperverletzung durch Vergiftung ist nach deutschem Recht strafbar, sobald eine andere Person durch das Zuführen einer gesundheitsschädlichen Substanz in ihrer körperlichen Unversehrtheit beeinträchtigt wird (§ 223 StGB). Wird eine Vergiftung vorsätzlich herbeigeführt und werden dabei Giftstoffe eingesetzt, greift sogar die Qualifikation nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB („mittels Gift“), was als gefährliche Körperverletzung gewertet wird. Hier ist ein strengeren Strafrahmen vorgesehen (sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe). Der Begriff „Gift“ wird dabei weit ausgelegt, und umfasst jede organische oder anorganische Substanz, die durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung geeignet ist, die Gesundheit zu schädigen. Bereits ein einmaliges Verabreichen reicht aus, eine bleibende Schädigung ist nicht Voraussetzung.

Welche Pflichten haben Ärzte bei der Meldung und Behandlung einer Vergiftung?

Ärzte unterliegen in Deutschland berufsrechtlichen und strafrechtlichen Pflichten im Umgang mit Vergiftungen. Zum einen besteht die Pflicht zur unverzüglichen Behandlung, um akute Lebensgefahr abzuwenden. Strafrechtlich kann die unterlassene Hilfeleistung nach § 323c StGB relevant werden. Darüber hinaus gibt es Meldepflichten nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 6 IfSG) für bestimmte giftbedingte Erkrankungen, wobei die ärztliche Schweigepflicht nach § 203 StGB grundsätzlich beachtet werden muss. In Verdachtsfällen einer strafbaren Handlung (z. B. Vergiftung als Mordversuch) kann das Durchbrechen der Schweigepflicht gerechtfertigt sein, und der Arzt kann zur Anzeige verpflichtet sein (§ 138 StGB: Nichtanzeige geplanter Straftaten). Auch in zivilrechtlicher Hinsicht haften Ärzte für Behandlungsfehler nach § 823 BGB.

Gibt es besondere strafrechtliche Regelungen bei Vergiftungen im Straßenverkehr?

Im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr ist insbesondere relevant, ob eine Vergiftung zur Fahruntüchtigkeit geführt hat. Wird eine Person durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Vergiftung fahruntüchtig gemacht und verursacht hierdurch einen Unfall, können die Vorschriften über Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) sowie fahrlässige Körperverletzung oder Tötung (§§ 222, 229 StGB) einschlägig sein. Für den Täter kann das Führungsverbot für Fahrzeuge, der Entzug der Fahrerlaubnis sowie eine Freiheits- oder Geldstrafe folgen.

Können Eltern für eine Vergiftung ihres Kindes haftbar gemacht werden?

Eltern haften grundsätzlich für die Verletzungen und Schäden, die sie ihren Kindern durch fahrlässiges Verhalten zufügen. Stellt das Zurverfügungstellen oder Nicht-Sichern giftiger Substanzen im Haushalt eine Verletzung der Aufsichtspflicht gemäß § 1631 BGB i.V.m. § 832 BGB dar, können sie sowohl strafrechtlich (fahrlässige Körperverletzung nach § 229 StGB) als auch zivilrechtlich (Schadensersatz und Schmerzensgeld) zur Verantwortung gezogen werden. In besonders schweren Fällen kann sogar eine Entziehung des Sorgerechts in Betracht kommen (§ 1666 BGB).

Welche Bedeutung hat die Beweislast bei einer Vergiftungsanzeige?

Bei Vergiftungsfällen trägt grundsätzlich die Staatsanwaltschaft bzw. der Kläger die Beweislast dafür, dass eine strafbare Handlung – etwa eine vorsätzliche oder fahrlässige Vergiftung – vorliegt. Es müssen Kausalität, Verschulden und Tathandlung zweifelsfrei nachgewiesen werden. Im Zivilrecht gilt das Prinzip der Darlegungs- und Beweislast, sodass der Geschädigte nachweisen muss, dass eine Kausalität zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Vergiftung besteht. Falls der Nachweis schwierig ist, können Indizien und Gutachten eine entscheidende Rolle spielen. Der Beweiswert ärztlicher Atteste und toxikologischer Analysen ist häufig ausschlaggebend für den Verfahrensausgang.