Begriff und allgemeine Definition der Verfügungsbereitschaft
Der Begriff Verfügungsbereitschaft bezeichnet im rechtlichen Kontext den Zustand oder das Vermögen, effektiv und rechtlich uneingeschränkt über eine Sache, ein Recht oder einen Vermögenswert verfügen zu können. Dies schließt die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit ein, eine Verfügung – das heißt, eine rechtsgeschäftliche Änderung der zugehörigen Rechtslage – herbeizuführen. Die Verfügungsbereitschaft ist insbesondere im Sachenrecht, Schuldrecht, Insolvenzrecht sowie im Steuerrecht von zentraler Bedeutung.
Verfügungsbereitschaft im Sachenrecht
Bedeutung im Rahmen der Verfügung
Im Sachenrecht, insbesondere beim Eigentumserwerb oder bei der Übertragung anderer dinglicher Rechte, spielt die Verfügungsbereitschaft eine wesentliche Rolle. Eine wirksame Verfügung, etwa die Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache nach § 929 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), setzt voraus, dass der Veräußerer verfügungsbereit und verfügungsbefugt ist. Während die Verfügungsbefugnis die rechtliche Befugnis umschreibt, ist die Verfügungsbereitschaft regelmäßig die faktische und rechtliche Möglichkeit zur Durchführung der Verfügung.
Verbindung zur Besitzlage
Für die Verfügungsbereitschaft ist wesentlich, dass der Verfügungsberechtigte unmittelbaren oder mittelbaren Besitz an der Sache hat oder sich zumindest in der Lage befindet, diesen mit Zustimmung des Besitzers zu verschaffen. Ist dies nicht der Fall, kann eine Verfügung schlichtweg deshalb scheitern, weil keine tatsächliche Handlung möglich ist, etwa die Übergabe der Sache oder die Bestellung eines dinglichen Rechts daran.
Verfügungsbereitschaft bei Transport- und Zwischenlagerverhältnissen
In Konstellationen, in denen sich Sachen im Besitz von Spediteuren, Lagerhaltern oder Treuhändern befinden, wird die Verfügungsbereitschaft daran gemessen, inwiefern der Berechtigte Zugriff und Kontrollmöglichkeiten auf die Sache tatsächlich und rechtlich ausüben kann. Speziell im Rahmen des Besitzkonstituts (§ 930 BGB) sowie beim sogenannten Besitzmittlungsverhältnis ist die Verfügungsbereitschaft oft kollektives Beurteilungskriterium.
Verfügungsbereitschaft im Schuldrecht
Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
Im Schuldrecht bezeichnet Verfügungsbereitschaft insbesondere die Konstellation, in der ein Schuldner in der Lage ist, die geschuldete Leistung ohne weitere rechtliche Schranken zu erbringen (§ 275 BGB). Im Rahmen von Sicherungsrechten wie der Sicherungsübereignung oder Sicherheitsabtretung ist zudem erforderlich, dass der Sicherungsgeber unmittelbar vor oder bei Begründung des Rechts disponibel über den Gegenstand verfügen kann.
Bedeutung für die Erfüllung (§ 362 BGB)
Zur Erfüllung einer Schuld bedarf es, dass der Leistende über die zu erbringende Sache verfügungsbereit ist. Fehlt diese Bedingung, ist die Leistung unmöglich oder zumindest mit rechtlichen Risiken für beide Parteien behaftet.
Verfügungsbereitschaft im Insolvenzrecht
Zugriffsmöglichkeiten der Insolvenzmasse
Im Insolvenzrecht ist Verfügungsbereitschaft maßgeblich bei der Frage, ob ein Vermögensgegenstand in die Insolvenzmasse fällt und ob der Insolvenzverwalter befugt ist, darüber zu verfügen. Dabei ist zu beurteilen, ob zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung tatsächliche und rechtliche Verfügungsbereitschaft über den Gegenstand bestanden hat oder ob dieser durch Dritte, Vorbehalte oder Sicherungsrechte blockiert war.
Abgrenzung zu Verfügungsbefugnis und Schutz vor Gläubigerbenachteiligung
Die Unterscheidung zwischen Verfügungsbereitschaft und Verfügungsbefugnis erlangt im Insolvenzverfahren wesentliche Bedeutung etwa beim Anfechtungsrecht und bei sogenannten Masseverbindlichkeiten. Nur solchermaßen verfügbare Vermögensgegenstände unterliegen der Möglichkeit von Gläubigerschutz und gleichmäßiger Befriedigung.
Verfügungsbereitschaft im Steuerrecht
Steuerlicher Zufluss und Zugang
Im Steuerrecht ist bei der Frage des Zuflusses von Einnahmen (§ 11 Einkommensteuergesetz – EStG) die Verfügungsbereitschaft ein entscheidendes Kriterium. Einnahmen gelten als zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Hier steht im Mittelpunkt, ab wann der Steuerpflichtige so gestellt ist, dass er nach seinem Belieben mit dem Vermögensvorteil verfahren kann, beispielsweise durch Auszahlung, Abtretung oder Verpfändung.
Gestaltung von Steuerbelastungen
Mutmaßliche oder tatsächliche Verfügungsbereitschaft kann Auswirkungen auf die Zuordnung steuerlicher Pflichten und Rechte entfalten, insbesondere bei Treuhandverhältnissen, Sicherungsabtretungen oder Vorbehaltsbedingungen.
Abgrenzung: Verfügungsbereitschaft, Verfügungsbefugnis und Besitz
Die Verfügungsbereitschaft ist abzugrenzen von der Verfügungsbefugnis, die die rechtliche Berechtigung zur Verfügung meint, unabhängig von der faktischen Möglichkeit. Besitz wiederum bezeichnet die tatsächliche Sachherrschaft nach außen hin, ohne zwingend Verfügungsbereitschaft zu begründen.
Bedeutung in der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung definiert die Verfügungsbereitschaft regelmäßig als gegeben, wenn eine Person die objektive Möglichkeit besitzt, über einen Vermögensgegenstand so zu verfügen, wie dies typischerweise bei Inhaberschaft oder wirtschaftlicher Verfügungsgewalt der Fall ist. Im Rahmen von Kausal- und Verfügungsgeschäften spielt der genaue Zeitpunkt der Verfügungsbereitschaft eine Rolle, beispielsweise bei Bedingungen, Befristungen oder Sicherungsklauseln.
Praktische Relevanz und Anwendungsbereiche
Die Kenntnis der Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Verfügungsbereitschaft ist in allen Bereichen von zentraler Relevanz, in denen Gegenstände, Rechte oder Ansprüche übertragen, abgetreten oder belastet werden. Sie ist Grundvoraussetzung für sichere Rechtsgeschäfte, wirksame Sicherheitenbestellung und steuerliche Gestaltung.
Zusammenfassung
Die Verfügungsbereitschaft ist eine grundlegende Voraussetzung und ein zentrales Kriterium für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen über Vermögenswerte, Rechte und sonstige Gegenstände. Sie wirkt in verschiedenen Rechtsgebieten als Scharnier zwischen Recht und Wirklichkeit und ist für die rechtswirksame Übertragung, Belastung, Sicherung und Bewertung von Ansprüchen und Eigentum essentiell. Die genaue rechtliche Einordnung und Abgrenzung sind für die Anwendung und Ausgestaltung von Rechtsgeschäften von erheblicher Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Unterliegt die Vereinbarung zur Verfügungsbereitschaft besonderen rechtlichen Formerfordernissen?
In der Regel ist eine Vereinbarung zur Verfügungsbereitschaft, beispielsweise im Arbeitsrecht, formfrei möglich, sofern kein Tarifvertrag, keine Betriebsvereinbarung oder sonstige kollektivrechtliche Normen eine besondere Form vorschreiben. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können sich somit grundsätzlich mündlich oder schriftlich über die Anordnung und den Umfang der Verfügungsbereitschaft verständigen. Trotzdem ist aus Gründen der Rechtssicherheit dringend zu raten, diese Vereinbarungen schriftlich festzuhalten, damit klare Beweisgrundlagen für etwaige Auseinandersetzungen, wie etwa bezüglich Arbeitszeit oder Vergütung, bestehen. In bestimmten Branchen kann es auf Grundlage von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen jedoch zwingende Vorgaben zur Form, zur Dokumentation und zu den Voraussetzungen der Verfügungsbereitschaft geben, etwa hinsichtlich der Ankündigungsfristen oder des zulässigen Umfangs.
Welche rechtlichen Vorgaben bestehen zur Vergütung der Verfügungsbereitschaft?
Das deutsche Arbeitsrecht unterscheidet zwischen aktiver Arbeitszeit, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft/Verfügungsbereitschaft. Verfügungsbereitschaft ist insofern rechtlich relevant, als dass während dieser Zeit der Arbeitnehmer zwar nicht zwingend am Arbeitsplatz verweilen, sich aber jederzeit zur Aufnahme der Arbeit bereithalten muss. Gesetzlich besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf, dass Verfügungsbereitschaft wie volle Arbeitszeit vergütet wird, sofern hierzu keine individuelle oder kollektivrechtliche Regelung getroffen ist. Oftmals wird für Zeiten der Verfügungsbereitschaft eine geringere Vergütung vereinbart, deren Angemessenheit im Einzelfall zu prüfen ist. Nach § 611a BGB gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, aber Unterschreitungen des Mindestlohns oder tariflicher Vorgaben sind in jedem Fall unzulässig. Bei Unklarheiten entscheidet regelmäßig das Arbeitsgericht anhand des Einzelfalls.
Wie verhält sich Verfügungsbereitschaft zu Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz?
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt in §§ 5 und 7 die Mindestruhezeiten sowie Ausnahmen hiervon. Verfügungsbereitschaft, die außerhalb des Betriebs und ohne tatsächliche Arbeitsaufnahme erfolgt, wird in der Regel nicht als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG gewertet, sondern fällt häufig in die Ruhezeit. Sobald jedoch in der Phase der Verfügungsbereitschaft Arbeit tatsächlich aufgenommen wird, unterbricht dies die gesetzliche Ruhezeit, und es beginnt eine neue Ruhezeit zu laufen. Arbeitgeber sind verpflichtet, dies bei der Planung der Einsatzzeiten zwingend zu berücksichtigen. Im Streitfall entscheidet das zuständige Arbeitsgericht darüber, ob der Charakter der Verfügungsbereitschaft im Einzelfall als Arbeitszeit oder Ruhezeit zu qualifizieren ist – hierfür sind insbesondere die Vorgaben aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) maßgeblich.
Muss der Betriebsrat bei der Einführung von Verfügungsbereitschaft beteiligt werden?
Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Ausgestaltung von Verfügungsbereitschaft, insbesondere, wenn diese die Lage und Verteilung der Arbeitszeit betrifft oder Fragen der betrieblichen Ordnung regelt. Damit ist der Arbeitgeber verpflichtet, vor Einführung von Verfügungsbereitschaft das Einvernehmen mit dem Betriebsrat herzustellen oder, falls dieses nicht erzielt wird, die Einigungsstelle anzurufen. Wird die Mitbestimmung des Betriebsrats missachtet, ist die Anordnung der Verfügungsbereitschaft regelmäßig unwirksam. Betriebsräte sollten darauf achten, Regelungen zu Ankündigungsfristen, Vergütung und zum Gesundheitsschutz zu treffen.
Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen drohen dem Arbeitgeber bei Verstößen gegen rechtliche Vorgaben zur Verfügungsbereitschaft?
Verstößt der Arbeitgeber gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen oder kollektivrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit der Anordnung oder Vergütung von Verfügungsbereitschaft, können arbeitsrechtliche Sanktionen drohen. Diese reichen von Nachzahlungsverpflichtungen – etwa bei zu geringer Vergütung oder nicht gewährten Ruhezeiten – bis hin zu Bußgeldern gemäß § 22 ArbZG. Zudem kann der Arbeitnehmer in gravierenden Fällen ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen, Schadensersatz fordern oder die einseitige Anordnung der Verfügungsbereitschaft gerichtlich prüfen lassen. Wird aufgrund der Missachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats gehandelt, kann die Betriebsvereinbarung oder Einzelanordnung unwirksam sein.
Welche Beweislast trifft die Parteien im Streitfall um Verfügungsbereitschaft?
Im Streit um die Einordnung, die Vergütung oder die rechtmäßige Anordnung von Verfügungsbereitschaft trifft regelmäßig den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen eingehalten wurden. Insbesondere muss der Arbeitgeber nachweisen, dass die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten nicht überschritten und die Ruhezeiten eingehalten wurden. Bei Unklarheiten über Inhalt und Umfang vereinbarter Verfügungsbereitschaft gelten die Grundsätze der Beweislastverteilung gemäß Zivilprozessordnung (ZPO) und bürgerlichem Recht. Arbeitnehmer sind gut beraten, eigene Arbeitszeitaufzeichnungen zu führen, um ihre Ansprüche belegen zu können.