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Verfolgungsverjährung


Definition und Grundlagen der Verfolgungsverjährung

Die Verfolgungsverjährung ist ein zentrales Institut des Strafrechts und bezeichnet den Zeitraum, innerhalb dessen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet und eine Ahndung verfolgt werden können. Nach Ablauf dieser Frist ist die Strafverfolgung einer Tat ausgeschlossen. Die Verjährung dient dem Rechtsfrieden, der Rechtssicherheit und trägt dem Umstand Rechnung, dass mit Zeitablauf Beweise verblassen und das Interesse an einer Strafverfolgung abnimmt.

Gesetzliche Regelungen zur Verfolgungsverjährung

Die maßgeblichen Bestimmungen zur Verfolgungsverjährung finden sich in Deutschland insbesondere in §§ 78 bis 78c StGB (Strafgesetzbuch). Auch in zahlreichen Spezialgesetzen finden sich verjährungsrechtliche Vorschriften, die den Grundsätzen des StGB folgen oder diese modifizieren.

Verjährungsfristen

Die Dauer der Verfolgungsverjährung richtet sich überwiegend nach der Höhe der angedrohten Strafe. § 78 Abs. 3 StGB regelt die Fristen differenziert nach dem jeweiligen Höchstmaß der im Gesetz angedrohten Strafe:

  • 30 Jahre bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind,
  • 20 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren,
  • 10 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren,
  • 5 Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren,
  • 3 Jahre in allen übrigen Fällen.

Für bestimmte Delikte, etwa Mord (§ 211 StGB) oder Völkermord (§ 6 VStGB), besteht überhaupt keine Verjährung (vgl. § 78 Abs. 2 StGB, Art. 102 GG).

Beginn der Verfolgungsverjährung

Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit Beendigung der Tat (§ 78a StGB). Bei Dauerdelikten oder fortgesetzten Taten richtet sich der Fristbeginn nach dem Zeitpunkt, an dem der rechtswidrige Zustand aufgehoben wurde.

Ruhen und Unterbrechung der Verjährung

Die Wirkung der Verfolgungsverjährung kann unter bestimmten Voraussetzungen gehemmt („Ruhen“, § 78b StGB) oder unterbrochen („Unterbrechung“, § 78c StGB) werden.

Ruhen der Verjährung

Die Verjährungsfrist ruht beispielsweise, solange das Gesetz eine Strafverfolgung ausschließt (z.B. wegen Immunität oder bei einem schwebenden Insolvenzverfahren).

Unterbrechung der Verjährung

Eine Unterbrechung tritt durch bestimmte, im Gesetz abschließend aufgeführte Handlungen ein, wie etwa die erste Vernehmung des Beschuldigten, Erhebung der öffentlichen Klage, Erlass eines Haftbefehls oder einer richterlichen Durchsuchungsanordnung. Mit jeder Unterbrechungshandlung beginnt die Verjährung von Neuem. Die Gesamtlaufzeit darf jedoch das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist nicht überschreiten (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB).

Rechtsfolgen der Verfolgungsverjährung

Mit Eintritt der Verfolgungsverjährung ist eine Ahndung der Tat durch die Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte ausgeschlossen. Ein bereits eingeleitetes Verfahren ist einzustellen, ein noch nicht eröffnetes zu unterlassen. Die Tat gilt rechtlich als „verjährt“. Ein Prozesshindernis entsteht, das auch im weiteren Verfahrensverlauf zu beachten ist. Ein bereits erlassener Strafbefehl, der nicht rechtskräftig geworden ist, verliert seine Wirkung.

Verhältnis zur Vollstreckungsverjährung

Es ist zwischen Verfolgungsverjährung und Vollstreckungsverjährung zu unterscheiden. Während die Verfolgungsverjährung die strafrechtliche Verfolgung unterbindet, betrifft die Vollstreckungsverjährung die Durchsetzbarkeit einer bereits rechtskräftig verhängten Strafe. Auch die Vollstreckungsverjährung ist gesetzlichen Fristen unterworfen, die von den Verfolgungsverjährungsfristen abweichen können.

Verfolgungsverjährung im internationalen Kontext

Völker- und europarechtliche Entwicklungen haben auf das deutsche Verjährungsrecht Einfluss genommen. Insbesondere bei internationalen Verbrechen wie Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bestehen völkerrechtliche Verpflichtungen zur Nichtverjährung, die sich in nationalen Regelungen widerspiegeln (vgl. Art. 1 Verjährungsgesetz, EG MRK).

Zudem harmonisieren Rechtsprechung und Gesetzgebung im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit die Verjährungsvorschriften bei grenzüberschreitender Kriminalität, etwa im Rahmen europäischer Ermittlungsanordnungen.

Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten

Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht existieren Verjährungsfristen, deren Anwendung sich am Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) orientiert. Die Verjährungsfristen betragen grundsätzlich drei Jahre, für geringfügige Ordnungswidrigkeiten gemäß § 31 Abs. 2 OWiG jedoch nur sechs Monate.

Ausnahmen und Besonderheiten der Verfolgungsverjährung

Verjährungsverzicht und Verjährungshemmung

Die Verjährung ist nicht disponibel, ein Verzicht auf die Einrede ist unzulässig. In Ausnahmefällen kann jedoch eine sogenannte Verjährungshemmung eintreten, etwa bei vorübergehender Strafunmündigkeit des Täters oder unbekanntem Aufenthalt.

Ermittlung und Berücksichtigung der Verjährung

Die Prüfung der Verjährung gehört zu den zwingend von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensvoraussetzungen. Eine spätere Feststellung der Verjährung im Rechtsmittelverfahren führt zur Aufhebung strafgerichtlicher Entscheidungen.

Bedeutung der Verfolgungsverjährung im rechtsstaatlichen Gefüge

Die Verfolgungsverjährung trägt maßgeblich zur Rechtssicherheit und zum Schutz vor einer uferlosen Strafverfolgung bei. Sie verhindert, dass Taten „ewig“ verfolgt werden können, sofern es sich nicht um absolute Straftaten wie Mord handelt. Die Beschränkung der Strafverfolgung auf einen jeweils angemessenen Zeitraum spiegelt das Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafanspruch und den Individualrechten wider.


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Häufig gestellte Fragen

Wann beginnt die Frist der Verfolgungsverjährung zu laufen?

Die Frist der Verfolgungsverjährung beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der Beendigung der strafbaren Handlung (§ 78a StGB). Bei Dauerdelikten ist der maßgebliche Zeitpunkt das Ende des strafbaren Zustands, also etwa das Ende einer unerlaubten Unterhaltsvorenthaltung oder einer Freiheitsberaubung. Handelt es sich um ein sogenanntes Erfolgsdelikt, so ist der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs entscheidend – also etwa der Moment, in dem das Opfer beim Diebstahl seiner Sache beraubt wird. Zu beachten ist, dass in Sonderfällen, wie etwa bei Gesetzesänderungen, dem Eintritt einer Tatfolge außerhalb Deutschlands oder bei fortgesetzter Handlung, modifizierte Regelungen gelten können. In Fällen mit mehreren Beteiligten ist der Beginn der Verjährungsfrist regelmäßig für Jeden getrennt zu beurteilen.

Welche Ereignisse führen zu einer Unterbrechung oder Ruhen der Verfolgungsverjährung?

Die Verfolgungsverjährung kann durch bestimmte Handlungen der Strafverfolgungsbehörden unterbrochen werden. Nach § 78c StGB zählen hierzu unter anderem die Vernehmung des Beschuldigten, die Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, die richterliche Anordnung bestimmter Maßnahmen oder die Erhebung der öffentlichen Klage. Jeder dieser Akte bewirkt, dass die bereits verstrichene Verjährungsfrist gelöscht wird und eine neue Frist beginnt. Das Ruhen der Verjährung tritt in einigen besonderen Fällen ein, beispielsweise während der Dauer eines schwebenden Verfahrens in einem anderen Staat bezüglich derselben Tat oder während eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der zugrundeliegenden Strafnorm (§ 78b StGB). Während solcher Zeiträume läuft die Verjährung nicht weiter.

Welche Straftaten unterliegen nicht der Verfolgungsverjährung?

Es gibt bestimmte Straftaten, für die ausdrücklich keine Verfolgungsverjährung gilt. Nach § 78 Abs. 2 StGB verjähren Mord (§ 211 StGB) und Völkermord (§ 6 VStGB) nicht. Diese Regelung beruht auf dem besonderen Unrechtsgehalt und dem erheblichen Interesse der Allgemeinheit an der Strafverfolgung dieser schwersten Delikte. Weitere Delikte, wie Verbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch (z.B. Verbrechen gegen die Menschlichkeit), können ebenfalls unverjährbar sein, soweit das Gesetz dies vorsieht. In der Praxis betrifft die Unverjährbarkeit also nur außergewöhnlich schwere Straftaten.

Welche Fristen gelten für die Verfolgungsverjährung bei verschiedenen Straftaten?

Die Dauer der Verfolgungsverjährung richtet sich nach der Höhe der angedrohten Höchststrafe der jeweiligen Straftat und ist in § 78 Abs. 3 StGB geregelt. Hierbei reicht die Spanne von drei Jahren bei Vergehen mit einer Untergrenze bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, fünf Jahren bei einer angedrohten Höchststrafe bis zu einem Jahr, fünf Jahren für bis zu fünf Jahre, zehn Jahren für Straftaten mit einer angedrohten Höchststrafe über fünf Jahre bis zu zehn Jahren, zwanzig Jahren für Taten mit bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Für besonders schwere Straftaten wie Mord bestehen, wie bereits erwähnt, keine Verjährungsfristen. Die konkrete Anwendung ist im Einzelfall sorgfältig anhand des jeweiligen Straftatbestands zu prüfen.

Kann die Verfolgungsverjährung durch Vereinbarung zwischen Täter und Opfer ausgeschlossen werden?

Die Verfolgungsverjährung ist zwingendes Recht und unterliegt somit nicht der Disposition der Beteiligten. Weder das Opfer noch der Beschuldigte – noch beide gemeinsam – können durch Vereinbarung oder einvernehmliche Erklärung auf die sich aus dem Gesetz ergebenden Verjährungsfristen verzichten oder diese verlängern beziehungsweise verkürzen. Das Strafverfolgungsinteresse ist Angelegenheit des Staates und dient öffentlichen Belangen, sodass vertragliche oder einvernehmliche Regelungen zwischen den Parteien keine Auswirkungen auf die gesetzlichen Verjährungsfristen haben.

Wie wirkt sich eine unterbrochene oder ruhende Verfolgungsverjährung auf Mitbeschuldigte und Mittäter aus?

Eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung gegenüber einem Beschuldigten bewirkt gemäß § 78c Abs. 3 StGB grundsätzlich auch eine Unterbrechung der Verjährung für alle anderen Tatbeteiligten, Mittäter, Teilnehmer oder Gehilfen, soweit sich die Unterbrechungshandlung auf den Sachverhalt bezieht, der allen vorgeworfen wird. Dies soll verhindern, dass Verjährungsfristen durch gestaffelte Verfolgung einzelner Tatbeteiligter umgangen werden. Das Ruhen der Verjährung kann jedoch individuell unterschiedlich wirken und ist jeweils für die betroffene Person zu bewerten.

Was geschieht, wenn die Verfolgungsverjährung abgelaufen ist?

Nach Ablauf der Verfolgungsverjährung ist eine strafrechtliche Verfolgung der Tat grundsätzlich ausgeschlossen. Es besteht ein Strafverfolgungshindernis, das von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Das bedeutet, Strafverfahren dürfen nicht mehr eingeleitet oder eine bereits erhobene Anklage muss zurückgenommen werden. Auch eine Verurteilung ist nicht mehr möglich. Hat ein Gericht die Verjährung irrtümlich nicht beachtet und kommt es trotz eingetretener Verjährung zu einer Verurteilung, so ist dies im Rechtsmittelverfahren zu korrigieren. Der Verjährungseintritt stellt somit ein dauerhaftes endgültiges Strafverfolgungshindernis dar.