Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Rechtsbegriffe (allgemein)»Verfassungsschutzbericht

Verfassungsschutzbericht


Begriff und rechtliche Grundlagen des Verfassungsschutzberichts

Der Verfassungsschutzbericht ist ein jährlich erscheinendes amtliches Dokument, das von den für den Verfassungsschutz zuständigen Behörden in Deutschland, namentlich vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sowie den Landesämtern für Verfassungsschutz (LfV), herausgegeben wird. Das Dokument dient der Information der Öffentlichkeit und staatlicher Stellen über Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind. Rechtliche Grundlage hierfür ist insbesondere das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) sowie die jeweiligen Verfassungsschutzgesetze der Länder.

Gesetzliche Grundlage auf Bundesebene

Nach § 16 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) ist das Bundesamt für Verfassungsschutz verpflichtet, jährlich einen Bericht über Art und Umfang der von ihm festgestellten verfassungsfeindlichen Bestrebungen sowie die sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten zu erstellen und zu veröffentlichen. Ähnliche Regelungen finden sich in den jeweiligen Landesgesetzen.

§ 16 BVerfSchG im Wortlaut (Auszug):

>„Das Bundesamt für Verfassungsschutz fertigt jährlich einen Bericht über Art und Umfang von verfassungsfeindlichen Bestrebungen sowie von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland an und gibt ihn auf Anordnung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat heraus.“

Funktion und Zielsetzung

Der Verfassungsschutzbericht erfüllt eine doppelte Funktion: Er dient zum einen der Information der Öffentlichkeit im Sinne der demokratischen Transparenz und Prävention, zum anderen hat er eine Warn- und Sensibilisierungsfunktion gegenüber Gefahren für die staatliche Ordnung, insbesondere gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen und sicherheitsgefährdenden Aktivitäten.

Der Bericht wird regelmäßig im ersten Halbjahr für das Vorjahr vorgestellt und veröffentlicht. Der Inhalt fußt auf den im Berichtszeitraum gesammelten Erkenntnissen, die aus nachrichtendienstlichen Mitteln, offenen Quellen sowie Meldungen anderer Behörden gewonnen werden.

Aufbau und Inhalte des Verfassungsschutzberichts

Der Verfassungsschutzbericht gliedert sich regelmäßig in verschiedene Themenbereiche, die die unterschiedliche Formen der Bedrohung analysieren und dokumentieren.

Gliederung und Hauptkategorien

1. Politisch motivierter Extremismus

Hierunter fallen Ausführungen zu Bestrebungen von:

  • Rechtsextremismus
  • Linksextremismus
  • Islamischer Extremismus und Islamismus
  • Auslandsbezogener Extremismus (bestimmte ausländische Organisationen und Gruppen)
  • Sonstige extremistische Bestrebungen

Die Darstellung beinhaltet jeweils eine Analyse der beobachteten Szenen, Akteure, Organisationsstrukturen, Ideologien, Aktivitäten und einschlägigen Statistiken.

2. Spionage und sicherheitsgefährdende Tätigkeiten

Der Bericht behandelt Aktivitäten fremder Nachrichtendienste gegen Deutschland, Cyberangriffe sowie Wirtschaftsspionage und verdeutlicht hier die Gefahrenlage für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.

3. Verfassungs- und staatsgefährdende Aktivitäten

Neben Einzelpersonen und Gruppierungen werden auch Organisationen, Vereine und gesellschaftliche Bewegungen aufgeführt, soweit ihr Handeln als verfassungsfeindlich bewertet wird.

Informationsquellen des Verfassungsschutzes

Die Grundlage des Berichtes bilden Beobachtungen nachrichtendienstlicher Art, offene Ermittlungen und Informationen aus anderen Behörden. Die Veröffentlichung unterliegt hierbei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Schutz von Persönlichkeitsrechten, insbesondere gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Rechtliche Bewertung und Grenzen

Rechtliche Zulässigkeit und grundrechtliche Schranken

Die Erstellung und Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts ist an verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen gebunden, insbesondere an datenschutzrechtliche und persönlichkeitsrechtliche Vorgaben. Die Namensnennung und Beschreibung von Einzelpersonen oder Organisationen ist nur zulässig, sofern überwiegende öffentliche Interessen dies rechtfertigen und keine schutzwürdigen Interessen entgegenstehen. Maßgeblich sind hier insbesondere die Vorgaben aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie die Wertungen des Grundgesetzes zu Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Datenschutz.

Bedeutung der Rechtsprechung

Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen die Veröffentlichungspraxis im Verfassungsschutzbericht konkretisiert. Insbesondere wurde festgestellt, dass eine bloße Aufführung einer Organisation im Bericht eine staatliche Warnung gegenüber der Gesellschaft darstellt und daher besonders sorgfältig begründet werden muss (vgl. BVerfG, 1 BvR 2226/94).

Zudem ist die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit und eine von Tatsachen getragene Bewertung unabdingbar. Unzulässig ist es, Gruppierungen ohne zureichende tatsächliche Anhaltspunkte als verfassungsfeindlich zu bezeichnen oder einzelne Mitglieder ohne deren Mitwirkung schwer zu belasten.

Datenschutzrechtliche Aspekte

Die im Verfassungsschutzbericht enthaltenen personenbezogenen Daten unterliegen datenschutzrechtlichen Schutzvorschriften. Es dürfen nur solche Daten veröffentlicht werden, die für die Berichterstattung erforderlich und verhältnismäßig sind (§ 16 Abs. 2 BVerfSchG). Die datenschutzrechtliche Aufsicht wird durch die zuständigen Datenschutzbehörden ausgeübt.

Bedeutung und Wirkung des Verfassungsschutzberichts

Öffentlichkeitswirksame Funktion

Der Verfassungsschutzbericht hat erhebliche gesellschaftliche Relevanz und wird jährlich in Pressekonferenzen vorgestellt. Er dient als bedeutende Informationsquelle für Politik, Medien, Verwaltung und die breite Öffentlichkeit über aktuelle Entwicklungen und Gefahrenlagen im Bereich der inneren Sicherheit.

Rechtliche Folgen für Betroffene

Die Nennung im Verfassungsschutzbericht kann für Organisationen und, seltener, für Einzelpersonen erhebliche Auswirkungen haben, wie beispielsweise Einschränkungen bei der Gemeinnützigkeit, potentielle Vereinsverbote, Reputationsverluste und rechtliche Schritte gegen die Erwähnung. Betroffene haben jedoch die Möglichkeit, gegen die Erwähnung im Bericht im Wege der verwaltungsgerichtlichen Klage vorzugehen.

Literatur und weiterführende Informationen

  • Bundesamt für Verfassungsschutz: Verfassungsschutzberichte
  • Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG)
  • Staatsrechtliche Kommentarliteratur zu Art. 20 GG, BVerfSchG und einschlägiger Rechtsprechung

Siehe auch

  • Bundesverfassungsschutzgesetz
  • Landesamt für Verfassungsschutz
  • Vereinsrecht
  • Extremismus
  • Datenschutzrecht
  • Grundrechte (Grundgesetz)

Hinweis: Die Inhalte geben den Stand der Gesetzeslage und Rechtsprechung mit Stand Juni 2024 wieder. Für eine aktuelle Bewertung empfiehlt sich die Rücksprache mit den einschlägigen Verfassungsschutzbehörden und Rechtsprechung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Erstellung und Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts?

Der Verfassungsschutzbericht basiert im Wesentlichen auf dem Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG), insbesondere auf § 16 BVerfSchG. Dieses Gesetz verpflichtet das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), jährlich einen Bericht über Bestrebungen und Tätigkeiten zu veröffentlichen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder durch Anwendung von Gewalt außenpolitisch bedeutsame Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Die Berichtsveröffentlichung dient dabei sowohl der Information der Öffentlichkeit als auch der parlamentarischen Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit. Neben dem Bundesrecht existieren in den Ländern entsprechende Landesverfassungsschutzgesetze, die die Berichterstattung durch die jeweiligen Landesämter regeln. Die Veröffentlichung muss im Einklang mit dem allgemeinen Datenschutzrecht und dem Persönlichkeitsrecht erfolgen; personenbezogene Daten dürfen nur in gesetzlich klar umgrenzten Ausnahmefällen veröffentlicht werden.

Welche rechtlichen Anforderungen gelten hinsichtlich des Datenschutzes im Verfassungsschutzbericht?

Das BVerfSchG setzt klare rechtliche Grenzen in Bezug auf die Verwendung und Veröffentlichung personenbezogener Daten im Rahmen des Verfassungsschutzberichts. Grundsätzlich ist eine namentliche Nennung von Einzelpersonen unzulässig, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt und die Person stellt eine herausgehobene, zentrale Funktion innerhalb einer verfassungsfeindlichen Organisation dar. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sind ebenfalls zu beachten. Im Falle von Unternehmen, juristischen Personen oder Vereinigungen dürfen deren Namen genannt werden, wenn diese nachweislich im Berichtskontext relevant sind. Rechtsgrundlage ist § 16 Abs. 1 BVerfSchG i.V.m. Art. 5 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) sowie die jeweils einschlägigen Datenschutzgesetze.

Unterliegt der Inhalt des Verfassungsschutzberichts einer gerichtlichen Überprüfung?

Ja, der Inhalt des Verfassungsschutzberichts kann – sofern Betroffene eine Verletzung ihrer Rechte geltend machen – einer richterlichen Kontrolle unterzogen werden. Über die Rechtmäßigkeit von Passagen oder Nennungen im Bericht entscheiden regelmäßig die Verwaltungsgerichte, an die sich natürliche oder juristische Personen wenden können, wenn sie sich unrechtmäßig dargestellt oder in ihren Grundrechten verletzt sehen. Die Gerichte prüfen insbesondere, ob bei der Berichterstattung die gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden und ob die Darstellung der Tatsachen und Einschätzungen vom gesetzlichen Auftrag gedeckt ist. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sieht vor, dass die Schwelle zur Erwähnung im Bericht hoch anzusetzen ist und abgewogen werden muss, ob öffentliche Interessen die Interessen des Betroffenen überwiegen.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen bei der inhaltlichen Abfassung des Verfassungsschutzberichts?

Die Erstellung des Verfassungsschutzberichts unterliegt streng rechtlichen Anforderungen bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung. Nach § 16 Abs. 1 BVerfSchG muss der Bericht sachlich, wahrheitsgemäß und verhältnismäßig sein. Werturteile und Tatsachendarstellungen sind klar zu trennen und es ist eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und den schutzwürdigen Interessen der Genannten vorzunehmen. Die Behörde ist verpflichtet, nur solche Informationen aufzunehmen, die sie nachweislich auf gesicherter Erkenntnisgrundlage erlangt hat. Zudem gilt das Übermaßverbot: Es dürfen keine weitergehenden Eingriffe in Grundrechte erfolgen, als zur Erfüllung der Berichtsaufgabe erforderlich. Inhaltliche Wertungen müssen nachvollziehbar und überprüfbar begründet werden.

Wie wird der Verfassungsschutzbericht parlamentarisch kontrolliert?

Der Bericht unterliegt der parlamentarischen Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium, das auf Bundesebene die Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes überwacht. Nach Erstellung wird der jährliche Bericht dem Bundesministerium des Innern vorgelegt, das die Veröffentlichung autorisiert. Das Kontrollgremium prüft im Rahmen seiner Kompetenzen die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Berichterstellung und hat darüber hinaus das Recht, Einsicht in die zugrundeliegenden Akten und Daten zu nehmen. Die parlamentarische Kontrolle dient der Wahrung der Demokratie und der Sicherstellung, dass die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten und deren Berichterstattung im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften stehen.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei rechtswidrigen Inhalten im Verfassungsschutzbericht?

Kommt es zur rechtswidrigen Nennung oder falschen Darstellung natürlicher oder juristischer Personen im Verfassungsschutzbericht, können diese rechtliche Schritte wie Gegendarstellung, Widerruf und Unterlassungsansprüche geltend machen. In gravierenden Fällen kann Schadensersatz wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Unternehmenspersönlichkeitsrechts eingefordert werden. Darüber hinaus kann bei massiven Grundrechtsverletzungen auch eine Strafbarkeit wegen Verleumdung oder übler Nachrede in Betracht kommen. Die Behörden sind nach Gerichtsurteilen zudem verpflichtet, fehlerhafte Passagen entweder zu löschen oder im Rahmen eines Nachtragsberichtes richtigzustellen. Die Kontrolle und Sanktionierung erfolgt vorrangig durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Welche Verfahrensrechte haben Betroffene im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutzbericht?

Betroffene – das können Einzelpersonen, Vereinigungen oder Parteien sein – haben das Recht, Auskunft über im Bericht enthaltene Informationen sowie zur gegebenenfalls erfolgten Datenspeicherung zu verlangen (Auskunftsrecht gemäß § 15 BVerfSchG). Sie haben ferner die Möglichkeit, Korrekturen oder Löschungen unrichtiger personenbezogener Daten zu beantragen. Darüber hinaus besteht ein Recht auf Gegendarstellung, falls eine Vereinigung oder Einzelperson in einer Weise öffentlich benannt wird, die deren Interessen verletzt. Im Streitfall steht der Verwaltungsrechtsweg offen, um sich gegen die Nennung oder die Art der Darstellung zu wehren. Hierbei gilt das Beschleunigungsgebot, um die Auswirkungen auf die Betroffenen möglichst gering zu halten.