Begriff und Schutzzweck des Verfassungshochverrats
Verfassungshochverrat bezeichnet schwerste Angriffe auf den Staat, die darauf gerichtet sind, den Bestand des Bundes oder eines Bundeslandes zu beseitigen oder die verfassungsmäßige Ordnung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu ändern. Geschützt werden der Fortbestand des Staates und die grundlegende Ordnung, nach der staatliche Macht gebildet, verteilt und ausgeübt wird. Der Tatbestand zählt zu den gravierendsten Staatsschutzdelikten und richtet sich gegen die Funktionsfähigkeit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.
Tatobjekt, Tathandlung und Tatmittel
Tatobjekt: Bund oder Land
Das Delikt kann sich gegen den Bund als Gesamtstaat oder gegen ein einzelnes Bundesland richten. Maßgeblich ist, welches Staatsgebilde Ziel des Angriffs ist, etwa ob die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes oder die eines Landes gewaltsam außer Kraft gesetzt oder ersetzt werden soll.
Tathandlung: Das „Unternehmen“ eines Umsturzes
Verfassungshochverrat liegt nicht erst vor, wenn der Umsturz gelingt. Strafbar ist bereits das zielgerichtete Beginnen eines entsprechenden Plans. Erforderlich ist ein nach außen erkennbares Handeln, das über bloße Vorbereitungsideen hinausgeht und auf die gewaltsame Beseitigung oder Veränderung der verfassungsmäßigen Ordnung oder des Staatsbestands angelegt ist. Ein tatsächlicher Erfolg ist nicht notwendig.
Tatmittel: Gewalt oder Drohung mit Gewalt
Zwingendes Merkmal ist die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit Gewalt. Gewalt umfasst physische Zwangseinwirkung auf Personen oder Sachen, die geeignet ist, staatliche Organe zu lähmen oder zu entmachten. Drohung mit Gewalt liegt vor, wenn ein ernstliches In-Aussicht-Stellen gewaltsamer Mittel den Zweck verfolgt, staatliche Entscheidungsträger oder die Bevölkerung zu einem verfassungsändernden Verhalten zu zwingen. Reine Meinungsäußerungen oder friedliche politische Aktivitäten reichen dafür nicht aus.
Subjektiver Tatbestand: Zielrichtung und Vorsatz
Erforderlich ist ein auf die gewaltsame Beseitigung oder Veränderung der verfassungsmäßigen Ordnung oder des Staatsbestands gerichteter Vorsatz. Die handelnde Person muss die Umsturzrichtung erkennen und zumindest in Kauf nehmen, dass die angestrebte Veränderung mittels Gewalt oder Gewaltandrohung erfolgt. Politische oder ideologische Motive sind für die Strafbarkeit nicht entscheidend, können aber bei der Einordnung der Zielrichtung Bedeutung gewinnen.
Täterkreis, Beteiligungsformen und Vorstufen
Täterkreis
Verfassungshochverrat kann grundsätzlich von jeder Person begangen werden. Eine besondere Amtsträgereigenschaft ist nicht erforderlich.
Mittäterschaft, Anstiftung, Beihilfe
Neben Alleintäterschaft kommen gemeinschaftliches Handeln sowie Beteiligungsformen wie Anstiftung und Beihilfe in Betracht. Wer den Plan wesentlich mitträgt, organisatorisch prägt oder operative Schlüsselbeiträge leistet, kann als Mittäter in Betracht kommen. Wer zur Tat entschließt oder fördert, kann als Anstifter oder Gehilfe haften.
Vorbereitungshandlungen
Bestimmte Vorbereitungshandlungen sind eigenständig strafbar, wenn sie erkennbar auf ein hochverräterisches Vorgehen abzielen. Dazu können etwa das zielgerichtete Rekrutieren, Ausrüsten, Sich-Zusammenschließen zur gewaltsamen Beseitigung der Ordnung oder vergleichbare Schritte zählen. Der Gesetzgeber setzt dadurch bewusst früh an, um schwerste staatsschädigende Entwicklungen zu unterbinden.
Abgrenzung zu anderen Staatsschutzdelikten
Politischer Protest vs. Verfassungshochverrat
Legitime Kritik, Proteste, Demonstrationen und politische Kampagnen, selbst wenn sie verfassungsändernde Ziele verfolgen, fallen nicht darunter, solange sie sich im Rahmen friedlicher, rechtsstaatlicher Verfahren bewegen. Entscheidend ist die Abgrenzung zur Gewalt oder ihrer ernsthaften Androhung als Mittel politischer Durchsetzung.
Schwere Störungen der öffentlichen Ordnung
Gewalttätige Massenereignisse oder Ausschreitungen können schwere Straftaten darstellen, erfüllen aber nicht automatisch den Verfassungshochverrat. Maßgeblich ist, ob das Vorgehen auf die Entmachtung staatlicher Organe oder die Umwälzung der Verfassungsordnung zielt.
Spionage, Sabotage, Terroristische Delikte
Spionage und Sabotage richten sich gegen Geheimnisse oder Infrastrukturen, terroristische Delikte gegen die Allgemeinheit oder bestimmte Einrichtungen. Berühren solche Taten die verfassungsmäßige Ordnung, können sie in Grenzfällen Überschneidungen aufweisen, bleiben aber eigenständige Delikte mit eigenen Voraussetzungen.
Rechtsfolgen, Nebenfolgen und Zuständigkeiten
Verfassungshochverrat ist ein besonders schwerwiegendes Verbrechen mit empfindlichen Freiheitsstrafen. In gravierenden Fällen kommen lange, teils sehr lange Haftstrafen in Betracht. Daneben sind Nebenfolgen möglich, etwa Maßregeln zur Sicherung oder der Verlust bestimmter Rechte. Ermittlungen und Verfahren liegen regelmäßig bei besonders zuständigen Einheiten der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte, die für Staatsschutzsachen vorgesehen sind.
Beweisfragen und typische Konstellationen
Planungs- und Organisationsbeiträge
Beweisanzeichen können etwa konspirative Absprachen mit Umsturzzielrichtung, die Beschaffung von Waffen oder vergleichbaren Mitteln, die Strukturierung von Gruppen mit Befehlsketten, die Erstellung operativer Pläne oder das gezielte Ausnutzen kritischer Infrastrukturen sein. Entscheidend ist stets die Gesamtschau, ob ein ernsthaftes, auf Gewalt ausgerichtetes Unternehmen vorliegt.
Kommunikation und Aufrufe
Kommunikative Beiträge können relevant sein, wenn sie erkennbar Teil eines gewaltsamen Umsturzunternehmens sind. Die bloße Befürwortung abstrakter Systemänderungen genügt nicht. Relevanz erlangt Kommunikation erst, wenn sie in eine konkrete, auf Gewaltmittel ausgerichtete Umsturzplanung eingebettet ist oder diese zielgerichtet fördert.
Verfassungsrechtlicher Rahmen
Die Regelungen zum Verfassungshochverrat stehen im Kontext einer wehrhaften Demokratie. Der Staat schützt sich und seine Ordnung, zugleich bleiben Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit gewahrt. Die Grenze verläuft dort, wo Gewalt oder ernsthafte Gewaltandrohung als politisches Werkzeug gegen die verfassungsmäßige Ordnung eingesetzt werden.
Internationaler Vergleich
Viele Staaten kennen schwerste Straftatbestände zum Schutz des Staatsbestands und der verfassungsmäßigen Ordnung. Unter dem Begriff „Treason“ werden international unterschiedliche Konstellationen erfasst, oft auch die Zusammenarbeit mit fremden Mächten. Der hier beschriebene Verfassungshochverrat fokussiert hingegen die inländische, gewaltsame Umwälzung der staatlichen Ordnung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was unterscheidet Verfassungshochverrat von gewöhnlichem Hochverrat?
Verfassungshochverrat bezeichnet den gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Staatsbestand gerichteten, mit Gewalt oder Gewaltandrohung betriebenen Umsturzversuch. In der Alltagssprache wird häufig schlicht von Hochverrat gesprochen; gemeint ist regelmäßig die hier erläuterte Form, die sich gegen Bund oder Länder richtet.
Reicht ein Aufruf im Internet aus, um Verfassungshochverrat zu erfüllen?
Ein isolierter Aufruf reicht nicht aus. Erforderlich ist ein auf Gewalt oder deren Drohung ausgerichtetes Unternehmen mit konkreten Schritten über bloße Meinungsäußerung hinaus. Ein Beitrag kann allerdings als Beteiligung relevant werden, wenn er erkennbar Teil eines realen, gewaltsam ausgerichteten Umsturzplans ist.
Müssen tatsächlich Waffen eingesetzt werden?
Ein Waffeneinsatz ist nicht zwingend erforderlich. Ausreichend ist auch die ernsthafte Drohung mit Gewalt, sofern sie auf die Beseitigung oder Veränderung der verfassungsmäßigen Ordnung oder des Staatsbestands zielt. Entscheidend ist die Gewaltkomponente als Mittel politischer Durchsetzung.
Ist die bloße Befürwortung eines Systemwechsels strafbar?
Die allgemeine Befürwortung politischer Veränderungen bleibt von der Meinungsfreiheit gedeckt. Strafbar wird ein Verhalten erst, wenn es sich zu einem Unternehmen verdichtet, das auf Gewalt oder die Drohung mit Gewalt zurückgreift und die verfassungsmäßige Ordnung oder den Staatsbestand angreift.
Können auch ausländische Staatsangehörige Verfassungshochverrat begehen?
Ja. Der Täterkreis ist nicht auf bestimmte Staatsangehörigkeiten beschränkt. Maßgeblich sind die Tatumstände, das Ziel der Handlung und der Bezug zum geschützten Staat und seiner verfassungsmäßigen Ordnung.
Gibt es eine Strafbarkeit bereits für Vorbereitungen?
Bestimmte vorverlagerte Handlungen sind eigenständig strafbar, wenn sie erkennbar auf einen gewaltsamen Umsturz zielen, etwa das strukturierte Zusammenwirken für einen gewaltsamen Machtwechsel oder das Beschaffen einschlägiger Mittel mit entsprechendem Zweck.
Wer ist für die Verfolgung zuständig?
Die Verfolgung obliegt speziell zuständigen Einheiten von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten, die für Staatsschutzsachen vorgesehen sind. Das Verfahren folgt besonderen organisatorischen Zuständigkeiten und hohen Anforderungen an Beweissicherung und Verfahrenssicherheit.