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Verfassungsfeindliche Propaganda


Begriff und Definition: Verfassungsfeindliche Propaganda

Als verfassungsfeindliche Propaganda werden alle Äußerungen, Darstellungen, Veröffentlichungen und Handlungen bezeichnet, die darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die verfassungsmäßigen Organe oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu delegitimieren, zu verunglimpfen oder zu beseitigen. Der Begriff findet sowohl im öffentlichen Diskurs als auch in verschiedenen Rechtsnormen Deutschlands Anwendung und ist eng mit Fragestellungen des Staats- und Strafrechts verknüpft. Im Fokus stehen insbesondere strafbare Handlungen, aber auch Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der politischen Bildung.


Rechtliche Grundlagen

Strafrechtliche Regelungen

Propagandadelikte gemäß Strafgesetzbuch

Im Strafgesetzbuch (StGB) sind mehrere Straftatbestände normiert, die im Zusammenhang mit verfassungsfeindlicher Propaganda stehen:

  • § 86 StGB – Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen: Unter Strafe gestellt wird das Verbreiten und öffentliche Zugänglichmachen von Propagandamitteln (Schriften, Tonaufnahmen, Abbildungen etc.) solcher Vereinigungen, die von einem Gericht als verfassungswidrig oder ihrer Ziele nach als verfassungsfeindlich eingestuft sind.
  • § 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen: Hierunter fällt das Verwenden, öffentliche Zeigen oder Verbreiten von Kennzeichen solcher Organisationen, beispielsweise Hakenkreuz oder bestimmte Parolen.
  • § 130 StGB – Volksverhetzung: Propaganda, die zu Hass und Gewalt gegen Teile der Bevölkerung aufruft oder deren Menschenwürde angreift, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet.

Zusammenhang mit weiteren Vorschriften

Weitere einschlägige Vorschriften zu verfassungsfeindlicher Propaganda finden sich beispielsweise im Vereinsgesetz (VereinsG) und im Jugendschutzgesetz (JuSchG).

Öffentlich-rechtliche Maßnahmen und Gefahrenabwehr

Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Das Grundgesetz (GG) schützt die freiheitliche demokratische Grundordnung vor Angriffen durch verfassungsfeindliche Bestrebungen. Die öffentliche Verbreitung von Propaganda, die gegen diesen Kernbestand der Verfassung gerichtet ist, wird daher auch mit verwaltungsrechtlichen Mitteln verfolgt. Dies umfasst etwa:

  • Beschlagnahmung und Verbot von Propagandamitteln (§§ 10, 11 VereinsG)
  • Prüfung und ggf. Indizierung von Medien durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (§ 18 JuSchG)

Ein besonders hohes Schutzniveau genießen die verfassungsmäßigen Organe (Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Bundesverfassungsgericht) und die staatliche Ordnung in Bezug auf Bestand und Sicherheit der Bundesrepublik.


Abgrenzungen und Begriffsklärungen

Propagandamittel, Propaganda und Organisationen

  • Propagandamittel sind sämtliche Medien und Träger, auf oder in denen verfassungsfeindliche Inhalte verbreitet werden können (z.B. Flugblätter, Plakate, Webseiten, Tonaufnahmen).
  • Verfassungsfeindliche Organisationen sind Zusammenschlüsse, deren Zweck oder Tätigkeit gegen die in der Verfassung garantierte Ordnung gerichtet ist. Dazu zählen verbotene Parteien und Vereinigungen, aber auch Gruppierungen, die vom Bundesinnenministerium untersagt wurden.
  • Propaganda meint dabei nicht jede Form der politischen Werbung, sondern gezielte Agitation zur Abschaffung oder massiven Veränderung zentraler Werte und Prinzipien der Verfassung.

Abgrenzung zu politischer Kritik und Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) schützt zwar auch extreme und provokative Äußerungen, findet aber ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen. Propaganda, die durch ihre Zielsetzung und Inhalt unter die genannten strafrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Normen fällt, ist von dieser Grundrechtsgarantie nicht umfasst.


Typische Erscheinungsformen

Klassische und digitale Medien

Verfassungsfeindliche Propaganda wird sowohl über traditionelle Kanäle (Druckschriften, Aufkleber, Graffiti, Versammlungen) als auch verstärkt über digitale Medien (soziale Netzwerke, Messenger, Onlinedienste) verbreitet. Gerade die anonyme und schnelle Verbreitungsmöglichkeit im Internet wird von Organisationen gezielt genutzt, um ihre Botschaften zu streuen.

Symbolik und Codes

Typisch sind die Verwendung von Symbolen, Parolen, Codes und Chiffren, die für Außenstehende oft nicht offensichtlich auf einen verfassungsfeindlichen Kontext schließen lassen, aber innerhalb der Szene als Erkennungszeichen fungieren. Beispiele sind Zahlencodes, stilisierte Abzeichen oder umgebaute Sprüche.


Maßnahmen der Strafverfolgung und Prävention

Ermittlungsbehörden und Überwachung

Die Strafverfolgung verfassungsfeindlicher Propaganda obliegt der Polizei und den Staatsanwaltschaften. Zusätzlich kommen Maßnahmen der Gefahrenabwehr, wie z.B. Verbotsverfahren durch Innenbehörden, zum Einsatz. Beobachtung und Sammlung relevanter Hinweise fallen in das Aufgabenfeld der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder.

Präventive Maßnahmen

Staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure setzen auf präventive Maßnahmen, wie politische Bildung, Internetaufklärung und öffentlichkeitswirksame Kampagnen, um der Verbreitung verfassungsfeindlicher Propaganda entgegenzuwirken.


Sanktionen und Rechtsfolgen

Strafrechtliche Sanktionen

Wer gegen die einschlägigen Vorschriften verstößt, muss mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe rechnen. Die Strafbarkeit umfasst sowohl die aktive Verbreitung als auch das Bereithalten und öffentliche Zugänglichmachen von Propagandamitteln.

Ordnungsrechtliche Maßnahmen

Neben strafrechtlichen Sanktionen können ordnungsrechtliche Konsequenzen auftreten, beispielsweise das Verbot von Veranstaltungen, Vereinsverbote sowie die Einziehung und Vernichtung von Propagandamaterial.


Bedeutung im Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung

Verfassungsfeindliche Propaganda stellt eine substanzielle Gefahr für die Stabilität, Sicherheit und Integrität des demokratischen Rechtsstaates dar. Die rechtlichen Regelungen dienen nicht der Einschränkung legitimer politischer Debatte, sondern dem Schutz der Grundwerte der Verfassung vor gezielten Angriffen und der Prävention extremistischer Mobilisierung.


Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), insbesondere Art. 5, Art. 9
  • Strafgesetzbuch (StGB), §§ 86, 86a, 130
  • Vereinsgesetz (VereinsG)
  • Bundesamt für Verfassungsschutz: Publikationen zu verfassungsfeindlichen Bestrebungen
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Dossiers zu Extremismus und Demokratieschutz

Verfassungsfeindliche Propaganda umfasst ein komplexes Geflecht aus strafrechtlichen, ordnungsrechtlichen und gesellschaftlichen Maßnahmen zum Schutz der Verfassung und der demokratischen Grundordnung. Die rechtlichen Regelungen hierzu spiegeln die besondere Bedeutung des Schutzes demokratischer Prinzipien in Deutschland wider.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Regelungen bestehen in Deutschland gegen verfassungsfeindliche Propaganda?

Verfassungsfeindliche Propaganda ist in Deutschland durch verschiedene Gesetze streng reglementiert und unterliegt strafrechtlichen Konsequenzen. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen finden sich im Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere in den §§ 86, 86a, 130 und 129 StGB. § 86 StGB stellt die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen unter Strafe, während § 86a StGB das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ahndet. § 130 StGB bezieht sich auf Volksverhetzung und stellt die öffentliche Aufstachelung zum Hass sowie die Verbreitung von Propagandamaterial, das die Menschenwürde anderer angreift, unter Strafe. Ergänzend verbietet das Vereinsgesetz in Verbindung mit entsprechenden Verbotsverfahren das Betreiben, die Unterstützung und auch das Werben für verfassungsfeindliche Vereinigungen. Diese Normen dienen dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zielen darauf ab, die öffentliche Verbreitung von Ideologien und Symbolen zu unterbinden, die in besonderer Weise geeignet sind, die Verfassungswerte der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.

Welche Konsequenzen drohen bei der Verbreitung verfassungsfeindlicher Propaganda?

Wer verfassungsfeindliche Propaganda verbreitet, muss mit unterschiedlich schweren Strafen rechnen. Die Verbreitung, Herstellung und das öffentliche Zugänglichmachen von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen sowie das Verwenden einschlägiger Kennzeichen kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden (§§ 86, 86a StGB). Bei besonders schweren Fällen – etwa wenn gefährdende Auswirkungen auf den öffentlichen Frieden festzustellen sind – können die Strafen deutlich höher ausfallen. Zudem besteht die Möglichkeit, bei mehrfachen oder besonders schwerwiegenden Verstößen die Bewährung auszuschließen und Haftstrafen zu verhängen. Unabhängig von strafrechtlichen Konsequenzen drohen auch zivilrechtliche und arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Kündigung, Ausschluss aus Vereinen oder die Aberkennung von gesellschaftlichen Ämtern.

Welche Organisationen gelten im rechtlichen Sinne als verfassungsfeindlich?

Die rechtliche Einstufung als verfassungsfeindliche Organisation erfolgt durch das Bundesministerium des Innern oder auf Grundlage eines gerichtlichen Verbots. Zu diesen Organisationen zählen in der Regel Parteien, Vereine oder Zusammenschlüsse, die Ziele verfolgen oder Tätigkeiten ausüben, welche gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Gedanken der Völkerverständigung oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung insgesamt gerichtet sind. Beispiele finden sich sowohl im rechtsextremen als auch im linksextremen und islamistischen Spektrum. Das Verbot solcher Organisationen wird im Vereinsgesetz geregelt; das Parteienverbot ist im Grundgesetz (Art. 21 Abs. 2 GG) festgeschrieben. Eine fortlaufend aktualisierte Liste der verbotenen Organisationen wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz veröffentlicht.

Ist die Verbreitung von verfassungsfeindlicher Propaganda im Internet ebenfalls strafbar?

Ja, die Verbreitung von verfassungsfeindlicher Propaganda im Internet ist ebenso strafbar wie die Verbreitung in Printmedien oder im öffentlichen Raum. Die einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches sind medienneutral formuliert, sodass sie auf sämtliche Formen der Kommunikation angewendet werden, einschließlich sozialer Medien, Websites, Messenger-Diensten oder E-Mails. Betroffen sind sowohl das Einstellen, Teilen als auch das Versenden und das Bereitstellen von Inhalten, die als verfassungsfeindliche Propaganda eingestuft werden. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit internationalen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Bekämpfung von Online-Propaganda durch europarechtliche und bilaterale Übereinkommen geregelt.

Welche Ausnahmen und Privilegierungen sieht das Strafrecht beim Umgang mit verfassungsfeindlicher Propaganda vor?

Das deutsche Strafrecht sieht einige eng gefasste Ausnahmen für die Verbreitung verfassungsfeindlicher Propaganda vor, die insbesondere wissenschaftlichen, künstlerischen, forschenden, lehrenden oder berichtenden Zwecken dienen (§ 86 Abs. 3 StGB). Diese Privilegierungen sollen das öffentliche Interesse an Information, Forschung und Bildung sicherstellen und gewährleisten, dass etwa Journalisten, Wissenschaftler und Lehrer nicht automatisch strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie sich in ihrer Tätigkeit mit verfassungsfeindlichen Inhalten auseinandersetzen. Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmen ist stets, dass keine Förderung der verfassungsfeindlichen Ziele erfolgt und die Inhalte in einem klaren, mit dem Sachzweck vereinbaren Kontext stehen.

Wie werden Propagandamittel im rechtlichen Sinne definiert?

Propagandamittel im Sinne des § 86 StGB sind Schriften, Ton- oder Bildträger, Abbildungen oder Darstellungen, die geeignet sind, Ideen oder Ziele einer verbotenen Organisation zu verbreiten oder für diese zu werben. Hierzu zählen auch digitale Inhalte und Symbole, beispielsweise bestimmte Flaggen, Slogans, Lieder oder Videos. Entscheidend ist, dass die Propagandamittel inhaltlich auf die Verbreitung der Zielsetzung verfassungsfeindlicher Gruppen ausgerichtet sind. Die genaue Bestimmung eines Gegenstands als Propagandamittel erfolgt meist durch Gerichte im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen und kann je nach Kontext und aktuellem gesellschaftlichem Verständnis variieren.

Welche Behörden sind für die Verfolgung einschlägiger Straftaten zuständig?

Die Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit verfassungsfeindlicher Propaganda obliegt in erster Linie den Strafverfolgungsbehörden der Bundesländer, insbesondere den Staatsanwaltschaften und Polizeidienststellen. Ergänzend sind das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie die Landesämter für Verfassungsschutz befugt, Erkenntnisse über Tätigkeiten und Verbreitungswege verfassungsfeindlicher Propaganda zu sammeln und an die Ermittlungsbehörden weiterzugeben. Im Internet arbeitet die Justiz auch mit spezialisierten Einheiten wie der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) und anderen einschlägigen Taskforces zusammen. Entsprechende Fälle werden häufig auch mit europäischer und internationaler Kooperation verfolgt.