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Vererblichkeit

Vererblichkeit: Bedeutung, Funktion und Abgrenzung

Vererblichkeit bezeichnet im rechtlichen Sinn die Fähigkeit von Rechten und Pflichten einer verstorbenen Person, auf deren Rechtsnachfolger überzugehen. Sie bestimmt, welche Positionen Teil des Nachlasses werden und damit von Erben übernommen werden, und welche Rechte mit dem Tod erlöschen. Der Begriff unterscheidet sich vom alltagssprachlichen Verständnis, das häufig nur den Übergang von Vermögen meint, und erfasst rechtlich sowohl Vermögenswerte als auch Verbindlichkeiten.

Vererblichkeit und Gesamtrechtsnachfolge

Im Regelfall erfolgt der Übergang vererblicher Positionen als Gesamtrechtsnachfolge. Das bedeutet, dass die Erben mit dem Erbfall als Rechtsnachfolger in die vererblichen Rechte und Pflichten eintreten. Dadurch entsteht ein einheitlicher Nachlass, der sowohl Aktiva (Vermögenswerte) als auch Passiva (Schulden) umfasst.

Abgrenzung zur Übertragbarkeit unter Lebenden

Vererblichkeit ist nicht identisch mit der Übertragbarkeit zu Lebzeiten. Manche Rechte sind zwar übertragbar, aber nicht vererblich (etwa bestimmte höchstpersönliche Nutzungsrechte), andere sind vererblich, obwohl ihre Übertragung zu Lebzeiten eingeschränkt ist (beispielsweise einzelne Entgeltansprüche aus Arbeitsverhältnissen).

Bestandteile des Nachlasses und Reichweite der Vererblichkeit

Vermögenswerte

Sachen- und dingliche Rechte

Eigentum an beweglichen Sachen und Grundstücken ist grundsätzlich vererblich. Gleiches gilt für die daran bestehenden Sicherungsrechte. Bestimmte persönlich ausgestaltete Nutzungsrechte, etwa Wohnrechte oder Nießbrauch zugunsten des Verstorbenen, erlöschen hingegen mit dem Tod und sind nicht vererblich. Dagegen sind langfristige grundstücksbezogene Rechte mit eigenständiger Vermögensqualität häufig vererblich.

Forderungen und Bankguthaben

Geldforderungen, ausstehende Entgeltansprüche, Bankguthaben und Wertpapierdepots sind typischerweise vererblich. Ebenso werden fällige, aber noch nicht erfüllte Ansprüche aus Verträgen Teil des Nachlasses.

Beteiligungen und Gesellschaftsrechte

Anteile an Kapitalgesellschaften sind in der Regel vererblich. Bei Personengesellschaften hängt die Vererblichkeit der Mitgliedschaft häufig von gesellschaftsvertraglichen Regelungen ab; möglich sind Fortsetzungsklauseln oder Abfindungslösungen. Unabhängig davon sind Zahlungsansprüche gegen die Gesellschaft (z. B. Abfindungsansprüche) vererblich.

Immaterialgüter und persönlichkeitsnahe Rechte

Urheber- und Kennzeichenrechte

Vermögensrechtliche Nutzungs- und Verwertungsrechte aus geistigem Eigentum sind grundsätzlich vererblich und gehen für eine gesetzlich bestimmte Schutzdauer auf die Erben über. Registerrechte wie Marken oder Patente sind bei wirksamer Eintragung vererblich.

Persönlichkeitsrechte und postmortaler Schutz

Das Persönlichkeitsrecht als solches ist nicht vererblich. Gleichwohl besteht ein Schutz des Andenkens, der von Angehörigen geltend gemacht werden kann. Geldentschädigungen wegen immaterieller Beeinträchtigungen sind nur eingeschränkt vererblich, insbesondere wenn sie bereits zu Lebzeiten beziffert oder eingefordert wurden.

Verträge und Dauerschuldverhältnisse

Miet-, Versicherungs- und Arbeitsverhältnisse

Mietverhältnisse bestehen häufig fort, wobei Eintritts-, Fortsetzungs- und besondere Kündigungsrechte vorgesehen sind. Bei Versicherungsverträgen richtet sich die Vererblichkeit nach der vertraglichen Ausgestaltung; bei benannten Bezugsberechtigten fällt die Leistung regelmäßig nicht in den Nachlass. Arbeitsverhältnisse enden beim Tod eines Arbeitnehmers; offene vermögensrechtliche Ansprüche werden vererblich. Stirbt der Inhaber eines Betriebs, können Arbeitsverhältnisse je nach Fortführung des Betriebs übergehen.

Schulden und sonstige Verbindlichkeiten

Nachlassverbindlichkeiten sind vererblich und gehen grundsätzlich auf die Erben über. Dazu zählen Vertragsverbindlichkeiten, Steuerschulden mit Nachlassbezug sowie Schadensersatzansprüche, soweit sie vermögensrechtlich geprägt sind.

Grenzen der Vererblichkeit

Höchstpersönliche Rechte

Höchstpersönliche Rechte sind nicht vererblich. Hierzu zählen insbesondere Unterhaltsansprüche für die Zukunft, persönliche Dienst- oder Nutzungsrechte, bestimmte Amts- und Mitgliedschaftsstellungen mit persönlicher Bindung sowie Ansprüche, die untrennbar mit der Person verbunden sind.

Öffentlich-rechtliche Positionen und erlaubnisgebundene Rechte

Öffentlich-rechtliche Berechtigungen, Zulassungen oder Konzessionen gehen nicht automatisch über. Häufig ist eine erneute Erlaubniserteilung erforderlich oder der Übergang ist ausgeschlossen. Gleiches gilt für hoheitliche Statusrechte.

Unübertragbarkeits- und Unpfändbarkeitsabreden

Vertragliche oder gesetzlich angeordnete Unübertragbarkeit kann die Vererblichkeit ausschließen. Unpfändbare Leistungen und zweckgebundene Bezüge sind regelmäßig nicht Teil des Nachlasses.

Gestaltung und Einflussmöglichkeiten des Erblassers

Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflagen

Durch letztwillige Verfügungen kann die Zuweisung vererblich gewordener Rechte und Pflichten im Rahmen der rechtlichen Grenzen gestaltet werden. Erbeinsetzung ordnet die Gesamtrechtsnachfolge, Vermächtnisse gewähren einzelnen Personen bestimmte Gegenstände oder Ansprüche, Auflagen verknüpfen Zuwendungen mit Verpflichtungen.

Pflichtteilsrechte der nahen Angehörigen

Nahe Angehörige haben einen gesetzlich gesicherten Mindestanspruch in Geld. Dieser Anspruch ist selbst ein vererbliches Recht, sobald er entstanden ist.

Bedingungen und Teilungsanordnungen

Bedingungen können den Erwerb einzelner Rechte aus dem Nachlass aufschieben oder auflösen. Teilungsanordnungen betreffen die interne Verteilung zwischen mehreren Erben und ändern nichts an der Vererblichkeit als solcher.

Internationale und digitale Aspekte

Anknüpfung und Nachlassspaltung

Bei grenzüberschreitenden Fällen richtet sich das anwendbare Erbrecht vielfach nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt der verstorbenen Person. Für bestimmte Vermögensarten, vor allem unbewegliches Vermögen, kann eine Nachlassspaltung eintreten, sodass unterschiedliche Rechtsordnungen die Vererblichkeit beurteilen.

Auslandsvermögen und unterschiedliche Vererblichkeit

Im Ausland gelegenes Vermögen kann abweichenden Regeln zur Vererblichkeit unterliegen. Das betrifft etwa die Stellung von Immobilien, Gesellschaftsbeteiligungen oder registrierten Schutzrechten in anderen Staaten.

Digitale Nachlassgüter

Digitale Konten, Kommunikationsinhalte, Medienbibliotheken und sonstige online geführte Vermögenspositionen sind regelmäßig vererblich, soweit es sich um vertragliche Nutzungs- oder Zahlungsansprüche handelt. Nutzungsbeschränkungen und Zugangsmodalitäten können eigenständige Fragen aufwerfen.

Nachlassabwicklung und Rechtsfolgen für Erben

Übergang von Rechten und Pflichten

Mit dem Erbfall gehen vererbliche Rechte und Pflichten unmittelbar über. Inhalt und Umfang bleiben grundsätzlich unverändert, es sei denn, der Übergang ist kraft Gesetzes oder Vereinbarung ausgeschlossen.

Erbengemeinschaft und Auseinandersetzung

Sind mehrere Erben berufen, entsteht eine Erbengemeinschaft. Die vererblichen Rechte stehen der Gemeinschaft zunächst gemeinschaftlich zu und werden im Rahmen der Auseinandersetzung verteilt.

Haftung für Nachlassverbindlichkeiten und Schutzmechanismen

Erben haften für Nachlassverbindlichkeiten. Das Recht kennt Instrumente zur Haftungsbegrenzung auf den Nachlass sowie geordnete Verfahren zur Verwaltung oder Abwicklung eines überschuldeten Nachlasses.

Nachweis der Erbenstellung

Der Nachweis gegenüber Dritten erfolgt regelmäßig durch geeignete Erbnachweise. Diese dienen der Legitimation, um über vererbte Rechte zu verfügen oder Ansprüche geltend zu machen.

Steuerliche Einordnung

Erwerb von Todes wegen

Die steuerliche Behandlung knüpft an den Erwerb von Todes wegen an. Vererblichkeit beeinflusst, welche Vermögensgegenstände und Ansprüche der Besteuerung unterliegen und nach welchen Bewertungsmaßstäben diese erfasst werden.

Zeitliche Aspekte und Verjährung

Stichtagsprinzip

Maßgeblicher Zeitpunkt für den Übergang vererblicher Positionen ist der Todeszeitpunkt. Rechte, die zu diesem Zeitpunkt bestehen, werden Teil des Nachlasses; Rechte, die mit dem Tod erlöschen, gehören nicht dazu.

Fortlaufende Fristen und Verjährung

Verjährungsfristen und Ausschlussfristen laufen für vererbte Ansprüche grundsätzlich weiter. Hemmungs- und Neubeginnstatbestände richten sich nach den allgemeinen Regeln.

Häufig gestellte Fragen zur Vererblichkeit

Was bedeutet Vererblichkeit im rechtlichen Sinn?

Vererblichkeit ist die Fähigkeit von Rechten und Pflichten, beim Tod einer Person auf deren Erben überzugehen. Sie bestimmt den Umfang dessen, was zum Nachlass gehört, und grenzt vererbliche von nicht vererblichen Positionen ab.

Welche Rechte und Pflichten sind typischerweise vererblich?

Regelmäßig vererblich sind Eigentum an Sachen, Geldforderungen, Bankguthaben, Wertpapiere, vermögenswerte Ansprüche aus Verträgen, Anteile an Kapitalgesellschaften, vertragliche Abfindungsansprüche, vermögensrechtliche Teile von Immaterialgüterrechten sowie Nachlassverbindlichkeiten.

Welche Rechte sind nicht vererblich?

Nicht vererblich sind höchstpersönliche Rechte wie persönliche Nutzungsrechte (z. B. Wohnrecht oder Nießbrauch zugunsten des Verstorbenen), künftige Unterhaltsansprüche, bestimmte Ämter oder öffentlich-rechtliche Statusrechte sowie erlaubnisgebundene Berechtigungen ohne Übertragungsmechanismus.

Gehen Verträge mit dem Tod automatisch auf Erben über?

Viele Verträge wirken fort, wobei die Erben in vermögensrechtliche Positionen eintreten. Es bestehen jedoch Ausnahmen, etwa bei Arbeitsverhältnissen auf Arbeitnehmerseite oder bei Verträgen, die untrennbar an die Person gebunden sind. Besondere Eintritts- und Kündigungsrechte können vorgesehen sein.

Sind digitale Konten und Daten vererblich?

Ja, soweit es sich um vertragliche Ansprüche oder vermögenswerte Inhalte handelt, sind diese grundsätzlich vererblich. Zugangsrechte, Datenschutz und vertragliche Nutzungsbeschränkungen können die tatsächliche Durchsetzung beeinflussen.

Was passiert mit den Schulden des Verstorbenen?

Schulden werden als Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich vererblich und gehen auf die Erben über. Das Recht sieht Möglichkeiten vor, die Haftung auf den Nachlass zu konzentrieren oder den Nachlass geordnet abzuwickeln.

Haben Verfügungen des Erblassers Einfluss auf die Vererblichkeit?

Letztwillige Verfügungen bestimmen, wem vererbte Rechte zugewiesen werden. Sie ändern die Eigenschaft der Vererblichkeit nicht, können aber durch Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Auflagen und Bedingungen die Verteilung steuern; Pflichtteilsrechte bleiben zu beachten.

Welche Rolle spielt ausländisches Vermögen für die Vererblichkeit?

Bei Auslandsvermögen kann sich die Beurteilung der Vererblichkeit nach ausländischem Recht richten. Häufig gilt das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, mit möglichen Abweichungen insbesondere bei Immobilien oder registrierten Schutzrechten im Ausland.