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Vereitelung einer Bestrafung (Strafvollstreckung)


Vereitelung einer Bestrafung (Strafvollstreckung)

Die Vereitelung einer Bestrafung (Strafvollstreckung) ist ein Straftatbestand aus dem deutschen Strafrecht, der sich mit dem Schutz der Durchsetzung staatlicher Strafansprüche beschäftigt. Ziel ist die Sicherung der effektiven Vollstreckung rechtskräftig verhängter Strafen, Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie Nebenfolgen gerichtlicher Entscheidungen. Der Straftatbestand ist insbesondere in § 258 des Strafgesetzbuchs (StGB) geregelt. Im Folgenden werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, die tatbestandlichen Voraussetzungen sowie die Abgrenzungen und Strafzumessungen umfassend dargestellt.


Tatbestand der Vereitelung einer Bestrafung

Objektiver Tatbestand

Die Vereitelung einer Bestrafung umfasst im Wesentlichen zwei Fallgruppen:

  1. Vollstreckungsvereitelung:

Das Vereiteln der Vollstreckung einer rechtskräftig verhängten Strafe oder Maßregel durch sogenannte Vortaten, insbesondere das Verbergen, Fluchthilfe oder das Beseitigen von Vermögensgegenständen, die dem Verfall oder der Einziehung unterliegen.

  1. Gefangenenbefreiung und sonstige Handlungen:

Das Befreien oder unterstützende Handlungen zur Befreiung eines Gefangenen oder Verurteilten mit der Absicht, die Vollstreckung seiner Strafe bzw. Maßregel zu verhindern oder wesentlich zu erschweren.

Vollendet ist die Tat, sobald die staatliche Durchsetzung des Urteils objektiv zumindest erschwert oder unmöglich gemacht wird. Bereits die Vereitelungsabsicht reicht aus, unabhängig vom letztendlichen Eintritt des Erfolgs.

Subjektiver Tatbestand

Erforderlich ist mindestens bedingter Vorsatz hinsichtlich der Vereitelung der Strafvollstreckung. Der Täter muss also wissen und wollen, dass die Vollstreckung verhindert oder wesentlich erschwert wird.

Ein besonders schwerer Fall kann vorliegen, wenn aus eigennützigen oder wiederholten Motiven gehandelt wird oder zusätzlich weitere Straftatbestände (z. B. Urkundenfälschung, falsche uneidliche Aussage) erfüllt sind.


Adressatenkreis und mögliche Täter

Der Straftatbestand kann von jedermann verwirklicht werden, der in der Lage ist, durch sein Verhalten die Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel zu verhindern oder wesentlich zu erschweren. Besonderheiten ergeben sich jedoch im Verhältnis zu solchen Personen, die kraft Amtes mit der Vollstreckung befasst oder berechtigt sind, z. B. Justizvollzugsbeamte, sofern sie die Amtsdelikte nach § 258a StGB (Strafvereitelung im Amt) erfüllen.


Abgrenzung zu anderen Delikten

Strafvereitelung (§ 258 StGB) vs. Vereitelung der Strafvollstreckung

Während sich die allgemeine Strafvereitelung (§ 258 StGB) auf die Verhinderung oder Erschwerung der Strafverfolgung (Ermittlungs- und Anklageverfahren) bezieht, setzt die Vereitelung der Strafvollstreckung das Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils voraus. Sie schützt daher das Interesse an der Durchsetzung und Durchhaltung gerichtlicher Entscheidungen und Verbüßung von Strafen.

Notrufmissbrauch und andere Beihilfedelikte

Handlungen, die parallel auch Erfüllungsgehilfen anderer Straftaten (z. B. Gefangenenbefreiung, Notrufmissbrauch) darstellen, sind durch diese spezifischen Tatbestände zunächst zu prüfen. Eine Strafbarkeit nach § 258 StGB tritt erst dann ein, wenn keine Spezialvorschrift zur Anwendung kommt (Subsidiarität).


Strafrahmen und Strafzumessung

Der Grundtatbestand der Vereitelung einer Bestrafung sieht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Erfolgt die Tat zugunsten eines Angehörigen, kann das Gericht von Strafe absehen (§ 258 Abs. 6 StGB).

Ein besonders schwerer Fall liegt beispielsweise bei amtlichen Tätern gemäß § 258a StGB („Strafvereitelung im Amt“) vor. Hier droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.


Versuch und Vollendung

Schon der Versuch der Vereitelung einer Bestrafung ist gemäß § 258 Abs. 4 StGB strafbar. Beihilfe- und Mittäterschaft sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts möglich.


Konkurrenzen und Subsidiaritätsprinzip

Das Prinzip der Subsidiarität gilt: Sofern speziellere Vorschriften (etwa Gefangenenbefreiung gemäß § 120 StGB oder Strafvereitelung im Amt nach § 258a StGB) einschlägig sind, tritt die Strafbarkeit wegen Vereitelung einer Bestrafung zurück. Ebenso ist eine Abgrenzung zu Delikten wie Meineid, Strafvereitelung oder Begünstigung vorzunehmen.


Rechtliche Einordnung und praktische Bedeutung

Die Regelungen zur Vereitelung einer Bestrafung gewährleisten die Funktionsfähigkeit des Rechtsstaates hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Strafen und Maßregeln. Rechtskräftige Urteile sollen konsequent vollzogen werden, um den Strafanspruch des Staates effektiv zu sichern und generalpräventive sowie spezialpräventive Ziele zu erreichen.

Die Strafbarkeit des Versuchs und die relativ hohen Strafandrohungen unterstreichen die Bedeutung des Instituts. Zugleich bestehen mit den Angehörigenprivilegien erhebliche Einschränkungen zum Schutz familiärer Bindungen.


Fallbeispiele aus Praxis und Rechtsprechung

Typische Fälle der Vereitelung einer Bestrafung sind die verdeckte Unterbringung eines Verurteilten durch dessen nahestehende Personen, die Vernichtung von Beweismitteln zur Verhinderung einer Vermögenseinziehung im Zuge der Vollstreckung oder das Verhelfen zum Fluchtversuch nach Urteilsverkündung.

Die Gerichte setzen dabei einen strengen Maßstab an den Nachweis des Vorsatzes und an die kausale Wirkung der Handlung bezüglich der Vollstreckungssituation.


Literatur und weiterführende Normen

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere § 258, § 258a, § 120
  • Kommentare zum Strafgesetzbuch
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) betreffend Strafvereitelungsdelikte

Zusammenfassung

Die Vereitelung einer Bestrafung (Strafvollstreckung) ist ein zentrales Institut des deutschen Strafrechts, das die Durchsetzung der gerichtlichen Strafansprüche vor unzulässigen Eingriffen schützt. Der Tatbestand erfasst eine Vielzahl von Handlungsformen und stellt sowohl Tathandlung als auch Versuch unter Strafe. Neben dem Schutz der effektiven Strafrechtspflege dient die Norm zugleich der Aufrechterhaltung des Vertrauens in die Rechtsordnung. Die Anwendung und Auslegung bleibt in der Praxis aufgrund der Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten und Abgrenzungsfragen ein immer wieder diskutiertes Thema.

Häufig gestellte Fragen

Welche Handlungen fallen unter die Vereitelung der Vollstreckung einer Strafe?

Unter die Vereitelung der Vollstreckung einer Strafe fallen sämtliche Handlungen, die darauf gerichtet sind, die Durchführung oder den Erfolg der strafrechtlichen Sanktion zu verhindern, zu erschweren oder wesentlich zu verzögern. Dazu zählen unter anderem das aktive Verstecken oder Beiseiteschaffen der zur Vollstreckung einer Geldstrafe vorgesehenen Vermögenswerte, das bewusste Verschweigen von Einkünften oder Vermögen, das Manipulieren von Vollstreckungsmaßnahmen, das Fliehen aus dem Vollzug oder die aktive Unterstützung eines Dritten bei entsprechenden Handlungen. Auch das Verschaffen falscher oder irreführender Informationen gegenüber Vollstreckungsorganen oder die Veranlassung Dritter zur Begehung solcher Handlungen ist umfasst, sofern diese das gesetzlich geschützte Vollstreckungsinteresse beeinträchtigen.

Ist der Versuch der Strafvereitelung in der Vollstreckung ebenfalls strafbar?

Ja, nach deutschem Strafrecht ist beim Delikt der Vereitelung der Vollstreckung einer Strafe gemäß § 258 StGB in Verbindung mit § 258a StGB auch der Versuch strafbar. Das bedeutet, dass bereits das Ansetzen zu einer solchen Tat, auch wenn sie letztlich nicht erfolgreich abgeschlossen wird, eine strafrechtliche Sanktion nach sich zieht. Der Täter muss also nicht unbedingt den Erfolg, also das tatsächliche Vereiteln der Vollstreckung, herbeiführen; es genügt, wenn er mit der Tat unmittelbar ansetzt und die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet.

Welche Strafen drohen bei der Vereitelung der Strafvollstreckung?

Für die Vereitelung der Vollstreckung einer Strafe sieht das Strafgesetzbuch im § 258 Absatz 1 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Handelt der Täter zugunsten eines anderen, ist die Strafe die gleiche. Begeht jedoch eine Amtsperson die Tat und missbraucht dabei ihre Amtsgewalt oder ihren Einfluss, greifen härtere Strafandrohungen gemäß § 258a StGB, wobei eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen ist. Auch der Versuch ist, wie bereits erwähnt, strafbar, wobei der Strafrahmen sich ebenfalls danach richtet, ob vollendet oder versucht wurde.

Wer kann Täter einer Vereitelung der Strafvollstreckung sein?

Täter einer Vereitelung der Strafvollstreckung kann grundsätzlich jede natürliche Person sein, unabhängig davon, ob sie selbst von der Strafe betroffen ist (Eigen- oder Fremdvereitelung). Das Gesetz unterscheidet ausdrücklich nicht nach der Person des Täters. Allerdings kann auch eine Amtsperson Täter sein; für diese enthält das Gesetz, wie bereits erwähnt, in § 258a StGB eine besondere Regelung mit erhöhter Strafandrohung, um die Integrität des Strafvollzugs zu schützen. Auch Mitwirkung durch Beihilfe oder Anstiftung ist ausdrücklich strafbar.

Gibt es Ausnahmen oder Rechtfertigungsgründe, die die Strafbarkeit ausschließen?

Ja, es gibt bestimmte rechtliche Ausnahmen oder Rechtfertigungsgründe. Klassische Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe wie Notwehr, Notstand oder entschuldigender Notstand werden im Rahmen der Strafvereitelung in der Vollstreckung geprüft. Ein besonders beachteter Fall ist das sogenannte Angehörigenprivileg nach § 258 Absatz 6 StGB: Handelt jemand zugunsten eines nahen Angehörigen, entfällt die Strafbarkeit für die Vereitelung, es sei denn, es handelt sich um eine Amtsperson. Weitere mögliche Ausschlussgründe ergeben sich aus allgemeinen Prinzipien des Strafrechts, wie dem Irrtum über Tatsachen oder Verbotsirrtum.

Welcher Unterschied besteht zwischen der Vereitelung der Strafvollstreckung und der Strafvereitelung im Ermittlungsverfahren?

Die Vereitelung der Strafvollstreckung bezieht sich auf Handlungen nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens und zielt auf die Verhinderung oder Erschwerung der Strafvollstreckung selbst ab (z.B. Haftantritt, Geldstrafeneinziehung). Die Strafvereitelung im Ermittlungsverfahren (§ 258 StGB) dagegen setzt früher an und umfasst Handlungen, die darauf gerichtet sind, die Ahndung einer bereits begangenen Straftat zu verhindern oder zu erschweren, also noch vor oder während des gerichtlichen Verfahrens – etwa das Vernichten von Beweismitteln oder das Verschaffen eines Alibis. Beide Straftatbestände sind eigenständig und unterscheiden sich hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und des Zeitpunkts der Tatbegehung.

Welche Rolle spielen Amtsträger bei der Vereitelung einer Strafvollstreckung?

Amtsträger, also beispielsweise Justizvollzugsbedienstete, Polizisten oder Richter, haben eine besondere Garantenstellung im Vollstreckungsverfahren. Wenn ein Amtsträger seine amtlichen Befugnisse oder seine maßgebliche Einflussnahme dazu missbraucht, um die Vollstreckung einer Strafe zu verhindern, erschweren oder zu verzögern, macht er sich nach § 258a StGB strafbar. Die Strafandrohung liegt hier deutlich höher als bei Privatpersonen, da die Verletzung öffentlicher Interessen und das damit verbundene öffentliche Vertrauen stärker betroffen sind. Der Gesetzgeber sieht bei Amtsträgern ebenfalls keine privilegierenden Umstände wie das Angehörigenprivileg vor.

Welche Mitwirkungshandlungen Dritter sind ebenfalls von § 258 StGB erfasst?

Das Gesetz erfasst nicht nur die Tathandlungen des Täters, sondern auch die Beihilfe- und Anstiftungshandlungen Dritter nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 26, 27 StGB. Das heißt, wer einem Haupttäter beispielsweise logistische Unterstützung bietet, ihn bei der Flucht unterstützt oder ihn zu entsprechenden Maßnahmen überredet, kann gleichermaßen strafrechtlich belangt werden. Zu unterscheiden ist dabei stets, ob der Gehilfe einen eigenständigen Beitrag leistet oder ob ein eigenständiger Versuch oder sogar eine (Mit-)Täterschaft vorliegt, was zu einer entsprechend angepassten Strafzumessung führen kann. Auch mittelbare Täterschaft ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, wenn etwa jemand einen anderen als Werkzeug zur Tatbestandsverwirklichung einsetzt.