Verbreitungsrecht: Bedeutung und Grundlagen
Das Verbreitungsrecht ist ein zentrales Ausschließlichkeitsrecht innerhalb des Schutzsystems für kreative Leistungen. Es regelt, wer darüber entscheiden darf, ob und auf welche Weise körperliche Exemplare eines Werkes in den Verkehr gebracht, angeboten oder weitergegeben werden. Gemeint sind greifbare Werkstücke wie Bücher, CDs, Schallplatten, DVDs, Plakate, Skulpturen oder gedruckte Noten. Das Verbreitungsrecht verleiht den Berechtigten die Kontrolle über die erstmalige und – je nach Konstellation – weitere Weitergabe solcher Exemplare.
Abgrenzung zu anderen Nutzungsrechten
Das Verbreitungsrecht bezieht sich auf die Weitergabe vorhandener, körperlicher Werkexemplare. Davon zu unterscheiden ist das Recht zur Vervielfältigung, das die Herstellung neuer Kopien schützt. Ebenfalls getrennt hiervon ist das Recht der öffentlichen Wiedergabe, insbesondere des öffentlichen Zugänglichmachens über das Internet. Downloads und Streams sind der Regel nach keine Verbreitung körperlicher Exemplare, sondern Formen der öffentlichen Zugänglichmachung beziehungsweise Wiedergabe.
Reichweite und Inhalt des Verbreitungsrechts
Was gilt als Verbreitung?
Verbreitung umfasst in erster Linie das Inverkehrbringen körperlicher Werkexemplare, also etwa den Verkauf, Tausch, die Schenkung sowie das Anbieten gegenüber der Öffentlichkeit. Auch der Import zum Zwecke des Vertriebs fällt hierunter. Nicht erfasst sind rein private Handlungen ohne Marktbezug, solange keine Angebote an die Öffentlichkeit erfolgen.
Tragendes Prinzip: Erschöpfung
Ein zentrales Prinzip ist die sogenannte Erschöpfung. Danach erlischt die Befugnis der Rechteinhabenden, die Weiterverbreitung eines konkreten, mit Zustimmung erstmals in einem bestimmten Wirtschaftsraum in Verkehr gebrachten körperlichen Exemplars zu kontrollieren. Praktisch bedeutet dies, dass rechtmäßig erworbene Exemplare in diesem Wirtschaftsraum in der Regel weiterverkauft oder weitergegeben werden dürfen. Für außerhalb dieses Raums in Verkehr gebrachte Exemplare tritt diese Erschöpfung regelmäßig nicht ein. Für digitale Übertragungen gilt die Erschöpfung grundsätzlich nicht, da keine körperlichen Exemplare in den Verkehr gebracht werden. Für Computerprogramme bestehen Sonderregeln, nach denen unter bestimmten Voraussetzungen eine regionale Erschöpfung auch bei dauerhaft eingeräumten Nutzungen greifen kann.
Analoge und digitale Exemplare
Das Verbreitungsrecht erfasst körperliche Werkexemplare. Klassisch sind das gedruckte Bücher, Tonträger, Bildträger und Kunstwerke. Reine Online-Nutzungen wie Streaming, Abruf und Download sind demgegenüber keine Verbreitung. E-Books und andere digitale Inhalte werden überwiegend als Zugriffsdienstleistungen oder Lizenznutzungen eingestuft; hier steht regelmäßig das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Vordergrund. Bei Software sind eigenständige Regelungen zu beachten, die sich von der Behandlung anderer Werkarten unterscheiden können.
Import, Parallelhandel und Territorialität
Das Verbreitungsrecht ist territorial organisiert. Die Erschöpfung wirkt in der Regel regional. Wer Werkexemplare aus einem Drittstaat importiert, ohne dass diese zuvor mit Zustimmung in den maßgeblichen Wirtschaftsraum gelangt sind, kann das Verbreitungsrecht verletzen. Parallelhandel ist innerhalb des erschöpfungsrelevanten Raums grundsätzlich zulässig, solange es sich um rechtmäßig in Verkehr gebrachte Originalexemplare handelt. Außerhalb dieses Rahmens können Import- und Vertriebsbeschränkungen greifen.
Rechteinhaber und Schutzobjekte
Urheber und Miturheber
Das Verbreitungsrecht steht den schöpferisch Tätigen zu. Bei gemeinschaftlich geschaffenen Werken sind Miturheber beteiligt; die Ausübung des Verbreitungsrechts richtet sich dann nach den Regeln der gemeinsamen Rechtewahrnehmung. Bei Auftragsproduktionen und in Unternehmen spielen vertragliche Übertragungen und Einräumungen eine bedeutende Rolle.
Leistungsschutzrechte
Neben den Schöpfern genießen auch bestimmte Hersteller- und Veranstalterkreise verwandte Schutzrechte, die ihrerseits Verbreitungsrechte an den von ihnen hergestellten Trägern (zum Beispiel Tonträger- und Filmproduzenten) einschließen. Diese Rechte bestehen eigenständig und ergänzen den urheberrechtlichen Schutz.
Werkexemplare und Originale
Das Verbreitungsrecht bezieht sich auf konkrete Werkexemplare, unabhängig davon, ob es sich um ein Unikat (Original) oder eine Serienkopie handelt. Vom Verbreitungsrecht zu unterscheiden ist das Folgerecht (Weiterverkaufsbeteiligung) im Kunsthandel, das andere Zielsetzungen verfolgt und nicht die Verbreitungsbefugnis als solche regelt.
Schranken und Ausnahmen
Gesetzliche Nutzungsfreiheiten
Gesetzliche Schranken können die Reichweite des Verbreitungsrechts einschränken. Dazu gehören etwa Konstellationen, in denen rechtmäßig erworbene, körperliche Exemplare innerhalb des relevanten Wirtschaftsraums weitergegeben werden. Alltägliche Weitergaben wie der private Weiterverkauf oder das Verschenken rechtmäßig erworbener Exemplare sind durch das Erschöpfungsprinzip in weiten Teilen abgedeckt.
Verleih und Vermietung
Vermietung und Verleih körperlicher Werkexemplare unterliegen besonderen Regeln. Während Vermietung in der Regel der Zustimmung bedarf, ist öffentliches Verleihen durch bestimmte Einrichtungen (beispielsweise Bibliotheken) unter gesetzlich geregelten Bedingungen zulässig; hierfür besteht regelmäßig ein Anspruch auf angemessene Vergütung zugunsten der Rechteinhabenden. Für digitale Ausleihen (etwa E-Books) gelten abweichende Maßstäbe, da es an einem körperlichen Exemplar fehlt.
Sonderregeln für Software und Datenbanken
Für Computerprogramme und Datenbanken gelten eigene Vorgaben. Bei Computerprogrammen kann die Weiterveräußerung dauerhaft eingeräumter Nutzungen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein. Zugleich bestehen besondere Beschränkungen, etwa hinsichtlich der Vermietung. Bei Datenbanken sind je nach Ausgestaltung sowohl urheberrechtliche als auch leistungsschutzrechtliche Aspekte relevant.
Vertragsrechtliche Gestaltung
Lizenztypen und Vertriebsketten
Das Verbreitungsrecht kann vertraglich übertragen oder in Form von Lizenzen eingeräumt werden. Üblich sind einfache und ausschließliche Lizenzen, die nach Gebiet, Zeit und Inhalt beschränkt werden können. In Vertriebsketten spielt die vertragliche Ausgestaltung der Erstverbreitung eine zentrale Rolle; nach Eintritt der Erschöpfung entfällt die Kontrolle über die Weitergabe des konkreten Exemplars innerhalb des relevanten Wirtschaftsraums.
Digitale Geschäftsmodelle
Bei Downloads, Cloud-Zugriffen und Streaming-Angeboten werden häufig Nutzungsrechte eingeräumt, ohne dass ein körperliches Exemplar in den Verkehr gelangt. Die Einordnung als Dienstleistung oder Lizenz beeinflusst, ob Verbreitungsrecht oder das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Vordergrund steht. Lizenzbedingungen definieren, welche Nutzungen erlaubt sind; sie ersetzen jedoch nicht die gesetzlichen Grundprinzipien wie die Erschöpfung bei körperlichen Exemplaren.
Durchsetzung und Rechtsfolgen bei Verletzung
Typische Verletzungshandlungen
Verletzungen des Verbreitungsrechts liegen insbesondere vor beim Anbieten, Verkaufen oder Importieren unrechtmäßig hergestellter oder ohne Zustimmung in Verkehr gebrachter Exemplare. Auch das Inverkehrbringen aus Drittstaaten ohne Erschöpfung kann eine Verletzung darstellen.
Ansprüche und Maßnahmen
Den Berechtigten stehen bei Verletzungen regelmäßig Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zu. Hinzu kommen Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung sowie Maßnahmen wie Rückruf und Entfernung vom Markt. Grenzbeschlagnahmeverfahren können den Vertrieb rechtsverletzender Waren bereits an der Grenze unterbinden.
Beweis und Abgrenzungsfragen
Im Streitfall ist oft entscheidend, ob ein Exemplar rechtmäßig in den relevanten Wirtschaftsraum gelangt ist. Herkunftsnachweise und Dokumentation innerhalb der Lieferkette sind hierfür bedeutsam. Eine wesentliche Veränderung eines Exemplars kann zusätzliche Rechte berühren; die Grenzen zwischen erlaubter Weitergabe und unzulässiger Bearbeitung sind vom Einzelfall abhängig.
Dauer des Verbreitungsrechts
Das Verbreitungsrecht besteht für die Dauer des Schutzes des jeweiligen Werkes oder Schutzgegenstandes. Nach Ablauf der Schutzdauer dürfen rechtmäßig hergestellte Exemplare ohne Zustimmung verbreitet werden. Verwandte Schutzrechte können abweichende Laufzeiten aufweisen.
Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Öffentliches Zugänglichmachen und Wiedergabe
Online-Bereitstellungen zum Abruf (zum Beispiel in einem Downloadportal) oder Streaming sind keine Verbreitung körperlicher Exemplare. Sie fallen unter das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung beziehungsweise der öffentlichen Wiedergabe. Hier gelten andere Voraussetzungen und Schranken.
Vervielfältigung
Die Herstellung von Kopien ist Vervielfältigung. Die Weitergabe dieser Kopien ist Verbreitung. Wer unzulässige Kopien herstellt und vertreibt, kann sowohl das Vervielfältigungs- als auch das Verbreitungsrecht verletzen. In der Praxis gehen beide Rechtspositionen häufig Hand in Hand.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Gilt das Verbreitungsrecht auch für gebrauchte Waren?
Ja. Entscheidend ist, ob es sich um körperliche Werkexemplare handelt und ob diese mit Zustimmung innerhalb des relevanten Wirtschaftsraums erstmals in Verkehr gebracht wurden. In diesem Fall ist die Weitergabe des konkreten Exemplars in der Regel zulässig, weil die Verbreitungsbefugnis am einzelnen Stück erschöpft ist.
Darf ein im Ausland gekauftes Buch hier weiterverkauft werden?
Das kommt darauf an, wo das Buch erstmals mit Zustimmung in Verkehr gebracht wurde. Wurde es außerhalb des maßgeblichen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht, tritt die regionale Erschöpfung regelmäßig nicht ein. Der Weiterverkauf kann dann das Verbreitungsrecht verletzen.
Ist das Anbieten in einem Online-Marktplatz bereits eine Verbreitung?
Das öffentliche Anbieten körperlicher Werkexemplare wird grundsätzlich dem Verbreitungsrecht zugeordnet. Wer ohne Erschöpfung oder Zustimmung anbietet, kann bereits dadurch eine Verletzungshandlung begehen.
Wie unterscheidet sich das Verbreitungsrecht bei E-Books und Software?
E-Books werden typischerweise als digitale Nutzungen ohne körperliche Exemplare bereitgestellt; hier steht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Vordergrund, Erschöpfung greift grundsätzlich nicht. Für Software bestehen besondere Regeln, nach denen bei dauerhaft eingeräumten Nutzungen unter bestimmten Voraussetzungen eine regionale Erschöpfung eintreten kann; zugleich gelten spezielle Beschränkungen etwa für die Vermietung.
Dürfen Bibliotheken Werke verleihen?
Öffentliche Bibliotheken dürfen unter gesetzlich geregelten Bedingungen körperliche Exemplare verleihen; hierfür besteht in der Regel eine Vergütungspflicht zugunsten der Rechteinhabenden. Digitale Ausleihen (zum Beispiel E-Books) unterliegen gesonderten Anforderungen, da keine körperlichen Exemplare in Verkehr gebracht werden.
Was passiert mit dem Verbreitungsrecht nach Ablauf der Schutzdauer?
Mit Ablauf der Schutzdauer des Werkes oder Schutzgegenstandes entfällt das Verbreitungsrecht. Rechtmäßig hergestellte Exemplare dürfen dann ohne Zustimmung verbreitet werden. Verwandte Schutzrechte können abweichende Laufzeiten haben.
Ist das Verschenken einer CD eine Verbreitung?
Ja. Auch die unentgeltliche Weitergabe eines körperlichen Werkexemplars ist Verbreitung. Wurde die CD rechtmäßig innerhalb des relevanten Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht, ist ihre Weitergabe regelmäßig von der Erschöpfung gedeckt.