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Verbrechen im Amt


Verbrechen im Amt

Begriff und Definition

Der Begriff Verbrechen im Amt bezeichnet im deutschen Strafrecht strafbare Handlungen, die von Amtsträgern während der Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit begangen werden und deren Mindestmaß der angedrohten Strafe mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe beträgt. Die Tatbestände, die als Amtsverbrechen gelten, sind spezifisch im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und dienen dem Schutz des öffentlichen Interesses an einer rechtsstaatlichen, integren und funktionsfähigen Verwaltung. Die Rechtsordnung stellt Fehlverhalten von Amtsträgern unter erhöhte Strafe, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtmäßigkeit amtlicher Handlungen sicherzustellen.

Abgrenzung: Verbrechen vs. Vergehen im Amt

Das Strafgesetzbuch unterscheidet zwischen Verbrechen und Vergehen im Amt. Ein Verbrechen ist dabei eine Straftat, bei der das Gesetz im Mindestmaß eine Freiheitsstrafe von einem Jahr vorsieht (§ 12 Abs. 1 StGB). Im Gegensatz dazu sind Vergehen mit einer geringeren Strafandrohung definiert. Zu den Verbrechen im Amt zählen etwa besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) oder der Rechtsbeugung (§ 339 StGB).

Amtsträger im Sinne des Strafrechts

Amtsträgereigenschaft

Im Kontext der Amtsdelikte ist entscheidend, ob der Täter die Stellung eines Amtsträgers im strafrechtlichen Sinne innehat. Die Legaldefinition findet sich in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Dazu gehören unter anderem:

  • Beamte und Richter
  • Personen im öffentlichen Dienst mit Dienstherrnverhältnis
  • Volksvertreter, soweit sie Aufgaben der Verwaltung wahrnehmen

Auch Personen, die sonstige öffentliche Aufgaben wahrnehmen, können als Amtsträger gelten, sofern sie mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut sind.

Erweiterter Amtsträgerbegriff

Bestimmte Normen des Strafgesetzbuchs erweitern den Amtsträgerbegriff, insbesondere für Auslandssachverhalte (§ 335a StGB) und EU-Institutionen.

Überblick der wichtigsten Verbrechen im Amt

Rechtsbeugung (§ 339 StGB)

Unter die Rechtsbeugung fällt das vorsätzliche Handeln eines Richters, anderen Amtsträgers oder Schiedsrichters, das bewusst und schwerwiegend dem Recht zuwiderläuft. Voraussetzung ist, dass die Amtsperson bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache das Recht beugt, um jemandem Vorteil oder Nachteil zu verschaffen. Die Mindeststrafe beträgt ein Jahr Freiheitsstrafe, weshalb sämtliche Fälle der Rechtsbeugung als Verbrechen qualifiziert werden.

Bestechlichkeit und Bestechung (§ 332, § 334 StGB)

Die Bestechlichkeit beschreibt das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils für eine pflichtwidrige Dienstausübung durch einen Amtsträger. Für besonders schwere Fälle sieht § 335 StGB einen erhöhten Strafrahmen vor, der ebenso die Schwelle zum Verbrechen überschreitet. Die Bestechung hingegen ahndet das Angebot oder die Gewährung eines Vorteils an einen Amtsträger.

Weitere Delikte mit Verbrechenscharakter

  • Schwere Fälle der Vorteilsannahme und -gewährung (§§ 331, 333 StGB i.V.m. § 335 StGB): Bei besonderer Schwere kann die Tat als Verbrechen eingestuft werden.
  • Gefangenenbefreiung durch einen Amtsträger (§ 120 Abs. 4 StGB): Wenn ein Amtsträger eine Gefangenenbefreiung unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen begeht, wird dies als Verbrechen behandelt.

Tatbestandsvoraussetzungen und Strafmaß

Allgemeine Voraussetzungen

Für die Strafbarkeit eines Verbrechens im Amt müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Amtsträgereigenschaft: Der Täter muss Amtsträger sein.
  2. Tathandlung: Die gesetzlich bestimmte unerlaubte Handlung muss während der Dienstausübung oder in unmittelbarem Zusammenhang damit erfolgen.
  3. Vorsatz: Bei den meisten Amtsverbrechen ist Vorsatz erforderlich, Fahrlässigkeit genügt nicht.
  4. Rechtswidrigkeit und Schuld: Das Verhalten darf nicht durch Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe gedeckt sein.

Sanktionen

Die Strafandrohung für Verbrechen im Amt beginnt in den meisten Fällen bei einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und reicht bis zu zehn oder in besonders schweren Fällen sogar fünfzehn Jahren. Eine Geldstrafe ist ausgeschlossen (§ 12 Abs. 1 StGB). Zusätzlich kann das Gericht einen Verlust der Amtsfähigkeit, Einschluss in öffentliche Ämter und weitere Nebenstrafen oder Maßnahmen anordnen.

Prozessrechtliche Besonderheiten

Ermittlungs- und Anzeigepflicht

Behörden und Vorgesetzte sind gesetzlich verpflichtet, bei Verdachtsmomenten eines Amtsverbrechens Ermittlungen aufzunehmen und gegebenenfalls Strafanzeige zu erstatten (§ 163 StPO). Eine Vertuschung oder das Unterlassen von Ermittlungen kann seinerseits strafbar sein.

Sonderregelungen für Ermittlungen gegen Amtsträger

Für Ermittlungen gegen Amtsträger gelten besondere Vorschriften, beispielsweise

  • Zustimmung des Dienstherrn bei Verhaftung oder Durchsuchung (§ 97 ff. Bundesbeamtengesetz)
  • Disziplinarverfahren: Neben dem Strafverfahren erfolgt meist ein Disziplinarverfahren mit eigenen Konsequenzen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst.

Ausschluss der Strafverfolgung bei parlamentarischer Immunität

Für Mandatsträger mit Immunität, wie Mitglieder des Bundestages, bedarf es einer Aufhebung durch das Parlament, bevor ein Strafverfahren durchgeführt werden kann (§ 46 GG).

Auswirkungen und Folgen

Dienstrechtliche Konsequenzen

Eine Verurteilung wegen eines Verbrechens im Amt führt regelmäßig zu gravierenden dienstrechtlichen Folgen, insbesondere

  • Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
  • Verlust von Versorgungsansprüchen
  • Ausschluss aus öffentlichen Ämtern

Vertrauensverlust und Reputationsschaden

Neben der individuellen Strafsanktionierung ist mit langfristigen Auswirkungen auf die berufliche und gesellschaftliche Reputation zu rechnen. Das Vertrauen in den verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Aufgaben wird nachhaltig beschädigt.

Relation zu internationalen Regelungen

Im internationalen Kontext sind Korruptionsdelikte, Rechtsbeugung und ähnliche Verbrechen im Amt Gegenstand zahlreicher Abkommen, etwa der UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC). Die Umsetzung internationaler Standards findet in Deutschland durch Anpassungen im Strafgesetzbuch und flankierende Gesetze statt.

Verjährung

Verbrechen im Amt unterliegen den allgemeinen Regelungen zur Verfolgungsverjährung (§ 78 StGB). Aufgrund der hohen Strafandrohung betragen die Fristen regelmäßig zehn Jahre oder mehr, je nach Einzelfall und Begehungsform.

Fazit

Verbrechen im Amt stellen einen besonders schweren Vertrauensbruch gegenüber Gesellschaft und Rechtsstaat dar. Sie sind durch strenge strafgesetzliche Regelungen sanktioniert, die sowohl der Prävention wie auch der Ahndung schwerwiegender Pflichtverletzungen von Amtsträgern dienen. Die konsequente Strafverfolgung und das komplexe Sanktionsregime sollen den Schutz rechtstreuer Verwaltungsführung und den gesellschaftlichen Frieden sicherstellen.


Quellenhinweis:

  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • GG, Beamtenstatusgesetz, Bundesbeamtengesetz
  • Gesetzestexte und Kommentarliteratur zum deutschen Amtsträgerstrafrecht

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt ein Verbrechen im Amt vor?

Ein Verbrechen im Amt liegt vor, wenn ein Amtsträger – also eine Person, die mit öffentlichen Aufgaben betraut ist, wie etwa ein Beamter, Richter oder Soldat – im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit eine Straftat begeht, die ein Verbrechen ist, also gemäß § 12 Abs. 1 StGB mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr bedroht ist. Voraussetzung ist, dass die Tat im Zusammenhang mit der dienstlichen Stellung oder Funktion steht und unter Verletzung dienstlicher Pflichten begangen wurde. Typische Beispiele hierfür sind die Bestechlichkeit (§ 332 StGB), Vorteilsannahme (§ 331 StGB) und die Rechtsbeugung (§ 339 StGB). Das Verbrechen im Amt unterscheidet sich von herkömmlichen Delikten dadurch, dass der Täter seine besondere Amtspflicht und das ihm entgegengebrachte öffentliche Vertrauen missbraucht. Darüber hinaus können spezielle Strafvorschriften für Amtsträger Anwendung finden, welche die Strafbarkeit gegenüber „gewöhnlichen“ Tätern verschärfen oder die Strafverfolgung erleichtern.

Wer zählt rechtlich als Amtsträger im Sinne der Strafvorschriften?

Rechtlich als Amtsträger gelten im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB alle Personen, die nach deutschem Recht entweder Beamte sind, Richter, Personen im öffentlichen Dienst oder solche, die sonst mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut sind. Dazu gehören auch Angestellte im öffentlichen Dienst, ehrenamtlich tätige Personen (z. B. Schöffen als Laienrichter) sowie Soldaten der Bundeswehr. Ebenso fallen hinsichtlich gewisser Straftatbestände auch Personen darunter, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, unabhängig davon, ob sie förmlich dazu bestellt wurden. Wichtig ist dabei stets die Bindung an öffentliche Aufgaben im Rahmen einer gesetzlichen oder behördlichen Anordnung.

Welche besonderen Strafgesetze finden auf Amtsträger Anwendung?

Auf Amtsträger finden neben den allgemeinen Strafgesetzen spezielle Straftatbestände Anwendung, die eigens darauf abzielen, das öffentliche Interesse an einer rechtmäßigen Verwaltung und Rechtsprechung zu schützen. Zu den wichtigsten Vorschriften zählen insbesondere die Amtsdelikte der §§ 331-358 StGB: Dazu gehören Vorteilannahme und -gewährung (§§ 331, 333 StGB), Bestechlichkeit und Bestechung (§§ 332, 334 StGB), Rechtsbeugung (§ 339 StGB), Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB), Verwahrungsbruch (§ 133 StGB) und Misshandlung von Schutzbefohlenen im Amt (§ 225 StGB). Hinzu treten bei Vergehen wie Körperverletzung oder Freiheitsberaubung häufig Qualifikationen, wenn sie von Amtsträgern in Ausübung ihrer Funktion begangen werden (§ 340 StGB – Körperverletzung im Amt). Auch das Disziplinarrecht kann neben dem Strafverfahren eine Rolle spielen.

Wie läuft das Strafverfahren bei Verdacht eines Verbrechens im Amt ab?

Bei Verdacht eines Verbrechens im Amt gilt das reguläre strafprozessuale Verfahren, allerdings gibt es einige Besonderheiten. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten ein Ermittlungsverfahren einzuleiten (Legalitätsprinzip), gerade weil ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Besteht gegen Richter oder Staatsanwälte ein Anfangsverdacht, muss das Ermittlungsverfahren nach §§ 152, 160 ff. StPO von unabhängigen Instanzen geführt werden, in der Regel sind spezielle Abteilungen bei der Staatsanwaltschaft oder sogar Generalstaatsanwaltschaft zuständig. Bei Beamten und Soldaten wird das Disziplinarverfahren parallel zum Strafverfahren eingeleitet, wobei eine strafrechtliche Verurteilung meist disziplinarrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Entfernung aus dem Dienst, nach sich zieht. Im Übrigen gilt für Amtsträger kein besonderer Schutz vor Strafverfolgung; Immunitäten wie bei Abgeordneten gelten nicht.

Mit welchen rechtlichen Konsequenzen müssen Amtsträger bei einer Verurteilung rechnen?

Wer als Amtsträger wegen eines Verbrechens im Amt verurteilt wird, muss mit erheblichen Folgen rechnen. Neben den im Strafgesetz vorgesehenen Sanktionen – typischerweise Freiheitsstrafe, bei Verbrechen von mindestens einem Jahr – können berufsrechtliche Konsequenzen eintreten, die für Beamte etwa die Entfernung aus dem Dienst oder den Verlust der Pensionsansprüche bedeuten (§ 41 BBG, § 24 BeamtStG). Eintragungen ins Führungszeugnis und Einträge ins Bundeszentralregister sind die Folge. Zudem steht der betroffene Amtsträger oftmals lebenslang auf „schwarzen Listen“ der öffentlichen Verwaltung, wodurch auch eine spätere Wiederaufnahme in ein öffentliches Amt faktisch ausgeschlossen ist. Handelt es sich um schwerwiegende Korruptionsdelikte, kann sogar eine Vermögenseinziehung oder ein Berufsverbot (§ 70 StGB) angeordnet werden.

Verjährt ein Verbrechen im Amt und wenn ja, nach welchen Regeln?

Auch ein Verbrechen im Amt unterliegt den gesetzlichen Verjährungsfristen, die sich nach § 78 StGB richten. Bei Verbrechen beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist mindestens fünf Jahre, bei besonders schweren Straftaten (zum Beispiel schwerer Bestechung) sogar zehn bis dreißig Jahre, abhängig vom jeweiligen Straftatbestand und dem angedrohten Strafmaß. Die Verjährung beginnt grundsätzlich mit der Beendigung der Tat. Bei bestimmten Amtsträgerdelikten – wie bei der Rechtsbeugung (§ 339 StGB) – gibt es jedoch teilweise Sonderregeln, vor allem, wenn die Tat lange Zeit gedeckt oder nicht entdeckt wurde. In Ausnahmefällen kann auch eine Unterbrechung der Verjährung eintreten, etwa durch Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 78c StGB).