Definition und rechtliche Einordnung des Begriffs „Verbrechen“
Der Begriff Verbrechen ist ein zentrales Element des Strafrechts und kennzeichnet die schwerwiegendste Kategorie strafbarer Handlungen. Die rechtliche Definition sowie die Abgrenzung zu weniger schweren Delikten wie Vergehen ist insbesondere im deutschen Strafrecht und weiteren Rechtsordnungen dezidiert geregelt.
Legaldefinition des Verbrechens
Nach § 12 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) ist ein Verbrechen eine Straftat, die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist. Diese Legaldefinition grenzt das Verbrechen klar vom Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) ab, welches eine geringere Strafandrohung voraussetzt. Die Kategorisierung orientiert sich somit objektiv an der gesetzlichen Strafandrohung und nicht an der tatsächlichen Strafzumessung im Einzelfall.
Abgrenzung gegenüber Vergehen
Während Verbrechen die schwerste Deliktskategorie darstellen, umfassen Vergehen sämtliche Straftaten, die mit einer geringeren Mindeststrafe als einem Jahr Freiheitsstrafe oder lediglich mit Geldstrafe sanktioniert werden können. Die Unterscheidung hat erhebliche Auswirkung auf zahlreiche verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Vorschriften, insbesondere hinsichtlich Versuch, Teilnahme, Strafrahmen und Rechtsfolgen.
Verbrechen im deutschen Strafrecht
Bedeutung für Tatbestands- und Schuldprinzip
Im deutschen Strafrechtssystem erfolgt die Bewertung einer Straftat in mehreren Schritten: Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld. Das Vorliegen eines Verbrechens wirkt sich insbesondere auf die Auslegung des subjektiven Tatbestandes, die Anforderungen an den Versuch (§ 23 Abs. 1 StGB) sowie an die Beteiligung mehrerer Personen (Täterschaft und Teilnahme gemäß §§ 25 ff. StGB) aus.
Versuch eines Verbrechens
Gemäß § 23 Abs. 1 StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar, unabhängig davon, ob das Gesetz es ausdrücklich vorsieht. Bei Vergehen ist hingegen eine ausdrückliche Strafbarkeit des Versuchs im Gesetz erforderlich. Diese Normierung reflektiert die erhöhte Gefährlichkeit von Verbrechen und dient dem präventiven Strafschutz.
Teilnahme an einem Verbrechen
Die Teilnahme an einem Verbrechen, etwa in Form der Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB), wird ebenfalls härter bewertet. Insbesondere bei der Anstiftung zu einem Verbrechen ist der Versuch bereits strafbar (§ 30 Abs. 1 StGB). Außerdem können besondere Maßnahmen wie § 100a StPO (Telekommunikationsüberwachung) ergriffen werden, sobald zureichende Anhaltspunkte für die Begehung eines Verbrechens vorliegen.
Systematik und Beispiele von Verbrechen
Typische Verbrechensdelikte
Zu den als Verbrechen qualifizierten Delikten zählen im deutschen Strafrecht typischerweise:
- Mord (§ 211 StGB)
- Totschlag (§ 212 StGB)
- Raub (§ 249 StGB)
- Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB)
- Erpresserischer Menschenraub (§ 239a StGB)
- Geiselnahme (§ 239b StGB)
- Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c StGB)
- Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung (§ 177 StGB)
Diese Delikte sind im Regelfall mit Mindestfreiheitsstrafen von einem Jahr oder mehr bedroht.
Bedeutung im Nebenstrafrecht und Nebenbestimmungen
Auch das Nebenstrafrecht knüpft vielfach an den Begriff des Verbrechens an: Beispielsweise sind bei bestimmten Verbrechensverdächtigen weitergehende Eingriffsbefugnisse wie Durchsuchung, Beschlagnahme und Untersuchungshaft zulässig. Zudem ist in bestimmten Beamtenverhältnissen die Verurteilung wegen eines Verbrechens regelmäßig ein Grund für die Entfernung aus dem Dienst.
Verbrechen im internationalen Kontext
Vergleich mit anderen Rechtsordnungen
Auch in anderen Rechtsordnungen, etwa in Österreich (§ 17 StGB) und in der Schweiz (Art. 10 Abs. 2 StGB), wird das Verbrechen über die Mindeststrafe definiert. Allerdings variiert der Schwellenwert und die jeweilige rechtliche Einordnung. Im Common Law ist eine klare Differenzierung in „felony“ (schweres Verbrechen) und „misdemeanor“ (leichtere Straftat) gebräuchlich, wobei die Folgen in Bezug auf Verfolgung, Verjährung und Vorstrafen register unterschiedlich ausgestaltet sein können.
Bedeutung im Völkerrecht
Im Völkerrecht und insbesondere im Kontext internationaler Strafgerichtsbarkeit wird der Begriff des Verbrechens für besonders schwere Taten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression verwendet. Diese Einteilungen sind bedeutend für die Zuständigkeit internationaler Gerichte wie dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH).
Verbrechen: Auswirkungen auf das Strafverfahren
Auswirkungen auf Ermittlungs- und Strafverfahren
Die Qualifizierung einer Tat als Verbrechen hat erhebliche Auswirkungen auf das Strafverfahren. So sind bei Verdacht eines Verbrechens zahlreiche Zwangsmaßnahmen wie Untersuchungshaft (§ 112 Abs. 3 StPO), Wohnungsdurchsuchungen und Telekommunikationsüberwachung möglich. Die Schwere der Tat beeinflusst zudem die Mindestanforderungen für einen Haftbefehl und die Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen.
Strafrechtliche Folgen und Sanktionierung
Die Strafsenate messen Verbrechen auf Grund der höhere Sozialgefährlichkeit regelmäßig strengere Sanktionen bei. Eine Verurteilung kann neben langjährigen Freiheitsstrafen auch weitergehende Rechtsfolgen wie Entzug von Bürgerrechten, Verfall, Einziehung sowie eine Mitteilung an Berufs- und Standesvertretungen nach sich ziehen.
Zusammenfassung
Der Begriff Verbrechen hat im Rechtssystem fundamentale Bedeutung zur Typisierung und Sanktionsbemessung schwerster Straftaten. Die gesetzliche Definition, die Abgrenzung zu anderen Deliktskategorien und die zahlreichen Rechtsfolgen spiegeln die herausragende Stellung des Verbrechens im materiellen und formellen Strafrecht wider. Die Differenzierung wirkt sich auf Strafbarkeit, Maßregeln, behördliche Ermittlungsbefugnisse und gesellschaftliche Reaktionen aus – sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene.
Häufig gestellte Fragen
Welche Strafen drohen für ein Verbrechen im deutschen Recht?
Im deutschen Strafrecht wird zwischen Verbrechen und Vergehen unterschieden. Ein Verbrechen ist gemäß § 12 Abs. 1 StGB eine rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist. Die konkrete Strafe hängt jedoch von der jeweiligen Straftat und den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich sieht das deutsche Strafrecht bei Verbrechen vor allem Freiheitsstrafen vor; Geldstrafen kommen in der Regel nicht mehr in Betracht. Die Freiheitsstrafe kann von einem Jahr bis zu lebenslänglich reichen, etwa bei Mord oder besonders schweren Fällen des Raubes. Das Gericht berücksichtigt bei der Strafzumessung u.a. die Schwere der Schuld, Beweggründe, das Vorleben des Täters, Nachtatverhalten sowie mögliche strafmildernde oder strafschärfende Umstände. Neben der eigentlichen Strafe können auch Nebenfolgen wie Berufsverbote, Entziehung der Fahrerlaubnis oder Einziehung von Tatmitteln angeordnet werden.
Was bedeutet der Versuch eines Verbrechens und wie wird dieser bestraft?
Im deutschen Strafrecht ist nicht nur der vollendete, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch der Versuch eines Verbrechens strafbar (§ 23 Abs. 1 StGB). Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Straftatbestandes unmittelbar ansetzt, die Tat jedoch aus Gründen, die außerhalb seiner Kontrolle liegen, nicht vollendet. Bei Verbrechen ist bereits der Versuch immer strafbar, im Gegensatz zu Vergehen, bei denen der Versuch nur strafbar ist, wenn das Gesetz es ausdrücklich anordnet. Die Strafe für einen Versuch richtet sich in der Regel nach dem jeweiligen Strafrahmen für das vollendete Delikt, kann jedoch gemäß § 23 Abs. 2 StGB gemildert werden – das heißt, das Gericht kann unterhalb des Mindestmaßes der vorgesehenen Strafe bleiben.
Welche Rolle spielt die Schuld beim Verbrechen?
Der Schuldgrundsatz ist ein zentrales Prinzip des deutschen Strafrechts. Um wegen eines Verbrechens verurteilt werden zu können, muss dem Täter Schuld in persönlicher Hinsicht nachgewiesen werden. Schuld setzt voraus, dass der Täter das Unrecht der Tat einsehen und nach dieser Einsicht handeln konnte. Dazu gehören Schuldfähigkeit (i.d.R. ab 14 Jahren), das Fehlen von Entschuldigungsgründen (z.B. Notwehrüberschreitung, entschuldigender Notstand oder fehlendes Bewusstsein für das Unrecht der Handlung) und das Vorliegen von Vorsatz (außer bei fahrlässigen Begehungsdelikten, die meist Vergehen sind). Liegt eine erhebliche Minderung oder gar Aufhebung der Schuldfähigkeit vor, z.B. durch psychische Erkrankungen, kann das Gericht die Strafe mildern oder von einer Strafe absehen und stattdessen Maßnahmen wie Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen.
Wird die Öffentlichkeit über begangene Verbrechen immer informiert?
Die öffentliche Information über begangene Verbrechen richtet sich nach verschiedenen rechtlichen Regelungen, insbesondere dem Grundsatz der Transparenz der Justiz, dem Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 GVG), sowie dem Schutz personenbezogener Daten und Persönlichkeitsrechte der Beteiligten. Ermittlungsverfahren sind grundsätzlich nicht-öffentlich, es sei denn, es besteht ein besonderes öffentliches Interesse, etwa zur Fahndung. Hauptverhandlungen in Strafsachen sind hingegen regelmäßig öffentlich, außer das Gericht ordnet ausnahmsweise den Ausschluss der Öffentlichkeit an, z.B. zum Schutz von Jugendlichen oder Zeugen. Über laufende oder abgeschlossene Verfahren darf die Presse berichten, muss dabei aber die Unschuldsvermutung achten und Persönlichkeitsrechte wahren. Besonders bei schweren und medienwirksamen Verbrechen erfolgt eine intensive Berichterstattung, doch sind definitive Bewertungen und Schuldzuweisungen erst nach rechtskräftigem Urteil zulässig.
Kann ein Verbrechen verjähren? Wann tritt Verjährung ein?
Ja, auch Verbrechen unterliegen grundsätzlich der strafrechtlichen Verjährung, es gibt allerdings Ausnahmen. Die Verjährungsfrist richtet sich nach der maximal angedrohten Strafe für das jeweilige Delikt (§§ 78, 78a-f StGB). Bei besonders schweren Verbrechen wie Mord besteht keine Verjährung (§ 78 Abs. 2 StGB). Ansonsten beträgt die Verjährungsfrist bei Taten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, 30 Jahre, bei 10-jähriger Freiheitstrafe 20 Jahre usw. Die Frist beginnt im Regelfall mit der Beendigung der Tat zu laufen, kann aber in besonderen Fällen, z.B. bei strafrechtlicher Verfolgung, unterbrochen oder gehemmt werden. Nach Ablauf der Verjährung kann die Tat nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme bei Verbrechen?
Im Strafrecht unterscheidet man zwischen Täterschaft und Teilnahme. Täter ist, wer die Straftat eigenverantwortlich verwirklicht; das kann der unmittelbare Täter, der Mittäter (mehrere handeln gemeinschaftlich) oder der mittelbare Täter (über eine fremdbestimmte Person) sein. Teilnehmer sind hingegen der Anstifter (§ 26 StGB), der einen anderen zu einer Tat bestimmt, sowie der Gehilfe (§ 27 StGB), der vorsätzlich Hilfe zur Tat leistet. Die Unterscheidung ist von großer Bedeutung für die Strafzumessung: Während Täter grundsätzlich mit dem vollen Strafrahmen rechnen müssen, wird die Strafe für Gehilfen gemildert. Anstifter werden hingegen wie Täter bestraft.
Welche Bedeutung haben besondere Umstände wie Jugend oder psychische Erkrankung bei einem Verbrechen?
Sowohl das Alter als auch der psychische Zustand spielen bei der strafrechtlichen Beurteilung von Verbrechen eine maßgebliche Rolle. Jugendliche (14 bis unter 18 Jahre) und Heranwachsende (18 bis unter 21 Jahre) unterliegen dem Jugendgerichtsgesetz (JGG), welches vor allem erzieherische Maßnahmen und soziale Integration in den Vordergrund stellt. Bei psychischen Erkrankungen oder tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen prüft das Gericht, ob die Schuldfähigkeit gemindert oder aufgehoben ist (§§ 20, 21 StGB). Im Fall verminderter Schuldfähigkeit kann die Strafe gemildert werden, bei aufgehobener Schuldfähigkeit besteht keine Strafbarkeit; hier kommen jedoch Maßnahmen wie psychiatrische Unterbringung infrage. Dies dient sowohl dem Schutz der Allgemeinheit als auch dem therapeutischen Bedarf des Täters.