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Verbrauchsgüterkauf


Begriff und Definition des Verbrauchsgüterkaufs

Der Verbrauchsgüterkauf ist ein besonderer Typ des Kaufvertrags im deutschen Zivilrecht, der durch die Beteiligung eines Verbrauchers auf der Käuferseite und eines Unternehmers auf der Verkäuferseite gekennzeichnet ist. Die maßgeblichen Regelungen hierzu finden sich in den §§ 474 bis 479 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der Verbrauchsgüterkauf zielt primär auf den Schutz des Verbrauchers ab, da dieser als regelmäßig weniger geschäftserfahrene Partei im Wirtschaftsverkehr als schutzwürdig gilt.

Gemäß § 474 BGB liegt ein Verbrauchsgüterkauf vor, wenn ein Verbraucher (§ 13 BGB) von einem Unternehmer (§ 14 BGB) eine bewegliche Sache kauft. Hierzu zählen sowohl neue als auch gebrauchte bewegliche Sachen. Nicht erfasst werden Immobilien, Rechte oder Forderungen, sofern diese nicht mit einer beweglichen Sache verbunden sind.

Anwendungsbereich und Abgrenzung

Persönlicher Anwendungsbereich

Der persönliche Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufs setzt voraus, dass auf Käuferseite ein Verbraucher und auf Verkäuferseite ein Unternehmer beteiligt sind. Ein Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Ein Unternehmer ist jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss des Geschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Sachlicher Anwendungsbereich

Der Verbrauchsgüterkauf erfasst lediglich den Kauf beweglicher Sachen. Nicht erfasst sind Lieferungen von Energie oder Wasser, sofern diese nicht in begrenztem Volumen oder in abgegrenzter Menge geliefert werden (§ 474 Abs. 1 S. 2 BGB). Ebenso sind beispielsweise Grundstückskaufverträge ausgeschlossen.

Besondere Schutzvorschriften beim Verbrauchsgüterkauf

Abweichende Regelungen vom allgemeinen Kaufrecht

Die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf stellen zwingende Sonderregelungen zu Gunsten des Verbrauchers dar und gehen den allgemeinen kaufrechtlichen Vorschriften der §§ 433 bis 435 und §§ 437 bis 443 BGB vor, soweit sie spezielle Abweichungen enthalten.

Verbot der Verkürzung der Sachmängelhaftung

Nach § 476 Abs. 1 S. 1 BGB darf die Dauer der gesetzlichen Sachmängelhaftung bei neuen Sachen zum Nachteil des Verbrauchers nicht auf weniger als zwei Jahre und bei gebrauchten Sachen nicht auf weniger als ein Jahr abgekürzt werden. Eine weitergehende Verkürzung dieser Frist oder ein vollständiger Ausschluss im Individualvertrag ist unzulässig. Diese Regelung dient dem Schutz vor unangemessener Benachteiligung des Käufers.

Umkehr der Beweislast

Eine wesentliche Schutzvorschrift ist die Beweislastumkehr nach § 477 BGB. Tritt innerhalb von zwölf Monaten nach Gefahrübergang ein Sachmangel auf, so wird vermutet, dass der Mangel bereits bei Übergabe der Kaufsache bestanden hat, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Bis zum 31.12.2021 betrug die Frist lediglich sechs Monate, wurde danach jedoch durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Warenkaufrichtlinie auf zwölf Monate verlängert.

Abweichende Regelungen bei Gewährleistung und Verjährung

Im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs gelten modifizierte Regelungen hinsichtlich der Gewährleistung und der Verjährungsfristen. Gewährleistungsansprüche wegen eines Mangels einer neu gekauften Sache verjähren grundsätzlich nach zwei Jahren (§§ 438, 475e BGB). Bei gebrauchten Sachen kann im Kaufvertrag die Verjährungsfrist auf ein Jahr verkürzt werden.

Geltungsbereich im Online-Handel

Der Verbrauchsgüterkauf ist insbesondere im E-Commerce von zentraler Bedeutung. Verbraucher genießen auch beim Erwerb von Waren über das Internet die besonderen Schutzrechte. Hierzu zählen das Widerrufsrecht nach §§ 355 ff. BGB und diverse Informationspflichten des Unternehmers.

Ausschluss bestimmter Regelungen

Ausnahmen bei bestimmten Vertragsarten

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie (EU) und zur Modernisierung des Schuldrechts wurden einzelne Ausschlusstatbestände eingeführt. So gelten bestimmte Vorschriften, insbesondere zum Rückgriff des Unternehmers auf sein Lieferantenregressrecht (§ 478 BGB), nicht für gebrauchte Sachen oder Sachen, die in Zwangsvollstreckungen verkauft werden.

Unzulässigkeit abweichender Vereinbarungen

Nach § 476 Abs. 2 BGB sind von den Verbrauchsgüterkaufvorschriften abweichende Vereinbarungen, die zum Nachteil des Käufers führen, grundsätzlich unwirksam. Dies betrifft vor allem Vereinbarungen zur Verkürzung der Verjährung, Ausschluss der Mängelhaftung sowie Einschränkungen der Beweislastumkehr.

Verbrauchsgüterkauf und Rückgriff des Unternehmers

Ist der Unternehmer, der als Verkäufer gegenüber einem Verbraucher haftet, selbst lediglich Zwischenhändler und erwirbt die Ware von einem Lieferanten oder Produzenten, räumt ihm das Gesetz ein besonderes Rückgriffsrecht ein. Dieses sogenannte Lieferantenregressrecht (§§ 478, 445a BGB) ermöglicht es dem Unternehmer, seinerseits Rückgriff auf seinen Lieferanten zu nehmen, sofern er im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs nachbessern oder Ersatz leisten musste.

Verbrauchsgüterkauf und Kaufverträge über digitale Produkte

Mit der Einführung des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Digitalinhalte-Richtlinie wurden zum 01.01.2022 spezielle Vorschriften für die Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen geschaffen (§§ 327 ff. BGB). Für Verträge über digitale Produkte gelten ergänzende Regelungen, sofern sie zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher abgeschlossen werden.

Bedeutung in der europäischen Rechtsangleichung

Die Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf sind maßgeblich von europäischen Richtlinien, insbesondere der EU-Richtlinie 1999/44/EG über bestimmte Aspekte des Verbrauchsgüterkaufs und der EU-Warenkaufrichtlinie 2019/771, beeinflusst. Die Anpassungen an das deutsche Recht haben das Verbraucherschutzrecht nachhaltig geprägt und dienen der Harmonisierung der Verbraucherschutzstandards in Europa.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 474-479 BGB
  • EU-Richtlinie 1999/44/EG; Richtlinie (EU) 2019/771
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Ausgabe
  • Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/771 sowie der Richtlinie (EU) 2019/770

Hinweis: Der Verbrauchsgüterkauf ist ein zentraler Bestandteil des Verbraucherschutzrechts und sichert durch zahlreiche zwingende Regelungen die Rechte des Verbrauchers im Rahmen eines Kaufs von beweglichen Sachen erheblich ab. Die Kenntnis der einschlägigen Vorschriften und deren Anwendungsbereiche ist für sämtliche Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmern im Bereich des Warenkaufs von erheblicher Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche besonderen Rechte stehen dem Käufer beim Verbrauchsgüterkauf im Falle eines Mangels zu?

Beim Verbrauchsgüterkauf, also beim Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher von einem Unternehmer, stehen dem Käufer umfangreiche Gewährleistungsrechte zu, die durch die §§ 474 ff. BGB geregelt sind. Zunächst kann der Käufer nach § 439 BGB Nacherfüllung – das heißt, wahlweise Mängelbeseitigung (Reparatur) oder Neulieferung – verlangen. Der Verkäufer trägt dabei sämtliche hierfür erforderlichen Kosten, wie Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten. Sollte die Nacherfüllung fehlschlagen, unmöglich sein oder der Verkäufer diese verweigern, kann der Käufer nach seiner Wahl vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder Schadenersatz, beziehungsweise Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen (§§ 440, 280, 281, 323, 326 BGB). Besonderer Verbraucherschutz besteht darin, dass zum Nachweiszeitpunkt einer Mangelhaftigkeit innerhalb der ersten zwölf Monate nach Gefahrenübergang gesetzlich vermutet wird, dass der Mangel bereits bei Übergabe vorhanden war (Beweislastumkehr, § 477 BGB). Diese Rechte sind zwingend und können durch allgemeine Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verbrauchers nicht wirksam eingeschränkt werden (§ 476 Abs. 1 S. 1 BGB).

Kann der Verkäufer die Gewährleistung beim Verbrauchsgüterkauf ausschließen oder einschränken?

Im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs sind vertragliche Vereinbarungen, mit denen die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Verbrauchers zum Nachteil des Verbrauchers ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, weitgehend unwirksam. Dies ergibt sich aus § 476 Abs. 1 BGB, wonach vor Mitteilung eines Mangels eine davon abweichende Vereinbarung zum Nachteil des Käufers grundsätzlich unwirksam ist. Typische Klauseln, die etwa die Verjährungsfristen verkürzen oder die Haftung des Unternehmers für bestimmte Mängel ausschließen, greifen gegenüber Verbrauchern in der Regel nicht – jedenfalls nicht im Bezug auf neue Waren. Lediglich bei gebrauchten Sachen kann die Verjährungsfrist durch Vereinbarung auf nicht weniger als ein Jahr herabgesetzt werden (§ 476 Abs. 2 BGB). Jegliche weitergehende Einschränkungen der gesetzlichen Rechte sind vor der Mängelanzeige unzulässig, sodass sich ein Verbraucher im Streitfall stets auf die gesetzlichen Regelungen berufen kann.

Welche Verjährungsfristen gelten bei Mängeln im Verbrauchsgüterkauf?

Die Gewährleistungsfrist bei Verbrauchsgüterkäufen beträgt grundsätzlich zwei Jahre ab Ablieferung der Sache (§ 438 Abs. 1 Nr. 3, § 475 Abs. 2 BGB). Während dieser Frist kann der Käufer Mängelrechte geltend machen, sofern nicht im Vertrag über gebrauchte Sachen eine kürzere Frist von mindestens einem Jahr wirksam vereinbart wurde (§ 476 Abs. 2 BGB). Für Bauwerke oder Sachen, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet wurden und dessen Mangelhaftigkeit verursacht haben, gilt sogar eine Frist von fünf Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Im Regelfall beginnt die Frist mit der Übergabe der Kaufsache. Ergänzend ist zu beachten, dass bei rechtzeitiger Mängelanzeige beziehungsweise Geltendmachung von Ansprüchen eine Hemmung der Verjährung gemäß § 203 BGB eintreten kann.

Welche Rolle spielt die Beweislastumkehr beim Verbrauchsgüterkauf?

Ein zentrales Verbraucherschutzinstrument ist die Beweislastumkehr des § 477 BGB. Demnach wird bei einem Sachmangel, der sich binnen zwölf Monaten ab Ablieferung der Ware zeigt, – früher sechs Monate – vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Das bedeutet, der Verkäufer muss beweisen, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht vorhanden war oder auf unsachgemäßer Behandlung durch den Käufer beruht. Erst nach Ablauf dieser zwölf Monate kehrt die normale Beweislastverteilung ein, sodass der Käufer nachweisen muss, dass der Mangel schon bei Übergabe der Ware bestand. Diese Regelung verschafft dem Verbraucher eine erhebliche Erleichterung bei der Durchsetzung seiner Gewährleistungsrechte.

Muss der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung setzen?

Im Gewährleistungsrecht des Verbrauchsgüterkaufs ist der Käufer grundsätzlich verpflichtet, dem Verkäufer zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung zu setzen, bevor er weitergehende Rechte wie Rücktritt, Minderung oder Schadensersatz geltend machen kann (§ 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB). Erst wenn die Nacherfüllung vom Verkäufer verweigert oder sie fehlgeschlagen ist, entfällt diese Fristsetzungserfordernis (§ 440 BGB). Von einem Fehlschlagen der Nacherfüllung ist regelmäßig auszugehen, wenn zwei erfolglose Nachbesserungsversuche stattgefunden haben oder die Erfüllung unmöglich ist. Außerdem kann in besonderen Fällen, in denen die Fristsetzung dem Käufer unzumutbar ist (z.B. bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung oder besonders schwerwiegenden Mängeln), auf eine Fristsetzung verzichtet werden.

Welche Informationspflichten hat der Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf?

Verkäufer haben beim Verbrauchsgüterkauf weitreichende Informationspflichten. Insbesondere müssen sie den Verbraucher vor Vertragsabschluss über die wesentlichen Eigenschaften der Ware, den Gesamtpreis, Liefer- und Zahlungsbedingungen und die geltenden Gewährleistungsbestimmungen aufklären (Art. 246a EGBGB). Weiterhin ist der Verkäufer verpflichtet, über etwaige Garantien, Kundendienst und bestehende Beschwerdemechanismen transparent zu informieren. Kommt der Verkäufer diesen Informationspflichten nicht nach, kann dies wettbewerbsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dem Verbraucher stehen außerdem gegebenenfalls erweiterte Rücktritts- und Widerrufsrechte zu, insbesondere im Fernabsatz und bei Haustürgeschäften (§§ 312g ff. BGB).

Wie unterscheiden sich Garantie und Gewährleistung beim Verbrauchsgüterkauf rechtlich?

Rechtlich ist die gesetzliche Gewährleistung von einer etwaigen (freiwilligen) Garantie deutlich zu unterscheiden. Die Gewährleistung beruht auf zwingenden gesetzlichen Regelungen und sichert dem Käufer zu, dass das Produkt bei Gefahrenübergang frei von Sach- und Rechtsmängeln ist (§ 434 BGB). Tritt ein Mangel auf, kann der Käufer die oben beschriebenen Rechte geltend machen. Die Garantie hingegen ist eine vom Hersteller oder Verkäufer freiwillig erteilte Zusage, für eine bestimmte Zeit bestimmte Funktionen oder Eigenschaften der Sache zu gewährleisten oder für etwaige Defekte einzustehen. Die Garantieerklärung muss transparent über Inhalt, Dauer und räumlichen Geltungsbereich informieren (§ 479 BGB). Eine bestehende Garantie kann die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Verbrauchers niemals einschränken oder ersetzen, sondern tritt zusätzlich zu diesen.