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Verbindliche Auskunft


Begriff und rechtlicher Rahmen der Verbindlichen Auskunft

Die Verbindliche Auskunft ist im deutschen Steuerrecht eine rechtsverbindliche Erklärung der Finanzverwaltung zu einer bestimmten, im Einzelfall beabsichtigten steuerlichen Sachverhaltsgestaltung. Sie dient insbesondere der Rechtssicherheit und Planungstreue für Steuerpflichtige, indem sie verbindliche Klarheit über die steuerlichen Konsequenzen bestimmter Maßnahmen oder Gestaltungen verschafft.

Zweck und Zielsetzung

Die Verbindliche Auskunft ermöglicht es Steuerpflichtigen, bereits vor Durchführung eines geplanten Vorhabens die steuerliche Behandlung eines Sachverhalts von der zuständigen Finanzbehörde klären zu lassen. Sie minimiert auf diese Weise das Risiko späterer steuerlicher Nachteile durch rückwirkende Korrekturen oder Nachforderungen.

Rechtsgrundlagen der Verbindlichen Auskunft

Gesetzliche Grundlage

Die zentrale gesetzliche Grundlage findet sich in § 89 Absatz 2 der Abgabenordnung (AO). Dieser regelt ausdrücklich das Verfahren, die Voraussetzungen und die Bindungswirkung der Verbindlichen Auskunft. Daneben ergehen Verwaltungsvorschriften, insbesondere im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO).

Verfahrensrechtliche Voraussetzungen

Für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es muss sich um einen konkret beschriebenen Sachverhalt handeln, der noch nicht verwirklicht wurde.
  • Über die streitige Rechtsfrage darf bislang keine gerichtliche Entscheidung zu Ungunsten des Antragstellers ergangen sein.
  • Es besteht grundsätzlich kein Anspruch, sofern ein Verwaltungsverfahren zu dem Sachverhalt bereits anhängig ist.

Ablauf und Verfahren

Antragstellung

Eine verbindliche Auskunft ist durch schriftlichen Antrag beim zuständigen Finanzamt (bzw. bei Großbetrieben bei der Großbetriebsprüfung) einzureichen. Der Antrag muss eine detaillierte Darstellung des Sachverhalts und der steuerrechtlich zu klärenden Fragestellungen enthalten. Die Darstellung muss so konkret und vollständig sein, dass die Finanzbehörde die steuerliche Bewertung ohne zusätzliche Ermittlungen vornehmen kann.

Inhalt des Auskunftsantrags

  • Persönliche Angaben und Steuernummer des Antragstellenden
  • Genaue Beschreibung des geplanten Sachverhalts
  • Präzise Formulierung der zu beantwortenden Rechtsfrage(n)
  • Darstellung einer eigenen Rechtsauffassung und ihrer Begründung

Bearbeitung durch die Finanzbehörde

Nach Eingang des Antrags prüft die Finanzbehörde, ob die Voraussetzungen für eine verbindliche Auskunft erfüllt sind. Gegebenenfalls fordert sie ergänzende Informationen an. Die Auskunft wird schriftlich und in der Regel mit einer Rechtsbehelfsbelehrung erteilt.

Gebühren

Für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft wird durch das zuständige Finanzamt eine Gebühr erhoben (§ 89 Abs. 3 AO, Verbindliche Auskunftsverordnung – VAV). Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem sog. Gegenstandswert und ist gestaffelt.

Bindungswirkung und Rechtsfolgen

Bindung der Verwaltung

Die zuerteilte Auskunft bindet die Finanzverwaltung gegenüber dem Antragsteller und ist während des gesamten Besteuerungsverfahrens maßgeblich, sofern der betreffende Sachverhalt so wie im Antrag dargestellt verwirklicht wird und keine nachträglichen Änderungen eintreten.

Bindung des Antragstellers

Für den Antragstellenden besteht faktisch keine Bindung – es steht frei, vom angekündigten Verhalten abzuweichen. Die Bindungswirkung entfaltet sich erst mit Umsetzung des mitgeteilten Sachverhalts.

Ausnahmen und Rücknahme

Die Finanzbehörde ist unter bestimmten Bedingungen berechtigt, die erteilte Auskunft zurückzunehmen. Dies ist unter anderem dann möglich, wenn die Erteilung auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruhte (§ 130 ff. AO) oder sich die Rechtslage nachträglich ändert.

Verbindliche Auskunft in der Praxis

Risiken und Vorteile

Vorteile

  • Rechtssicherheit und Reduzierung von Planungsrisiken
  • Steuerliche Klarheit bei komplexen oder neuartigen Vorgängen
  • Vermeidung von Streitigkeiten und nachträglichen Rechtsbehelfen

Risiken

  • Kostenintensivität der Beantragung
  • Potentiell längere Bearbeitungszeiten
  • Bindung an die erteilte Auskunft nur, wenn der Sachverhalt exakt verwirklicht wird

Abgrenzung zur Auskunft ohne Bindungswirkung

Nicht jede Auskunft der Finanzverwaltung genießt Bindungswirkung. Reine Auskünfte oder allgemeine Hinweise (auch „unverbindliche Auskünfte“ genannt) entfalten keine rechtliche Bindung und sind lediglich Meinungsäußerungen der Verwaltung. Nur die formelle Verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO schafft rechtsverbindliche Wirkung.

Verbindliche Auskunft im internationalen Kontext

Entwicklung in der Europäischen Union

Auch in anderen Staaten – insbesondere innerhalb der Europäischen Union – existieren vergleichbare Instrumente für verbindliche steuerliche Auskünfte, etwa das „Advance Tax Ruling“ in den Niederlanden oder Luxemburg.

Bedeutung für grenzüberschreitende Sachverhalte

Bei internationalen oder grenzüberschreitenden Gestaltungen kann die Verbindliche Auskunft steuerplanerische Unsicherheiten und Risiken weiter minimieren, insbesondere im Kontext der Doppelbesteuerungsabkommen.

Rechtsschutz und Rechtsbehelfe

Einspruchsrecht

Gegen die Ablehnung der Erteilung einer verbindlichen Auskunft sowie gegen die Höhe der festgesetzten Gebühr steht der Rechtsweg offen. Hierzu kann Einspruch eingelegt werden (§ 347 AO). Bei weiterem Klärungsbedarf ist der Weg zum Finanzgericht eröffnet.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • Abgabenordnung (AO)
  • Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO)
  • Verbindliche Auskunftsverordnung (VAV)
  • Bundesfinanzministerium: Verwaltungsanweisungen zu verbindlichen Auskünften

Durch diese umfassende Beschreibung ist der Begriff Verbindliche Auskunft sowohl in seiner rechtlichen Struktur als auch in seiner praktischen Bedeutung und seinen Anwendungsfeldern detailliert erklärt und zugänglich gemacht.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft gemäß § 89 AO vorliegen?

Für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft durch die Finanzbehörde nach § 89 Abgabenordnung (AO) müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss die antragstellende Person ein berechtigtes Interesse an der Auskunft haben, was regelmäßig dann vorliegt, wenn sie eine verbindliche steuerliche Entscheidung für eine geplante, noch nicht verwirklichte Sachverhaltsgestaltung benötigt. Es müssen ausreichend konkrete Angaben zum geplanten oder noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt gemacht werden, sodass die Finanzverwaltung auf Grundlage dieser Angaben den steuerlich relevanten Tatbestand eindeutig beurteilen kann. Anträge, die sich auf bereits abgeschlossene Sachverhalte beziehen, werden nicht berücksichtigt. Zudem darf zu dem betreffenden Sachverhalt noch keine verbindliche Entscheidung durch das Finanzamt getroffen worden sein, etwa in Form eines Steuerbescheids. Weiterhin darf es keine Ausschlussgründe geben, beispielsweise laufende steuerliche Prüfungen oder Verfahren hinsichtlich der zu beurteilenden Rechtsfrage. Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muss alle Angaben enthalten, die für die Beurteilung des Steuerfalls und die rechtliche Würdigung erforderlich sind, ggf. einschließlich relevanter Rechtsauffassungen und Literaturhinweisen. Eine Ermessensausübung der Finanzbehörde findet statt, sie kann den Antrag auch ablehnen, insbesondere wenn die Anfrage einen hypothetischen Charakter hat, unvollständig ist, offensichtlich rechtsmissbräuchlich gestellt wurde oder das öffentliche Interesse an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung überwiegt.

Welche Wirkungen hat eine verbindliche Auskunft für den Steuerpflichtigen und das Finanzamt?

Die erteilte verbindliche Auskunft ist für das Finanzamt verbindlich, sofern der in der Auskunft geschilderte Sachverhalt später tatsächlich so verwirklicht wird wie im Antrag dargestellt. Dies bedeutet, dass das Finanzamt bei der späteren Veranlagung den steuerrechtlichen Folgen der Auskunft folgen muss, das heißt, es besteht Bindungswirkung im nachfolgenden Verwaltungsverfahren. Die Auskunft entfaltet jedoch keine Bindungswirkung, wenn der tatsächliche Sachverhalt von der Darstellung im Antrag auch nur in wesentlichen Punkten abweicht oder wenn sie auf einer nachträglich geänderten oder aufgehobenen Rechtslage basiert. Steuerpflichtige erlangen so eine hohe Rechtssicherheit bezüglich der steuerlichen Folgen ihrer beabsichtigten Maßnahmen. Die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft gilt grundsätzlich auch gegenüber anderen Finanzbehörden, soweit diese für den gleichen Sachverhalt zuständig werden. Allerdings ist die Auskunft keine Festsetzung des Steuerbetrags und ersetzt keine Steuerfestsetzung, sondern begründet die Erwartung, dass das Finanzamt die Rechtsauffassung zur Anwendung bringt.

Kann eine erteilte verbindliche Auskunft nachträglich widerrufen oder geändert werden?

Ja, eine bereits erteilte verbindliche Auskunft kann vom Finanzamt unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen oder geändert werden. Dies ist möglich, wenn nach deren Erteilung eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eintritt, insbesondere wenn sich Gesetze, Verwaltungsanweisungen oder höchstrichterliche Rechtsprechung ändern und Einfluss auf den zu beurteilenden Sachverhalt haben. In solchen Fällen entfällt die Bindungswirkung der zuvor erteilten Auskunft für die Zukunft (§ 2 Abs. 3 StAuskV). Ein Widerruf ist auch dann möglich, wenn der Steuerpflichtige bei der Antragstellung unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat. Im Fall eines Widerrufs aufgrund einer nachträglichen Änderung der Rechtslage wird die Auskunft in der Regel nur für die Zukunft aufgehoben (ex nunc), sodass bis dahin getätigte Dispositionen grundsätzlich geschützt bleiben. Der Steuerpflichtige soll durch eine ordnungsgemäße Auskunft vor unvorhersehbaren Belastungen geschützt werden, sofern er sich im Vertrauen auf die Auskunft bereits festgelegt hat.

Welche Kosten fallen für die Beantragung einer verbindlichen Auskunft an?

Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft erhebt die Finanzverwaltung eine Gebühr nach Maßgabe der Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV). Die Höhe richtet sich grundsätzlich nach dem Wert des wirtschaftlichen Interesses, das der Antragsteller mit der gewünschten Klärung verfolgt. Es gilt ein gestaffeltes Gebührensystem: Bei sog. unbestimmten wirtschaftlichen Interessen wird nach Zeitaufwand abgerechnet, wobei die Mindestgebühr derzeit 241 Euro und die Höchstgebühr 110.000 Euro beträgt. Bei mehreren zusammenhängenden Anträgen (z.B. Beteiligungen mehrerer Personen) können die Gebühren auch kumuliert werden. Die Gebühren werden auch dann erhoben, wenn die Auskunft abschlägig beschieden oder der Antrag zurückgenommen wird, sofern eine sachliche Bearbeitung stattgefunden hat. Wird der Antrag wegen offensichtlicher Unbegründetheit oder formeller Mängel abgelehnt, kann von einer Gebührenerhebung abgesehen werden. Ein Erlass oder eine Erstattung der Gebühr ist in Ausnahmefällen möglich, etwa bei unverschuldeter Unrichtigkeit behördlicher Auskünfte.

In welchem Umfang ist die erteilte verbindliche Auskunft öffentlich zugänglich und können andere Steuerpflichtige darauf Bezug nehmen?

Die verbindliche Auskunft wird individuell bezogen auf den konkreten Antragsteller und Sachverhalt erteilt und entfaltet daher auch nur gegenüber diesem Steuerpflichtigen Bindungswirkung. Es besteht kein allgemeiner Anspruch Dritter auf Akteneinsicht oder Offenlegung der Auskunft, da sie regelmäßig vertrauliche Informationen über die Vermögens- und Steuerverhältnisse des Antragstellers enthält. Die Verwaltung kann allerdings anonymisierte Auszüge aus Auskünften oder Zusammenfassungen von Entscheidungsgrundsätzen als sogenannte Entscheidungshilfen für die allgemeine Anwendung zur Verfügung stellen, insbesondere im Rahmen einer konsistenten Verwaltungspraxis (z. B. BMF-Schreiben). Andere Steuerpflichtige können sich zwar auf den Inhalt veröffentlichter Erlasse berufen, nicht aber unmittelbar auf eine individuelle verbindliche Auskunft eines Dritten. Auch wenn gleiche oder vergleichbare Sachverhalte vorliegen, besteht kein rechtlicher Anspruch darauf, dass die Finanzverwaltung eine erteilte Auskunft bei einem anderen Steuerpflichtigen ebenfalls anwendet.

Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn ein Antrag auf verbindliche Auskunft abgelehnt wird oder die Auskunft inhaltlich beanstandet wird?

Wird der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft abgelehnt oder ergeht eine inhaltlich für den Antragsteller nachteilige Auskunft, handelt es sich formal um einen sogenannten Verwaltungsakt. Gegen diesen Verwaltungsakt ist die Einlegung eines Einspruchs zulässig (§ 347 AO). Im Falle einer weitergehenden Beschwer kann gerichtlicher Rechtsschutz durch Klage vor dem Finanzgericht geltend gemacht werden, jedoch nur im Rahmen der Prozessualität von Vorentscheidungen, z. B. im Zusammenhang mit der Festsetzung von Gebühren oder im Rahmen der späteren Steuerveranlagung, da die verbindliche Auskunft selbst keine unmittelbare steuerliche Belastungswirkung entfaltet. So ist etwa eine Klage gegen eine abgelehnte Auskunft meist nur zulässig, wenn damit ein eigenes berechtigtes Interesse des Antragstellers berührt wird (z.B. bei Gebührenerhebung). Im Übrigen muss der Steuerpflichtige gegebenenfalls im Veranlagungsverfahren abwarten und kann dann dagegen Einspruch und Klage erheben, wenn die Steuerfestsetzung von der beantragten Rechtsauslegung abweicht.

Welche Rolle spielt die verbindliche Auskunft bei grenzüberschreitenden Sachverhalten und internationalen Steuerthemen?

Insbesondere bei grenzüberschreitenden oder internationalen Sachverhalten ist die verbindliche Auskunft ein wichtiges Instrument zur Erlangung von Rechtssicherheit. Steuerpflichtige können bei geplanten grenzüberschreitenden Gestaltungen verbindliche Auskünfte beantragen, um die steuerlichen Konsequenzen in Deutschland (z. B. zur Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Verrechnungspreisen, Quellensteuerregelungen) verlässlich vorab klären zu lassen. Die Verbindlichkeit erstreckt sich jedoch ausschließlich auf die deutsche Steuerrechtsanwendung; bindende Auskünfte über die Behandlung im Ausland können von der deutschen Finanzverwaltung nicht erteilt werden. Für die internationale Kontrolle von Verrechnungspreisen existiert darüber hinaus die Möglichkeit eines sogenannten Advance Pricing Agreement (APA), welches zwischen den involvierten Staaten geschlossen wird und eine noch weiterreichende Absicherung bietet. Auch für Betriebsstättenfragen, Entstrickungen oder Wegzugsfälle kann die Auskunft maßgeblichen Einfluss auf die steuerliche Planungssicherheit entfalten, wobei sich der Umfang der Bindungswirkung wiederum auf das nationale Steuerrecht beschränkt.