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Urteilsausfertigung


Begriff und Rechtsnatur der Urteilsausfertigung

Die Urteilsausfertigung ist ein zentrales Instrument im Verfahrensrecht der deutschen Gerichtsbarkeit. Sie bezeichnet die von einem Gericht erstellte, offizielle und beglaubigte Kopie eines ergangenen Urteils, die mit einer besonderen Ausfertigungsvermerkung versehen ist. Die Urteilsausfertigung ist von maßgeblicher Bedeutung für die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen sowie für den Nachweis der Rechtskraft und der Zustellung eines Urteils. Sie stellt das Bindeglied zwischen dem ablehnenden oder stattgebenden Richterspruch und seiner praktischen Durchsetzbarkeit dar.

Gesetzliche Grundlagen

Zivilprozessordnung (ZPO)

Die rechtlichen Voraussetzungen und Wirkungen einer Urteilsausfertigung sind hauptsächlich in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Hier ist insbesondere § 317 ZPO („Urteilszustellung, Ausfertigung des Urteils“) einschlägig. Demnach wird das Urteil grundsätzlich den Parteien zugestellt. Eine Ausfertigung oder beglaubigte Kopie der Entscheidung wird insbesondere zum Zwecke der Zwangsvollstreckung auf Antrag ausgehändigt (§ 750 Abs. 1 ZPO).

Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)

Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) regelt die Organisation der Gerichte und umfasst allgemeine Vorschriften zur Erstellung gerichtlicher Schriftstücke, einschließlich Ausfertigungen.

Weitere Rechtsgebiete

Neben der ZPO bestimmen auch andere Gerichtsbarkeiten (wie Strafprozessordnung, Verwaltungsgerichtsordnung, Sozialgerichtsgesetz, Finanzgerichtsordnung) ähnliche oder abweichende Modalitäten zur Ausfertigung und Wirkung gerichtlicher Entscheidungen.

Form und Erteilung der Urteilsausfertigung

Aufbau und Inhalt

Eine Urteilsausfertigung besteht aus dem vollständigen Wortlaut des Originals und enthält verschiedene formale Elemente:

  • Beglaubigungsvermerk: Bestätigung der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Original
  • Ausfertigungsvermerk: Der Vermerk, dass es sich um eine Ausfertigung handelt („Ausfertigung“, „Amtsausfertigung“)
  • Richterliche Unterschrift: Mindestens die Unterschrift des Vorsitzenden oder des erkennenden Richters; bei elektronischem Dokument die sichere Signatur
  • Gerichtssiegel: Der Abdruck des Gerichtssiegels als Echtheitsnachweis
  • Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle: Dokumentiert die ordnungsgemäße Ausfertigung

Unterscheidung zu anderen Dokumenten

Es ist zu unterscheiden zwischen der Urteilskopie (reine Abschrift ohne Rechtskraftwirkung) und der beglaubigten Abschrift. Die Urteilsausfertigung dient als einziges Dokument zur unmittelbaren Rechtsdurchsetzung, etwa im Rahmen der Zwangsvollstreckung.

Zuständigkeit für die Ausfertigung

Für die Ausstellung der Urteilsausfertigung ist regelmäßig die Geschäftsstelle des jeweiligen Gerichts zuständig. Die Erteilung erfolgt nur an berechtigte Personen (Prozessparteien oder deren Bevollmächtigte).

Zweck und rechtliche Bedeutung

Nachweis der Rechtskraft

Die Vorlage einer Urteilsausfertigung kann als Nachweis der Rechtskraft eines Urteils dienen, sofern sie mit einem entsprechenden Rechtskraftvermerk versehen ist. Ohne einen solchen Vermerk ist die Vollstreckung grundsätzlich noch nicht möglich (§ 706 ZPO).

Voraussetzung der Zwangsvollstreckung

Eine rechtskräftige Urteilsausfertigung ist zwingende Voraussetzung für die Durchführung aller Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Die Zwangsvollstreckungsorgane (z. B. Gerichtsvollzieher) dürfen Tätigkeiten in einer Sache nur auf Grundlage einer wirksamen Ausfertigung aufnehmen.

Bedeutung für Rechtsmittel

Im Rechtsmittelzug kann die Urteilsausfertigung als Grundlage für die fristgerechte Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln dienen. Die Form und der Zeitpunkt der Zustellung der Urteilsausfertigung können für die Einhaltung von Rechtsmittelfristen maßgeblich sein.

Rechtsschutz bei Versagung

Versagung der Ausfertigung

Die Geschäftsstelle ist nicht verpflichtet, jedem Antragsteller eine Ausfertigung zu erteilen. Die Berechtigung richtet sich nach den Beteiligungsverhältnissen im Verfahren. Die Ablehnung der Ausfertigung kann unter bestimmten Voraussetzungen mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder im Beschwerdeverfahren angegriffen werden.

Besonderheiten und Sonderformen

Mehrfache Ausfertigungen

Grundsätzlich wird pro Partei nur eine Ausfertigung ausgestellt (Einfachheitsgrundsatz). Ausnahmen bestehen beispielsweise bei einem Wechsel des Gläubigers (durch Abtretung) oder bei Untergang des Originals.

Elektronische Ausfertigung

Mit fortschreitender Digitalisierung der Justiz gewinnt die elektronische Ausfertigung an Bedeutung. Die Voraussetzungen richten sich hier nach spezifischen technischen Vorgaben, insbesondere der qualifizierten elektronischen Signatur.

Abschließende Bewertung und Bedeutung in der Praxis

Die Urteilsausfertigung ist ein unverzichtbares Element im deutschen Verfahrensrecht. Sie gewährt Rechtssicherheit, ermöglicht die Durchsetzung gerichtlich festgestellter Ansprüche und schafft Vertrauen in die Authentizität gerichtlicher Entscheidungen. Die korrekte Ausstellung, Verwendung und Handhabung der Ausfertigung sind von hoher praktischer Relevanz für sämtliche Verfahrensbeteiligte.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, eine Urteilsausfertigung zu erhalten?

Die Berechtigung zum Erhalt einer Urteilsausfertigung richtet sich in der Regel danach, ob ein rechtliches Interesse an der Ausfertigung besteht. Parteien des Verfahrens, ihre gesetzlichen Vertreter, Rechtsanwälte sowie bei Bedarf auch Behörden und Dritte mit einem nachgewiesenen rechtlichen Interesse haben Anspruch auf die Ausfertigung des Urteils. Im Zivilprozess sind beispielsweise insbesondere Kläger, Beklagte und deren Prozessbevollmächtigte auszugsberechtigt (§ 317 ZPO). Je nach Verfahrensart können zudem weitere Beteiligte – etwa Nebenintervenienten oder Streithelfer – ein Anrecht geltend machen. Auch Personen, gegen die das Urteil vollstreckt werden soll, etwa Drittschuldner bei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen, können eine Ausfertigung verlangen. Voraussetzung ist immer, dass das Interesse an der Urteilszurkenntnisnahme nachvollziehbar und rechtlich begründet ist.

Welche formellen Anforderungen muss eine Urteilsausfertigung erfüllen?

Eine Urteilsausfertigung ist eine beglaubigte Abschrift des vollständigen Urteilstextes und entspricht inhaltlich dem Original. Sie trägt im Regelfall den maschinenschriftlichen Zusatz „Ausfertigung“ und wird von der Geschäftsstelle mit dem gerichtlichen Siegel sowie der Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle versehen. Die Ausfertigung enthält insbesondere die vollständige Entscheidung nebst Gründen, das Rubrum, eine Überschrift, das Datum und die Unterschriften der Richter – letztere werden in der Ausfertigung nicht im Original, sondern mit dem Vermerk der maschinenschriftlichen Unterschriftsleistung wiedergegeben. In Strafverfahren müssen zudem Angaben zu Staatsanwaltschaft, Angeklagtem und gegebenenfalls Vertretern enthalten sein. Maßgeblich für die Form sind die jeweiligen Vorschriften der Prozessordnungen und die Ausführungsbestimmungen der Geschäftsstellenverfügungen. Fehlerhafte Ausfertigungen – etwa unzureichende Siegelung oder fehlender Beglaubigungsvermerk – entfalten keine Rechtswirkungen.

Welche rechtliche Bedeutung hat die Urteilsausfertigung im Zwangsvollstreckungsverfahren?

Die Urteilsausfertigung ist im deutschen Recht von zentraler Bedeutung für die Einleitung und Durchführung der Zwangsvollstreckung. Gemäß § 750 ZPO ist eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils dem Gläubiger zu erteilen, die einen Vollstreckungsvermerk („Klausel“) tragen muss. Nur mit dieser vollstreckbaren Ausfertigung kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben. Die Ausfertigung dient damit als Nachweis, dass das Urteil ergangen und vollstreckbar ist. Ohne diese Ausfertigung – beziehungsweise mit einer bloßen Abschrift – wären Vollstreckungsmaßnahmen wie Pfändung, Zwangsversteigerung oder Erzwingungshaft rechtswidrig und könnten angefochten werden. Die Beglaubigung der Ausfertigung und Beifügung der Vollstreckungsklausel ist daher unerlässlich.

Muss die Partei für die Ausstellung der Urteilsausfertigung Gebühren bezahlen?

Die Ausstellung der ersten Ausfertigung für die am Verfahren beteiligten Parteien ist in aller Regel gebührenfrei, da sie Bestandteil des gerichtlichen Verfahrens ist. Erst für weitere, nachträglich beantragte oder für Dritte bestimmte Ausfertigungen können nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) Gebühren anfallen. Die genauen Kosten richten sich zum einen nach der Zahl der Seiten und zum anderen danach, ob es sich um eine einfache Abschrift, eine beglaubigte Abschrift oder eine (vollstreckbare) Ausfertigung handelt. Bei besonderen Beglaubigungsvermerken, Beiheftungen oder Eilzustellungen können ebenfalls zusätzliche Gebühren entstehen. Details zur Höhe der Gebühren ergeben sich aus dem Kostenverzeichnis zum GKG und den jeweiligen Landesgebührenordnungen.

In welcher Frist kann eine Urteilsausfertigung beantragt werden und wie lange dauert ihre Ausstellung?

Den Parteien steht das Recht auf eine Urteilsausfertigung unmittelbar nach der Urteilsverkündung bzw. der Zustellung des schriftlichen Urteils zu. Ein Antrag ist zeitlich nicht beschränkt; eine rückwirkende Ausstellung ist grundsätzlich auch Jahre nach Rechtskraft des Urteils möglich, solange sich das Original in der Gerichtsakte befindet und keine archivierungsrechtlichen Einschränkungen entgegenstehen. Die Bearbeitungsdauer ist im Regelfall kurz: Die meisten Geschäftsstellen stellen eine Ausfertigung innerhalb weniger Werktage nach Antragstellung aus, in dringenden Fällen auch am Tag des Antrags. Verzögerungen können jedoch bei älteren Akten oder umfangreichen Urteilsbegründungen auftreten, insbesondere wenn Akten aus dem Archiv angefordert werden müssen.

Welche Rechtsmittel stehen bei verweigerter Urteilsausfertigung zur Verfügung?

Wird einem Antrag auf Urteilsausfertigung zu Unrecht nicht entsprochen, kann der Antragsteller zunächst beim zuständigen Gericht die Entscheidung der oder des Vorsitzenden (§ 21e GVG) über die Ablehnung verlangen. Wird die Ausfertigung weiterhin verweigert, kann im Einzelfall die Beschwerde gemäß §§ 23 ff. EGGVG (Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz) zulässig sein. Besteht ein Anspruch auf Vollstreckung, kann zudem eine konkrete Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) oder gegebenenfalls eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Geschäftsstelle in Betracht kommen. Eine gerichtliche Verpflichtungsklage vor dem Verwaltungsgericht ist regelmäßig ausgeschlossen, weil es sich um einen originär gerichtlichen Verwaltungsakt handelt. Im Zweifel empfiehlt es sich, anwaltlichen Rat zur Durchsetzung des Anspruchs einzuholen.

Welche Unterschiede bestehen zwischen einer Urteilsausfertigung, einer beglaubigten Abschrift und einer einfachen Abschrift?

Eine einfache Abschrift ist lediglich eine „Kopie“ des Urteils ohne Beglaubigungsvermerk, die keine besondere Formvorschrift erfüllen muss und nicht für Rechtsmittel- oder Vollstreckungszwecke verwendet werden kann. Eine beglaubigte Abschrift bestätigt die Übereinstimmung der Abschrift mit dem Original, trägt einen Beglaubigungsvermerk und ein Dienstsiegel, hat aber keine weiterreichende Rechtswirkung. Die Urteilsausfertigung hingegen ist die förmliche, mit dem gerichtlichen Siegel und einer Ausfertigungsvermerk versehene und vom Urkundsbeamten unterzeichnete Abschrift des Urteils, die die Kraft eines Originals ersetzt, insbesondere zum Zweck der Zwangsvollstreckung oder als Beweisurkunde im Rechtsverkehr dient. Die Ausfertigung kann auch die Klausel zur Vollstreckbarkeit enthalten und besitzt damit eine gesonderte, gesetzlich verankerte Beweisfunktion.