Begriff und Schutzrichtung der Urkundenfälschung
Urkundenfälschung bezeichnet das unbefugte Herstellen, Verändern oder Verwenden von Dokumenten mit dem Ziel, im Rechtsverkehr über deren Echtheit zu täuschen. Geschützt wird die Sicherheit und Verlässlichkeit des Beweisverkehrs: Wer eine Urkunde sieht, soll sich darauf verlassen können, dass sie vom erkennbaren Aussteller stammt und die abgegebene Erklärung wirklich von diesem herrührt.
Definition der Urkunde
Wesensmerkmale
Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die einem bestimmten Aussteller zugeordnet werden kann und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Drei Elemente stehen im Vordergrund:
- Verkörperung: Die Erklärung ist in einem festen, wahrnehmbaren Träger fixiert.
- Ausstellererkennbarkeit: Es ist erkennbar, von wem die Erklärung stammt.
- Beweiseignung und -bestimmung: Das Dokument ist geeignet und dazu bestimmt, als Beleg zu dienen.
Beispiele
Typische Urkunden sind Ausweise, Verträge, Quittungen, Zeugnisse, Testamente, amtliche Bescheinigungen, Fahrkarten oder ärztliche Atteste. Auch Kennzeichen, Plaketten oder Stempel können Urkundenfunktion haben, wenn sie eine Erklärung verkörpern und einem Aussteller zugeordnet sind.
Echtheit und Wahrheit
Zu unterscheiden ist zwischen Echtheit und inhaltlicher Wahrheit: Eine Urkunde ist echt, wenn sie von der Person stammt, die als Aussteller erkennbar ist. Eine echte, aber inhaltlich falsche Urkunde ist grundsätzlich keine Urkundenfälschung. Geschützt wird in erster Linie die Herkunft der Erklärung, nicht deren Wahrheit. Abweichungen können sich bei Dokumenten mit besonderer Beweisgarantie ergeben, die gesondert erfasst werden.
Typische Tathandlungen
Herstellen einer unechten Urkunde
Unecht ist eine Urkunde, wenn der wirkliche Erklärende nicht mit dem erkennbaren Aussteller identisch ist. Das gilt etwa bei der Anfertigung eines Dokuments unter fremdem Namen oder bei der Verwendung einer gefälschten Unterschrift, um den Eindruck zu erwecken, eine andere Person habe die Erklärung abgegeben.
Verfälschen einer echten Urkunde
Verfälschen bedeutet, den gedanklichen Inhalt einer bereits echten Urkunde nachträglich zu ändern, sodass sie scheinbar weiterhin vom ursprünglichen Aussteller stammt, nun aber eine andere Erklärung wiedergibt. Das kann Textänderungen, Ersetzungen, Ergänzungen oder das Austauschen von Bestandteilen umfassen.
Gebrauchen im Rechtsverkehr
Gebrauchen liegt vor, wenn eine unechte oder verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr vorgelegt oder sonst verwendet wird, um eine andere Person über ihre Echtheit zu täuschen. Bereits das In-Umlauf-Bringen oder Vorzeigen kann genügen.
Tatbestandsmerkmale
Tatobjekt Urkunde
Verkörperung
Erforderlich ist ein körperlicher Träger, etwa Papier oder ein fest mit einem Gegenstand verbundenes Zeichen. Reine, flüchtige Daten ohne körperliche Fixierung gelten nicht als Urkunden im klassischen Sinn.
Ausstellererkennbarkeit
Die Urkunde muss erkennen lassen, wem die Erklärung zuzurechnen ist. Das kann sich aus Name, Unterschrift, Siegel, Briefkopf oder der Gesamterscheinung ergeben.
Beweiseignung und -bestimmung
Das Dokument muss typischerweise dazu bestimmt sein, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen, und dafür geeignet sein. Private Schriftstücke können ebenso erfasst sein wie behördliche Dokumente.
Subjektive Seite
Erforderlich ist Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Merkmale sowie die Absicht, im Rechtsverkehr über die Echtheit zu täuschen. Es genügt, wenn die Täuschung ernsthaft in Betracht gezogen und in Kauf genommen wird.
Besondere Erscheinungsformen
Zusammengesetzte Urkunden und Beweiszeichen
Bei zusammengesetzten Urkunden bildet ein Beweiszeichen mit einem Bezugsobjekt eine Einheit, etwa eine amtliche Plakette am Fahrzeug oder ein Preisschild fest verbunden mit einer Ware. Wird die Zuordnung manipuliert, kann dies Urkundenfälschung sein.
Technische Aufzeichnungen und digitale Beweise
Technische Aufzeichnungen (z. B. Messprotokolle, Automatenbelege) und digitale Daten werden teilweise eigenständig geschützt. Ihre Manipulation kann gesonderte Straftatbestände erfüllen, die die klassische Urkunde ergänzen.
Elektronische Dokumente und Signaturen
Elektronische Dokumente ohne Verkörperung sind grundsätzlich keine Urkunden im herkömmlichen Sinne. Für digital signierte Inhalte bestehen spezielle Regeln. Manipulationen können als Fälschung beweiserheblicher Daten oder unter weiteren Delikten fallen. Wird ein elektronisches Dokument ausgedruckt und als Beleg verwendet, kann die Papierfassung selbst zur Urkunde werden.
Abgrenzungen und verwandte Delikte
Fälschung beweiserheblicher Daten
Die Veränderung oder Herstellung manipulierter Daten mit Beweisbedeutung im digitalen Bereich wird gesondert erfasst und schließt die Schutzlücke für nicht verkörperte Informationen.
Mittelbare Falschbeurkundung
Wer durch unrichtige Angaben veranlasst, dass eine Stelle mit besonderer Beweisfunktion eine inhaltlich falsche Erklärung beurkundet, kann einen verwandten Tatbestand erfüllen. Hier steht die inhaltliche Richtigkeit bestimmter Dokumente im Vordergrund.
Urkundenunterdrückung
Das Vernichten, Beschädigen oder Unterdrücken echter Urkunden, um Beweise zu vereiteln, ist gesondert strafbar und schützt die Verfügbarkeit von Beweismitteln.
Verhältnis zu Betrug und Täuschung
Urkundenfälschung kann mit Vermögensdelikten zusammentreffen. Wer mittels gefälschter Dokumente einen Vermögensvorteil erlangt, kann zusätzlich einen Betrugstatbestand verwirklichen. Beide Tatbestände schützen unterschiedliche Interessen.
Rechtsfolgen
Strafrahmen und Bewertung
Urkundenfälschung ist ein Vergehen, das mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Maßgeblich ist die Schwere der Tat, insbesondere die Bedeutung des Dokuments, das Ausmaß der Täuschung und die Folgen.
Besonders schwere Fälle
Bei planmäßigem, gewerbsmäßigem oder arbeitsteiligem Vorgehen sowie bei einer Vielzahl von Taten kommen regelmäßig höhere Strafen in Betracht. Die Verwendung gefälschter amtlicher Dokumente kann besonders ins Gewicht fallen.
Folgen außerhalb des Strafverfahrens
Mögliche Folgen sind Einträge in behördlichen Registern, Auswirkungen auf Genehmigungen oder Erlaubnisse, dienst- oder arbeitsrechtliche Maßnahmen sowie zivilrechtliche Ansprüche wie Schadensersatz. Gefälschte Dokumente sind im Grundsatz unwirksam; gleichwohl können Rechtsfolgen aus ihrem Gebrauch entstanden sein, die rückabgewickelt werden müssen.
Verfahrens- und Beweisfragen
Ermittlungsansätze
Zur Aufklärung werden häufig Schrift- und Dokumentenprüfungen, Vergleichsuntersuchungen, Material- und Tintenanalysen sowie Auswertungen technischer Merkmale herangezogen. Auch digitale Spuren und Metadaten können von Bedeutung sein.
Beweislast und Nachweis
Entscheidend ist der Nachweis der Unechtheit oder Verfälschung sowie der Täuschungsabsicht. Indizien können aus der Herstellungsweise, aus Abweichungen bei Unterschriften, aus Druck- und Sicherheitsmerkmalen oder aus Widersprüchen im Gesamtbild folgen.
Spezielle Konstellationen
Selbstfälschung und Eigenurkunde
Wer eine Erklärung unter eigenem Namen abgibt, stellt grundsätzlich eine echte Urkunde her, auch wenn der Inhalt unwahr ist. Eine Selbstfälschung kommt nur in Betracht, wenn der Anschein erweckt wird, eine andere Person sei Aussteller.
Blanketturkunden und Leerformulare
Blanketturkunden sind bereits teilweise ausgefüllte, unterschriebene Dokumente. Das unbefugte Ausfüllen kann eine Verfälschung darstellen, wenn der Eindruck entsteht, der Aussteller habe die Ergänzung gebilligt. Reine Leerformulare ohne Ausstellerzuordnung sind noch keine Urkunden.
Mehrfache Verwendung
Das wiederholte Gebrauchen derselben unechten oder verfälschten Urkunde kann jedes Mal eine neue Tat darstellen, wenn erneut getäuscht wird. Das hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Verjährung und Strafverfolgung
Verjährungsfristen
Urkundenfälschung unterliegt mehrjährigen Verjährungsfristen. Die genaue Dauer richtet sich nach der gesetzlichen Einordnung und dem angedrohten Strafmaß.
Versuch, Teilnahme und Täterschaft
Der Versuch kann strafbar sein. Auch die Beteiligung mehrerer Personen wird erfasst, etwa durch gemeinsames Handeln, Anstiftung oder Hilfeleistung. Die Zurechnung richtet sich nach Art und Umfang des Tatbeitrags.
Häufig gestellte Fragen
Was gilt rechtlich als Urkunde?
Eine Urkunde ist eine verkörperte, einer Person zuordenbare Erklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. Erforderlich sind körperliche Fixierung, Ausstellererkennbarkeit und Beweisfunktion.
Ist eine E-Mail oder eine Datei eine Urkunde?
Reine elektronische Nachrichten ohne körperliche Verkörperung gelten nicht als Urkunden im klassischen Sinn. Für manipulierte digitale Beweise existieren eigene Straftatbestände. Wird ein elektronisches Dokument ausgedruckt und als Nachweis verwendet, kann der Ausdruck selbst eine Urkunde sein.
Liegt Urkundenfälschung vor, wenn der Inhalt falsch ist?
Eine inhaltlich falsche, aber von der erkennbaren Person selbst stammende Erklärung ist in der Regel keine Urkundenfälschung. Maßgeblich ist die Echtheit der Herkunft. Ausnahmen können bei Dokumenten mit besonderer Beweisgarantie über andere Delikte erfasst werden.
Was bedeutet „Herstellen einer unechten Urkunde“ im Unterschied zum „Verfälschen“?
Beim Herstellen wird ein Dokument geschaffen, das scheinbar von einer anderen Person stammt. Beim Verfälschen wird eine ursprünglich echte Urkunde nachträglich so verändert, dass sie eine abweichende Erklärung wiedergibt, ohne dass dies erkennbar wäre.
Was ist unter „Gebrauchen“ einer gefälschten Urkunde zu verstehen?
Gebrauchen heißt, die unechte oder verfälschte Urkunde im Rechtsverkehr so zu verwenden, dass ein anderer über deren Echtheit getäuscht werden soll, etwa durch Vorlegen, Einreichen oder In-Umlauf-Bringen.
Ist bereits der Versuch strafbar?
Der Versuch der Urkundenfälschung kann strafbar sein. Maßgeblich ist, ob nach der gesetzlichen Wertung bereits das Ansetzen zur Tat erfasst wird, auch wenn es nicht zur Vollendung kommt.
Welche Strafen kommen in Betracht?
Vorgesehen sind Geldstrafe oder Freiheitsstrafe. Das konkrete Strafmaß richtet sich nach der Schwere der Tat, der Bedeutung des Dokuments, dem Ausmaß der Täuschung, etwaigen Vorbelastungen sowie besonderen Erschwerungs- oder Milderungsgründen.
Wie verhält sich Urkundenfälschung zu Betrug?
Urkundenfälschung schützt die Sicherheit des Beweisverkehrs, Betrug das Vermögen. Wer mit einer gefälschten Urkunde Vermögensverfügungen herbeiführt, kann beide Tatbestände verwirklichen; die rechtliche Bewertung erfolgt nebeneinander.