Begriff und Kern des Tatbestands
Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen Sache, die sich bereits im Besitz des Täters befindet. Im Mittelpunkt steht der Bruch der Eigentümerposition durch die Anmaßung einer eigentümergleichen Stellung. Anders als beim Wegnehmen geht es nicht um das Erlangen des unmittelbaren Besitzes, sondern um den Missbrauch einer bestehenden Besitzlage oder eines faktischen Herrschaftsverhältnisses über die Sache.
Abgrenzung zu verwandten Delikten
Unterschlagung vs. Diebstahl
Diebstahl setzt eine Wegnahme voraus, also das Brechen fremden und das Begründung neuen Gewahrsams. Unterschlagung dagegen knüpft an eine bereits bestehende Besitzlage an: Der Täter hat die Sache schon in den Händen (rechtmäßig oder faktisch), eignet sie sich aber in der Folge an. Das Zurückbehalten, Verbrauchen, Veräußern oder sonstiges Behandeln wie eine eigene Sache kann Unterschlagung sein.
Unterschlagung vs. Untreue
Untreue betrifft die pflichtwidrige Schädigung eines fremden Vermögens aufgrund einer besonderen Vermögensbetreuungspflicht. Unterschlagung hingegen bezieht sich auf eine konkrete Sache. Sie verletzt primär das Eigentum an dieser Sache, nicht eine abstrakte Vermögensbetreuungspflicht.
Unterschlagung vs. unbefugter Gebrauch und Sachentziehung
Der bloß vorübergehende, zweckwidrige Gebrauch ohne Zueignungsabsicht erfüllt nicht ohne Weiteres die Voraussetzungen der Unterschlagung. Erforderlich ist eine Zueignungstendenz, also das Sich-Zueignen wie ein Eigentümer. Reine Sachentziehungen ohne Zueignungswillen (etwa Wegwerfen) können je nach Lage anderweitig zu bewerten sein.
Fundunterschlagung
Das Behalten gefundener Sachen kann Unterschlagung darstellen, wenn eine Rückführungs- oder Anzeigepflicht besteht und die Sache als fremd erkennbar ist. Entscheidend ist, dass der Finder die Sache nicht als herrenlos behandeln darf, wenn ein Eigentümer ermittelbar oder naheliegend ist.
Tatbestandsmerkmale
Tatobjekt: fremde bewegliche Sache
Erfasst sind körperliche Gegenstände, die nicht im Alleineigentum des Täters stehen. Auch bei Miteigentum kann Unterschlagung vorliegen, wenn gemeinschaftliche Regeln missachtet und fremde Mitberechtigung negiert wird.
Fremdheit und Miteigentum
Fremd ist eine Sache, wenn sie zumindest teilweise einer anderen Person zusteht. Miteigentum schließt die Fremdheit insoweit ein, als Rechte der anderen Miteigentümer betroffen sind.
Keine Sache: Energie, Daten
Nicht erfasst sind immaterielle Güter wie elektronische Daten oder Elektrizität, die anderen Regelungen unterliegen können.
Tathandlung: Zueignung
Zentrales Merkmal ist die Zueignung, bestehend aus Aneignung und Enteignungstendenz. Der Täter behandelt die Sache wie eine eigene und verdrängt damit den Berechtigten aus seiner Eigentümerposition.
Aneignungskomponente
Die Sache oder ihr Sachwert soll dem eigenen Vermögen einverleibt werden, etwa durch Nutzung, Konsum, Verkauf oder Sicherung für sich.
Enteignungstendenz
Es muss der Wille vorliegen, den Berechtigten auf Dauer oder auf unbestimmte Zeit aus seiner Eigentümerposition zu drängen. Die endgültige Vernichtung der Sache kann die Enteignungstendenz belegen.
Typische Zueignungsakte
- Verkauf oder Verpfändung einer fremden Sache aus dem Besitz des Täters
- Verbrauch oder Verarbeitung
- Bewusstes und dauerhaftes Zurückbehalten entgegen Rückgabeverpflichtungen
- Umdeklaration als angeblich eigene Sache
Besitzlage und Anvertrautsein
Die Sache befindet sich in der Regel bereits im Gewahrsam des Täters, etwa aufgrund Leihe, Miete, Verwahrung, Dienst- oder Arbeitsverhältnis, Lieferung oder Zufallslage (Fund). Besonders bedeutsam ist, ob sie anvertraut wurde, also mit der Erwartung überlassen, sie zu erhalten, zu verwalten, zurückzugeben oder abzurechnen.
Anvertraute Gegenstände
Anvertraut sind Sachen, die dem Täter mit einer besonderen Rückgabepflicht oder Verwendungsvorgabe überlassen wurden. Das illoyale Zueignen solcher Gegenstände gilt als gesteigerte Form der Unterschlagung und wird strenger bewertet.
Subjektive Seite: Vorsatz und Zueignungsabsicht
Erforderlich ist mindestens bedingter Vorsatz hinsichtlich Fremdheit, Besitzlage und Zueignungshandlung. Hinzukommen muss die Absicht, sich die Sache oder ihren Wert anzueignen. Ein bloßes Nichtwissen oder vorübergehendes Behalten ohne Zueignungswillen genügt nicht.
Qualifikationen und Strafrahmen
Veruntreuende Unterschlagung (anvertraute Sache)
Wird eine anvertraute Sache zueignet, liegt eine qualifizierte Form vor. Sie trägt dem besonderen Vertrauensbruch Rechnung und hat einen erhöhten Strafrahmen im Vergleich zur einfachen Unterschlagung.
Geringwertige Sachen
Bei Sachen von geringem Wert kann die Strafverfolgung regelmäßig von einem Strafantrag des Berechtigten abhängen, sofern kein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung angenommen wird. Der geringe Wert wirkt sich häufig mildernd auf die Sanktion aus.
Versuch, Teilnahme und Konkurrenzen
Der Versuch der einfachen Unterschlagung ist grundsätzlich nicht strafbar. Teilnahmehandlungen wie Anstiftung und Beihilfe zur vollendeten Tat sind möglich. In Konkurrenzfragen gilt: Liegt bereits ein Diebstahl vor, wird eine nachfolgende Zueignung regelmäßig vom Diebstahl erfasst; eigenständige Unterschlagung tritt dann zurück. In Abgrenzung zur Untreue kommt es darauf an, ob die Verletzungshandlung sachbezogen (Unterschlagung) oder pflichtenbezogen (Untreue) ist.
Verjährung
Unterschlagung unterliegt der Verfolgungsverjährung. Die Frist beträgt in der Regel mehrere Jahre; bei der qualifizierten Form mit erhöhtem Strafrahmen bleibt sie regelmäßig gleich lang, beginnt jedoch mit Vollendung der Tat zu laufen. Unterbrechungs- und Ruhensgründe können den Ablauf beeinflussen.
Verfahrensrechtliche Aspekte
Antragsdelikt oder Offizialdelikt
Unterschlagung wird grundsätzlich von Amts wegen verfolgt. In Konstellationen mit geringem Wert sowie innerhalb bestimmter persönlicher Näheverhältnisse (insbesondere unter Angehörigen) ist die Strafverfolgung häufig vom Strafantrag des Berechtigten abhängig, sofern kein besonderes öffentliches Interesse bejaht wird.
Beweisfragen und typische Nachweise
Im Mittelpunkt stehen Eigentums- und Besitznachweise, der Ablauf der Besitzbegründung, der Inhalt etwaiger Vereinbarungen (Leihe, Miete, Verwahrung), die dokumentierte Verfügung über die Sache sowie Umstände, aus denen Zueignungsabsicht und Enteignungstendenz hervorgehen. Aussagen, Dokumente (Quittungen, Übergabeprotokolle), elektronische Kommunikation und Sachspuren können von Bedeutung sein.
Rechtsfolgen
Straffolgen
Der Strafrahmen reicht von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe. Bei anvertrauten Sachen fällt die Strafandrohung spürbar höher aus. Tatmodalitäten, Wert der Sache, Vorbelastungen, Tatgeständnis und Wiedergutmachung können die Strafzumessung beeinflussen.
Zivilrechtliche Folgen
Unabhängig vom Strafverfahren bestehen regelhaft Ansprüche auf Herausgabe, Schadensersatz und Nutzungsherausgabe. Bei Veräußerung an Dritte können Rückabwicklungen und bereicherungsrechtliche Ansprüche hinzukommen.
Nebenfolgen
Im Arbeits- oder Dienstverhältnis können arbeitsrechtliche oder disziplinarische Maßnahmen folgen. Zudem sind Eintragungen in Registern und Reputationsschäden mögliche Konsequenzen.
Praktische Fallkonstellationen
Aufbewahrung und Verwahrung
Wer eine Sache zur Verwahrung erhält und sie anschließend für sich nutzt, verbraucht oder veräußert, kann Unterschlagung begehen. Der Treuebezug begründet regelmäßig eine Qualifikation.
Gefundene Sachen
Wer einen Gegenstand findet und ihn behält, obwohl der rechtmäßige Eigentümer ermittelbar ist oder Rückgabepflichten bestehen, erfüllt typischerweise die Voraussetzungen der Unterschlagung.
Irrtümlich überlassene Sachen
Erhält jemand eine Sache oder Zahlung irrtümlich und behält sie in Zueignungsabsicht, kann das Unterschlagung darstellen. Maßgeblich ist die Kenntnis von der Fremdheit und der Wille, sich den Gegenstand oder seinen Wert anzueignen.
Leihe, Miete, Leasing
Das dauerhafte Vorenthalten, das Veräußern an Dritte oder der wirtschaftliche Verbrauch geliehener oder gemieteter Sachen kann Unterschlagung sein, wenn erkennbar eigentümergleich disponiert wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann liegt Unterschlagung vor?
Unterschlagung liegt vor, wenn sich jemand eine fremde bewegliche Sache rechtswidrig zueignet, die sich bereits in seiner Verfügungsmacht befindet. Das äußert sich durch Handlungen, die die Sache wie eine eigene behandeln und den Berechtigten dauerhaft aus seiner Position verdrängen.
Worin unterscheidet sich Unterschlagung vom Diebstahl?
Diebstahl setzt das Wegnehmen einer Sache voraus, also das Brechen fremden und Begründen neuen Gewahrsams. Unterschlagung beruht auf Zueignung einer Sache, die der Täter bereits innehat, etwa durch Vorenthalten, Verbrauch oder Veräußerung.
Ist der Versuch der Unterschlagung strafbar?
Der Versuch der einfachen Unterschlagung ist grundsätzlich nicht strafbar. Strafbar ist regelmäßig nur die vollendete Zueignung. Teilnahmehandlungen an der vollendeten Tat bleiben möglich.
Was bedeutet „anvertraute Sache“?
Eine anvertraute Sache ist ein Gegenstand, der mit der Erwartung überlassen wurde, ihn zu erhalten, zweckgebunden zu verwenden, zurückzugeben oder abzurechnen. Die Zueignung solcher Sachen wird als qualifizierte Form der Unterschlagung strenger bewertet.
Spielt der Wert der Sache eine Rolle?
Ja. Bei geringem Wert kann die Verfolgung häufig von einem Strafantrag abhängen. Außerdem beeinflusst der Wert regelmäßig die Strafzumessung, ohne dass allein der Wert über die Strafbarkeit entscheidet.
Ist das Behalten eines gefundenen Gegenstands Unterschlagung?
Das Behalten gefundener Sachen kann Unterschlagung sein, wenn Rückgabe- oder Anzeigepflichten bestehen und der Gegenstand erkennbar nicht herrenlos ist. Maßgeblich sind Fremdheit und Zueignungsabsicht.
Wie lange kann Unterschlagung verfolgt werden?
Unterschlagung verjährt nach einer gesetzlich festgelegten Frist. Diese beträgt in der Regel mehrere Jahre und beginnt mit Vollendung der Tat. Bestimmte Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Frist unterbrechen oder zum Ruhen bringen.
Welche Folgen drohen neben der Strafe?
Neben der staatlichen Sanktion kommen zivilrechtliche Ansprüche auf Herausgabe und Schadensersatz in Betracht. Zudem können arbeitsrechtliche oder disziplinarische Konsequenzen sowie Eintragungen in Registern folgen.