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Unternehmen (strafrechtl.)

Begriff und Einordnung

Der Ausdruck „Unternehmen (strafrechtl.)“ wird in zwei unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Erstens bezeichnet er das „Unternehmen“ einer tatbestandsmäßigen Handlung, also das strafbare Inangriffnehmen eines Delikts, das vor der Vollendung ansetzt. Zweitens wird „Unternehmen“ als Sammelbegriff für wirtschaftliche Organisationen verstanden, deren Handeln oder Unterlassen strafrechtlich relevant sein kann. Beide Bedeutungen stehen in einem anderen rechtlichen Kontext und folgen unterschiedlichen Zurechnungs- und Sanktionierungslogiken.

Unternehmen als strafbares Inangriffnehmen einer Tat

Wesenskern des Unternehmensbegriffs

In verschiedenen Deliktsgruppen ist bereits das „Unternehmen“ einer Tat verboten. Gemeint ist, dass die Strafbarkeit nicht erst mit der Vollendung einsetzt, sondern bereits dann, wenn die tatbestandliche Zielrichtung in eine konkrete Handlung überführt wird. Der Gesetzgeber verlagert die Sanktion vor, um besonders gefährliche Angriffe frühzeitig zu erfassen.

Abgrenzung zu Versuch und Vorbereitung

Das „Unternehmen“ ist vom bloßen Planen oder Vorbereiten einer Tat abzugrenzen. Reine Vorbereitungshandlungen bleiben regelmäßig straflos, soweit nicht ausdrückliche Vorfeldtatbestände bestehen. Umgekehrt ist die Vollendung die tatsächliche Verwirklichung des geschützten Rechtsguts. Dazwischen liegt der Bereich des strafbaren Inangriffnehmens.

Dogmatisch wird diskutiert, ob „Unternehmen“ deckungsgleich mit dem Versuch ist oder ob es bereits früher einsetzt. Eine enge Sicht verlangt ein unmittelbares Ansetzen zur Tat, das dem Versuch entspricht. Eine weitere Sicht lässt das „Unternehmen“ schon dann genügen, wenn die Handlung nach dem Gesamtbild der Lage den tatbestandsbezogenen Angriff ernsthaft in Gang setzt und eine konkrete Gefahr schafft, ohne zwingend die Schwelle des „unmittelbaren Ansetzens“ zu erreichen. Welche Sichtweise gilt, richtet sich nach dem jeweiligen Tatbestand und der Schutzrichtung der Norm.

Schutzrichtung und typische Anwendungsfelder

Unternehmensdelikte finden sich häufig dort, wo besonders gewichtige Rechtsgüter betroffen sind und der Gesetzgeber Gefährdungen sehr früh eindämmen will. Dazu zählen etwa Bereiche der staatlichen Sicherheit, der kollektiven Sicherheit, aber auch andere Konstellationen, in denen bereits das Anlaufenlassen des deliktischen Plans eigenständiges Unrecht begründet. Charakteristisch ist die frühe Gefahrenabwehr durch strafrechtliche Vorverlagerung.

Voraussetzungen im Überblick

Allgemein verlangt das „Unternehmen“ eine auf den Deliktserfolg ausgerichtete Handlung, die über die bloße Vorbereitung hinausgeht, den tatbestandlichen Angriff erkennbar in die Tat umsetzt und eine konkrete Gefahr begründet. Ob zusätzliche Elemente verlangt werden, etwa bestimmte Mittel, eine bestimmte Nähe zum Erfolg oder eine besondere Gefährlichkeit, hängt vom jeweiligen Deliktstyp ab.

Rücktritt, Strafrahmen und Rechtsfolgen

Rechtsfolgen und Strafrahmen sind eigenständig ausgestaltet. Sie orientieren sich daran, dass es nicht zur Vollendung gekommen ist, gleichwohl aber ein erhebliches Unrecht verwirklicht wurde. Inwieweit allgemeine Regeln zum Rücktritt vom Versuch entsprechend gelten, ist eine Auslegungsfrage und kann je nach Deliktstyp unterschiedlich beantwortet werden. Teilweise ist ein tätiges Zurücktreten oder Gegensteuern rechtlich relevant, insbesondere wenn dadurch die Gefahr beseitigt oder der Erfolg verhindert wird.

Konkurrenzen und Verhältnis zu anderen Deliktsformen

Im Verhältnis zu Vorfeld- und Vollendungsdelikten gilt: Erreicht das Geschehen die Vollendung, tritt das Unternehmensstadium regelmäßig zurück. Soweit eigenständige Vorbereitungstatbestände bestehen, ist abzugrenzen, ob die Schwelle zum „Unternehmen“ überschritten wurde. Kommt es zu mehreren Handlungen, können tatmehrheitliche oder tatbestandliche Konkurrenzfragen entstehen, die nach den allgemeinen Regeln zu lösen sind.

Unternehmen als wirtschaftlicher Verband im Strafrecht

Begriff und Zurechnung

Als „Unternehmen“ werden im Strafrecht wirtschaftliche Organisationen verstanden, etwa Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften oder andere Verbände. Strafrechtlich relevant ist, wie Handlungen natürlicher Personen dem Unternehmen zugerechnet werden können. Zentral sind dabei Leitungs- und Aufsichtsstrukturen, Weisungsbefugnisse sowie die Frage, ob Organisationspflichten verletzt wurden.

Verantwortlichkeit von Unternehmen

Die Verantwortlichkeit von Unternehmen ist unterschiedlich geregelt. In manchen Rechtsordnungen werden Verbände selbst strafrechtlich adressiert. In anderen wird primär gegenüber natürlichen Personen sanktioniert und zusätzlich eine eigenständige Verbandssanktion oder eine ahndungsrechtliche Geldbuße ermöglicht. Gemeinsam ist der Gedanke, dass Defizite in Organisation und Aufsicht sowie Taten von Leitungspersonen dem Verband zugerechnet werden können.

Sanktionsinstrumente

Gegen Unternehmen kommen vor allem Geldsanktionen, Gewinnabschöpfung und weitere Nebenfolgen in Betracht. Dazu zählen etwa Maßnahmen der Vermögensabschöpfung, Anordnungen mit Blick auf die zukünftige Rechtsbefolgung, Veröffentlichung von Entscheidungen oder in besonderen Fällen einschneidendere Verbots- oder Auflösungsfolgen. Die Ausgestaltung ist rechtsordnungsabhängig und orientiert sich an Schwere, Organisationsgrad und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.

Individuelle und kollektive Verantwortung

Die Verantwortlichkeit des Unternehmens steht neben der Verantwortung natürlicher Personen. Taten von Leitungspersonen können dem Unternehmen zugerechnet werden. Daneben kommt eine Verantwortlichkeit aufgrund unzureichender Organisation und Aufsicht in Betracht, wenn dadurch Straftaten ermöglicht oder erleichtert wurden. Parallel werden die unmittelbar handelnden Personen nach den allgemeinen Regeln verfolgt.

Besonderheiten des Ermittlungsverfahrens

Ermittlungen gegen Unternehmen weisen spezifische Merkmale auf: Sie betreffen häufig große Datenbestände, komplexe Kommunikationsstrukturen und arbeitsteilige Abläufe. Maßnahmen wie Durchsuchung und Sicherstellung richten sich auf Geschäftsunterlagen und digitale Systeme. Auch interne Untersuchungen können eine Rolle spielen. Fragen des Geheimnisschutzes, der Dokumentationspflichten und der Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden sind praxisprägend.

Historische und dogmatische Linien

Vorverlagerung der Strafbarkeit

Die Idee, bereits das Inangriffnehmen eines besonders gefährlichen Delikts zu sanktionieren, steht in der Tradition der Gefahrenabwehr. Dogmatisch führte dies zu Debatten über die Schwelle zwischen strafloser Vorbereitung und strafbarem Unternehmensstadium sowie über die Reichweite von Rücktritts- und Strafmilderungsregeln.

Entwicklung der Verbandsverantwortlichkeit

International hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass wirtschaftliche Verbände als eigenständige Akteure Regelbefolgung sicherstellen müssen. Daraus entwickelte sich ein eigenständiges Sanktionsrecht für Unternehmen. Die Ausprägungen reichen von voll ausgebauten Strafregimen für Verbände bis zu administrativ geprägten Bußgeldsystemen mit strafrechtsnahen Verfahrensgarantien.

Internationale Bezüge

Vergleichende Einordnung

Das „Unternehmen“ einer Tat entspricht im weiteren Sinne dem Konzept der inchoate offences. Rechtsordnungen setzen die Strafbarkeit teils als Versuch, teils in eigenständigen Unternehmensdelikten um. Bei der Verbandsverantwortlichkeit reicht die Spannbreite von echter strafrechtlicher Schuldzuweisung an Verbände bis zu verwaltungsrechtlichen Sanktionen. Internationale Vorgaben, etwa aus dem Bereich der Korruptions- und Geldwäschebekämpfung, beeinflussen die Ausgestaltung maßgeblich.

Abgrenzungen und Begriffsklärungen

Unternehmen vs. Unternehmung

Sprachlich wird „Unternehmen“ teils synonym mit „Unternehmung“ verwendet. Im strafrechtlichen Kontext hat sich der Ausdruck „Unternehmen“ für das in Gang Setzen einer Tat eingebürgert. Für wirtschaftliche Organisationen ist ebenfalls „Unternehmen“ üblich.

Abgrenzung zu unternehmensrechtlichen Begriffen

„Unternehmen“ im Kartell- oder Gesellschaftsrecht verfolgt andere Zwecke. Strafrechtlich steht entweder die Verantwortlichkeit für Rechtsbrüche oder die frühzeitige Abwehr schwerer Rechtsgutgefährdungen im Vordergrund. Begriffe aus dem Wirtschaftsrecht sind deshalb nur bedingt übertragbar.

Praxisrelevanz

Typische Fallkonstellationen

Im Bereich des Unternehmensdelikts sind Konstellationen relevant, in denen bereits die Umsetzung eines Plans erhebliche Gefahren erzeugt. Bei Unternehmen als Verbänden stehen Taten von Leitungspersonen, mangelhafte Aufsichtsstrukturen und unzureichende Prozesse im Mittelpunkt.

Beweis- und Zurechnungsfragen

Maßgeblich ist die Rekonstruktion, ob eine Handlung die Schwelle vom Vorbereiten zum Inangriffnehmen überschritten hat, und welche Organisationseinheiten und Entscheidungsebenen involviert waren. Dokumentation, Kommunikationswege und klare Zuständigkeiten sind für die Zurechnung zentral.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet „Unternehmen“ einer Tat im strafrechtlichen Sinn?

Es bezeichnet das strafbare Inangriffnehmen eines Delikts, das über die bloße Vorbereitung hinausgeht und eine konkrete Gefahr für das geschützte Rechtsgut schafft. Die Strafbarkeit setzt damit früher ein als bei rein vorbereitenden Handlungen und kann je nach Delikt früher oder in etwa auf der Stufe des Versuchs anknüpfen.

Worin liegt der Unterschied zwischen „Unternehmen“ und „Versuch“?

Beide knüpfen an die Nichtvollendung einer Tat an. „Versuch“ setzt klassisch ein unmittelbares Ansetzen voraus. Das „Unternehmen“ kann je nach Deliktstyp deckungsgleich sein oder den Beginn der Strafbarkeit etwas vorverlagern, wenn bereits eine konkrete Gefahr geschaffen wird. Welche Schwelle gilt, richtet sich nach dem jeweiligen Delikt.

Sind reine Vorbereitungshandlungen bereits ein „Unternehmen“?

Nein. Reine Vorbereitung bleibt grundsätzlich straflos, sofern der Gesetzgeber nicht ausnahmsweise vorbereitende Verhaltensweisen eigenständig mit Strafe belegt. Das „Unternehmen“ verlangt eine qualitative Überschreitung der bloßen Planung hin zu einer tatbezogenen Gefahrenlage.

Können Unternehmen als Organisationen selbst strafrechtlich verantwortlich sein?

Das ist abhängig von der jeweiligen Rechtsordnung. Manche Systeme kennen eine direkte strafrechtliche Verantwortlichkeit von Verbänden. Andere ordnen primär Sanktionen gegen natürliche Personen an und ermöglichen daneben eigenständige geldbezogene oder organisatorische Maßnahmen gegenüber dem Unternehmen.

Wie werden Handlungen von Mitarbeitenden einem Unternehmen zugerechnet?

Maßgeblich sind Stellung und Aufgaben der handelnden Personen, insbesondere Leitungs- und Aufsichtsfunktionen, Weisungsbefugnisse sowie Organisations- und Aufsichtspflichten. Zurechnung kann sich aus eigenem Fehlverhalten von Leitungspersonen oder aus strukturellen Defiziten ergeben.

Welche Sanktionen kommen gegenüber Unternehmen in Betracht?

Vor allem Geldsanktionen, Gewinnabschöpfung und Nebenfolgen. Dazu können Veröffentlichungen, Anordnungen zur Verbesserung von Strukturen oder in besonderen Fällen einschneidendere Maßnahmen gehören. Die konkrete Ausgestaltung variiert je nach Rechtsordnung und Schwere des Falles.

Spielt ein Rücktritt auch beim „Unternehmen“ einer Tat eine Rolle?

Ob und in welchem Umfang ein Rücktritt mit straffreier Wirkung oder Strafmilderung möglich ist, hängt vom jeweiligen Delikt und dessen Auslegung ab. Teilweise werden die allgemeinen Regeln sinngemäß herangezogen, insbesondere wenn der Täter die Gefahr beseitigt oder den Erfolg verhindert.

Gibt es internationale Einflüsse auf die Verbandsverantwortlichkeit?

Ja. Vorgaben und Empfehlungen aus internationalen Abkommen und Organisationen prägen die Ausgestaltung der Verantwortlichkeit von Unternehmen, insbesondere in Bereichen wie Korruptionsbekämpfung und Finanzdelikten. Dies führt zu Annäherungen, aber weiterhin unterschiedlichen Modellen in einzelnen Staaten.