Legal Lexikon

Unfallschutz


Begriff und rechtliche Grundlagen des Unfallschutzes

Der Begriff Unfallschutz bezeichnet im rechtlichen Kontext die Summe aller Maßnahmen und Regelungen, die der Prävention, Absicherung und Schadensbehebung bei Unfällen dienen. Im Mittelpunkt stehen dabei gesetzliche, vertragliche und organisatorische Vorkehrungen, die dem Schutz von Einzelpersonen, Arbeitnehmern und Dritten vor den Folgen von Unfällen dienen. Unfallschutz ist insbesondere im Arbeitsrecht, Sozialversicherungsrecht, Produkthaftungsrecht sowie im Straßenverkehrsrecht von zentraler Bedeutung.


Unfallschutz im Arbeits- und Sozialrecht

Gesetzliche Unfallversicherung

Die gesetzliche Unfallversicherung stellt einen wesentlichen Bestandteil des Unfallschutzes im Erwerbsleben dar. Sie ist in Deutschland im Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geregelt und sichert Arbeitnehmer, Auszubildende und bestimmte Gruppen von Ehrenamtlichen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ab.

Personenkreis

Der Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung erstreckt sich auf:

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
  • Auszubildende und Praktikanten
  • Ehrenamtlich Tätige in bestimmten Bereichen
  • Schüler und Studierende (im Rahmen schulischer Veranstaltungen)
  • Helfer bei Unglücksfällen und im Zivilschutz (z. B. Feuerwehr)

Versicherungsfälle

Zu den versicherten Ereignissen zählen:

  • Arbeitsunfälle: Unfälle, die infolge einer versicherten Tätigkeit eintreten (§ 8 SGB VII)
  • Wegeunfälle: Unfälle auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeitsstelle
  • Berufskrankheiten: Erkrankungen, die durch die berufliche Tätigkeit verursacht oder begünstigt werden (§ 9 SGB VII)

Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung

Der Umfang der Leistungen umfasst unter anderem:

  • Heilbehandlung und medizinische Rehabilitation
  • Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
  • Verletztengeld und Übergangsgeld
  • Rentenleistungen bei Erwerbsminderung oder Todesfall

Pflichten des Arbeitgebers

Arbeitgebende sind verpflichtet, ihre Beschäftigten bei der zuständigen Berufsgenossenschaft zu melden und für die Zahlung der Beiträge aufzukommen. Weiterhin obliegt ihnen die Umsetzung von Maßnahmen zur Unfallverhütung gemäß dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), der DGUV Vorschriften und der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV).


Unfallschutz im Zivilrecht

Haftungsrechtliche Aspekte

Der Unfallschutz im Privatrecht umfasst insbesondere Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 823 BGB (deliktische Haftung) oder auf vertraglicher Grundlage (z. B. aus einem Dienstvertrag). Haftet eine Person für die Verletzung von Schutzpflichten, besteht eine Verpflichtung zum Ersatz des entstandenen Schadens.

Produkthaftung

Nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) haben Hersteller für Schäden einzustehen, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden. Dies stellt einen wichtigen Aspekt des Unfallschutzes für Verbraucher dar.


Unfallschutz im Straßenverkehrsrecht

Versicherungspflicht

Im Straßenverkehrsrecht stellt die Haftpflichtversicherung einen wesentlichen Pfeiler des Unfallschutzes dar. Sie leistet für Schäden, die durch den Gebrauch eines Fahrzeugs an Dritten verursacht werden (§ 1 PflVG, Pflichtversicherungsgesetz).

Verhalten bei Unfällen

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt das Verhalten bei Verkehrsunfällen, insbesondere Meldepflichten, Sicherung der Unfallstelle und Erste Hilfe (§ 34 StVO). Verstöße können zivilrechtliche, ordnungswidrigkeitenrechtliche oder strafrechtliche Folgen haben.


Präventiver Unfallschutz

Technische und organisatorische Maßnahmen

Unfallschutz umfasst auch präventive Maßnahmen, die auf technische Einrichtungen oder organisatorische Vorkehrungen abzielen. Dazu zählen etwa Schutzvorrichtungen an Maschinen, Sicherheitsunterweisungen, betriebliche Unfallverhütungsvorschriften, und das betriebliche Gesundheitsmanagement.

Unfallverhütungsvorschriften

Die Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) erlässt Vorschriften zur Unfallverhütung in Unternehmen, die für Arbeitgebende und Versicherte verbindlich sind. Deren Einhaltung wird von den Berufsgenossenschaften überwacht.


Unfallschutz im internationalen Recht

Der Unfallschutz ist in internationalen Abkommen ebenfalls verankert, etwa durch die Richtlinien der Europäischen Union zum Arbeitsschutz (z. B. Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG) oder die Vorschriften der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Nationale Gesetzgebungen setzen diese Vorgaben um und entwickeln sie eigenständig weiter.


Rechtsschutz und Durchsetzung von Ansprüchen

Im Falle eines Unfalls stehen den Betroffenen verschiedene Wege zur Durchsetzung ihrer Ansprüche offen. Die Verfahren richten sich je nach Rechtsgebiet nach den jeweiligen Verfahrensordnungen, etwa dem Sozialgesetzbuch, dem Zivilprozessrecht (ZPO) oder gegebenenfalls dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).


Zusammenfassung

Der Unfallschutz ist ein umfassendes Rechtsgebiet, das präventive und reaktive Maßnahmen zur Minimierung und Bewältigung der Unfallfolgen umfasst. Seine Regelungsbereiche reichen von der gesetzlichen Unfallversicherung über die private und produkthaftungsrechtliche Absicherung bis hin zu spezifischen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts und internationalen Standards. Ziel des Unfallschutzes ist der umfassende Schutz von Leben und Gesundheit in allen Lebensbereichen sowie die Unterstützung und Absicherung der von Unfällen betroffenen Personen.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung?

Ein gesetzlicher Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung besteht immer dann, wenn sich ein Versicherungsfall im Sinne der §§ 7 ff. SGB VII ereignet hat. Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine versicherte Person einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit erleidet. Voraussetzung hierfür ist, dass das schädigende Ereignis im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit steht, also einen sogenannten inneren Zusammenhang mit der versicherten Beschäftigung aufweist. Ein Arbeitsunfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Dazu zählen auch Unfälle auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeitsstätte (Wegeunfälle), sofern keine eigenwirtschaftlichen Unterbrechungen oder Umwege vorgenommen wurden. Die gesetzliche Unfallversicherung tritt jedoch nicht ein, wenn der Unfall im privaten Bereich stattgefunden hat oder wenn ein vorsätzliches Herbeiführen des Unfalls nachgewiesen wird. Zudem ist der Versicherungsschutz nicht bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Unfalls ausgeschlossen, wohl aber können die Leistungen gekürzt werden (§ 110 SGB VII). Im Falle eines Arbeitsunfalls muss der Arbeitgeber den Unfall unverzüglich anzeigen, damit die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse tätig werden kann.

Welche Ansprüche haben Versicherte nach einem Arbeitsunfall?

Nach einem Arbeitsunfall haben Versicherte umfassende Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung. Zentrale Leistungen sind zunächst die Heilbehandlung und medizinische Rehabilitation (§§ 26-42 SGB VII), um die Gesundheit und Arbeitskraft schnellstmöglich wiederherzustellen. Hierzu zählen ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, chirurgische Eingriffe, sowie stationäre und ambulante Rehabilitationsmaßnahmen. Darüber hinaus werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt, wie Umschulungen, Weiterbildungen oder technische Hilfen am Arbeitsplatz. Wird die Arbeitsfähigkeit vorübergehend, aber für mehr als drei Tage eingeschränkt, besteht Anspruch auf Verletztengeld (§§ 45 ff. SGB VII) als Ersatz für das Einkommen. Bleibt als Folge des Unfalls eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 Prozent bestehen, besteht überdies Anspruch auf eine Verletztenrente (§ 56 SGB VII). Im Todesfall des Versicherten stehen Hinterbliebenen Leistungen zu, wie beispielsweise eine Witwen-, Witwer- oder Waisenrente (§§ 63-71 SGB VII) sowie Sterbegeld und Überführungskosten (§ 64 SGB VII). Zusätzlich besteht ein Anspruch auf Pflegeleistungen, sofern infolge des Arbeitsunfalls Pflegebedürftigkeit eintritt (§ 44 SGB VII).

Welche Mitwirkungspflichten treffen den Versicherten gegenüber der Unfallversicherung?

Mitglieder der gesetzlichen Unfallversicherung haben nach § 66 SGB I und gemäß den §§ 61 ff. SGB I zahlreiche Mitwirkungspflichten. Der Versicherte ist verpflichtet, den Unfall unverzüglich dem Arbeitgeber zu melden, damit eine Anzeige bei der Berufsgenossenschaft erfolgen kann (§ 193 SGB VII). Während des Leistungsverfahrens müssen alle relevanten Auskünfte vollständig und wahrheitsgemäß erteilt werden. Dazu zählt insbesondere die Mitwirkung an ärztlichen Untersuchungen und die Einhaltung ärztlicher Anordnungen; andernfalls können Leistungen ganz oder teilweise versagt werden. Kommt der Versicherte einer Aufforderung zur Mitwirkung, z. B. bei der Vorlage von Nachweisen oder dem Wahrnehmen von Untersuchungsterminen, schuldhaft nicht nach und ist die Aufklärung des Sachverhalts dadurch erheblich erschwert, kann die Unfallversicherung nach vorheriger Mahnung die Leistung ganz oder teilweise entziehen, bis die Mitwirkung nachgeholt wird (§ 66 SGB I).

Wann besteht Unfallversicherungsschutz im Homeoffice?

Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz im Homeoffice (häusliches Arbeitszimmer) erstreckt sich grundsätzlich auf alle Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit der versicherten Arbeit stehen und von zu Hause aus im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erbracht werden. Maßgeblich ist, dass die Tätigkeit „wie am Arbeitsplatz“ ausgeübt wird und dem Auftrag des Arbeitgebers entspricht. Tätigkeiten zur persönlichen Lebensführung oder eigenwirtschaftliche Tätigkeiten (z.B. Gang zur Küche, zur Toilette oder der Weg zum Briefkasten wegen privater Post) sind regelmäßig nicht versichert. Ein Unfall auf dem direkten Weg vom häuslichen Arbeitszimmer zur Toilette ist jedoch nach neuster Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 8. Dezember 2021, B 2 U 4/21 R) versichert, wenn der Weg ausschließlich im Interesse der Aufrechterhaltung der Arbeitskraft zurückgelegt wurde. Entscheidend bleibt stets, ob die Handlungstendenz bei der versicherten Tätigkeit lag; der Einzelfall ist daher differenziert zu beurteilen.

Welche Fristen gelten für die Geltendmachung von Ansprüchen nach einem Unfall?

Für die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung gelten verschiedene Anzeigepflichten und Fristen. Ein Arbeitsunfall muss vom Arbeitgeber spätestens am dritten Tag nach Kenntnis bei der Unfallversicherung gemeldet werden (§ 193 SGB VII). Für die Versicherten gibt es keine feste Ausschlussfrist, dennoch sollte eine möglichst zeitnahe Meldung erfolgen, um Beweisprobleme zu vermeiden. Ansprüche auf Leistungen wie Verletztengeld, Rente oder Heilbehandlung verjähren grundsätzlich nach vier Jahren ab Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 45 SGB I). Bei vorsätzlicher Schädigung kann die Verjährungsfrist bis zu 30 Jahren betragen. Versäumt es der Versicherte, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen, können diese verfallen und ein Zugang zu den Leistungen dauerhaft ausgeschlossen sein. Daher ist eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit der Unfallversicherung dringend anzuraten.

Was ist bei Unfällen auf dem Arbeitsweg (Wegeunfällen) rechtlich zu beachten?

Bei Wegeunfällen greift der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung für alle unmittelbaren Wege zu und von der Arbeitsstätte (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Ein Wegeunfall liegt nur dann vor, wenn der Versicherte den kürzesten, verkehrsüblichen Weg zwischen der Wohnung und der regulären Arbeitsstelle nutzt. Abweichungen und Unterbrechungen, etwa für private Erledigungen oder Umwege aus nicht beruflichen Gründen, sind grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen. Allerdings bleibt ein Mindestschutz bestehen, wenn es sich um sogenannte geringfügige Unterbrechungen (z.B. Tanken auf dem Weg) oder Umwege im Sinne des Straßenverkehrsrechts (z.B. Stauumfahrung) handelt. Sobald eigenwirtschaftliche Tätigkeiten im Vordergrund stehen, entfällt der Unfallversicherungsschutz für die Dauer dieser Unterbrechung. Die Beweislast für das Vorliegen des versicherten Weges liegt beim Versicherten, weshalb eine detaillierte Schilderung des Unfallhergangs notwendig ist.

Können auch Selbstständige und Unternehmer in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen werden?

Selbstständige und Unternehmer sind nicht automatisch kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Sie müssen entweder auf Grund besonderer Vorschriften in bestimmten Branchen pflichtversichert sein (z.B. in der Bauwirtschaft nach der Bau-Berufsgenossenschaft) oder sich auf freiwilliger Basis versichern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII). In vielen Fällen ist die freiwillige Versicherung allerdings an bestimmte Bedingungen und formelle Antragsvoraussetzungen geknüpft. Die Beiträge berechnen sich nach dem Gegenstand der sozialen Sicherung, dem Gewerbezweig und der Versicherungssumme. Die Leistungen entsprechen denjenigen, die auch Pflichtversicherten zustehen – insbesondere Heilbehandlung, Verletztengeld und Rentenleistungen. Wichtig für Unternehmer ist die rechtzeitige Anmeldung zur Unfallversicherung, da sonst im Schadensfall kein Schutz besteht; eine rückwirkende Absicherung ist ausgeschlossen.