Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Uneidliche falsche Aussage

Uneidliche falsche Aussage


Uneidliche falsche Aussage

Die uneidliche falsche Aussage ist ein Straftatbestand des deutschen Strafrechts, der im Zusammenhang mit der Wahrheitspflicht vor staatlichen Gerichten steht. Sie erfasst das vorsätzliche Abgeben einer objektiv unwahren Aussage ohne Vereidigung vor einem Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Aussagen befugten Stelle. Die uneidliche falsche Aussage kommt insbesondere im Rahmen von Zeugenaussagen, aber auch in anderen Konstellationen, etwa als Sachverständiger, in Betracht. Die Regelungen hierzu finden sich in den §§ 153 bis 156 Strafgesetzbuch (StGB).


Definition und Rechtsnatur

Die uneidliche falsche Aussage ist als eigenständiges Delikt neben der falschen Eidesleistung ausgestaltet. Ihr liegt das Schutzgut der Rechtspflege zugrunde. Rechtswidrige Falschaussagen können das Vertrauen in gerichtliche Verfahren nachhaltig beeinträchtigen und die Wahrheitsfindung erschweren oder unmöglich machen.

Wortlaut des § 153 StGB:

„Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“


Tatbestandsvoraussetzungen

Tatsubjekt

Tatbeteiligte können ausschließlich Zeugen und Sachverständige sein. Angeklagte sowie Parteivertreter gelten nicht als taugliche Täter, da sie von der Wahrheitspflicht – außer als Zeuge – ausgenommen sind.

Tatobjekt

Tatobjekt ist die uneidliche Aussage. Die Aussage muss im Kontext einer förmlichen Vernehmung vor einem Gericht oder einer zur Vereidigung befugten Stelle erfolgen.

Tathandlung: Falsche Aussage

Die Handlung besteht in der objektiv falschen Darstellung von Tatsachen als Zeuge oder Sachverständiger. Die Aussage gilt als falsch, wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit steht. Die Bewertung der Wahrheit oder Unwahrheit erfolgt objektiv. Maßgeblich ist stets die gedankliche Mitteilung des Zeugen, nicht hingegen dessen subjektives Empfinden.

Subjektiver Tatbestand

Voraussetzung ist Vorsatz, das heißt, der Täter muss um die Unrichtigkeit seiner Angaben wissen und diese dennoch äußern wollen. Fahrlässige Falschaussagen sind nicht vom Straftatbestand erfasst, werden jedoch gesondert geregelt (§ 161 StGB).


Tathandlung und Abgrenzungen

Abgrenzung zur Eidlichen Falschaussage (§ 154 StGB)

Wird die falsche Aussage unter Eid abgegeben, handelt es sich um einen besonders schweren Fall der Falschaussage und fällt unter § 154 StGB, der mit einer höheren Strafandrohung verbunden ist.

Abgrenzung zum Meineid (§ 154 StGB)

Der Unterschied besteht darin, dass bei der uneidlichen Aussage kein Eid abgelegt wird. Der Meineid ist damit eine qualifizierte Form der Falschaussage und zieht regelmäßig höhere Strafmaße nach sich.

Abgrenzung zur fahrlässigen Falschaussage (§ 161 StGB)

Fahrlässiges Handeln wird nur bestraft, wenn dies explizit gesetzlich normiert ist. Die fahrlässige Falschaussage vor Gericht kann nach § 161 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe sanktioniert werden.


Strafmaß und Strafzumessung

Für die uneidliche falsche Aussage sieht § 153 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Die Strafzumessung bemisst sich insbesondere nach dem Gewicht und den Auswirkungen der Falschaussage auf das Verfahren.

Milderung nach § 157 StGB

Das Gericht kann die Strafe nach eigenem Ermessen mildern oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar absehen, wenn der Täter die Falschaussage rechtzeitig, das heißt vor Abschluss des Verfahrens, berichtigt.


Versuch und Rücktritt

Auch der Versuch einer uneidlichen falschen Aussage ist gemäß § 159 StGB strafbar. Ein Rücktritt ist möglich, sofern die Berichtigung rechtzeitig erfolgt, bevor die falsche Aussage Einfluss auf das Verfahren nimmt und noch nicht entdeckt wurde.


Verfahren und Zuständigkeiten

Die Ermittlungen im Rahmen uneidlicher falscher Aussagen werden häufig von Staatsanwaltschaften aufgenommen, insbesondere wenn Gerichte den Verdacht entsprechend anzeigen. Das Verfahren folgt den allgemeinen Regeln der Strafprozessordnung.


Rechte und Belehrungspflichten

Bevor eine Aussage erfolgt, müssen Zeugen über ihre Wahrheitspflicht belehrt werden. Ein Verstoß gegen die Belehrungspflichten kann im Einzelfall zu Verfahrenshindernissen führen oder die Verwertbarkeit der Aussage infrage stellen.

Aussageverweigerungsrechte

Zeugen können unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen die Aussage verweigern, etwa um sich nicht selbst oder Angehörige zu belasten (§ 52 StPO). In solchen Fällen entfällt die Strafbarkeit für eine nicht erfolgte Aussage oder eine Falschaussage nicht ohne Weiteres.


Relevanz und typische Anwendungsfälle

Die uneidliche falsche Aussage hat insbesondere im Zivil- und Strafprozess erhebliche Bedeutung, da sie die Integrität der gerichtlichen Wahrheitsfindung schützt. Häufige Anwendungsfälle ergeben sich im Kontext von Zeugenaussagen, Sachverständigenaussagen und selten auch in Verwaltungs- oder Disziplinarverfahren mit Aussagepflicht.


Verfassungsrechtliche Aspekte und europarechtlicher Rahmen

Der Straftatbestand der uneidlichen falschen Aussage ist in seiner Ausgestaltung verfassungsgemäß, da das staatliche Interesse an der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege gegen individuelle Aussageinteressen abgewogen wird. Auf europäischer Ebene existieren keine vollständig harmonisierten Regelungen, allerdings ist das Prinzip der Wahrheitspflicht auch in vielen anderen europäischen Rechtsordnungen anerkannt.


Literaturnachweise und weiterführende Regelungen

  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere §§ 153-161
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur uneidlichen falschen Aussage
  • Kommentarliteratur: Münchener Kommentar zum StGB, Fischer, Beck-OK StGB

Zusammenfassung

Die uneidliche falsche Aussage im deutschen Recht stellt einen wichtigen Straftatbestand zum Schutz des Gerichtsverfahrens und der Wahrheitsfindung dar. Sie erfasst sämtliche vorsätzlich unwahren Aussagen von Zeugen und Sachverständigen vor zuständigen Behörden. Die gesetzlichen Regelungen umfassen Voraussetzungen, Strafrahmen, mögliche Strafmilderungen sowie spezielle Abgrenzungen zu verwandten Delikten wie dem Meineid. Die konsequente Verfolgung uneidlicher Falschaussagen dient der Integrität und Funktionsfähigkeit der staatlichen Rechtspflege.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei einer uneidlichen falschen Aussage?

Bei einer uneidlichen falschen Aussage nach § 153 StGB kann eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren verhängt werden. Die Strafandrohung ist geringer als bei einer falschen Aussage unter Eid (§ 154 StGB), aber dennoch von erheblicher Bedeutung, da der Gesetzgeber auch die uneidliche Falschaussage als erhebliche Beeinträchtigung der Rechtspflege wertet. Für minder schwere Fälle kann das Gericht die Strafe auch auf eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten oder auf eine Geldstrafe mildern. Zu beachten ist hierbei, dass ein minderschwerer Fall meist nur dann angenommen wird, wenn mildernde Umstände wie eine besonders geringe Bedeutung der Falschaussage oder eine außergewöhnliche Belastungssituation des Täters vorliegen.

In welchen Verfahren kann eine uneidliche falsche Aussage strafbar sein?

Die uneidliche falsche Aussage ist strafbar, wenn sie im Rahmen einer richterlichen Vernehmung abgegeben wird. Dazu gehören insbesondere Aussagen als Zeuge, Sachverständiger oder Partei im Zivilprozess vor Gericht. Nicht alle Vernehmungen fallen darunter: Aussagen vor der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder anderen Ermittlungsbehörden, aber nicht vor Gericht, sind hiervon grundsätzlich nicht erfasst. Entscheidend ist also, dass die Falschaussage in einem förmlichen (zumeist mündlichen) Verfahren vor einem Gericht gemacht wurde, unabhängig davon, ob es sich um ein Strafverfahren, Zivilverfahren oder andere gerichtliche Verhandlungen handelt.

Ist auch das Verschweigen von Tatsachen strafbar?

Ja, unter bestimmten Voraussetzungen kann auch das bewusste Verschweigen von Tatsachen als uneidliche falsche Aussage gelten. Voraussetzung ist, dass das Verschweigen einem aktiven Lügen gleichkommt, etwa weil ausdrücklich die Aufforderung bestand, alle relevanten Tatsachen zu benennen, oder aus den Umständen klar hervorging, dass vom Zeugen vollständige Auskünfte erwartet wurden. Das sogenannte „Berufen auf Erinnerungslücken“, also das Vortäuschen, sich an etwas nicht erinnern zu können, kann ebenfalls als uneidliche Falschaussage gewertet werden, wenn es nachweislich nicht der Wahrheit entspricht und zur Irreführung des Gerichts dient.

Welche Rolle spielt der Vorsatz bei der uneidlichen falschen Aussage?

Die uneidliche falsche Aussage ist ein Vorsatzdelikt, das heißt, der Täter muss wissentlich und willentlich eine falsche Angabe vor Gericht machen. Fahrlässige Falschaussagen, das heißt Aussagen, die versehentlich oder aus Nachlässigkeit gemacht wurden, erfüllen den Straftatbestand nicht. Der Vorsatz muss sich darauf beziehen, dass die Aussage unrichtig oder unvollständig ist und dass diese in einem gerichtlichen Verfahren gemacht wird. Darüber hinaus muss der Täter auch wissen, dass seine Aussage für die gerichtliche Entscheidungsfindung von Bedeutung ist.

Gibt es Möglichkeiten, straffrei zu bleiben, wenn man die falsche Aussage rechtzeitig berichtigt?

§ 158 StGB regelt die tätige Reue bei uneidlicher Falschaussage. Demnach bleibt der Täter unter bestimmten Voraussetzungen straffrei, wenn er seine falsche Aussage rechtzeitig berichtigt. Eine Berichtigung ist dann rechtzeitig, wenn sie erfolgt, bevor das Verfahren, in dem die Aussage gemacht wurde, noch nicht abgeschlossen ist und bevor das Gericht oder die Staatsanwaltschaft von der Unwahrheit anderweitig Kenntnis erlangt hat. Die Berichtigung muss ausdrücklich und eindeutig geschehen, sodass keine Zweifel darüber bestehen, dass die bisherige Aussage falsch war und richtiggestellt wurde.

Können auch Sachverständige oder Parteien im Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage belangt werden?

Ja, der Straftatbestand der uneidlichen Falschaussage nach § 153 StGB erfasst nicht nur Zeugen, sondern auch Parteien, Sachverständige und andere Beteiligte, wenn sie im Rahmen einer richterlichen Vernehmung aussagen. Damit sollen sämtliche Verfahrensbeteiligte, die auf die Feststellungen des Gerichts Einfluss nehmen können, im Sinne einer wahrheitsgemäßen Aussagepflicht erfasst werden. Auch ihre Aussagen müssen der Wahrheit entsprechen, andernfalls machen sie sich strafbar.

Welche Auswirkungen hat eine uneidliche Falschaussage auf das betreffende Gerichtsverfahren?

Eine uneidliche Falschaussage kann das betreffende Gerichtsverfahren erheblich beeinflussen, indem sie die Entscheidungsfindung des Gerichts verfälscht und eine gerechte Urteilsfindung verhindert. Erkennt das Gericht während des Verfahrens die Falschaussage, so kann dies zur Nichtverwertbarkeit der Aussage oder sogar zu einer Aussetzung oder Wiederaufnahme des Verfahrens führen. Zudem verpflichtet die Feststellung einer Falschaussage die Justiz regelmäßig zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen uneidlicher Falschaussage, unabhängig vom Ausgang des zugrundeliegenden Verfahrens.