Uneidliche falsche Aussage: Bedeutung, Einordnung und Grundlagen
Die uneidliche falsche Aussage bezeichnet das bewusste Abweichen von der Wahrheit durch eine zur Aussage berufene Person vor einem Gericht oder einer anderen Stelle, die zur Abnahme von Eiden befugt ist, ohne dass zuvor ein Eid geleistet wurde. Geschützt wird die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege: Gerichte und vergleichbare Einrichtungen sollen auf zutreffende Informationen vertrauen können, um sachgerechte Entscheidungen zu treffen.
Schutzrichtung und gesellschaftliche Relevanz
Die Vorschriften zur uneidlichen falschen Aussage sichern die Wahrheitsfindung in gerichtlichen und quasi-gerichtlichen Verfahren. Verfahrensentscheidungen basieren maßgeblich auf Zeugenaussagen und Gutachten. Unwahre Angaben gefährden die materielle Gerechtigkeit, belasten Ressourcen und können zu Fehlentscheidungen führen.
Tatbestandliche Voraussetzungen
Wer kann Täter sein?
Adressaten der Strafnorm sind vor allem Zeugen und gerichtlich herangezogene Sachverständige. Nicht erfasst ist die beschuldigte Person in einem Strafverfahren: Sie ist nicht verpflichtet, zu ihrer eigenen Überführung beizutragen. Angehörige sowie bestimmte Berufsgeheimnisträger können unter Voraussetzungen zur Aussageverweigerung berechtigt sein; wird ein solches Recht rechtmäßig ausgeübt, entfällt eine Strafbarkeit wegen uneidlicher falscher Aussage.
Wo und in welchem Rahmen gelten die Regeln?
Die uneidliche falsche Aussage setzt eine Vernehmung vor einem Gericht oder einer anderen Stelle voraus, die rechtlich befugt ist, Eide abzunehmen. Dazu zählen etwa Gerichte aller Gerichtsbarkeiten sowie bestimmte Untersuchungsausschüsse. Reine polizeiliche Befragungen oder informelle Gespräche fallen regelmäßig nicht darunter.
Was ist eine „Aussage“?
Eine Aussage ist eine zur Sache gemachte Erklärung im Rahmen einer Vernehmung. Erfasst sind mündliche Angaben, aber auch die bestätigende Übernahme früherer Erklärungen. Nicht jede unpräzise Formulierung ist bereits eine relevante Aussage; entscheidend ist, ob inhaltlich aufklärungsrelevante Tatsachen mitgeteilt werden.
Wann ist eine Aussage „falsch“?
Falsch ist eine Aussage, wenn ihr Inhalt nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Dazu können auch entstellende Halbwahrheiten zählen, wenn wesentliche Umstände gezielt ausgelassen werden und dadurch ein unzutreffendes Gesamtbild entsteht. Reine Irrtümer, Versehen oder Erinnerungslücken ohne Bewusstsein der Unwahrheit erfüllen den Tatbestand nicht.
Inneres Tatmerkmal: Wissentliches Handeln
Vorausgesetzt ist, dass die Aussage mit Bewusstsein der Unrichtigkeit oder zumindest in billigender Inkaufnahme der Unwahrheit erfolgt. Fahrlässige Falschangaben reichen nicht aus. Wer ernsthaft unsicher ist, darf diese Unsicherheit nicht als Gewissheit darstellen.
Vollendung und Versuch
Die Tat ist vollendet, sobald die falsche Angabe im Rahmen der Vernehmung gemacht ist. Auch ein Versuch kann rechtlich erfasst sein, etwa wenn die falsche Aussage unmittelbar bevorsteht, aber noch nicht vollständig abgegeben wurde.
Abgrenzungen und verwandte Delikte
Abgrenzung zum Meineid
Der Meineid betrifft falsche Aussagen unter Eid. Er wird als schwerer angesehen, weil der zusätzliche Schutz des Eides verletzt wird. Die uneidliche falsche Aussage liegt demgegenüber ohne Eid vor.
Falsche Versicherung an Eides statt
Davon zu unterscheiden ist die falsche Versicherung an Eides statt. Sie betrifft schriftliche oder mündliche Erklärungen, die ausdrücklich „an Eides statt“ abgegeben werden und außerhalb klassischer Zeugen- oder Sachverständigenvernehmungen stehen können.
Falsche Verdächtigung und Strafvereitelung
Die falsche Verdächtigung zielt auf die Herbeiführung eines Verfahrens gegen eine andere Person durch bewusst unwahre Behauptungen. Die Strafvereitelung betrifft die Beeinflussung eines laufenden Verfahrens in Richtung des Entgehens einer Bestrafung. Beide Tatbestände haben andere Schutzrichtungen als die uneidliche falsche Aussage.
Falsche Übersetzung
Für Dolmetscher und Übersetzer bestehen gesonderte Regelungen zur unrichtigen Übertragung von Aussagen. Diese sind eigenständige Delikte und nicht Teil der uneidlichen falschen Aussage.
Anstiftung und Beihilfe
Wer eine andere Person vorsätzlich zur uneidlichen falschen Aussage bestimmt oder sie dabei unterstützt, kann für Teilnahmehandlungen verantwortlich sein. Maßgeblich ist die zielgerichtete Einflussnahme auf die falsche Angabe oder die bewusste Förderung der Tat.
Rechtsfolgen
Strafrahmen
Die uneidliche falsche Aussage ist mit Freiheitsstrafe bedroht. Der Gesetzgeber bewertet diese Tat grundsätzlich als so gravierend, dass regelmäßig keine bloße Geldstrafe vorgesehen ist. Die konkrete Höhe richtet sich nach der Schwere des Einzelfalls.
Strafzumessungskriterien
Für die Strafhöhe bedeutsam sind insbesondere Bedeutung und Tragweite der Falschangabe, deren Auswirkungen auf das Verfahren, die Beweggründe, die Hartnäckigkeit der Falschaussage, etwaige Vorbelastungen sowie das Verhalten nach der Tat.
Berichtigung und besondere Milderungsgründe
Eine rechtzeitige und vollständige Richtigstellung kann sich unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen strafmildernd auswirken oder zu besonderen Rechtsfolgen führen. Eine späte Korrektur nach Abschluss wesentlicher Entscheidungsphasen wirkt demgegenüber regelmäßig weniger stark.
Nebenfolgen
Neben der eigentlichen Strafe können berufsrechtliche, beamtenrechtliche oder disziplinarische Konsequenzen in Betracht kommen. Auch die persönliche Glaubwürdigkeit kann nachhaltig beeinträchtigt werden.
Prozessuale Aspekte
Aussagepflicht und Aussageverweigerungsrechte
Ob eine Person aussagen muss, ergibt sich aus dem jeweiligen Verfahrensrecht. Es bestehen gesetzlich geregelte Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte. Werden diese legitimen Rechte ausgeübt, liegt gerade keine falsche Aussage vor, sondern die zulässige Verweigerung.
Beweiswürdigung und Feststellung der Unwahrheit
Die Feststellung einer uneidlichen falschen Aussage setzt voraus, dass die Unrichtigkeit der Angabe und das bewusste Handeln tragfähig belegt werden. Widersprüche, bloße Ungenauigkeiten oder Erinnerungslücken genügen hierfür nicht ohne weiteres. Die Bewertung erfolgt im Einzelfall anhand aller relevanten Beweismittel.
Zusammenfassung
Die uneidliche falsche Aussage erfasst bewusste Unwahrheiten von Zeugen und Sachverständigen vor Gerichten und bestimmten befugten Stellen ohne Eidesleistung. Sie schützt die Wahrheitsfindung und ist mit Freiheitsstrafe bedroht. Erforderlich ist ein vorsätzliches Handeln; fahrlässige Irrtümer genügen nicht. Abgrenzungen bestehen unter anderem zum Meineid, zur falschen Versicherung an Eides statt sowie zu Delikten wie falscher Verdächtigung. Eine rechtzeitige Berichtigung kann rechtliche Bedeutung für die Folgen haben.
Häufig gestellte Fragen
Wer kann sich wegen uneidlicher falscher Aussage strafbar machen?
Vor allem Zeugen und gerichtlich herangezogene Sachverständige. Die beschuldigte Person in einem Strafverfahren ist nicht erfasst. Wer über ein gesetzliches Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht verfügt und dieses rechtmäßig ausübt, begeht keine uneidliche falsche Aussage.
Gilt das auch bei polizeilichen Befragungen?
Die uneidliche falsche Aussage setzt eine Vernehmung vor einem Gericht oder einer befugten Stelle voraus. Reine polizeiliche Vernehmungen fallen in der Regel nicht darunter. Andere Delikte können jedoch unabhängig davon einschlägig sein, wenn unwahre Angaben gezielt auf eine Belastung Dritter oder die Vereitelung von Verfahren gerichtet sind.
Wann ist eine Aussage rechtlich „falsch“?
Rechtlich falsch ist eine Aussage, wenn sie der Wirklichkeit widerspricht. Dazu können auch entstellende Halbwahrheiten gehören, wenn wesentliche Umstände gezielt weggelassen werden. Unbewusste Irrtümer oder echte Erinnerungslücken ohne Bewusstsein der Unrichtigkeit sind nicht ausreichend.
Ist auch der Versuch strafbar?
Ja, auch der Versuch kann erfasst sein, wenn die falsche Aussage unmittelbar bevorsteht und die Tatbestandsverwirklichung bereits angesetzt wurde.
Welche Strafen drohen bei uneidlicher falscher Aussage?
Vorgesehen ist Freiheitsstrafe. Die konkrete Höhe richtet sich nach dem Einzelfall, insbesondere nach Bedeutung, Auswirkungen und Beweggründen der Falschangabe sowie dem Verhalten nach der Tat.
Gibt es Möglichkeiten der Strafmilderung bei einer Korrektur?
Eine rechtzeitige und vollständige Berichtigung kann unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen strafmildernd berücksichtigt werden oder besondere Rechtsfolgen auslösen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt und die Vollständigkeit der Korrektur im Verhältnis zum Verfahrensfortgang.
Worin liegt der Unterschied zum Meineid?
Der Meineid betrifft falsche Aussagen unter Eid und ist wegen der Verletzung des Eides schwerer gewichtet. Die uneidliche falsche Aussage liegt bei unvereidigter Falschaussage vor.
Unterscheidet sich das von einer falschen Versicherung an Eides statt?
Ja. Die falsche Versicherung an Eides statt betrifft Erklärungen, die ausdrücklich „an Eides statt“ abgegeben werden, häufig in schriftlicher Form und außerhalb einer Zeugen- oder Sachverständigenvernehmung. Sie ist ein eigenständiger Tatbestand.