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Übergang einer Forderung


Übergang einer Forderung

Der Übergang einer Forderung ist ein zentrales rechtliches Konzept im Schuldrecht und bezeichnet die Übertragung eines bestehenden Forderungsrechts von einer Person (dem bisherigen Gläubiger) auf eine andere Person (den neuen Gläubiger). Der Forderungsübergang spielt vor allem im Rahmen von Abtretungen, gesetzlichen Übergängen von Forderungen sowie im Insolvenzverfahren eine bedeutende Rolle. Im Folgenden werden Definition, gesetzliche Grundlagen, Formen des Forderungsübergangs, rechtliche Wirkungen sowie praxisrelevante Besonderheiten detailliert erläutert.


Definition und Grundprinzipien

Der Übergang einer Forderung ist der Wechsel der Berechtigung an einem Forderungsrecht. Das heißt, dass eine Forderung – also der Anspruch, von einem Schuldner eine bestimmte Leistung verlangen zu können – auf einen neuen Gläubiger übertragen wird. Die rechtliche Befugnis, die mit der Forderung verbundenen Rechte auszuüben, geht dabei auf die übernehmende Person über.


Gesetzliche Grundlagen

In Deutschland ist der Forderungsübergang insbesondere in den §§ 398 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Dort finden sich die Vorschriften zur Abtretung (Zession), die als häufigster Fall des freiwilligen Forderungsübergangs gilt. Neben der vertraglichen Abtretung existieren zahlreiche gesetzliche Bestimmungen, die einen Forderungsübergang kraft Gesetzes vorsehen.


Abtretung (§§ 398 ff. BGB)

Bei der Abtretung erklärt der bisherige Gläubiger gegenüber dem neuen Gläubiger, dass er die Forderung an diesen abtritt. Die Abtretung ist grundsätzlich formfrei möglich, sofern nicht für die zugrunde liegende Forderung gesetzlich eine besondere Form (z. B. Schriftform) vorgeschrieben ist.

Wichtige Merkmale der Abtretung:

  • Verfügungsvertrag: Die Übertragung der Forderung erfolgt durch einen eigenständigen Vertrag zwischen bisherigem und neuem Gläubiger.
  • Forderungsinhalt: Der Inhalt der abgetretenen Forderung bleibt grundsätzlich unverändert.
  • Zubehör und Nebenrechte: Mit der Forderung gehen auch Nebenrechte (z. B. Pfandrechte, Sicherungsrechte) über, sofern sie für die Forderung bestehen (§ 401 BGB).
  • Mitteilung an den Schuldner: Die Wirksamkeit der Abtretung ist grundsätzlich nicht von der Mitteilung an den Schuldner abhängig; sie wirkt aber erst gegen den Schuldner, wenn dieser von der Abtretung erfährt (§ 409 BGB).

Gesetzlicher Forderungsübergang

In bestimmten Fällen sieht das Gesetz einen automatischen Forderungsübergang vor, ohne dass eine Willenserklärung der beteiligten Parteien notwendig ist. Typische Anwendungsbereiche sind:

  • § 426 BGB (Gesamtschuldnerausgleich): Geht eine Forderung, die gegen mehrere Schuldner besteht, auf einen Gesamtschuldner über, nachdem dieser die Verbindlichkeit ausgeglichen hat.
  • § 774 BGB (Übergang auf Bürgen): Nach Zahlung des Bürgen gegenüber dem Gläubiger geht die Forderung gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen über.
  • § 1169 BGB (Übergang von Forderungen auf Erben): Durch Erbfall gehen sämtliche Forderungen des Erblassers auf den Erben über.
  • § 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Versicherer geht nach Schadensregulierung gegen Schädiger vor (Legalzession).

Forderungsübergang in der Insolvenz

Im Insolvenzverfahren kann ein Forderungsübergang dadurch erfolgen, dass der Insolvenzverwalter Forderungen des Schuldners einzieht oder abtritt. Forderungen können auch im Rahmen der Masseverwertung (z. B. Forderungsverkauf) auf andere übergehen.


Voraussetzungen für den Übergang einer Forderung

Der Forderungsübergang setzt grundsätzlich die Übertragbarkeit der Forderung voraus. Bestimmte Forderungen sind kraft Gesetzes nicht oder nur eingeschränkt übertragbar:

  • Unübertragbarkeit kraft Gesetzes: Manche Forderungen dürfen nicht übertragen werden (z. B. höchstpersönliche Forderungen wie Unterhaltsansprüche).
  • Vertragliche oder gesetzliche Abtretungsverbote: Abtretungsverbote können zwischen den Parteien vereinbart werden (§ 399 BGB) oder gesetzlich vorgesehen sein.

Rechtsfolgen des Forderungsübergangs

Mit dem Forderungsübergang treten bestimmte Rechtsfolgen ein:

Wechsel der Gläubigerstellung

Der neue Gläubiger (Zessionar) übernimmt sämtliche Rechte und Pflichten aus der abgetretenen oder kraft Gesetzes übergegangenen Forderung. Der Schuldner ist verpflichtet, an den neuen Gläubiger zu leisten, sofern ihm der Übergang bekanntgegeben wurde (§ 409 BGB).

Einwendungen und Einreden

Der Schuldner kann dem neuen Gläubiger sämtliche Einwendungen entgegensetzen, die bereits gegen den bisherigen Gläubiger bestanden (§ 404 BGB). Der Schutz des Schuldners vor einer Verschlechterung seiner Rechtsposition ist somit sichergestellt.

Mitübertragung von Sicherungsrechten

Nebenrechte wie Hypotheken, Pfandrechte oder Bürgschaften gehen gemäß § 401 BGB automatisch auf den neuen Gläubiger über, soweit sie zur Sicherung der Forderung bestehen.


Besondere Erscheinungsformen und Praxisfälle

Forderungsverkauf (Factoring)

Beim Factoring verkauft ein Unternehmen seine Forderungen in großem Umfang an einen Factor. Dies ist eine typische Anwendung des Forderungsübergangs durch Abtretung.

Zwangsvollstreckung

Im Rahmen der Zwangsvollstreckung kann ein Gläubiger Forderungen aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf sich oder Dritte übergehen lassen (sog. Drittschuldner).

Übergang von Forderungen im Unternehmensbereich

Im Rahmen von Unternehmens(ver)käufen können Forderungen mittels Rahmenabtrettungsvereinbarungen oder durch Rechtsnachfolge auf Erwerber übergehen.


Grenzen und Schranken des Forderungsübergangs

Ausschluss der Abtretung

Ein Forderungsübergang ist ausgeschlossen, wenn

  • Ein Abtretungsverbot besteht (§ 399 BGB),
  • Die Forderung höchstpersönlicher Natur ist,
  • Die Leistungsfähigkeit des Schuldners beeinträchtigt wird.

Erlöschen und Rücktritt

Wird eine abgetretene Forderung nach erfolgtem Übergang erfüllt oder ein dahingehender Rücktritt wirksam, erlischt das Forderungsrecht gegenüber dem Schuldner.


Internationale Bezüge

Bei internationalen Sachverhalten ist regelmäßig das Internationale Privatrecht (IPR) zu beachten. Nach Art. 14 der Rom-I-Verordnung richtet sich die Abtretbarkeit einer Forderung sowie ihre Wirkungen gegenüber Dritten nach dem Recht des Staates, dem die Forderung unterliegt.


Fazit

Der Übergang einer Forderung ist ein vielschichtiger Vorgang mit erheblichen Auswirkungen auf die Gläubiger- und Schuldnerstellung. Die gesetzlichen Regelungen bieten umfassenden Schutz für die beteiligten Parteien und sichern sowohl den Forderungserwerb als auch die Position des Schuldners gegen unberechtigte Forderungen. In der Praxis ist die genaue Kenntnis der rechtlichen Anforderungen und Grenzen für den ordnungsgemäßen Forderungsübergang unumgänglich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse gelten beim Übergang einer Forderung?

Für den Übergang einer Forderung – insbesondere bei der Abtretung (§§ 398 ff. BGB) – ist grundsätzlich keine besondere Form vorgeschrieben. Ein mündlicher, schriftlicher oder sogar konkludenter Vertrag zwischen altem und neuem Gläubiger reicht aus. Allerdings gibt es Ausnahmen: Ist die zugrunde liegende Forderung ihrerseits an eine bestimmte Form gebunden (z. B. Schriftform bei einer Grundschuld), muss auch die Abtretung diese Form wahren. Auch können vertragliche oder gesetzliche Abtretungsverbote bestehen, die zu beachten sind. Für bestimmte Bereiche, etwa im Immobilienrecht, sind zusätzlich Eintragungen im Grundbuch erforderlich. Aus praktischen Gründen wird jedoch oft eine schriftliche Abtretungserklärung zur Beweisführung verwendet.

Welche Wirkungen entfaltet der Forderungsübergang gegenüber dem Schuldner?

Solange der Schuldner vom Übergang der Forderung keine Kenntnis hat, kann er gemäß § 407 BGB weiterhin mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten. Erst mit der Anzeige des Übergangs oder nach Kenntniserlangung muss die Leistung an den neuen Gläubiger erfolgen. Des Weiteren kann der Schuldner alle ihm gegen den Altgläubiger zustehenden Einreden und Einwendungen grundsätzlich auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten, selbst wenn diese erst nach der Abtretung entstehen, sofern ihr Grund bereits vorher gelegt war. Damit bleibt der Schuldnerschutz gewahrt.

Welche Einreden und Einwendungen kann der Schuldner nach Forderungsübergang noch geltend machen?

Nach einem Forderungsübergang, insbesondere nach Abtretung, darf der Schuldner sämtliche ihm gegen den ursprünglichen Gläubiger zustehenden Einreden und Einwendungen auch gegenüber dem neuen Gläubiger benutzen (§ 404 BGB). Dazu zählen etwa das Zurückbehaltungsrecht, die Anfechtung oder Einreden aus dem ursprünglichen Forderungsgrund. Später erworbene Einreden gegen den Zedenten sind ausnahmsweise dann gegenüber dem Zessionar geltend zu machen, sofern der Grund noch in der Zeit vor Anzeige des Forderungsübergangs gelegt wurde (§ 406 BGB). Neu entstandene Einreden gegenüber dem Zedenten nach Kenntnisnahme des Übergangs können grundsätzlich nicht mehr gegen den neuen Gläubiger erhoben werden.

Ist die Zustimmung des Schuldners für den Übergang einer Forderung erforderlich?

Die Zustimmung des Schuldners ist für den Übergang einer Forderung im Grundsatz nicht notwendig. Der Gläubiger kann seine Ansprüche gegen den Schuldner im Wege der Abtretung an einen Dritten übertragen, auch ohne dass der Schuldner dazu ausdrücklich zustimmt. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Abtretung vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen wurde (§ 399 BGB). Zudem sind bestimmte Forderungen, etwa höchstpersönliche Ansprüche oder solche, bei denen sich die Leistung nach besonderen Beziehungen richtet, grundsätzlich nicht übertragbar.

Welche Bedeutung hat eine Abtretungsanzeige an den Schuldner?

Die Anzeige einer Abtretung an den Schuldner – also die Mitteilung, dass ein Forderungsübergang stattgefunden hat – hat vielfältige rechtliche Auswirkungen. Ab diesem Zeitpunkt darf der Schuldner nur noch an den neuen Gläubiger mit schuldbefreiender Wirkung leisten. Darüber hinaus beginnt mit der Abtretungsanzeige die mögliche Anwendung des § 406 BGB, sodass Gegenrechte, die gegen den alten Gläubiger bestehen, auch auf den neuen Gläubiger übergehen. Aus Beweisgründen ist eine schriftliche Anzeige ratsam.

Welche Rolle spielt das Abtretungsverbot beim Forderungsübergang?

Ein vertraglich oder kraft Gesetzes bestehendes Abtretungsverbot – geregelt in § 399 BGB – steht dem Übergang einer Forderung entgegen. Wird trotz eines wirksamen Abtretungsverbotes eine Forderung übertragen, so ist diese Abtretung im Regelfall absolut unwirksam. Für gesetzlich vorgeschriebene Abtretungsverbote (z. B. bei bestellten Sicherheiten) ist darüber hinaus besonders auf die schutzwürdigen Interessen des Schuldners zu achten. Bei AGB-Abtretungsverboten können allerdings die Einschränkungen des § 354a HGB bei Geldforderungen greifen, was zur relativen Unwirksamkeit gegenüber Dritten führt.

Wie wirkt sich der Forderungsübergang auf Sicherheiten und Nebenrechte aus?

Mit Übergang der Forderung gehen grundsätzlich auch alle Accessorietäten, das heißt Sicherheiten und Nebenrechte, auf den neuen Gläubiger über (§ 401 BGB). Dazu zählen insbesondere Hypotheken, Bürgschaften, Pfandrechte oder sonstige mit der Hauptforderung verbundene Rechte. Voraussetzung ist, dass sie des gesicherten Anspruchs wegen bestellt wurden und die Abtretung nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Für den Übergang bestimmter Sicherungsrechte kann es weiterer Formvorschriften oder Eintragungen bedürfen, wie sie beispielsweise bei der Übertragung von Hypotheken im Grundbuch vorgesehen sind.