Begriff und Grundlagen des Tracking Stocks
Definition
Tracking Stock (auch als „letter stock“ oder „targeted stock“ bezeichnet) ist eine spezielle Aktienart, die einer bestimmten Division oder einem Geschäftsbereich eines Unternehmens wirtschaftlich zugeordnet wird, ohne dass diese Division rechtlich als eigenständige Gesellschaft ausgegliedert wird. Diese Aktien gewähren dem Inhaber ein wirtschaftliches Partizipationsrecht an den Erträgen und Wertzuwächsen einer abgegrenzten Einheit des Unternehmens, während rechtliche Eigentümerin der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten weiterhin die Muttergesellschaft bleibt.
Historie und Entwicklung
Das Konzept des Tracking Stocks stammt ursprünglich aus den USA und wurde dort erstmals in den 1980er Jahren eingeführt, um Anreizsysteme für Investoren zu schaffen und das wirtschaftliche Potenzial separater Unternehmensbereiche gezielt am Kapitalmarkt zu platzieren, ohne formell eine rechtliche Trennung in Tochtergesellschaften vorzunehmen. Beispielsweise nutzten große Technologieunternehmen Tracking Stocks, um stark wachsende Unternehmensbereiche hoch zu bewerten oder Investitionskapital gezielt zu akquirieren.
Rechtliche Ausgestaltung von Tracking Stocks
Gesellschafts- und aktienrechtliche Rahmenbedingungen
Die Ausgabe von Tracking Stocks bedarf einer satzungsgemäßen Grundlage im Gesellschaftsrecht der jeweiligen Rechtsordnung. Die Emission erfolgt häufig durch die Schaffung einer neuen Aktiengattung, die in ihrer Ausstattung gegenüber den Stammaktien oder anderen Aktiengattungen (z.B. Vorzugsaktien) abweicht. Die grundlegenden rechtlichen Rahmenbedingungen werden dabei durch das jeweilige Aktiengesetz (in Deutschland z.B. das Aktiengesetz, kurz AktG) sowie die Satzung der Gesellschaft vorgegeben.
Tracking Stocks begründen keine eigene Rechtspersönlichkeit für den zugehörigen Unternehmensbereich. Das Vermögen, die Verbindlichkeiten und Risiken der betreffenden Division verbleiben weiterhin formell bei der Hauptgesellschaft. Den Inhabern eines Tracking Stocks stehen in der Regel gegen den Emittenten (d.h. meistens die Hauptgesellschaft) ausschließlich vermögensrechtliche Ansprüche zu, die an die wirtschaftliche Entwicklung des referenzierten Geschäftsbereichs geknüpft sind.
Satzungsänderung und Hauptversammlung
Die Einführung einer Tracking Stock-Gattung setzt regelmäßig eine Änderung der Satzung voraus, die häufig mit qualifizierter Mehrheit in der Hauptversammlung beschlossen werden muss. Neben dem Ausgabebeschluss müssen auch die Rechte und Pflichten der Tracking Stock-Inhaber detailliert geregelt werden. Dies betrifft insbesondere Dividendenansprüche, Mitspracherechte und etwaige Wandlungsrechte.
Mitbestimmungs-, Stimm- und Kontrollrechte
Ob und in welchem Umfang Tracking Stocks mit Stimmrechten ausgestattet sind, hängt von der jeweiligen Ausgestaltung sowie der gesetzlichen und satzungsmäßigen Regelung ab. Die Stimmrechte können sich auf die gesamte Gesellschaft beziehen oder gezielt auf die beschriebene Division eingeschränkt sein. In vielen Fällen verfügen diese Aktien lediglich über begrenzte Stimmrechte, um Interessenkonflikte zwischen Stammaktionären und Tracking Stock-Inhabern zu vermeiden.
Regelmäßig werden den Tracking Stock-Inhabern zudem weitergehende Kontrollrechte eingeräumt, um wesentliche Änderungen im zugehörigen Geschäftsbereich (zum Beispiel Veräußerung, Ausgliederung oder Fusion der Division) zu begleiten oder zu genehmigen.
Vermögensrechtliche Absicherung und Haftung
Die Rendite eines Tracking Stocks ist wirtschaftlich an die Resultate des zugehörigen Geschäftsbereichs gekoppelt und wird in der Satzung über Dividendenregeln oder innere Wertberechnung festgelegt. Im rechtlichen Sinne begründen Tracking Stocks jedoch keinen vorrangigen Gläubigerstatus im Falle einer Insolvenz der Muttergesellschaft, da die Division kein rechtlich abgetrenntes Vermögen besitzt. Tracking Stock-Inhaber haften in der Regel nicht für Verluste aus anderen Unternehmensbereichen, haben jedoch auch keinen Anspruch auf prioritäre Befriedigung im Insolvenzfall.
Insolvenzrechtliche Einordnung
Bei Insolvenz der Muttergesellschaft werden sämtliche Vermögenswerte, einschließlich der den Tracking Stocks zugeordneten Vermögensteile, zur Insolvenzmasse gezogen. Gläubigerschutz und Insolvenzordnung des jeweiligen Landes bleiben unberührt.
Steuerliche Implikationen von Tracking Stocks
Aus steuerlicher Sicht gelten Dividenden und Veräußerungsgewinne aus Tracking Stocks als Einkünfte aus Kapitalvermögen und unterliegen den jeweils anzuwendenden steuerlichen Vorschriften. Bemessungsgrundlage bleibt jedoch das gesamte unternehmensrechtliche Vermögen, auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung an eine Division gekoppelt erscheint. Für die Gesellschaft ergibt sich steuerrechtlich keine privilegierte Sonderbehandlung im Vergleich zu anderen Aktiengattungen.
Kapitalmarktregulatorische Anforderungen
Die Ausgabe und der Handel von Tracking Stocks unterliegen den börsenrechtlichen Regelungen des jeweiligen Landes. Notierungspflichten, Prospektpflichten und laufende Publizitätsvorgaben müssen beachtet werden. Aufgrund der Komplexität der inneren Wertberechnung und möglichen Interessenkonflikten sind teilweise zusätzliche Offenlegungspflichten für die Emittenten vorgesehen. Insbesondere die Transparenz zu Gewinnzuweisungen, Vermögensabgrenzung und Risikozuordnung steht unter regulatorischer Beobachtung, um den Schutz der Anleger zu gewährleisten.
Vor- und Nachteile aus rechtlicher Perspektive
Vorteile
- Flexibilität: Unternehmen können gezielt das Wachstum oder die Performance eines spezifischen Bereichs abbilden, ohne aufwändige gesellschaftsrechtliche Ausgliederungen vornehmen zu müssen.
- Kapitalbeschaffung: Zugang zu kapitalmarktorientierten Finanzierungsmöglichkeiten für einzelne Geschäftssegmente.
- Steuerliche Neutralität: Keine unmittelbaren steuerlichen Nachteile im Vergleich zu herkömmlichen Aktiengattungen.
Risiken und Einschränkungen
- Interessenkonflikte: Mögliche Konflikte zwischen den Interessen der Stammaktionäre und der Tracking Stock-Inhaber im Fall interner Ressourcenverteilung oder strategischer Entscheidungen.
- Beschränkte Rechtssicherheit: Weil die Division keine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt, sind Gläubigerrechte und Weisungsrechte eingeschränkt.
- Insolvenzrisiko: Im Insolvenzfall stehen wirtschaftliche Ansprüche der Tracking Stock-Inhaber im Rang hinter klassischen Gläubigern und werden mit den restlichen Aktionären behandelt.
Zusammenfassung
Der Tracking Stock stellt ein anspruchsvolles und vielseitiges Instrument der Unternehmensfinanzierung und -strukturierung dar. Während er spezifische wirtschaftliche Interessen an einzelnen Geschäftsbereichen abbildet, verbleibt die rechtliche Einheit und Haftungsstruktur vollständig bei der emittierenden Gesellschaft. Die rechtliche Ausgestaltung erfordert detaillierte Regelungen in Satzung, Hauptversammlungsbeschlüssen und die kontinuierliche Einhaltung kapitalmarkt- und steuerrechtlicher Vorgaben. Tracking Stocks bieten Chancen für strategische Unternehmensfinanzierungen, gehen jedoch mit spezifischen Risiken für Inhaber und Gesellschaft einher, die bei der rechtlichen, steuerlichen und regulatorischen Strukturierung beachtet werden müssen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Besonderheiten gelten bei der Ausgestaltung von Tracking Stocks im Gesellschaftsrecht?
Tracking Stocks, auch „Tracking-Aktien“ genannt, stellen im Gesellschaftsrecht eine Sonderform von Aktien dar, die sich durch die Bindung ihrer Wertentwicklung an einen bestimmten Geschäftsbereich (Segment) eines Unternehmens auszeichnen. Ihre rechtliche Ausgestaltung bedarf besonderer Aufmerksamkeit, da sie weiterhin Anteilsrechte an der Muttergesellschaft, nicht jedoch an einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft repräsentieren. In Jurisdiktionen wie Deutschland oder Österreich gibt es keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für Tracking Stocks. Sie werden meist als vinkulierte Namensaktien, Partizipationsscheine oder Vorzugsaktien mit speziellen Rechten ausgestaltet. Für ihre Einführung und genaue Ausprägung ist regelmäßig eine qualifizierte Mehrheit der Aktionäre erforderlich, da damit eine Abweichung von der Gleichbehandlung aller Aktien und Aktionäre einhergehen kann (§ 53a, § 139 AktG). Daher bedarf die Einführung eines Tracking Stocks regelmäßig einer Satzungsänderung, die bestimmte Pflichten zur Offenlegung und Information gegenüber den Aktionären einschließt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Besonderheiten beim Bezugsrecht, bei Dividendenzahlungen und bei der Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen rechtlich einwandfrei geregelt sein müssen. Eine genaue Prüfung der Vereinbarkeit mit geltendem Aktien- und Kapitalmarktrecht ist somit unverzichtbar.
Welche kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten sind bei der Emission von Tracking Stocks zu beachten?
Die Emission von Tracking Stocks unterliegt den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Vorschriften, insbesondere hinsichtlich der Prospektpflicht und der fortlaufenden Publizität. Nach der EU-Prospektverordnung (EU 2017/1129) und dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) muss bei einem öffentlichen Angebot oder der Zulassung zum Handel ein detaillierter Wertpapierprospekt erstellt werden, der transparent und klar insbesondere auf die mit Tracking Stocks verbundenen besonderen Risiken, Rechte und Restriktionen hinweist. Die Emittentin muss detailliert offenlegen, wie die einzelnen Geschäftsbereiche, an deren Entwicklung die Tracking Stocks gekoppelt sind, abzugrenzen und zu bewerten sind. Besondere Anforderungen bestehen auch bezüglich der laufenden Berichterstattung: Segmentberichte nach IFRS 8 sind zwingend und müssen detailliert beschreiben, wie die Ertrags- und Finanzlage des betreffenden Geschäftsbereichs abgebildet wird. Darüber hinaus gelten Ad-hoc-Mitteilungspflichten gemäß § 17 MAR (Marktmissbrauchsverordnung) insbesondere bei wesentlichen Änderungen in der Struktur oder Performance desjenigen Geschäftssegments, das mit den Tracking Stocks verbunden ist.
Welche Mitbestimmungsrechte stehen den Inhabern von Tracking Stocks rechtlich zu?
Tracking Stocks verleihen typischerweise eingeschränkte Stimmrechte oder besondere Stimmrechte, die meist ausschließlich auf das betreffende Geschäftssegment beschränkt sind. Nach deutschem und europäischem Gesellschaftsrecht ist jedoch die Gleichbehandlung sämtlicher Aktionäre zentral (§ 53a AktG). Einschränkungen des Stimmrechts können daher rechtlich problematisch sein und müssen explizit und detailliert in der Satzung geregelt werden. Inhaber von Tracking Stocks haben häufig ein Stimmrecht nur in Angelegenheiten, die das jeweilige Segment betreffen, allerdings auch dann nur insoweit, wie dies gesellschaftsrechtlich zulässig ist. Eine völlige Entziehung des Stimmrechts würde eine Umqualifizierung als stimmrechtslose Aktie oder als Partizipationsschein nach sich ziehen. Darüber hinaus ist bei wesentlichen Strukturmaßnahmen wie Umwandlungen, Verschmelzungen oder Aufspaltungen regelmäßig das Mitspracherecht aller Aktionärsgruppen zu gewährleisten. Im Streitfall sind die gerichtliche Überprüfung der Segmentabgrenzung und die Wahrung der Aktionärsrechte gesondert einklagbar.
Welche Haftungsrisiken bestehen für die Organe der Emittentin bei der Einführung von Tracking Stocks?
Vorstände und Aufsichtsräte, die die Emission und Ausgestaltung von Tracking Stocks initiieren, sehen sich erhöhten Sorgfalts- und Treuepflichten gegenüber sämtlichen Aktionären ausgesetzt (§ 93, § 116 AktG). Das Missverhältnis bei der Zuweisung von Risiken und Erträgen, etwa durch manipulationsträchtige Segmentierung oder intransparente Zuweisung von Kosten und Erlösen, kann zu Schadenersatzansprüchen führen. Organe müssen nachweisen, dass die Interessen sämtlicher Aktionäre angemessen und gleichberechtigt berücksichtigt wurden. Insbesondere in Abgrenzungsfragen, Segmentbewertung und Dividendenpolitik besteht eine erhöhte Offenlegungs- und Prüfpflicht. Eine Verletzung dieser Pflichten kann zu einer persönlichen Haftung der Organmitglieder führen, insbesondere wenn Nachteile für Minderheitsaktionäre entstehen oder Informationen unvollständig oder irreführend sind.
Wie erfolgt die rechtssichere Dividendenzuweisung bei Tracking Stocks?
Die rechtssichere Ausgestaltung der Dividendenpolitik stellt eine erhebliche Herausforderung dar. Die Dividenden aus Tracking Stocks bemessen sich üblicherweise nur an den Gewinnen des jeweils zugeordneten Geschäftsbereichs und nicht am Gesamtergebnis der Gesellschaft. Rechtlich muss jedoch sichergestellt sein, dass die Berechnungsgrundlage eindeutig, nachvollziehbar und für jeden Aktionär überprüfbar ist. Die Segmentabgrenzung sowie die interne Leistungsverrechnung müssen in der Satzung oder durch eine verbindliche Geschäftsordnung zweifelsfrei niedergelegt werden. Zugleich dürfen die allgemeinen Vorgaben der Gewinnverwendungsbeschlüsse der Hauptversammlung nicht unterlaufen werden. Die rechtliche Trennung der Dividendenströme bedarf zudem einer dauerhaften und robusten buchhalterischen Segmentierung nach nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards sowie einer klaren Offenlegung im Jahres- und Konzernabschluss.
Wie sind Restrukturierungsmaßnahmen rechtlich zu behandeln, wenn Tracking Stocks emittiert wurden?
Bei Restrukturierungen, wie etwa Abspaltungen, Teilverkäufen oder Verschmelzungen von Segmenten, muss die Gleichbehandlung aller Aktienarten beachtet werden. Restrukturierungen, die das durch Tracking Stocks abgebildete Segment betreffen, können zu komplexen Fragestellungen im Hinblick auf Umtauschrechte, Abfindungen und mögliche Ausgleichszahlungen führen. Rechtlich verpflichtend ist, dass jede Maßnahme, die den Wert oder den Bestand der zugrundeliegenden Segmente wesentlich beeinflusst, gesondert den Tracking-Stock-Aktionären zur Abstimmung gestellt werden kann (§ 138 Abs. 2 AktG). Außerdem ist ein sachgerechter Ausgleich bestehender oder entstehender Wertunterschiede unverzichtbar, um Minderheitenrechte nicht zu benachteiligen. Dies bedarf häufig einer externen Bewertung und gegebenenfalls einer gerichtlichen Überprüfung.
Welche Besonderheiten gelten in Bezug auf Insiderrecht und Marktmissbrauch bei Tracking Stocks?
Tracking Stocks bergen spezifische Risiken im Hinblick auf Insiderhandel (§ 14 WpHG) und Marktmanipulation, da segmentbezogene Informationen kursrelevant sein können, die jedoch nicht zwingend den Gesamtmarkt für die Aktie des Emittenten gleichermaßen betreffen. Emittenten und deren Organe müssen daher sicherstellen, dass auch segmentbezogene, kursrelevante Informationen ordnungsgemäß gegenüber dem Markt veröffentlicht werden. Entsprechende Ad-hoc-Mitteilungen sind sicherzustellen, wenn zuvor nicht veröffentlichte Informationen, die nur das betreffende Segment betreffen, geeignet sind, den Kurs der Tracking Stocks erheblich zu beeinflussen. Die Compliance-Systeme des Emittenten müssen dafür segmentgenau ausgestaltet werden, um den spezifischen Anforderungen des MAR und des WpHG zu genügen.