Legal Lexikon

Tötung


Begriff und Bedeutung der Tötung

Der Begriff Tötung bezeichnet im rechtlichen Sinne das Herbeiführen des Todes eines Menschen durch das Verhalten eines anderen Menschen. Die Tötung steht im Zentrum zahlreicher rechtlicher Fragestellungen, insbesondere im Strafrecht, Zivilrecht sowie im öffentlichen Recht. Die verfassungs-, straf- und zivilrechtlichen Regelungen zu Tötungsvorgängen sind von fundamentaler Bedeutung für den Schutz des menschlichen Lebens und für das Funktionieren des staatlichen Gewaltmonopols.

Strafrechtliche Einordnung

Straftatbestände gegen das Leben

Das deutsche Strafrecht unterscheidet verschiedene Tötungsdelikte, die im 16. Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches (StGB), insbesondere in den §§ 211 ff. StGB, geregelt sind. Die wichtigsten Tötungstatbestände sind:

Mord (§ 211 StGB)

Der Mord ist durch besonders verwerfliche Umstände gekennzeichnet. Dies sind die sogenannten Mordmerkmale (z.B. aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch, grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln).

Totschlag (§ 212 StGB)

Beim Totschlag wird ein Mensch vorsätzlich getötet, ohne dass besonders verwerfliche Mordmerkmale vorliegen.

Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB)

Hierbei verursacht eine vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung den Tod des Opfers, ohne dass ein direkter Tötungsvorsatz besteht.

Fahrlässige Tötung (§ 222 StGB)

Von fahrlässiger Tötung spricht man, wenn der Tod durch die Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verursacht wird, ohne dass Absicht vorliegt.

Mitwirkung bei der Selbsttötung und Tötung auf Verlangen (§§ 216, 217 StGB)

Die Tötung auf Verlangen stellt einen Sonderfall dar: Hier handelt der Täter auf ausdrückliches, ernstliches und eindringliches Verlangen des Opfers. Die Mitwirkung zur Selbsttötung (Beihilfe zum Suizid) ist dagegen im deutschen Recht rechtlich umstritten und war lange Zeit strafbar. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 ist die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung nicht mehr grundsätzlich strafbar.

Tatbestandsmerkmale der Tötungsdelikte

Das Grundelement sämtlicher Tötungsdelikte ist das Herbeiführen des Todes eines anderen Menschen. Dies schließt ausschließlich lebende Menschen ein. Die Tatbestände differenzieren nach Vorsatz, Motiv, Mittel und Umständen der Tat, sowie nach dem Grad der Verwerflichkeit.

Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe

Nicht jede Tötung stellt eine strafbare Tat dar. Es gibt rechtliche Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe:

Notwehr (§ 32 StGB)

Tötet jemand in einer Notwehrsituation, ist die Tötung unter bestimmten Umständen nicht strafbar.

Notstand (§ 34 StGB)

Auch zur Abwendung erheblicher Gefahren kann eine Tötung gerechtfertigt sein, sofern keine andere zumutbare Handlung möglich ist und es sich um das mildeste Mittel handelt.

Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung

Eine Einwilligung in die Tötung ist grundsätzlich unbeachtlich, mit Ausnahme der besonders geregelten Tötung auf Verlangen.

Zivilrechtliche Aspekte der Tötung

Schadensersatz bei Tötung

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist geregelt, welche zivilrechtlichen Ansprüche die Hinterbliebenen einer getöteten Person haben.

Ersatz des Unterhalts (§ 844 BGB)

Personen, die vom Getöteten unterhalten wurden, können vom Schädiger Ersatz der entgangenen Unterhaltsleistungen verlangen.

Ersatz von Beerdigungskosten (§ 844 Abs. 1 BGB)

Die Beerdigungskosten sind vom Schädiger zu ersetzen. Daneben können Schmerzensgeldansprüche (u.a. nach § 823 BGB) im Zusammenhang mit einer Tötung entstehen.

Immaterielle Ansprüche

Angehörige können in bestimmten Fällen immaterielle Ansprüche geltend machen, insbesondere bei schwerwiegenden Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Öffentlich-rechtliche Aspekte der Tötung

Schutzpflicht des Staates

Die Tötung eines Menschen betrifft das Grundrecht auf Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). Der Staat hat die Pflicht, Leben zu schützen und entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen bereitzustellen.

Staatliche Sanktionierung und Prävention

Neben repressiven Maßnahmen (Strafrecht) müssen Behörden (Polizei, Ordnungsämter, Gesundheitseinrichtungen) präventiv tätig werden, wenn konkrete Gefahren für Leib und Leben bestehen.

Internationale und europäische Perspektiven

Menschenrechte

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) schützt in Art. 2 das Recht auf Leben und regelt unter bestimmten Voraussetzungen, wann Eingriffe in dieses Recht, insbesondere durch Tötung, zulässig sind.

Auslieferung, Internationale Zusammenarbeit

Tötungsdelikte sind regelmäßig Auslieferungsdelikte. Die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Tötungsdelikten wird durch zahlreiche Verträge geregelt.

Besonderheiten und Abgrenzungen

Abgrenzung zur Selbsttötung

Die Selbsttötung (Suizid) ist nicht strafbar; strafbar kann allerdings die Fremdtötung oder Beihilfe zur Selbsttötung sein, sofern sie aktiv erfolgt.

Tötung von ungeborenem Leben

Das Ungeborene (Nasciturus) genießt besonderen Schutz, jedoch gilt das Tötungsstrafrecht nicht für Abtreibungen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen unter bestimmten Voraussetzungen (§§ 218 ff. StGB).

Euthanasie, Sterbehilfe, Lebensbeendigung

Die Begriffe aktive und passive Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe und Tötung auf Verlangen sind Gegenstand anhaltender rechtlicher und ethischer Diskussionen.

Historische Entwicklung des Tötungsstrafrechts

Die Rechtsgeschichte kennt unterschiedliche Auffassungen über die Einteilung und Wertung von Tötungshandlungen. Aufklärerische Grundsätze und die Menschenrechte haben heutige Strafrechtsnormen maßgeblich geprägt.

Zusammenfassung

Die Tötung eines Menschen ist eines der schwerwiegendsten Geschehen im Rechtssystem. Ihre umfassende rechtliche Bewertung erfasst strafrechtliche, zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Aspekte. Der Schutz des Lebens, die Voraussetzungen für Strafbarkeit, Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sowie die Ansprüche der Hinterbliebenen bilden die zentralen Themen im Kontext der Tötung. Die fortlaufende Weiterentwicklung der Gesetzgebung und Rechtsprechung spiegelt die besondere Bedeutung dieses Rechtsguts wider.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Unterschiede bestehen zwischen Mord und Totschlag im deutschen Strafrecht?

Im deutschen Strafrecht unterscheidet man strikt zwischen Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB). Der zentrale Unterschied liegt in den jeweiligen subjektiven Tatbestandsmerkmalen und der Strafzumessung. Mord erfordert das Vorliegen von sogenannten Mordmerkmalen, die in den Kategorien der niedrigen Beweggründe, der besonderen Tatausführung (z. B. Heimtücke, Grausamkeit) oder der Täterabsicht (Habgier, zur Ermöglichung einer anderen Straftat) liegen. Liegt eines oder mehrere dieser Merkmale vor, handelt es sich juristisch um Mord, der mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe sanktioniert wird. Totschlag hingegen erfasst die vorsätzliche Tötung eines Menschen ohne das Vorliegen der spezifischen Mordmerkmale. Die Strafe hierfür liegt im Regelfall zwischen fünf und fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe; in besonders schweren Fällen kann auch eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden. Damit zeigt sich, dass sowohl die Motivlage als auch die Art und Weise der Tat entscheidend für die rechtliche Bewertung und das Strafmaß sind.

Gibt es im deutschen Recht minder schwere Fälle der Tötung und wie werden diese behandelt?

Ja, das deutsche Strafrecht kennt minder schwere Fälle im Zusammenhang mit Totschlag und den weiteren Tötungsdelikten. § 213 StGB regelt ausdrücklich den minder schweren Fall des Totschlags, etwa wenn der Täter vom Opfer in hohem Maße provoziert oder zum Handeln gedrängt wurde (z. B. als Reaktion auf eine schwere Beleidigung oder Misshandlung). In solchen Fällen sieht das Gesetz eine Strafmilderung auf eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vor. Bei anderen Tötungsdelikten, wie etwa der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB), also bei Euthanasie-Fällen, ist das Strafmaß sogar noch geringer und reicht von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Die Gerichte prüfen im Einzelfall die besondere Motivlage und Umstände der Tat, um eine angemessene Strafzumessung sicherzustellen.

Welche Rolle spielt die Schuldfähigkeit des Täters bei Tötungsdelikten?

Die Schuldfähigkeit des Täters ist ein zentrales Element bei der Beurteilung von Tötungsdelikten. Nach §§ 20 und 21 StGB ist die Schuldfähigkeit infolge krankhafter seelischer Störungen, tiefgreifender Bewusstseinsstörungen, Intelligenzminderung oder schwerer seelischer Abweichungen eingeschränkt oder aufgehoben. Liegt eine vollständige Schuldunfähigkeit vor, entfällt die Strafbarkeit; das Verfahren kann in solchen Fällen meist auf eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hinauslaufen (§ 63 StGB). Ist die Schuldfähigkeit nur vermindert, kann das Gericht das Strafmaß gemäß § 21 StGB mildern. Die Beurteilung der Schuldfähigkeit erfolgt anhand psychiatrischer Gutachten.

Wie unterscheidet sich ein fahrlässiges Tötungsdelikt rechtlich von vorsätzlichen Tötungen?

Fahrlässige Tötungsdelikte sind in § 222 StGB geregelt und setzen voraus, dass der Tod eines Menschen durch pflichtwidriges, jedoch nicht vorsätzliches Handeln verursacht wird. Wesentlicher Unterschied zu Mord und Totschlag ist hierbei das Fehlen des Tötungsvorsatzes. Die Strafandrohung reicht bei fahrlässiger Tötung von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen (z. B. bei grober Fahrlässigkeit) auch darüber hinaus. Typische Beispiele sind Verkehrsunfälle oder ärztliche Behandlungsfehler. Für die Strafbarkeit ist entscheidend, ob objektiv und subjektiv gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen wurde und der Eintritt des Todes für den Täter vorhersehbar war.

Welche rechtlichen Konsequenzen kann eine versuchte Tötung haben?

Bei einer versuchten Tötung, gleich ob als versuchter Mord (§ 211 i.V.m. § 23 StGB) oder versuchter Totschlag (§ 212 i.V.m. § 23 StGB), unterliegt der Täter ebenfalls einer erheblichen Strafandrohung. Beim versuchten Mord kann bereits auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt werden, mindestens jedoch auf eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Beim versuchten Totschlag ist das mögliche Strafmaß ebenfalls erheblich, jedoch milder als beim vollendeten Delikt. Strafmildernd können Umstände wie das Ausbleiben eines schwerwiegenden Schadens oder eigenständige Bemühungen zur Verhinderung des Erfolgs (Rücktritt vom Versuch, § 24 StGB) berücksichtigt werden, was sogar zur Straffreiheit führen kann.

Welche Bedeutung hat eine Einwilligung des Opfers bei Tötungsdelikten?

Im deutschen Strafrecht ist eine Einwilligung des Opfers in die eigene Tötung grundsätzlich unbeachtlich und führt nicht zur Straffreiheit des Täters. Selbst wenn das Opfer ausdrücklich wünscht, getötet zu werden (z.B. bei schwerer Krankheit), ist dies allenfalls im Rahmen der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) strafmildernd zu berücksichtigen, entbindet den Täter jedoch nicht von Strafverfolgung. Dies unterscheidet Tötungsdelikte bedeutend von anderen Straftaten gegen die Person, bei denen eine wirksame Einwilligung des Opfers die Tat unter bestimmten Umständen straffrei machen kann (z. B. bei leichten Körperverletzungen).

Wie wirken sich strafrechtliche Besonderheiten, wie Notwehr, auf die Ahndung von Tötungsdelikten aus?

Notwehr (§ 32 StGB) ist ein Rechtfertigungsgrund und führt dazu, dass eine ansonsten tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tötung nicht strafbar ist, wenn sie erforderlich war, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Dabei müssen sowohl die Verhältnismäßigkeit als auch die Erforderlichkeit des eingesetzten Mittels gegeben sein. Überschreitet der Täter aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken die Grenzen der Notwehr, kann er gem. § 33 StGB straffrei bleiben. Die Prüfung der Notwehr setzt eine ausführliche Beurteilung der konkreten Tatsituation voraus, wobei die Gerichte in der Regel zur Gunsten des Angegriffenen urteilen, sofern keine evidenten Missbrauchsfälle vorliegen.