Tilgung von Strafvermerken
Die Tilgung von Strafvermerken ist ein bedeutender Begriff im deutschen Rechtssystem. Er bezieht sich auf die Entfernung oder Unkenntlichmachung von Eintragungen, die im Zusammenhang mit strafrechtlichen Verurteilungen in amtlichen Registern oder Datenbanken geführt werden. Die Tilgung dient sowohl dem Schutz der Persönlichkeitsrechte betroffener Personen als auch der Resozialisierung und der Ermöglichung eines sozialen Neuanfangs. Der folgende Artikel erläutert umfassend die gesetzlichen Grundlagen, Abläufe, Fristen sowie relevante Besonderheiten der Tilgung von Strafvermerken in Deutschland.
Rechtliche Grundlagen
Strafregister und Eintragungen
Im Mittelpunkt der Tilgung von Strafvermerken steht insbesondere das Bundeszentralregister (BZRG). Das BZRG ist das maßgebliche amtliche Register, in dem strafrechtliche Entscheidungen gegen Einzelpersonen erfasst werden. Neben dem BZRG können auch weitere Register, wie das Erziehungsregister oder das Gewerbezentralregister, relevante Eintragungen führen. Die Eintragungen erfolgen nach gesetzlichen Vorgaben und betreffen Urteile, Strafbefehle sowie andere strafrechtliche Verurteilungen.
Ziele und Funktionen der Tilgung
Die Tilgung verfolgt mehrere rechtliche und gesellschaftliche Ziele:
- Resozialisierung: Straffällig gewordenen Personen soll nach angemessener Zeit ohne erneute Verfehlungen eine unbelastete Rückkehr ins gesellschaftliche Leben ermöglicht werden.
- Rechtssicherheit: Nach Ablauf der Tilgungsfristen gelten bestimmte Verurteilungen als erloschen, wodurch eine erneute Berücksichtigung unzulässig wird.
- Datenschutz: Schutz vor einer dauerhaften Benachteiligung aufgrund vergangener Straftaten durch Entfernung oder Sperrung der Daten.
Regelungen zur Tilgung im Bundeszentralregister
Eintragungsarten und Relevanz
Im BZRG werden nicht alle Entscheidungen gleichermaßen aufgenommen. Grundsätzlich werden rechtskräftige Verurteilungen, Strafbefehle und bestimmte Maßnahmen der Besserung und Sicherung erfasst. Nicht jede Verurteilung führt jedoch zwingend zu einer Eintragung im Führungszeugnis, denn dessen Inhalt hängt zusätzlich von den Löschungs- und Tilgungsregelungen ab.
Tilgungsfristen
Die Tilgungsfristen sind in den §§ 45 bis 47 BZRG festgelegt. Sie richten sich nach Art und Höhe der verhängten Sanktion sowie weiteren strafrechtlichen Vorbelastungen.
- Dreijährige Tilgungsfrist nach § 46 Absatz 1 Nummer 1 BZRG: Für minder schwere Verurteilungen (z. B. Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten, soweit keine weiteren Eintragungen bestehen).
- Fünfjährige Tilgungsfrist nach § 46 Absatz 1 Nummer 2 BZRG: Für mittlere Verurteilungen (etwa Geldstrafen über 90 Tagessätze, Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr, wenn die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde).
- Zehnjährige Tilgungsfrist nach § 46 Absatz 1 Nummer 3 BZRG: Für schwerere Sanktionen, insbesondere bei Freiheitsstrafen über einem Jahr bis fünf Jahren, sofern die Aussetzung zur Bewährung erfolgte.
- Zwanzigjährige Tilgungsfrist nach § 46 Absatz 1 Nummer 4 BZRG: Gilt vor allem bei Sexualdelikten, unabhängig von einer etwaigen Bewährung.
- Fristlose Tilgung: Bestimmte Verurteilungen (z. B. Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe) sind von der Tilgung ausgenommen und verbleiben dauerhaft im Register.
Fristbeginn und Ablauf
Die Tilgungsfrist beginnt regelmäßig mit dem Tag der ersten Rechtskraft der Entscheidung (§ 46 Absatz 2 BZRG). Bei mehreren Verurteilungen verlängert sich die Tilgung bis zur jeweils längstmöglichen Frist, da Eintragungen aus Gründen der Übersichtlichkeit und präventiven Wirkung erst gemeinsam getilgt werden.
Hemmung und Unterbrechung der Tilgung
In bestimmten Fällen ist die Tilgung gehemmt oder unterbrochen. Begeht die betroffene Person während der Tilgungsfrist eine erneute Straftat, die zu einer weiteren Eintragung führt, verlängern sich die Tilgungsfristen, um eine konsolidierte Registerführung zu ermöglichen (§ 47 BZRG).
Folgen der Tilgung
Rechtsfolgen nach Tilgung
Mit Tilgung eines Strafvermerks gilt die Entscheidung nicht mehr als verurteilungsrelevant. Betroffene Personen dürfen im Rechtsverkehr, beispielsweise bei Bewerbungen oder Auskünften gegenüber Behörden, so behandelt werden, als hätte es die Verurteilung nicht gegeben (§ 51 BZRG, „Recht auf Lüge“). Zudem dürfen Auskünfte aus dem Bundeszentralregister den Inhalt getilgter Entscheidungen nicht mehr enthalten.
Bedeutung für das Führungszeugnis
Die Tilgung im Bundeszentralregister erstreckt sich direkt auf das Führungszeugnis. Nach erfolgter Tilgung darf ein entsprechender Vermerk nicht mehr im Führungszeugnis erscheinen. Für spezielle Fälle kommen zusätzliche Regelungen zum Tragen, etwa bei der Beschäftigung im sensiblen Bereich mit Kindern und Jugendlichen.
Löschung aus weiteren Registern
Je nach Sachlage werden auch Eintragungen in weiteren Registern (z. B. Gewerbezentralregister) nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften getilgt oder gelöscht. Die Regelungen orientieren sich dabei oft am BZRG.
Besondere Konstellationen und Ausnahmen
Wiederaufnahme von Verfahren
Wurde ein Verfahren wiederaufgenommen oder eine Verurteilung aufgehoben, wird der entsprechende Strafvermerk aus dem Register entfernt (§ 8 BZRG). Dadurch entfällt die Tilgungsnotwendigkeit, da die Eintragung rechtsgrundlos geworden ist.
Berufsbezogene Tilgungshemmungen
Im Rahmen bestimmter beruflicher Überprüfungen, insbesondere nach dem Bundeskinderschutzgesetz, können selbst getilgte Eintragungen unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin Berücksichtigung finden, etwa wenn es gesetzlich vorgeschrieben ist.
Internationale und europäische Aspekte
Im europäischen Rechtsraum existiert kein einheitliches Register zur Tilgung von Strafvermerken. Staatenbezogene Anfragen und Regelungen zum Informationsaustausch richten sich nach bi- und multilateralen Verträgen sowie EU-Verordnungen.
Quellen und weiterführende Vorschriften
- Bundeszentralregistergesetz (BZRG)
- Strafgesetzbuch (StGB)
- Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG)
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
Zusammenfassung
Die Tilgung von Strafvermerken stellt einen zentralen Mechanismus im deutschen Recht dar, um die Rehabilitierung straffällig gewordener Personen zu sichern und deren gesellschaftliche Wiedereingliederung zu fördern. Sie wird durch detaillierte gesetzliche Bestimmungen geregelt, die Art, Dauer und Inhalt der Tilgung exakt definieren. Nach erfolgter Tilgung besteht ein weitgehender Schutz davor, dass frühere Verurteilungen im Rechtsverkehr oder gegenüber Dritten noch nachwirken können. Ausnahmen bestehen nur in wenigen, gesetzlich besonders geregelten Fällen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Fristen gelten für die Tilgung von Strafvermerken im Bundeszentralregister?
Die Tilgungsfristen für Strafvermerke im Bundeszentralregister (BZR) sind im Bundeszentralregistergesetz (BZRG) geregelt und variieren je nach Art und Schwere der jeweiligen Straftat sowie der verhängten Sanktion. Grundsätzlich beträgt die Tilgungsfrist für Verurteilungen zu Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten drei Jahre. Für Verurteilungen zu Freiheitsstrafen über drei Monate und bis zu einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, gilt ebenfalls eine Frist von drei Jahren, bei nicht ausgesetzter Freiheitsstrafe fünf Jahre. Für Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr beträgt die Tilgungsfrist zehn Jahre. Bei Sexualstraftaten kann sich die Frist auf 15 Jahre verlängern. Die Frist beginnt jeweils mit dem Tag des ersten Urteils, bei mehreren Verurteilungen ab dem Tag des letzten Urteils. Bestimmte Maßnahmen, wie zum Beispiel die Führungsaufsicht, können den Beginn der Tilgungsfrist hinauszögern. Zudem kann die Eintragung unter bestimmten Voraussetzungen lebenslang gespeichert bleiben, etwa bei Freiheitsstrafen von mehr als fünf Jahren für bestimmte Straftaten.
Welche Auswirkungen hat die Tilgung eines Strafvermerks auf das Führungszeugnis?
Nach Tilgung eines Strafvermerks im Bundeszentralregister erscheint die betreffende Verurteilung grundsätzlich nicht mehr im Führungszeugnis. Das bedeutet, dass bei einer Anfrage des Arbeitgebers, einer Behörde oder sonstigen Institutionen keine Information über die getilgte Straftat mehr erteilt wird. Wenn jedoch weitere Eintragungen vorhanden sind, kann die Tilgung einzelner Daten verzögert werden, da Mehrfachtäterregelungen greifen. Zudem gibt es Ausnahmen, etwa für erweiterte Führungszeugnisse, die für Tätigkeiten mit Kindern oder Jugendlichen beantragt werden: Bestimmte Sexualstraftaten werden auch nach Ablauf der Tilgungsfrist angezeigt, sofern sie nicht ausdrücklich entfernt wurden.
Können Tilgungsfristen unterbrochen oder gehemmt werden?
Ja, Tilgungsfristen können unterbrochen oder gehemmt werden. Das BZRG sieht vor, dass Tilgungsfristen insbesondere dann ruhen, wenn eine neue Verurteilung vor Ablauf einer bereits laufenden Tilgungsfrist erfolgt. In solchen Fällen beginnt die Tilgungsfrist aller Eintragungen frühestens mit Rechtskraft des jüngsten Urteils. Auch auf das gesamte Register wirksame Maßnahmen wie nachträgliche Anordnungen der Sicherungsverwahrung oder Führungsaufsicht können zu einer Hemmung führen. Nicht zuletzt wird die Tilgung hinausgezögert, wenn vor Ablauf der Frist ein Strafverfahren anhängig ist, das zur Eintragung führen könnte.
Was passiert mit den Daten nach Tilgung im Bundeszentralregister?
Nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Tilgungsfrist sind Strafvermerke grundsätzlich aus dem Bundeszentralregister zu entfernen. Die Daten dürfen dann weder für Führungszeugnisse noch für Anfragen von Behörden bereitgestellt werden. Lediglich in seltenen Ausnahmefällen, etwa für wissenschaftliche oder statistische Zwecke und unter strenger Anonymisierung, ist ein Zugriff möglich. Nach Tilgung sind die Daten für den Betroffenen und für Dritte rechtlich nicht mehr existent, und sie dürfen im Rechtsverkehr nicht mehr zu seinem Nachteil verwendet werden. Unzulässige Weitergabe oder Verwertung getilgter Daten ist gesetzlich verboten und kann straf- oder dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Gilt die Tilgung von Strafvermerken auch für Disziplinarvermerke im öffentlichen Dienst?
Die Tilgung von Strafvermerken im Bundeszentralregister wirkt sich nicht unmittelbar auf disziplinarrechtliche Vermerke oder Maßnahmen im öffentlichen Dienst aus. Disziplinarmaßnahmen werden nach speziellen disziplinarrechtlichen Vorschriften, beispielsweise dem Bundesdisziplinargesetz, erfasst und unterliegen eigenen Tilgungsfristen und -regelungen. Allerdings kann die Entfernung eines strafrechtlichen Vermerks im Einzelfall eine Neubewertung der Disziplinarmaßnahme auslösen. Hierfür ist jedoch regelmäßig ein gesonderter Antrag erforderlich.
Welche Ausnahmen von der Tilgungspflicht gibt es?
Ausnahmen von der Tilgungspflicht bestehen insbesondere bei schweren Straftaten und für bestimmte Berufsgruppen. So werden beispielsweise Verurteilungen zu lebenslangen Freiheitsstrafen oder wegen bestimmter Sexualdelikte in Bezug auf erweiterte Führungszeugnisse unter Umständen nicht getilgt oder sind nur äußerst eingeschränkt entfernbar. Auch bei Bewerbungen im Bereich Justiz, Polizei oder anderen sicherheitsrelevanten Tätigkeiten können getilgte Eintragungen unter Umständen weiterhin einbezogen werden, sofern spezielle gesetzliche Regelungen dies vorsehen.
Wie kann ein Betroffener überprüfen, ob eine Tilgung erfolgt ist?
Jede betroffene Person hat gemäß § 42 BZRG das Recht, Auskunft über die zu ihrer Person im Bundeszentralregister gespeicherten Daten zu verlangen. Dazu kann beim Bundesamt für Justiz ein sogenanntes persönliches Registerauskunftsersuchen gestellt werden. Die Auskunft erfolgt grundsätzlich nur an den Betroffenen selbst. So kann überprüft werden, ob die Tilgung der relevanten Vermerke vorgenommen wurde. Über fehlerhafte oder unterbliebene Tilgungen besteht überdies ein Recht auf Berichtigung.