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Tierhüter


Begriff und Definition des Tierhüters

Der Begriff „Tierhüter“ ist insbesondere im deutschen Privatrecht eine zentrale Bezeichnung für Personen, die mit der Beaufsichtigung, Pflege oder Betreuung eines Tieres betraut werden, ohne selbst Eigentümer des Tieres zu sein. Die rechtliche Einstufung und die daraus resultierenden Pflichten und Haftungsfragen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Der Tierhüter handelt im Unterschied zum Tierhalter nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse und übernimmt zumindest vorübergehend die tatsächliche Obhut über ein Tier.

Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen

Tierhüterbegriff im Bürgerlichen Gesetzbuch

Der Tierhüter ist gesetzlich vor allem in § 834 BGB normiert. Dort werden die Voraussetzungen und die Haftung des Tierhüters im Falle eines Schadens durch das gehütete Tier geregelt. Die Vorschrift baut auf den allgemeinen Haftungsregelungen bezüglich Tiereinteilung in Tierhalter und Tierhüter auf und grenzt diese sowohl in Bezug auf ihre Verantwortlichkeit als auch die Haftung ab.

Wortlaut § 834 BGB (auszugsweise):
Wer für den Halter eines Tieres die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist, wenn er bei der Führung der Aufsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet, nicht verantwortlich; andernfalls ist er für den Schaden verantwortlich, den ein Dritter durch das Tier erleidet.

Tierhüter im Unterschied zum Tierhalter

  • Tierhalter: Ist die natürliche oder juristische Person, die dauerhaft und eigenverantwortlich die Aufsicht, Versorgung und Nutzung eines Tieres innehat.
  • Tierhüter: Übernimmt im Auftrag des Tierhalters vorübergehend und meist vertraglich geregelt die Aufsicht und/oder Versorgung, handelt jedoch nicht dauerhaft oder selbstständig im eigenen Interesse.

Rechtsverhältnis, Entstehung und Umfang der Tierhüterhaftung

Entstehung des Tierhüterverhältnisses

Das Verhältnis zwischen Tierhalter und Tierhüter wird regelmäßig durch einen schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Dienstvertrag, Auftrag, Verwahrungsvertrag) begründet. Dieses Rechtsverhältnis kann sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich ausgestaltet sein.

Typische Konstellationen:

  • Tiersitter, Dogwalker, Pensionsbetriebe
  • Nachbarn, Freunde, Angehörige, die zeitweise ein Tier beaufsichtigen

Haftung des Tierhüters (§ 834 BGB)

Der Tierhüter haftet für Schäden, die das von ihm beaufsichtigte Tier Dritten zufügt, grundsätzlich dann, wenn ihm eine Pflichtverletzung im Rahmen der Aufsicht zur Last gelegt werden kann. Maßgeblich ist das Einhalten oder Verletzen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.

Voraussetzungen der Tierhüterhaftung:

  1. Vertragliche Übernahme der Aufsichtspflicht: Der Tierhüter muss durch einen Vertrag mit dem Tierhalter ausdrücklich die Aufsicht über ein fremdes Tier übernehmen.
  2. Kausalität der Pflichtverletzung: Der Schaden muss auf einer Pflichtverletzung des Tierhüters bei der Ausführung der Aufsicht beruhen.
  3. Schaden eines Dritten: Ein Dritter muss durch das Tier zu Schaden gekommen sein.

Haftungsmaßstab:

  • Die Haftung des Tierhüters ist – anders als die des Tierhalters gemäß § 833 BGB – grundsätzlich eine Verschuldenshaftung. Der Tierhüter haftet nur, wenn ihm Fahrlässigkeit oder Vorsatz in der Aufsichtsführung nachgewiesen wird.
  • Hat der Tierhüter die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet, ist er von der Haftung freigestellt.

Haftungsausschlüsse und Besonderheiten

  • Deliktische Haftung des Tierhalters: Der Tierhalter haftet dem Tierhüter gegenüber regelmäßig verschuldensunabhängig (§ 833 BGB), während der Tierhüter gegenüber dem Tierhalter in der Regel nur für eigenes Verschulden einsteht.
  • Vertragliche Haftungsbeschränkungen: Im Rahmen des Vertrages zwischen Tierhalter und Tierhüter können Haftungsbeschränkungen und -erweiterungen vereinbart werden, soweit zwingende gesetzliche Vorschriften dem nicht entgegenstehen.
  • Mitverschulden Dritter: Bei einem Mitverschulden des Geschädigten oder Dritter bestehen unter Umständen Anspruchskürzungen nach den allgemeinen Vorschriften des BGB (§ 254 BGB).

Umfang der Pflichten des Tierhüters

Sorgfaltsmaßstab

Die Sorgfaltspflichten des Tierhüters bemessen sich am jeweiligen Tier, dessen Eigenart, Gefährlichkeit und am üblichen Umfang der Sorgfalt im Einzelfall. Dies kann von Tierart (Hund, Katze, Pferd) und individuellen Eigenschaften des Tieres abhängig sein.

Kontroll-, Beaufsichtigungs- und Handlungspflichten

Zu den Pflichten des Tierhüters zählen:

  • Regelmäßige Kontrolle des Tieres
  • Ergreifen angemessener Sicherungsmaßnahmen (z. B. Leinenzwang bei Hunden)
  • Gefahrenabwehr, soweit möglich und zumutbar
  • Unverzügliche Information des Tierhalters bei ungewöhnlichen Vorkommnissen
  • Einhaltung etwaiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften (z. B. Leinenpflicht, Maulkorbzwang)

Versicherung und Haftungsabdichtung

Tierhüter sind gegenüber Schadensersatzansprüchen von Dritten grundsätzlich nicht automatisch haftpflichtversichert. Es obliegt den Parteien, im Rahmen des Auftrags entsprechende Versicherungslösungen (Tiersitterhaftpflicht, Betriebshaftpflicht) vorzusehen. Viele Tierhalterhaftpflichtversicherungen erstrecken sich auch auf Aufsichtspersonen, sofern diese nicht gewerblich tätig sind.

Sonderformen und Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren

Der Tierhüter im Tierbetreuungsgewerbe

Wird die Tierhütung gewerblich betrieben (z. B. Tierpension, Tiersitter als Unternehmer), gelten mitunter besondere Haftpflichtnormen sowie zusätzliche vertragliche Regelungen und gewerberechtliche Erfordernisse.

Abgrenzung zum Tierhalter

Wesentliches Abgrenzungskriterium ist das Fehlen eigener Haltereigenschaft. Die Verpflichtung des Tierhüters ist stets temporär und auf Weisung oder im fremden Interesse, während der Halter dauerhaft für das Tier einsteht.

Abgrenzung zur Tiermiete

Bei der Miete lebender Tiere ist regelmäßig der Mieter selbst Tierhalter im Sinne des BGB und nicht lediglich Tierhüter.

Zusammenfassung

Der Tierhüter ist eine eigenständige rechtliche Figur mit speziellen, gesetzlich geregelten Verantwortungsbereichen. Die Rechtsposition ist insbesondere durch den Vertrag mit dem Tierhalter, den Sorgfaltsmaßstab der Aufsicht und die Haftungsregelungen des § 834 BGB geprägt. Im praktischen Rechtsverkehr ist die genaue Abgrenzung zum Tierhalter, die vertragliche Ausgestaltung sowie der Versicherungsstatus für die Beurteilung von Haftungsfragen maßgeblich. Die Einbeziehung aktueller Rechtsprechung und die sorgfältige Vertragsgestaltung sind für die Risikominimierung im Verhältnis zwischen Tierhalter, Tierhüter und eventuell geschädigten Dritten unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Pflichten hat ein Tierhüter nach deutschem Recht?

Ein Tierhüter ist nach § 834 BGB verpflichtet, die ihm anvertrauten Tiere mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zu beaufsichtigen. Die Sorgfaltspflichten richten sich nach Art, Größe, Temperament und Gefährlichkeit des Tieres, den jeweiligen Umständen des Einzelfalls sowie dem Wissensstand des Tierhüters. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass das Tier keine Schäden an Dritten oder deren Eigentum verursacht. Verpflichtend ist dabei die Beachtung spezifischer Haltungs-, Fütterungs- und Auslaufvorschriften und gegebenenfalls Erfüllung behördlicher Auflagen. Kommt der Tierhüter diesen Pflichten nicht nach und entsteht dadurch ein Schaden, kann er gemäß § 834 Abs. 1 BGB haftbar gemacht werden, es sei denn, er kann nachweisen, dass er bei der Beaufsichtigung nicht nachlässig war. Die Pflichten gelten grundsätzlich unabhängig davon, ob der Tierhüter ein Entgelt für seine Leistungen erhält oder nicht. Sind mehrere Tierhüter beteiligt, müssen die Sorgfaltspflichten in Absprache gemeinschaftlich erfüllt werden.

Haftet der Tierhüter bei Schäden, die das Tier verursacht?

Ja, nach deutschem Recht haftet der Tierhüter gemäß § 834 BGB für Schäden, die durch das ihm anvertraute Tier verursacht werden, sofern diese auf einer Pflichtverletzung des Tierhüters beruhen. Die Haftung ist verschuldensabhängig, der Tierhüter haftet also nur, wenn ihm Fahrlässigkeit oder Vorsatz nachgewiesen werden kann. Im Unterschied zur Tierhalterhaftung (§ 833 BGB), die als Gefährdungshaftung ausgestaltet ist, muss bei der Tierhüterhaftung ein konkretes Fehlverhalten nachgewiesen werden. Der Tierhüter kann sich von der Haftung befreien, wenn er darlegen und beweisen kann, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.

Kann sich der Tierhüter vertraglich von der Haftung befreien?

Grundsätzlich kann die Haftung des Tierhüters im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages durch Klauseln beschränkt oder ganz ausgeschlossen werden. Nach § 276 Abs. 3 BGB kann jedoch die Haftung für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Eine vertragliche Freizeichnung von der Haftung für leichte Fahrlässigkeit ist dagegen zulässig, sofern keine zwingenden Verbraucherschutzvorschriften entgegenstehen. Derartige Haftungsausschlüsse müssen jedoch klar und verständlich formuliert sowie transparent in den Vertrag einbezogen werden. Im Zweifel trägt der Tierhüter die Beweislast dafür, dass der Haftungsausschluss wirksam vereinbart wurde.

Wann endet die Haftung des Tierhüters?

Die Haftung des Tierhüters endet, sobald das Tier wieder in den Verantwortungsbereich des Tierhalters gelangt oder an eine zur Entgegennahme berechtigte Person übergeben wurde (§ 834 S. 2 BGB). Während der gesamten Dauer, in der der Tierhüter die tatsächliche Gewalt über das Tier ausübt, besteht die Haftung fort. Bei einer Übergabe an Dritte ist relevant, ob die betreffende Person tatsächlich im Auftrag des Tierhalters handelt. Endet das Tierhüterverhältnis etwa durch Tod oder Geschäftsunfähigkeit des Tierhüters, geht die Haftung auf die jeweils verantwortliche neue Person über. Bei Streitigkeiten über den Zeitpunkt der Rückgabe kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls und die vertraglichen Vereinbarungen an.

Welche Versicherungsmöglichkeiten bestehen für Tierhüter?

Tierhüter können sich gegen Haftungsrisiken durch den Abschluss spezieller Tierhüterhaftpflichtversicherungen absichern. Diese Policen decken in der Regel Schadensersatzansprüche ab, die aus der Tätigkeit als Tierhüter resultieren, und ergänzen eine bestehende private oder betriebliche Haftpflichtversicherung, welche häufig Schäden aus der professionellen Tierhütung ausschließt. Zu beachten ist, dass die meisten Tierhalterhaftpflichtversicherungen keinen Schutz für fremde Tierhüter bieten. Eine entsprechende Deckung sollte den individuellen Tätigkeitsbereich des Tierhüters sowie die Tierarten, die betreut werden, umfassen. Vor Vertragsschluss ist eine sorgfältige Prüfung der Versicherungsbedingungen und etwaiger Ausschlüsse empfehlenswert, um ausreichenden Versicherungsschutz sicherzustellen.

Wer trägt die Beweislast bei einem Schadenfall im Zusammenhang mit einer Tierhütung?

Im Schadenfall obliegt es grundsätzlich dem Geschädigten, darzulegen und zu beweisen, dass der Tierhüter eine Pflichtverletzung begangen hat, also die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wurde. Kann der Tierhüter hingegen nachweisen, dass er sämtliche gebotenen Sicherheits- und Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, entfällt seine Haftung (§ 834 S. 1, 2. Alt. BGB). Die Beweislastverteilung richtet sich demnach nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. In der Praxis ist eine lückenlose Dokumentation der Tierhütungspflichten und der ergriffenen Maßnahmen empfehlenswert, um im Streitfall die eigene Sorgfalt belegen zu können.

Gibt es besondere rechtliche Regelungen bei der gewerblichen Tierhütung?

Für gewerbliche Tierhüter – etwa Hundepensionen, professionelle Gassigänger oder Tierhotels – gelten neben den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften zusätzliche gewerberechtliche und tierschutzrechtliche Auflagen. Nach § 11 Tierschutzgesetz (TierSchG) ist beispielsweise für bestimmte Formen der gewerbsmäßigen Tierbetreuung eine Erlaubnis der zuständigen Behörde erforderlich. Diese prüft neben der Zuverlässigkeit und Sachkunde des Anbieters auch Betriebsräume und Haltungsbedingungen. Darüber hinaus sind umfassende Informations- und Sorgfaltspflichten gegenüber Tierhaltern und Behörden einzuhalten. Gewerbliche Tierhüter müssen weiterhin sicherstellen, dass sie über ausreichende Versicherungen verfügen, und sind verpflichtet, alle einschlägigen gesetzlichen Regelungen einzuhalten. Zuwiderhandlungen können zum Verlust der Gewerbeerlaubnis oder strafrechtlichen Konsequenzen führen.