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Tierhaltungskennzeichnung


Begriff und allgemeine Bedeutung der Tierhaltungskennzeichnung

Die Tierhaltungskennzeichnung bezeichnet die verpflichtende oder freiwillige Deklaration von Produktionsbedingungen, unter denen Nutztiere in der Landwirtschaft gehalten werden, mit dem Ziel, Verbraucherinformationen bezüglich Tierschutz, Transparenz und Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelerzeugung zu verbessern. Die Tierhaltungskennzeichnung umfasst vornehmlich die Offenlegung des Haltungsverfahrens (z. B. Stallhaltung, Auslaufhaltung, Weide- oder Freilandhaltung) durch spezifische Label, Codes oder schriftliche Hinweise auf Verpackungen tierischer Produkte wie Fleisch, Eier und Milchprodukte. Rechtlich dient die Kennzeichnung der Umsetzung tierschutzrechtlicher sowie lebensmittelrechtlicher Vorgaben und fördert gleichzeitig das Verbrauchervertrauen.


Rechtliche Grundlagen der Tierhaltungskennzeichnung

Europäisches Recht

Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Tierhaltungskennzeichnung in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) basieren auf diversen EU-Verordnungen und Richtlinien.

Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMIV, EU-Verordnung Nr. 1169/2011)

Die Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMIV) regelt die verpflichtenden Informationen, die auf Verpackungen von Lebensmitteln anzugeben sind. Sie definiert allgemeine Grundsätze für freiwillige Angaben, zu denen auch Tierhaltungsformen zählen können, sofern diese „nicht irreführend“ sind und auf nachvollziehbaren Kriterien beruhen.

Spezifische EU-Sektorenregelungen

  • Eierkennzeichnung (EU-Verordnung Nr. 589/2008)

Für Schaleneier ist eine verbindliche Kennzeichnung der Haltungsform vorgeschrieben. Der sogenannte Erzeugercode auf jedem Ei gibt Auskunft über die Haltungsform, den Herkunftsstaat und die Betriebsnummer des Erzeugers.

  • Fleisch von Rindern, Schweinen, Geflügel

Während für Rindfleisch seit der BSE-Krise die Pflicht zur Herkunftskennzeichnung besteht (EU-Verordnung Nr. 1760/2000), besteht für Schwein, Geflügel, Schaf und Ziege im Rahmen der EU-Verordnung Nr. 1337/2013 eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung, jedoch keine vollumfängliche Haltungskennzeichnung.

Deutsches Recht

Tierschutzgesetz (TierSchG)

Das deutsche Tierschutzgesetz (§ 1 ff. TierSchG) normiert das generelle Tierschutzprinzip und verlangt, dass Wirbeltiere nur unter Bedingungen gehalten werden dürfen, die deren Wohlbefinden nicht beeinträchtigen. Die konkrete Kennzeichnungspflicht als Rechtsinstrument ergibt sich jedoch nicht aus dem Tierschutzgesetz selbst, sondern aus speziellen Rechtsverordnungen.

Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG)

Das im Juni 2023 in Kraft getretene Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG) etabliert erstmals eine verpflichtende und staatlich definierte Kennzeichnung für bestimmte tierische Produkte. Ausgangspunkt ist aktuell die Pflicht zur Kennzeichnung der Haltung von Mastschweinen, geplant ist eine stufenweise Erweiterung auf weitere Tierarten.

Die fünf Haltungsformen nach TierHaltKennzG:

  1. Stallhaltung
  2. Stallhaltung Plus
  3. Frischluftstall
  4. Auslauf/Weidehaltung
  5. Biohaltung

Die Pflicht betrifft zunächst frisches Schweinefleisch aus inländischer Erzeugung in Einzelhandelsläden und kann künftig auf weitere Produkte sowie Handelsstufen ausgeweitet werden.

Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)

Das LFGB kontrolliert die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Standards und dient als Grundlage, um Verstöße gegen Transparenz- und Informationspflichten – etwa durch irreführende Kennzeichnung oder Weglassen relevanter Hinweise zur Tierhaltung – rechtlich zu sanktionieren.


Systematik der Tierhaltungskennzeichnung

Verpflichtende und freiwillige Kennzeichnung

Die Tierhaltungskennzeichnung kann sowohl verpflichtend (gesetzlich vorgeschrieben) als auch freiwillig (durch private Label oder Verbände) erfolgen. Verpflichtende Regelungen finden sich bislang schwerpunktmäßig im Bereich Eier und – seit 2023 – Mastschweinefleisch, während andere Produktgruppen (etwa Milch, Geflügel oder Rindfleisch abseits der Herkunft) vor allem durch freiwillige Systeme abgedeckt sind.

Rechtliche Anforderungen an freiwillige Kennzeichen

Freiwillige Haltungskennzeichen, etwa durch Handelsmarken oder Verbände (z. B. das Label „Neuland“, „Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbundes“, „Haltungsform“ der großen Handelsunternehmen), unterliegen lebensmittelrechtlichen Vorgaben zur Sachlichkeit und Nachweisbarkeit. Sie dürfen nicht täuschen und müssen nachprüfbare Mindeststandards beschreiben.


Rechtsfolgen, Kontrolle und Sanktionen

Überwachung der Einhaltung

Die Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher Kennzeichnungspflichten obliegt in Deutschland den zuständigen Landesbehörden, die stichprobenartig oder anlassbezogen prüfen, ob die Angaben zutreffen und gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Zivil- und Ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen

Fehlerhafte, nicht erfolgte oder irreführende Tierhaltungskennzeichnungen können gem. § 59 LFGB als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld geahndet werden. Zivilrechtlich kommen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, insbesondere wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklagen durch Mitbewerber oder Verbraucherschutzorganisationen, in Betracht.


Entwicklungen und Reformbestrebungen

Ausweitung der Kennzeichnung

Mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz ist ein erster Schritt zur Ausweitung der staatlichen Kennzeichnungspflichten gemacht worden. Die politische Diskussion über eine verpflichtende Deklaration weiterer Tierarten (Rinder, Geflügel, Milchprodukte, verarbeitete Waren) hält weiter an, mit dem Ziel, Verbraucherentscheidungen gezielter zu lenken und das Tierwohl zu stärken.

Digitalisierung und Rückverfolgbarkeit

Die Entwicklung digitaler Informationssysteme (z. B. QR-Codes, Online-Datenbanken) zur Rückverfolgbarkeit tierischer Produkte gewinnt an Bedeutung. Rechtlich stellt sich hierbei die Herausforderung, Datenschutz, Transparenz und Kontrollmöglichkeiten in Einklang zu bringen.


Literatur und weiterführende Rechtsquellen

  • Europäische Kommission: Verordnungen zur Lebensmittelkennzeichnung
  • Deutscher Bundestag: Gesetzentwurf zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz
  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Infoseite zur Tierhaltungskennzeichnung
  • Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)
  • Tierschutzgesetz (TierSchG)

Die Tierhaltungskennzeichnung stellt ein dynamisches Rechtsgebiet dar und entwickelt sich angesichts gesellschaftlicher Erwartungen an Tierschutz, Transparenz und nachhaltigen Konsum weiter. Ihre rechtlichen Grundlagen sichern eine klare Verbraucherinformation und einen fairen Wettbewerb, fordern aber stetige Angleichung an technische sowie gesellschaftliche Veränderungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Vorgaben müssen Landwirte bei der Tierhaltungskennzeichnung in Deutschland beachten?

Landwirte, die Tiere zur Lebensmittelgewinnung halten und ihre Produkte in Verkehr bringen möchten, müssen eine Vielzahl an rechtlichen Vorgaben zur Tierhaltungskennzeichnung einhalten. Zentrale Grundlage ist das im September 2023 in Kraft getretene Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG), das zunächst für Schweinefleischprodukte gilt, perspektivisch aber auf weitere Tierarten ausgeweitet werden soll. Es verpflichtet Betriebe, die Haltungsform (Stallhaltung, StallhaltungPlus, Frischluftstall, Auslauf/Freiland, Bio) transparent und nach festgelegten Kriterien auf frischem, unverarbeitetem Schweinefleisch sowie auf entsprechenden Produktionsstätten auszuweisen. Die Einordnung in die jeweiligen Kategorien definiert sich über bauliche und managementspezifische Anforderungen, z. B. Platzangebot, Zugang zu Außenklima, Beschäftigungsangebote für Tiere und Frischluftzufuhr. Darüber hinaus sind Tierhalter verpflichtet, die entsprechenden Unterlagen bis zu fünf Jahre aufzubewahren und im Rahmen von Kontrollen durch Behörden vorzulegen. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern geahndet werden.

Wie erfolgt die Kontrolle der Einhaltung der Tierhaltungskennzeichnungs­pflichten und welche Sanktionen drohen bei Verstoß?

Die Einhaltung der Tierhaltungskennzeichnung wird durch die zuständigen Landesbehörden regelmäßig kontrolliert. Hierzu gehören sowohl Vor-Ort-Kontrollen als auch die Überprüfung der geforderten Dokumentation, etwa Stallpläne, Nachweise über Platzverhältnisse, tierbezogene Haltungsdaten und Tierwohlmaßnahmen. Bei festgestellten Verstößen reichen die behördlichen Maßnahmen von Auflagen zur Mängelbeseitigung bis hin zu Bußgeldern, die – abhängig vom Schweregrad des Verstoßes – bis zu 30.000 Euro betragen können (§ 12 TierHaltKennzG). In besonders schweren Fällen, wie etwa bei vorsätzlicher Falschangabe von Haltungsformen oder systematischer Täuschung von Verbraucher:innen, ist neben der Untersagung der Vermarktung auch eine strafrechtliche Verfolgung nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) möglich.

Inwieweit gilt die Kennzeichnungspflicht auch für verarbeitete Produkte und Importe?

Die aktuelle Rechtslage sieht die Kennzeichnungspflicht für Tierhaltungsformen überwiegend für frisches, unverarbeitetes Fleisch vor, das aus deutscher Produktion stammt. Verarbeitete Produkte (wie Wurst- oder Dosenfleisch) sowie Importware aus anderen EU-Staaten und Drittländern sind derzeit vom Geltungsbereich des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes ausgenommen. Allerdings ist politisch vorgesehen, das Gesetz schrittweise auch auf verarbeitete Lebensmittel und Gastronomieprodukte auszuweiten. Für Importprodukte gilt uneinheitliches EU-Recht: Eine verbindliche Haltungskennzeichnungspflicht existiert bislang nicht, obwohl dies in der Diskussion auf EU-Ebene ist. Es gilt aber das Irreführungsverbot nach der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), so dass freiwillige Angaben zur Tierhaltung korrekt und nachweisbar sein müssen.

Gibt es Überschneidungen zwischen Tierhaltungskennzeichnung und anderen Kennzeichnungspflichten wie Bio-Siegel oder QS-Prüfzeichen?

Zwischen der gesetzlichen Tierhaltungskennzeichnung und bestehenden freiwilligen Gütezeichen wie dem EU-Bio-Siegel oder dem QS-Prüfzeichen bestehen teilweise Überschneidungen, aber auch klare Abgrenzungen. Während die Bio-Kennzeichnung auf der EU-Öko-Verordnung basiert und strengere Anforderungen an Tierhaltung, Fütterung und Medikamenteneinsatz stellt, ist die Tierhaltungskennzeichnung ausschließlich auf die Form und Qualität der Tierhaltung bezogen, unabhängig von anderen Aspekten wie Futtermittelherkunft. Die gleichzeitige Verwendung mehrerer Kennzeichnungen ist zulässig, sofern sie korrekt und nicht irreführend ist. Eine Pflicht zur Bio-Kennzeichnung besteht jedoch nicht, ebenso wenig ersetzt die Bio-Kennzeichnung automatisch die Vorgaben der Haltungskennzeichnung. Das QS-Prüfzeichen ist ein privatrechtlich organisiertes Qualitätssicherungssystem und kann zusätzlich verwendet werden, beinhaltet aber andere Prüfschwerpunkte.

Welche Informationspflichten bestehen im Handel bezüglich der Tierhaltungskennzeichnung?

Händler müssen sicherstellen, dass beim Inverkehrbringen von kennzeichnungspflichtigen Tierprodukten die zutreffende Haltungsform für Verbraucher:innen deutlich sichtbar angegeben ist. Im stationären Einzelhandel muss die Information direkt am Verkaufsort (am Produkt oder am Regal) bereitgestellt werden. Beim Online-Handel ist die Angabe der Haltungsform verpflichtend im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Produkt (beispielsweise in der Artikelbeschreibung) vor dem Kaufabschluss aufzuführen. Zudem sind Händler verpflichtet, die vom Lieferanten erhaltenen Angaben zu überprüfen und auf Plausibilität zu kontrollieren. Die Dokumentationspflichten erstrecken sich darauf, dass sie Herkunft und Richtigkeit der Kennzeichnungsinformationen belegen können.

Welche Rolle spielt die Nachweispflicht und wie muss die Dokumentation erfolgen?

Die Nachweispflicht für die deklarierte Haltungsform liegt sowohl beim Tierhalter als auch entlang der Vermarktungskette (z. B. bei Verarbeitern und Händlern). Die jeweiligen Akteure müssen vollständige und nachvollziehbare Dokumentationen vorhalten, welche die Zuordnung der jeweiligen Tiere oder Fleischpartien zur jeweils ausgewiesenen Haltungsform ermöglichen. Dazu zählen Stallbücher, Lieferscheine, Zertifikate und tierbezogene Aufzeichnungen. Die Dokumentation muss mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden und der zuständigen Behörde auf Verlangen jederzeit zugänglich gemacht werden können. Bei Verstößen oder bei fehlender Dokumentation drohen empfindliche Sanktionen, bis hin zu Handelsverboten für Produkte aus nicht korrekt dokumentierter Tierhaltung.

Welche künftigen rechtlichen Entwicklungen sind bei der Tierhaltungskennzeichnung zu erwarten?

Auf nationaler Ebene ist geplant, die Tierhaltungskennzeichnung schrittweise auf weitere Tierarten, wie Geflügel und Rinder, auszuweiten. Zudem soll die Verpflichtung perspektivisch auch für verarbeitete Fleischwaren sowie Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie gelten. Parallel dazu arbeitet die Europäische Kommission an einem EU-weit einheitlichen System zur Haltungskennzeichnung, welches mittelfristig auch Vorgaben für importierte Produkte beinhalten könnte. Die Rechtslage ist daher einem dynamischen Wandel unterworfen, weshalb Betriebe und Vermarkter sich regelmäßig über Neuerungen informieren und ihre Prozesse entsprechend anpassen sollten, um Rechtskonformität sicherzustellen.