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Tierhalter


Begriff und rechtliche Einordnung des Tierhalters

Der Begriff Tierhalter bezeichnet im deutschen Recht eine natürliche oder juristische Person, die für ein Tier dauerhaft oder vorübergehend Verantwortung übernimmt und daraus resultierende Verpflichtungen trägt. Die rechtliche Definition des Tierhalters ist zentral für zahlreiche Vorschriften des Zivilrechts, aber auch des öffentlichen Rechts. Insbesondere werden Haftungsfragen, Aufsichts- und Sorgfaltspflichten sowie Verhaltensvorgaben durch die Tierhalterstellung begründet.


Definition des Tierhalters

Im zivilrechtlichen Kontext ist Tierhalter, wer die Bestimmungsmacht über das Tier ausübt, das Risiko des Schadens trägt und aus eigenem Interesse einen Nutzen aus dem Tier zieht. Die tatsächliche Sachherrschaft und die dauerhafte Übernahme der Verantwortung sind maßgebend für die Haltereigenschaft. Besondere Bedeutung erfährt diese Definition im Rahmen des § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach ist nicht zwangsläufig der Eigentümer eines Tieres gleichbedeutend mit dem Tierhalter – vielmehr kann die Haltereigenschaft auch bei Dritten vorliegen, etwa bei langfristiger Überlassung des Tieres.


Tierhalterhaftung (§ 833 BGB)

Grundtatbestand der Tierhalterhaftung

Der Tatbestand der Tierhalterhaftung ist in § 833 BGB geregelt. Danach haftet der Tierhalter, wenn sein Tier einen Menschen verletzt, eine Sache beschädigt oder anderweitig Schäden verursacht. Die Haftung ist grundsätzlich eine Gefährdungshaftung, das heißt, sie knüpft an die bloße Tierhaltung an, nicht an ein Verschulden des Halters.

Gefährdungshaftung und Ausnahmen

Die Gefährdungshaftung verpflichtet den Tierhalter bereits bei Schadenseintritt zum Ersatz, unabhängig von einem Fehlverhalten. Ausgenommen hiervon ist nach § 833 Satz 2 BGB die Haftung für sogenannte Nutztiere, wenn der Halter nachweist, dass er bei der Beaufsichtigung des Tieres erforderliche Sorgfalt beachtet hat (Exkulpationsmöglichkeit). Bei Luxustieren, zu denen etwa Hunde und Katzen zählen, besteht keine Entlastungsmöglichkeit.

Halterbegriff im Haftungsrecht

Für die Qualifizierung als Tierhalter im Sinne des § 833 BGB ist die tatsächliche Gewalt über das Tier und der Wille zur eigenen tierbezogenen Nutzziehung entscheidend. Zeitweilige Begleitpersonen (zum Beispiel Gassi-Geher) werden regelmäßig nicht als Tierhalter angesehen, sondern als sogenannte Tieraufseher (§ 834 BGB), für die abweichende Haftungsregelungen gelten.


Öffentliche-rechtliche Aspekte der Tierhaltung

Tierhalterpflichten aus dem Tierschutzrecht

Das Tierschutzgesetz (TierSchG) enthält eine Vielzahl von Normen, die Verpflichtungen des Tierhalters festlegen. Zentral ist die Pflicht, das Wohl des Tieres zu gewährleisten (§ 2 TierSchG). Dies umfasst artgerechte Unterbringung, Pflege, Fütterung und den Schutz vor Schmerzen, Leiden und Schäden. Verstöße können mit behördlichen Maßnahmen oder bußgeldrechtlich geahndet werden.

Verpflichtungen nach dem Tierseuchenrecht

Tierhalter tragen nach dem Tiergesundheitsrecht (insbesondere TierGesG und TierSeuchenrecht) spezifische Auskunfts-, Anzeige- und Meldepflichten, insbesondere im Hinblick auf meldepflichtige Tierkrankheiten. Sie müssen geeignete Vorkehrungen treffen, um die Ausbreitung von Tierseuchen zu verhindern.

Melde- und Versicherungspflichten

In einigen Bereichen bestehen Meldepflichten für Tierhalter – etwa gegenüber der Gemeinde bei Hunden (Hundesteuersatzung) oder für Pferdehalter bei Bestandsregisterpflichten. Weiterhin sind bestimmte Tierhalter (z. B. von Hunden oder Pferden) verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung zum Schutz Dritter vor Schäden durch das Tier abzuschließen.


Haltereigenschaft im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

Das Strafgesetzbuch und das Ordnungswidrigkeitengesetz nehmen auf die Haltereigenschaft Bezug, wenn etwa ein Tier durch Unterlassen notwendiger Sorgfalt Schäden verursacht oder gefährdet wird. Falldifferenziert können Tierhalter für fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) oder Tierschutzdelikte (§ 17 TierSchG) verantwortlich gemacht werden.


Verhältnis zu anderen Beteiligten: Tieraufseher und Besitzer

Abgrenzung: Tierhalter – Tieraufseher – Eigentümer

Nicht jeder, der mit einem Tier umgeht, ist Halter. Die Rechtsprechung differenziert zwischen Halter (mit eigenem Interesse und Verantwortung), Aufseher (nur vorübergehende Betreuung/Verfügung) und Eigentümer (rechtlicher Inhaber des Tieres). Die Pflichten, vor allem die Haftung, treffen den Halter mit höchster Intensität.

Mit-Halterschaft

In der Praxis kommt es häufig zu sogenannten „Mit-Halterschaften“. Hierbei teilen sich mehrere Personen dauerhaft die Verantwortung für ein Tier, was zur gesamtschuldnerischen Haftung im Schadensfall führen kann.


Übergang der Haltereigenschaft

Die Haltereigenschaft ist an die Ausübung tatsächlicher Befugnisse und die Verantwortungsübernahme geknüpft. Ein Wechsel des Halters kann etwa durch Eigentumsübertragung, dauerhafte Übergabe oder erhebliche Veränderung der Einflussnahme erfolgen. Die Haltereigenschaft besteht solange fort, wie die tatsächliche Herrschaft, der Wille und die wirtschaftliche Verfügung bestehen.


Besondere Bestimmungen für bestimmte Tierarten

Hundehalter

Für Hundehalter gelten im Landesrecht zahlreiche zusätzliche Vorschriften, etwa aus den Landeshundegesetzen (z. B. Sachkundenachweis, Haltungsbeschränkungen für bestimmte Rassen, Anleinpflichten). Ebenfalls sind Melde- und Versicherungspflichten üblich.

Nutztierhalter

Halter von Nutztieren (z.B. Rinder, Schweine, Geflügel) unterliegen strengen Regelungen, etwa zur Tierkennzeichnung, zur Haltung in landwirtschaftlichen Betrieben, zur Tierseuchenprävention und zum Antibiotikaeinsatz.


Literatur und Verweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 833 ff.
  • Tierschutzgesetz (TierSchG)
  • Tiergesundheitsgesetz (TierGesG)
  • Landesrechtliche Vorschriften (z. B. Landeshundegesetze)
  • Kommentarliteratur zum Haftungsrecht und Tierschutzrecht

Zusammenfassend ist der Tierhalter im deutschen Recht die Person, die für ein Tier rechtlich verantwortlich ist, insbesondere im Hinblick auf Haftung und Sorgfaltspflichten. Welche Aufgaben und Haftungsrisiken sich daraus ergeben, hängt von Art und Umfang der Tierhaltung sowie von zu beachtenden Vorschriften des Zivil-, Verwaltungs- und Strafrechts ab. Die genaue Bestimmung der Haltereigenschaft ist für die Zurechnung von Verantwortlichkeit und Schadensersatzansprüchen von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Pflichten treffen einen Tierhalter nach deutschem Recht?

Tierhalter haben nach deutschem Recht umfangreiche Pflichten, die sich vor allem aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere aus § 833 BGB, sowie aus spezialgesetzlichen Regelungen wie dem Tierschutzgesetz (TierSchG) ergeben. Sie sind in erster Linie verpflichtet, dafür zu sorgen, dass von ihrem Tier keine Gefahren für Dritte ausgehen (Verkehrssicherungspflicht). Hierzu gehört, das Tier ordnungsgemäß zu beaufsichtigen und erforderliche Maßnahmen zu treffen, um Schäden an Personen, Sachen oder anderen Tieren zu vermeiden. Zudem besteht eine sogenannte Gefährdungshaftung: Der Tierhalter haftet grundsätzlich für alle Schäden, die sein Tier verursacht, unabhängig von eigenem Verschulden. Daneben sind Halter verpflichtet, Art, Zahl und Haltungsweise ihrer Tiere den gesetzlichen Vorschriften anzupassen, etwa Vorgaben aus dem Tierschutzrecht, der Tierschutz-Hundeverordnung oder kommunalen Tierhaltungsverordnungen einzuhalten. Auch tierseuchenrechtliche, Melde- und Registrierungspflichten (z. B. Mikrochip bei Hunden, Anmeldung beim Ordnungsamt) sowie ggf. Versicherungspflichten (Hundehaftpflicht) sind zu beachten. Bei gravierenden Verstößen gegen tierschutz- oder ordnungsrechtliche Vorgaben kann die Behörde die Haltung untersagen und das Tier gegebenenfalls einziehen.

Muss ein Tierhalter für Schäden haften, die sein Tier verursacht, auch wenn er kein Verschulden trifft?

Ja, nach § 833 BGB gilt für Tiere die sogenannte Gefährdungshaftung. Das bedeutet, der Tierhalter haftet grundsätzlich verschuldensunabhängig für die Schäden, die sein Tier Dritten zufügt. Es spielt keine Rolle, ob dem Halter im konkreten Fall ein Verschulden (wie etwa Aufsichtspflichtverletzung) nachgewiesen werden kann; entscheidend ist allein, dass das schadensstiftende Verhalten dem Tier und die Haltereigenschaft dem Schädiger zurechenbar sind. Für bestimmte Tiere, die für den Beruf oder Erwerb dienen (z. B. Blindenhunde, Polizeihunde), sieht das Gesetz eine Haftungserleichterung vor, sodass der Halter sich unter Umständen entlasten kann, wenn er nachweist, alle erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben. Für sonstige Tiere, vor allem Hunde und Pferde als typische Haustiere, greift jedoch stets die verschuldensunabhängige Haftung. Damit geht regelmäßig die Notwendigkeit einher, sich als Tierhalter gegen etwaige Schadensersatzansprüche über eine Haftpflichtversicherung abzusichern.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen Tierschutzbestimmungen?

Beim Verstoß gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen sieht das deutsche Recht ein abgestuftes Sanktionssystem vor: Zunächst können Verwaltungsbehörden im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts einschreiten und Anordnungen erlassen, um tierschutzwidrige Zustände zu beseitigen oder zu verhindern (z. B. artgerechte Unterbringung, Fütterung, tierärztliche Versorgung). Werden diese Anordnungen missachtet, kann die Behörde Bußgelder verhängen oder im Extremfall die Haltung von Tieren untersagen (§ 16a TierSchG). Straftatbestände greifen insbesondere dann, wenn einem Tier erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden (§ 17 TierSchG). Hier drohen dem Halter Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafen. Verstöße gegen spezielle Vorschriften, etwa Hygiene- oder Meldeverordnungen, können zudem als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden.

Wer gilt rechtlich als Tierhalter?

Die Haltereigenschaft ist rechtlich nicht an das bloße Eigentum am Tier gebunden. Maßgeblich ist, wer die tatsächliche Herrschaft über das Tier auf Dauer und für eigene Rechnung ausübt, also wer die Hauptverantwortung für das Tier trägt (Bestimmung von Aufenthalt, Fütterung, Pflege etc. sowie Übernahme der Kosten). Dies können neben dem Eigentümer auch andere Personen sein, wie etwa (langfristig) beauftragte Pflegepersonen, Nutznießer oder Leasingnehmer. Bei Gemeinschaftshaltung (z. B. in Familien oder bei Mitwohngemeinschaften) kann es mehrere Halter geben, die dann auch gesamtschuldnerisch haften. Wer lediglich zeitweise und auf Weisung, etwa als Hundesitter, das Tier betreut, gilt dagegen regelmäßig nicht als Halter im haftungsrechtlichen Sinn.

Welche Besonderheiten gelten für die Tierhalterhaftung bei Nutztieren im landwirtschaftlichen Betrieb?

Für sogenannte Luxustiere (Haustiere) und Nutztiere (z. B. Rinder, Schafe, Pferde) gelten im Haftungsrecht Unterschiede. Insbesondere in der Landwirtschaft kann sich für Nutztiere eine sogenannte Exkulpationsmöglichkeit aus § 833 Satz 2 BGB ergeben. Danach haftet der Halter eines Nutztieres, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt dient, nur dann, wenn er nicht nachweisen kann, „dass er beim Betrieb die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.“ Das bedeutet, der Halter kann sich von der Haftung befreien, wenn er alle gebotene Sorgfalt anwendete (Beweislast liegt beim Halter). Bei Luxustieren besteht diese Möglichkeit nicht. Grenzfälle entstehen insbesondere beim Gebrauch von Pferden, da privat und gewerblich genutzte Tiere unterschiedlich bewertet werden.

Welche Rolle spielt der Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung im rechtlichen Kontext?

Auch wenn in Deutschland (außer in einigen Bundesländern für bestimmte Tiere wie Hunde und Pferde) keine generelle Pflicht zum Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung besteht, ist sie aus rechtlicher Sicht dringend angeraten. Da der Tierhalter gemäß § 833 BGB verschuldensunabhängig auch für erhebliche Personen- und Sachschäden aufkommen muss, können Schadensersatzforderungen leicht existenzbedrohende Ausmaße annehmen. In einigen Bundesländern ist die Hundehaftpflicht für bestimmte Hunderassen oder generell für alle Hunde ohnehin Pflicht. Im Schadensfall kann das Fehlen einer Versicherung zu gravierenden finanziellen Belastungen führen, sodass eine solche Versicherung als unverzichtbare rechtliche Absicherung gilt.

Gibt es eine Mitverschuldensregelung bei durch Tiere verursachten Schäden?

Ja, der Geschädigte trägt unter Umständen ein Mitverschulden, wenn er zur Entstehung des Schadens beigetragen hat, zum Beispiel durch unvorsichtiges Annähern an ein fremdes Tier oder durch unsachgemäßen Umgang. In diesen Fällen kann gemäß § 254 BGB die Ersatzpflicht des Tierhalters gekürzt werden. Die Gerichte entscheiden im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände, wieweit der Geschädigte sich unvorsichtig verhalten hat und ob dieses Verhalten den Schaden mitverursacht oder dessen Umfang erhöht hat. Beispielsweise wird bei einem Angriff eines Hundes das Verhalten des Geschädigten daraufhin geprüft, ob eine vorhersehbare Provokation oder ein Verstoß gegen allgemeine Sicherheitsregeln im Umgang mit Tieren vorlag.

In welchen Fällen kann die Behörde die Tierhaltung untersagen oder das Tier einziehen?

Nach dem Tierschutzgesetz (§ 16a TierSchG) und anderen ordnungsrechtlichen Bestimmungen kann die zuständige Behörde die Tierhaltung ganz oder teilweise untersagen, wenn es zu gravierenden Verstößen gegen tierschutzrechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften kommt, beispielsweise bei wiederholter nicht artgerechter Haltung, Misshandlung, Vernachlässigung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. In akuten Fällen, in denen das Wohl des Tieres unmittelbar bedroht ist, kann die Behörde die sofortige Sicherstellung oder Einziehung des Tieres anordnen, etwa durch Übertragung an ein Tierheim. Der Halter kann in diesen Fällen auch verpflichtet werden, die Kosten der Unterbringung oder Pflege zu tragen. Die Untersagung der Tierhaltung ist regelmäßig das letzte Mittel und setzt vorherige Anordnungen oder Auflagen voraus, außer bei besonders schweren Verstößen oder Gefahr im Verzug.