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Tiefseebergbau


Begriff und Grundlagen des Tiefseebergbaus

Tiefseebergbau beschreibt den industriellen Abbau mineralischer Ressourcen aus dem Meeresboden in Tiefen von meist über 200 Metern. Ziel des Tiefseebergbaus ist die Gewinnung von wertvollen Rohstoffen wie Manganknollen, Massivsulfiden und kobalt- oder kupferhaltigen Krusten, welche sich insbesondere auf dem Boden der Ozeane konzentrieren. Der Abbau erfolgt unter Anwendung spezialisierter Technik und stellt erhebliche technische, ökologische und rechtliche Herausforderungen dar.

Rechtsrahmen des Tiefseebergbaus

Internationales Seerecht und die UN-Seerechtskonvention (UNCLOS)

Der zentrale völkerrechtliche Rahmen für den Tiefseebergbau ist die Vereinte Nationen Seerechtsübereinkommen (UNCLOS). Insbesondere Teil XI der UNCLOS enthält Vorschriften zu den mineralischen Ressourcen im Gebiet außerhalb nationaler Hoheitsgewalt („Das Gebiet“). Gemäß Artikel 136 UNCLOS gelten die Ressourcen des Gebiets als „gemeinsames Erbe der Menschheit“. Der Abbau und die Nutzung dieser Ressourcen unterliegen strengen Regelungen, die globale Gerechtigkeit und Umweltschutz sicherstellen sollen.

Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA)

Zur Umsetzung und Regulation des Tiefseebergbaus im internationalen Gewässerbereich wurde durch UNCLOS die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) geschaffen. Die ISA vergibt Erkundungs- und Abbaulizenzen für Mineralvorkommen auf dem Meeresboden außerhalb nationaler Zuständigkeiten. Sie legt auch Umweltstandards, Berichterstattungspflichten, Finanzierungsmechanismen sowie Entschädigungs- und Beteiligungsmodelle für Entwicklungsländer fest.

Lizenzierungsverfahren

Wer im internationalen Meeresbodenbereich explorieren oder fördern will, benötigt eine von der ISA genehmigte Lizenz. Dazu muss ein Antrag gestellt werden, der Umweltverträglichkeitsprüfungen, technische Darstellungen des Vorhabens sowie Finanzierungs- und Beteiligungspläne enthält. Die ISA unterscheidet genehmigte Aktivitäten zur Erkundung („Exploration“) und zum Abbau („Exploitation“). Die Lizenzvergabe erfolgt auf Grundlage internationaler Transparenz und Gleichbehandlung.

Nationale Regelungen und Zonen

Neben dem internationalen Regelungsregime bestehen für den Tiefseebergbau auch nationale Rechtsgrundlagen, insbesondere innerhalb der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des Festlandsockels, wie sie nach UNCLOS definiert sind:

Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ)

Innerhalb der 200-Seemeilen-Zone genießt der Küstenstaat das das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Nutzung des Meeresbodens und der darüber liegenden Gewässer. Für Abbauprojekte sind daher jeweils nationale Zulassungen und Genehmigungsverfahren einzuhalten. Diese umfassen in der Regel Umweltverträglichkeitsprüfungen, Beteiligungsverfahren und teils die Einhaltung internationaler Standards. Nationale Gesetzgebungen hierzu existieren etwa in Deutschland mit dem „Tiefseebergbaugesetz“ (TSBG).

Festlandsockel

Für den sich über die AWZ hinaus erstreckenden Festlandsockel können Staaten unter bestimmten Voraussetzungen exklusive Rechte am Ressourcenabbau erhalten. Die Grenze und die jeweiligen Rechte werden in einem Verfahren auf UN-Ebene, dem sogenannten Kontinentalgrenzverfahren, festgelegt. Auch hier bedarf es nationaler Rechtsgrundlagen sowie der Einhaltung internationaler Vorgaben.

Umweltrechtliche Aspekte und Schutzvorschriften

Ein integraler Bestandteil der Regulierung des Tiefseebergbaus sind umweltrechtliche Kontrollmechanismen:

Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP)

Vor Erteilung einer Tiefseebergbau-Lizenz ist regelmäßig eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich. Ziel ist es, potenzielle Umweltauswirkungen auf marine Ökosysteme, Biodiversität, Sedimentationen und Wasserqualität zu bewerten und geeignete Schutzauflagen zu ermitteln. Die Maßnahmen werden kontinuierlich angepasst, um hohe Umweltschutzstandards sicherzustellen.

Meeresschutzgebiete und Verbote

Bestimmte Zonen, etwa Schutzgebiete auf hoher See oder sensible marine Ökosysteme, sind vom Tiefseebergbau ganz oder teilweise ausgeschlossen. International werden solche Schutzgebiete durch Abstimmungen der Anrainerstaaten, über multilaterale Vereinbarungen oder durch Vorgaben der ISA festgelegt.

Haftung bei Umweltschäden

Das Haftungsregime für Umweltschäden im Rahmen des Tiefseebergbaus ist im Detail sowohl auf Ebene der ISA als auch in den jeweiligen nationalen Gesetzen ausgestaltet. Es können Verpflichtungen zum Schadensersatz, Wiederherstellungspflichten und Versicherungsnachweise verlangt werden, um Risiken für die marine Umwelt zu minimieren.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte im rechtlichen Kontext

Finanzierungs- und Ausgleichsmechanismen

Ein herausragendes Ziel ist die gerechte Verteilung der Erlöse aus dem Abbau internationaler Meeresbodenressourcen. Die ISA verwaltet hierzu ein System aus Gebühren und Abgaben, deren Erträge gemäß Teil XI UNCLOS besonders den Entwicklungsstaaten zukommen sollen.

Beteiligungsrechte von Entwicklungsländern

Zur Wahrung gerechtfertigter Interessen der Staatengemeinschaft sieht UNCLOS besondere Regelungen zur Beteiligung von Entwicklungsstaaten bei der Exploration und Nutzung von Meeresbodenmineralien vor. Dies schließt Technologietransfer, Kapazitätsaufbau sowie den Zugang zu Ressourcenprojekten ein.

Konfliktlösung und Rechtsschutz

Schiedsverfahren und internationale Streitbeilegung

Im Falle von Konflikten etwa zwischen Staaten, Unternehmen und der ISA besteht ein mehrstufiges System der Streitbeilegung. Dazu zählen Verhandlungen, Mediation, internationale Schiedsgerichte und das Internationale Seegericht (ITLOS) in Hamburg. Rechtsschutz wird auch den Lizenznehmern eingeräumt, insbesondere im Bereich Verfahrensgerechtigkeit und Eigentumsrechte.

Ausblick: Dynamik in der Regelsetzung

Angesichts sich ändernder technologischer Bedingungen, wissenschaftlicher Erkenntnisse und globaler Nachhaltigkeitsziele entwickelt sich der Rechtsrahmen zum Tiefseebergbau stetig fort. Insbesondere die Arbeiten der ISA zur endgültigen Ausgestaltung der Exploitationsregelwerke werden weltweit aufmerksam verfolgt.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Vereinte Nationen Seerechtsübereinkommen (UNCLOS), insbesondere Teil XI
  • International Seabed Authority (ISA), Veröffentlichungen und Regelungen
  • Gesetz über die Anwendung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 im Bereich des Meeresbodens – Tiefseebergbaugesetz (TSBG)
  • Internationale Vereinbarungen zum Schutz mariner Biodiversität (BBNJ-Abkommen)

Dieser Beitrag bietet eine umfassende, sachlich fundierte Übersicht über die rechtlichen Rahmenbedingungen, Strukturen und Entwicklungen im Bereich des Tiefseebergbaus, geeignet für die Aufnahme in ein Rechtslexikon.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist völkerrechtlich für die Regulierung des Tiefseebergbaus außerhalb nationaler Hoheitsgebiete zuständig?

Die völkerrechtliche Zuständigkeit für die Regulierung des Tiefseebergbaus außerhalb nationaler Hoheitsgebiete, also im sogenannten „Gebiet“ („The Area“), liegt primär bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA). Diese Organisation wurde im Rahmen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ, UNCLOS) gegründet und hat die Aufgabe, die Erforschung und Ausbeutung der mineralischen Ressourcen des Meeresbodens jenseits der Grenzen nationaler Gerichtsbarkeit zu organisieren, zu kontrollieren und zu überwachen. Dabei soll die ISA sicherstellen, dass die Tätigkeiten im „Gebiet“ im Einklang mit dem Allgemeinwohl der Menschheit („common heritage of mankind“) geschehen, die Umwelt geschützt und die Interessen der Entwicklungsländer gewahrt bleiben. Die Behörde vergibt Erkundungs- sowie Abbaulizenzen, entwickelt technische und ökologische Standards und verfügt über Entscheidungsbefugnis in Streitfällen bezüglich der Nutzung und des Zugangs zu Ressourcen in der Tiefsee. Staaten, die Aktivitäten im Bereich des Tiefseebergbaus fördern oder durchführen wollen, müssen nationale Regularien implementieren, die mit den Vorschriften der ISA im Einklang stehen.

Welche Voraussetzungen müssen Staaten oder Unternehmen erfüllen, um eine Lizenz für den Tiefseebergbau zu erhalten?

Staaten oder Unternehmen, die eine Lizenz für Tiefseebergbau-Aktivitäten im „Gebiet“ beantragen möchten, müssen zunächst entweder als Sponsoring-Staat (entweder ein Vertragsstaat des SRÜ oder ein staatlich kontrolliertes Unternehmen) oder durch die Förderung eines solchen Staates auftreten. Die Antragsteller sind verpflichtet, ein detailliertes Arbeitsprogramm vorzulegen, das u. a. Explorations- oder Exploitationspläne, technische Machbarkeitsstudien, Umweltfolgenabschätzungen sowie Informationen zur finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit enthält. Zudem müssen strenge Anforderungen an die Umweltverträglichkeit erfüllt werden, einschließlich der Vorlage eines umfassenden Umweltmanagement- und Überwachungsplans. Die Einhaltung internationaler Standards, die Vorgaben der ISA sowie die Umsetzung der jeweiligen nationalen Gesetzgebung des Sponsoring-Staates sind zwingend vorgeschrieben. Die Entscheidung über die Vergabe oder Ablehnung einer Lizenz trifft dann die entsprechende Gremienstruktur der ISA, unter Berücksichtigung völkerrechtlicher und ökologischer Aspekte.

Wie sind die Rechte und Pflichten der Sponsoring-Staaten geregelt?

Sponsoring-Staaten haben nach dem SRÜ und den zugehörigen ISA-Regularien weitreichende Pflichten. Sie müssen sicherstellen, dass jede von ihnen zugelassene juristische oder natürliche Person die Rechte und Pflichten aus dem Übereinkommen erfüllt. Dazu zählen insbesondere die Überwachung und Durchsetzung von Umweltauflagen, die Einhaltung von Sicherheitsstandards und die Sicherstellung technischer Mindestanforderungen. Sponsoring-Staaten tragen eine Sorgfaltspflicht („due diligence“), das bedeutet, sie müssen die Aktivitäten der von ihnen unterstützten Unternehmen oder Körperschaften aktiv beaufsichtigen, gesetzlich regulieren und gegebenenfalls Sanktionen verhängen, wenn gegen die Bestimmungen der ISA oder nationale Regelungen verstoßen wird. Im Schadensfall können auch Haftungsansprüche gegen Sponsoring-Staaten geltend gemacht werden, wenn sie ihren Kontrollpflichten nicht ausreichend nachkommen.

Wie wird der Schutz der Umwelt beim Tiefseebergbau rechtlich sichergestellt?

Der Umweltschutz stellt eines der zentralen Elemente der völkerrechtlichen und institutionellen Regulierung des Tiefseebergbaus dar. Die ISA ist verpflichtet, für sämtliche Explorations- und Exploitationsaktivitäten strikte Umweltstandards zu etablieren und durchzusetzen. Antragsteller sind verpflichtet, umfangreiche wissenschaftliche Umweltverträglichkeitserklärungen vorzulegen, die alle potenziellen Auswirkungen auf marine Ökosysteme beinhalten. Während des Betriebs sind kontinuierliche Umweltbeobachtungen und Berichtspflichten vorgesehen. Des Weiteren müssen im Falle unerwarteter ökologischer Schäden Maßnahmen- und Notfallpläne vorliegen. Neben den Vorgaben der ISA finden die allgemeinen Bestimmungen des SRÜ zum Meeresumweltschutz (insbesondere Art. 192-196) Anwendung. Die Nichtbeachtung kann zu Lizenzentzug, Sanktionen oder Schadensersatzforderungen führen.

Wie erfolgt die Verteilung von Gewinnen und Ressourcen aus dem Tiefseebergbau rechtlich?

Die Ressourcen des „Gebiets“ und deren wirtschaftlicher Ertrag unterliegen nach Art. 136 ff. SRÜ dem Prinzip des „gemeinsamen Erbes der Menschheit“ („common heritage of mankind“). Die erwirtschafteten Gewinne aus dem Tiefseebergbau sollen daher gerecht unter den Vertragsstaaten des Übereinkommens, insbesondere zugunsten der Entwicklungsländer, verteilt werden. Zu diesem Zweck erhebt die ISA Beiträge und Lizenzgebühren von Unternehmen und verteilt diese nach festgelegten, aber teilweise noch zu konkretisierenden Mechanismen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Umverteilung wird im laufenden Prozess der Entwicklung eines „Mining Codes“ der ISA geregelt. Streitigkeiten über die Verteilung können vor dem Seegerichtshof (ITLOS) oder durch ein Schiedsverfahren geklärt werden.

Was gilt im Fall von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Tiefseebergbau-Aktivitäten?

Für Streitigkeiten im Bereich des Tiefseebergbaus sieht das SRÜ ein mehrstufiges Streitbeilegungsverfahren vor. Vorgeschrieben ist zunächst eine Konsultationsphase zwischen den beteiligten Parteien. Bleibt diese erfolglos, können Konflikte vor der Streitbeilegungskammer für Meeresbodenangelegenheiten des Internationalen Seegerichtshofs (ITLOS) oder alternativ im Rahmen eines von der ISA initiierten Schiedsverfahrens verhandelt werden. Die Entscheidungen dieser Instanzen sind für die Parteien verbindlich. Die jeweiligen Zuständigkeiten, Verfahrensregeln und Klagemöglichkeiten sind völkerrechtlich im SRÜ und den zugehörigen Durchführungsvorschriften der ISA geregelt. Grundsätzlich wird angestrebt, alle Fragen – von der Auslegung des Rechts über Lizenzbedingungen bis hin zu Umweltschäden – möglichst eindeutig und verbindlich zu klären.