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Terroristische Vereinigungen


Begriff und Definition von Terroristischen Vereinigungen

Unter terroristischen Vereinigungen versteht man Zusammenschlüsse mehrerer Personen, die sich auf Dauer oder zumindest eine gewisse Zeit zur Begehung von terroristischen Straftaten verbinden. Der Begriff ist sowohl im nationalen deutschen Recht als auch im internationalen Kontext genau umschrieben und findet sich in zahlreichen Gesetzen und völkerrechtlichen Abkommen wieder. Die rechtliche Einordnung ist vor allem für die Strafverfolgung und Prävention von erheblicher Bedeutung.

Rechtsgrundlagen im deutschen Strafrecht

§ 129a StGB – Bildung terroristischer Vereinigungen

Die grundsätzliche Regelung zu terroristischen Vereinigungen findet sich in § 129a des Strafgesetzbuches (StGB). Dieser Paragraph stellt die Bildung, Werbung um Mitglieder und Unterstützung terroristischer Vereinigigungen unter Strafe. Bereits die Gründung oder Mitgliedschaft in solchen Vereinigungen ist strafbar, selbst wenn keine konkrete Tat begangen wird. Die zentrale Norm lautet:

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Mord, Totschlag oder andere schwerwiegende Straftaten zu begehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

›› Zum vollständigen Gesetzestext: § 129a StGB

Erweiterung durch § 129b StGB – Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland

§ 129b StGB erweitert den Anwendungsbereich auf terroristische Vereinigungen im Ausland. Die Strafbarkeit erfasst hierbei nicht nur Handlungen mit Bezug zum Inland, sondern schon die Unterstützung oder Mitgliedschaft bei ausländischen Gruppierungen, die von den deutschen Behörden als terroristisch eingestuft werden.

Abgrenzung zu kriminellen Vereinigungen

Während § 129 StGB die Bildung krimineller Vereinigungen betrifft, die nicht zwingend terroristische Zwecke verfolgen, setzt § 129a StGB ausdrücklich einen terroristischen Zweck voraus. Kennzeichnend ist dabei das Begehen schwerer Straftaten, die dazu geeignet sind, die Sicherheit eines Staates erheblich zu beeinträchtigen.

Merkmale einer terroristischen Vereinigung

Eine terroristische Vereinigung weist bestimmte Merkmale auf, die sie klar von anderen Gruppen oder Organisationen abgrenzen:

  1. Struktur und Organisation

Sie besteht aus einer Mehrzahl von Personen, die sich dauerhaft zu einer festen Organisation zusammengeschlossen haben. Eine feste Hierarchie ist nicht zwingend erforderlich, wohl aber ein überdauerndes gemeinsames Ziel.

  1. Terroristische Zielsetzung

Die Absicht der Gruppe muss darauf gerichtet sein, schwerwiegende Straftaten im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB (z. B. Mord, Totschlag, Anschläge auf Leben und Gesundheit, Brandstiftung, Sprengstoffverbrechen) zu verüben. Ziel ist meist ein Angriff auf fundamentale Rechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit.

  1. Dauerhaftigkeit der Verbindung

Die Vereinigung muss auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Kurzfristige Absprachen für eine einzelne Straftat fallen nicht unter den Begriff der Vereinigung.

  1. Intention zur Einschüchterung der Bevölkerung oder Erzwingung politischer Maßnahmen

Die Taten müssen darauf abzielen, die Bevölkerung erheblich zu beeinflussen oder politische Entscheidungen zu erzwingen bzw. internationale Organisationen zu nötigen.

Strafbarkeit und Rechtsfolgen

Strafbare Handlungen im Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen

Das Strafrecht sieht für verschiedene Handlungen im Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen unterschiedliche Strafrahmen vor:

  • Gründung, Leitung, Mitgliedschaft:

Die Teilhabe an der Organisation ist unabhängig von der tatsächlichen Tatbegehung strafbar.

  • Unterstützung:

Auch wer eine terroristische Vereinigung unterstützt, ohne selbst Mitglied zu sein, macht sich strafbar.

  • Werbung:

Die Werbung für Mitgliedschaft oder Unterstützung ist ebenfalls mit Strafe bedroht.

Strafrahmen

Je nach Tatbeitrag und Schwere der geplanten Taten reichen die Strafandrohungen von Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bis hin zu Freiheitsstrafen von zehn Jahren und mehr. Milderungen und strafbefreiende Rücktritte sind unter bestimmten Voraussetzungen möglich, insbesondere, wenn durch die Mitwirkung (z. B. freiwilliges Sichentfernen) eine drohende Gefahr abgewendet werden kann.

Untersuchungshaft und Verfahrensbesonderheiten

Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit terroristischer Vereinigungen gelten oftmals verschärfte Maßgaben im Strafverfahren, etwa bei der Anordnung der Untersuchungshaft oder beim Zeugenschutz. Die Eingriffsbefugnisse staatlicher Ermittlungsbehörden sind bei Verdacht auf Bildung oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung deutlich erweitert.

Internationale Einordnung und Zusammenarbeit

Auch auf internationaler Ebene ist die Bekämpfung terroristischer Vereinigungen durch zahlreiche Abkommen und Standards geregelt. Internationale Gremien wie die Vereinten Nationen, die Europäische Union und das Europarat haben entsprechende Definitionen und Maßnahmenkataloge geschaffen. Deutschland ist verpflichtet, diese Regelungen in nationales Recht umzusetzen und mit anderen Staaten bei der Verfolgung und Ahndung von Terrorismus zusammenzuarbeiten.

Abgrenzung zu anderen Organisationsformen

Terroristische Vereinigungen unterscheiden sich von anderen, insbesondere politischen oder religiösen Gruppierungen durch ihre Bereitschaft und Planungen zur Anwendung schwerster Gewalt zur Durchsetzung ihrer Ziele. Eine bloße Radikalisierung oder Gewaltaffinität reicht nicht aus. Der Schritt zum organisierten, fortwährenden Zusammenschluss mit kollektivem Terrorzweck ist entscheidend für die Zuordnung als terroristische Vereinigung.

Rechtsschutz und Überprüfung

Die Einstufung und Verfolgung terroristischer Vereinigungen unterliegt gerichtlicher Kontrolle. Beschuldigte haben das Recht auf ein faires Verfahren und sind vor willkürlichen Maßnahmen geschützt. Die Zuordnung einer Gruppierung als terroristische Vereinigung erfolgt häufig durch Ermittlungsbehörden auf Basis umfangreicher Beweismittel und kann gerichtlich überprüft werden.

Literatur und weiterführende Informationen

  • Strafgesetzbuch (StGB), §§ 129, 129a, 129b
  • Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG)
  • Vereinigte Nationen: Internationale Konventionen zur Bekämpfung des Terrorismus
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Terrorismus – Definition und Geschichte
  • Europäische Union: Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus

Dieser Lexikonartikel bietet eine umfassende Übersicht über den Begriff und die rechtlichen Grundlagen terroristischer Vereinigungen. Weitere Informationen bieten die genannten gesetzlichen Regelungen und internationalen Rechtsquellen.

Häufig gestellte Fragen

Wann liegt eine terroristische Vereinigung im Sinne des deutschen Strafrechts vor?

Im deutschen Strafrecht liegt eine terroristische Vereinigung gemäß § 129a Strafgesetzbuch (StGB) vor, wenn sich mehr als zwei Personen mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, eine der in § 129a Abs. 1 abschließend aufgezählten schweren Straftaten zu begehen. Hierzu zählen unter anderem Mord, Totschlag, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Straftaten gegen die persönliche Freiheit (z.B. Geiselnahme) und bestimmte gemeingefährliche Straftaten wie Brandstiftung oder Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion. Es reicht bereits eine abstrakte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Organisationsstruktur; die tatsächliche Durchführung einer Tat ist nicht erforderlich. Maßgeblich ist die Zweckausrichtung der Gruppe auf die Begehung der genannten Straftaten und eine auf Dauer angelegte organisatorische Struktur, die über lose Zusammenschlüsse ohne gefestigte Willensbildung hinausgeht.

Welche Strafen drohen den Mitgliedern einer terroristischen Vereinigung?

Die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wird nach § 129a Abs. 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht. Darüber hinaus sieht das Gesetz für Rädelsführer oder Hintermänner (Leiter, Organisatoren) eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vor, im besonders schweren Fall sogar bis zu 15 Jahre. Bereits die Unterstützung (§ 129a Abs. 5 StGB) – insbesondere durch Geld, Sachmittel, Informationen oder die Beschaffung von Unterkünften – ist strafbar. Die konkrete Strafe richtet sich nach der individuellen Schuld des Täters, der konkreten Beteiligungshandlung, den Umständen des Einzelfalls und dem tatsächlichen oder beabsichtigten Schadensausmaß. Auch der Versuch, eine terroristische Vereinigung zu gründen, ist strafbar; ein Rücktritt von der Tat kann jedoch die Strafbarkeit entfallen lassen.

Welche besonderen Ermittlungsbefugnisse stehen den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung?

Bei Verdacht auf das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung haben Strafverfolgungsbehörden nach der Strafprozessordnung (StPO) erweiterte Ermittlungsbefugnisse. Dazu gehören unter anderem das Abhören und Aufzeichnen der Telekommunikation (§§ 100a, 100b StPO), Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO), verdeckte Ermittler, der Einsatz von Vertrauenspersonen sowie die Überwachung des Postverkehrs. Darüber hinaus ist die Untersuchungshaft bereits beim Verdacht, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, erleichtert möglich. Die Befugnisse dienen der effektiven Bekämpfung schwerster Kriminalität und erlauben in diesem Deliktsbereich gravierendere Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen als bei „gewöhnlichen“ Straftaten.

Wie unterscheidet sich eine terroristische Vereinigung von einer kriminellen Vereinigung?

Der wesentliche Unterschied zwischen einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) und einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) liegt im Zweck des Zusammenschlusses. Während kriminelle Vereinigungen in der Regel zur Begehung von Straftaten jeglicher Art gegründet werden (beispielsweise Einbruchdiebstahl, Menschenhandel oder Drogenhandel), muss sich eine terroristische Vereinigung auf die Begehung von Straftaten ausrichten, die in ihrer Art und Schwere geeignet sind, den Staat, die öffentliche Sicherheit oder die internationale Rechtsordnung schwer zu beeinträchtigen. Die Liste der Straftaten ist bei terroristischen Vereinigungen enger und umfasst insbesondere Delikte mit erheblichem Gefährdungspotenzial für Leib, Leben und Grundfesten der staatlichen Ordnung.

Gibt es besondere Schutzvorschriften für Zeugen und Opfer im Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen?

Aufgrund der besonderen Gefährdungslage im Bereich terroristischer Vereinigungen greifen spezielle Schutzmechanismen für Zeugen und Opfer. Dies umfasst Zeugenschutzprogramme, die Anonymisierung der Personalien im Verfahren, verdeckte Anhörungen, und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit der Vernehmung per Videoübertragung. Darüber hinaus sind die Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, die Sicherheit von Personen, die bereit sind, gegen terroristische Vereinigungen auszusagen, durch geeignete Maßnahmen zu wahren. Auch für Opfer terroristischer Straftaten bestehen besondere Entschädigungsansprüche und weitergehende Hilfsleistungen etwa nach dem Opferentschädigungsgesetz.

Ist die Unterstützung oder Werbung für eine terroristische Vereinigung strafbar?

Neben Mitgliedschaft und Unterstützung ist auch die Werbung für eine terroristische Vereinigung nach § 129a Abs. 5 StGB strafbar. Werbung beinhaltet insbesondere das öffentliche Fördern, Anpreisen oder Verharmlosen der Vereinigung, etwa im Rahmen von Propaganda oder gezielter Rekrutierung neuer Mitglieder. Strafbar ist diese Handlung unabhängig davon, ob sie tatsächlich neue Unterstützer wirbt; das abstrakte Gefährdungspotenzial genügt. Die Strafandrohung hierfür liegt bei Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Auch die Anwerbung von Mitgliedern oder Unterstützern ist nach § 129b StGB (bei terroristischen Vereinigungen im Ausland) strafbar.

Welche internationalen Aspekte oder Besonderheiten gelten bei terroristischen Vereinigungen?

Auch grenzüberschreitende terroristische Vereinigungen werden durch das deutsche Strafrecht erfasst: Nach § 129b StGB wird die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung mit Auslandsbezug – sofern eine inländische Anknüpfung besteht oder das Bundesministerium der Justiz die Strafverfolgung anordnet – ähnlich wie bei einer inländischen Vereinigung verfolgt. Diese Vorschrift dient der Umsetzung internationaler Abkommen und EU-Richtlinien zur Terrorismusbekämpfung und erlaubt die Verfolgung von Straftaten, die von Deutschland aus vorbereitet, unterstützt oder durchgeführt werden. Die Strafverfolgung kann dabei in enger Kooperation mit ausländischen Behörden und internationalen Organisationen wie Europol oder Interpol erfolgen.

Wird die Strafverfolgung bei terroristischen Vereinigungen durch den Verfassungsschutz unterstützt?

Ja, der Verfassungsschutz nimmt im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Vorfeldaufklärung eine zentrale Rolle ein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die entsprechenden Landesämter beobachten extremistische und terroristische Strukturen und liefern aufgrund ihrer nachrichtendienstlichen Befugnisse wichtige Hinweise an die Polizei und Strafverfolgungsbehörden. Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes können zur Einleitung und Unterstützung strafrechtlicher Ermittlungen genutzt werden, wobei eine Trennung zwischen präventiven Maßnahmen der Gefahrenabwehr (Verfassungsschutz) und repressiven Maßnahmen der Strafverfolgung (Staatsanwaltschaft und Polizei) gewahrt bleibt. Die Zusammenarbeit ist gesetzlich geregelt, insbesondere durch das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG).