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Tathandlung

Begriff und Grundverständnis der Tathandlung

Die Tathandlung bezeichnet das menschliche Verhalten, das den Kern eines strafbaren Geschehens bildet. Sie ist der konkrete Akt, mit dem eine Person eine verbotene Handlung ausführt oder eine gebotene Handlung pflichtwidrig unterlässt. Ohne Tathandlung gibt es keine persönliche Verantwortlichkeit für eine Tat. Der Begriff umfasst sowohl aktives Tun als auch Unterlassen und wird nach objektiven (äußeren) und subjektiven (inneren) Merkmalen beurteilt.

Wesenskern der Tathandlung

Im Mittelpunkt steht das Verhalten einer Person in der Außenwelt. Es kommt darauf an, was tatsächlich geschieht (zum Beispiel ein Schlag, eine Zahlung, ein Knopfdruck) oder was unterbleibt (zum Beispiel das Nicht-Abschalten einer Maschine trotz Gefahr). Ob ein Verhalten rechtlich als Tathandlung zählt, hängt davon ab, ob es in einem normativ missbilligten Zusammenhang steht und die Schwelle vom bloßen Vorbereiten zum eigentlichen Ausführen überschreitet.

Handeln und Unterlassen

Eine Tathandlung kann als aktives Tun vorliegen oder als Unterlassen, wenn eine besondere Pflicht zum Handeln besteht. Unterlassen ist nicht einfach Passivität, sondern das Nicht-Erfüllen einer konkret bestehenden Verantwortung, eine Gefahr abzuwenden oder einen Schaden zu verhindern. Solche Pflichten können sich aus Stellung, Vertrag, vorangegangenem risikobegründendem Verhalten oder aus der Übernahme von Schutzaufgaben ergeben.

Tätigkeitsdelikt und Erfolgsdelikt

Je nach Deliktsart steht entweder das Verhalten selbst (Tätigkeitsdelikt) oder ein dadurch verursachter Erfolg (Erfolgsdelikt) im Vordergrund. Bei Erfolgsdelikten ist zusätzlich ein Ursachenzusammenhang zwischen Tathandlung und eingetretenem Erfolg erforderlich. Bei Tätigkeitsdelikten genügt das verbotene Verhalten als solches.

Erscheinungsformen der Tathandlung

Aktives Tun

Hierzu zählen körperliche Bewegungen oder technisch vermittelte Handlungen, etwa das Überweisen von Geld, das Manipulieren von Daten, das Bedienen eines Geräts oder das Aussprechen einer Täuschung. Auch mehraktige Abläufe können eine einheitliche Tathandlung bilden, wenn sie planvoll auf dasselbe Ziel ausgerichtet sind.

Unterlassen

Bei Unterlassungen liegt eine Tathandlung vor, wenn eine Person trotz konkreter Pflicht eine erforderliche Handlung nicht vornimmt und dadurch eine Gefahr bestehen bleibt oder sich verwirklicht. Maßgeblich ist, ob die unterlassene Handlung möglich, zumutbar und zur Abwendung des Geschehens geeignet gewesen wäre.

Mittelbare und gemeinsame Ausführung

Tathandlungen können über andere Personen vermittelt oder gemeinsam begangen werden. Wer die Ausführung maßgeblich steuert oder gemeinsam beherrscht, kann als Täter gelten, während unterstützende Beiträge eine Teilnahme begründen. Die Abgrenzung richtet sich nach der tatsächlichen Einflussnahme auf das Geschehen und der Bedeutung des Beitrags im Gesamtplan.

Objektive und subjektive Elemente

Ursachenzusammenhang und Zurechnung

Bei Erfolgsdelikten muss die Tathandlung den Erfolg verursacht haben. Zusätzlich wird geprüft, ob der Erfolg dem Handelnden zugerechnet werden kann. Zurechnung setzt voraus, dass durch das Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen oder erhöht wurde, die sich im konkreten Erfolg realisiert hat. Reine Zufälle oder sozialadäquate, erlaubte Risiken führen regelmäßig nicht zur Zurechnung.

Vorsatz und Fahrlässigkeit

Die innere Einstellung zum Geschehen ist entscheidend: Vorsätzlich handelt, wer das Tatgeschehen kennt und will oder dessen Eintritt zumindest billigend in Kauf nimmt. Fahrlässig handelt, wer die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch einen Erfolg verursacht, den er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit genügt, hängt von der jeweiligen Deliktsart ab.

Beteiligung und Zurechnung mehrerer Beiträge

Täterschaft

Als Täter gilt, wer die Tathandlung in eigener Verantwortung verwirklicht und das Geschehen in der Hand hält. Maßgeblich sind Planung, Steuerung und Herrschaft über den tatbestandsrelevanten Ablauf.

Teilnahme

Teilnahme liegt vor, wenn jemand die Haupttat eines anderen fördert oder veranlasst. Das kann durch geistige Unterstützung, Ratschläge, das Verschaffen von Mitteln oder logistische Hilfe geschehen. Die Tathandlung des Teilnehmenden besteht in diesem fördernden Beitrag; sie ist von der Haupttat abhängig.

Mehraktige und arbeitsteilige Abläufe

In komplexen Geschehensabläufen werden Beiträge verschiedener Personen zeitlich und sachlich zusammengeführt. Für die rechtliche Bewertung wird der Gesamtplan betrachtet: Wer trägt die Verantwortung, wer steuert den Ablauf, und wie wesentlich ist der jeweilige Beitrag?

Grenzen, Rechtfertigung und Entschuldigung

Rechtfertigungsgründe

Auch wenn alle Merkmale einer Tathandlung vorliegen, kann das Verhalten ausnahmsweise erlaubt sein, etwa bei Verteidigung gegen einen gegenwärtigen Angriff, bei rechtfertigender Gefahrabwendung oder mit wirksamer Einwilligung der betroffenen Person. In solchen Fällen bleibt die Handlung tatbestandsmäßig, ist aber nicht rechtswidrig.

Entschuldigungsgründe

Wenn eine Person in einer schweren Konfliktlage handelt oder Verbote nicht vermeiden kann, kann die persönliche Vorwerfbarkeit entfallen. Die Tathandlung bleibt rechtswidrig, ist der Person jedoch ausnahmsweise nicht anzulasten.

Feststellung in der Praxis

Beweisfragen

Die Feststellung einer Tathandlung stützt sich auf äußere Anhaltspunkte wie Zeugenaussagen, Spuren, Aufzeichnungen, digitale Daten und technische Auswertungen. Indizien werden in eine Gesamtschau gebracht, um das Geschehen zu rekonstruieren.

Zeitliche Abfolge und unmittelbarer Beginn

Von Bedeutung ist, wann die Schwelle vom Plan zur Ausführung überschritten wird. Der unmittelbare Beginn liegt vor, wenn nach der Vorstellung des Handelnden die Tat ohne weitere wesentliche Zwischenschritte in Gang gesetzt ist. Das unterscheidet die Tathandlung von bloßen Vorbereitungen.

Besonderheiten in ausgewählten Bereichen

Wirtschaft und Organisation

In Unternehmen können Tathandlungen durch Entscheidungen, Freigaben, Unterlassen von Kontrollen oder unzureichende Organisation verwirklicht werden. Verantwortlich sind stets natürliche Personen. Maßgeblich ist, wer faktisch entscheidet, steuert und Risiken beherrscht.

Technik und Automatisierung

Bei automatisierten Abläufen bleibt die Tathandlung menschlich: Programmierung, Parametrierung, Freigabe oder Überwachung sind die relevanten Beiträge. Die Zurechnung erfolgt danach, wer die Gefahrenquelle geschaffen oder beherrscht hat.

Internet und digitale Handlungen

Digitale Tathandlungen reichen vom unerlaubten Zugriff über Datenmanipulation bis zur Verbreitung schädlicher Software. Charakteristisch ist die technische Vermittlung der Handlung und die oft arbeitsteilige Ausführung über Grenzen hinweg. Auch hier gelten die Grundsätze von Kausalität, Zurechnung, Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Abgrenzungen

Vorbereitungshandlung

Vorbereitungen schaffen die Möglichkeit einer späteren Tat (zum Beispiel Beschaffen von Werkzeugen), ohne sie bereits in Gang zu setzen. Erst wo die Ausführung nach dem Tatplan beginnt, liegt eine Tathandlung vor. In bestimmten Bereichen können jedoch bereits vorbereitende Schritte rechtlich erfasst sein.

Versuch und Vollendung

Die Tathandlung im Versuch setzt ein, wenn nach der Vorstellung des Handelnden die Tat unmittelbar realisiert werden soll. Die Vollendung liegt vor, wenn alle objektiv geforderten Merkmale verwirklicht sind. Der Unterschied beeinflusst die Bewertung und den Umfang der Verantwortlichkeit.

Rechtsfolgen der Tathandlung

Grundlage der Verantwortlichkeit

Die Tathandlung ist die Basis dafür, einer Person ein Unrecht vorzuwerfen. Von ihr hängen die Einordnung als Täter oder Teilnehmer, die Abgrenzung von Versuch und Vollendung sowie die Beurteilung von Rechtfertigung und Entschuldigung ab.

Bewertung des Unrechts

Art, Intensität und Gefährlichkeit der Tathandlung prägen die rechtliche Bewertung. Dazu zählen die Art des Vorgehens, das Maß an Planung, der Umfang der Gefahrenschaffung sowie die Bedeutung des Beitrags in arbeitsteiligen Konstellationen.

Häufig gestellte Fragen

Was ist eine Tathandlung im rechtlichen Sinn?

Eine Tathandlung ist das konkrete menschliche Verhalten, durch das ein verbotenes Geschehen verwirklicht oder eine gebotene Handlung pflichtwidrig unterlassen wird. Sie bildet den Kern der persönlichen Verantwortlichkeit und umfasst aktives Tun ebenso wie rechtlich relevantes Unterlassen.

Wann beginnt die Tathandlung und wann liegt nur Vorbereitung vor?

Die Tathandlung beginnt, wenn nach dem Plan des Handelnden die Ausführung ohne wesentliche Zwischenschritte in Gang gesetzt wird. Davor liegende Schritte, die lediglich Möglichkeiten schaffen oder Mittel bereitstellen, gelten als Vorbereitung.

Kann Unterlassen eine Tathandlung sein?

Ja. Unterlassen ist eine Tathandlung, wenn eine Person trotz konkreter Pflicht eine erforderliche Handlung nicht vornimmt und dadurch eine Gefahr bestehen bleibt oder sich verwirklicht. Entscheidend sind Möglichkeit, Zumutbarkeit und Eignung der gebotenen Handlung.

Welche Rolle spielt der Vorsatz?

Vorsatz bedeutet Wissen und Wollen des Tatgeschehens oder zumindest das Billigen des Erfolgs. Liegt Vorsatz vor, kann bereits das Ergreifen der Ausführungsschritte eine Tathandlung begründen. Fehlt Vorsatz, kommt eine Bewertung als fahrlässiges Verhalten in Betracht, sofern eine Sorgfaltspflicht verletzt wurde.

Wie wird der Ursachenzusammenhang beurteilt?

Erforderlich ist, dass die Tathandlung den Erfolg herbeigeführt hat und der Erfolg dem Handelnden zugerechnet werden kann. Zurechnung setzt eine rechtlich missbilligte Gefahr voraus, die sich im konkreten Erfolg realisiert hat; reine Zufälle oder erlaubte Risiken genügen nicht.

Worin besteht der Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme?

Täterschaft liegt vor, wenn jemand die Ausführung maßgeblich steuert oder beherrscht. Teilnahme meint die Förderung einer fremden Haupttat, etwa durch Unterstützung oder Veranlassung. Die jeweilige Tathandlung besteht beim Täter in der Ausführung, beim Teilnehmer im fördernden Beitrag.

Welche Bedeutung haben Rechtfertigungsgründe?

Rechtfertigungsgründe können ein an sich tatbestandsmäßiges Verhalten erlauben, etwa bei Verteidigung, Gefahrabwendung oder wirksamer Einwilligung. Die Tathandlung bleibt bestehen, ist aber ausnahmsweise nicht rechtswidrig.