Tatbestandsberichtigung
Begriff und rechtliche Einordnung
Die Tatbestandsberichtigung ist ein im deutschen Verfahrensrecht geregeltes Institut zur Korrektur des sogenannten Tatbestands einer gerichtlichen Entscheidung, insbesondere eines Urteils. Der Tatbestand stellt nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (Zivilprozessordnung) die zusammenfassende Darstellung des Prozessstoffes und der wesentlichen Vorgänge im Verfahren dar, insbesondere der Anträge, des Sach- und Streitstands und des zugrundeliegenden Verfahrensgangs. Eine Tatbestandsberichtigung dient dazu, Fehler, Unrichtigkeiten oder Unterlassungen in diesem Abschnitt zu berichtigen.
Gesetzliche Regelung
Die rechtliche Grundlage für die Tatbestandsberichtigung im Zivilprozess findet sich in § 320 ZPO. Im Strafprozess entspricht §§ 267, 274 StPO die Bedeutung des Tatbestandes, wobei vergleichbare Berichtigungsmöglichkeiten bestehen.
Wortlaut des § 320 ZPO:
„Berichtigungen des Tatbestandes können von den Parteien bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils beantragt werden. Die Berichtigung erfolgt entweder durch Beschluss oder durch Verfügung.“
Bedeutung und Zweck
Der Tatbestand bildet für das Rechtsmittelgericht sowie für die Parteien die maßgebliche Grundlage des weiteren Verfahrens, insbesondere im Berufungs- oder Revisionsverfahren. Fehlerhafte oder unvollständige Darstellungen können erhebliche Auswirkungen auf die Entscheidung in der nächsten Instanz haben. Die Tatbestandsberichtigung soll sicherstellen, dass der tatsächliche Prozessverlauf und Parteivortrag zutreffend dokumentiert sind.
Anwendungsbereich und Gegenstand der Berichtigung
Was kann berichtigt werden?
Die Tatbestandsberichtigung bezieht sich ausschließlich auf Tatsachen, die im Urteilstatbestand unrichtig oder unvollständig wiedergegeben sind. Dies kann etwa die fehlerhafte Angabe des Sach- und Streitstands, der tatsächlichen Parteianträge oder des wesentlichen Inhalts mündlicher Erörterungen betreffen.
Was ist ausgeschlossen?
Nicht im Rahmen der Tatbestandsberichtigung korrigiert werden dürfen rechtliche Würdigungen, Bewertungen, Meinungen oder die Beweiswürdigung durch das Gericht. Ebenso sind nachträgliche Ergänzungen oder Änderungen des Sachverhalts, die über die bloße Korrektur offensichtlicher Versehen hinausgehen, unzulässig.
Verfahren der Tatbestandsberichtigung
Antragsberechtigte und Frist
Antragsberechtigt sind die Parteien des Verfahrens. Der Antrag auf Tatbestandsberichtigung kann ausschließlich bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils gestellt werden (§ 320 Abs. 1 ZPO). Innerhalb dieser Frist muss konkret dargelegt werden, inwieweit der Tatbestand unrichtig oder unvollständig ist.
Entscheidung über den Antrag
Die Berichtigung erfolgt durch Beschluss oder Verfügung des Gerichts, das die anzufechtende Entscheidung erlassen hat. Das Gericht prüft, ob tatsächlich eine Unrichtigkeit, eine Unvollständigkeit oder ein offensichtliches Versehen im Tatbestand vorliegt. Im Regelfall wird der Tatbestand nach Anhörung der übrigen Partei berichtigt.
Rechtsmittel gegen die Berichtigung
Gegen die Entscheidung über die Tatbestandsberichtigung ist kein separates Rechtsmittel vorgesehen. Die Möglichkeit, die Unrichtigkeit des Tatbestandes geltend zu machen, kann sich allerdings im Rahmen eines Rechtsmittels auf die Hauptsache (z. B. Berufung oder Revision) auswirken.
Wirkung der Tatbestandsberichtigung
Die berichtigte Fassung des Tatbestandes ersetzt die ursprüngliche und ist für das weitere Verfahren maßgeblich. Das Rechtsmittelgericht ist grundsätzlich an den im Tatbestand niedergelegten Sachverhalt gebunden (§ 314 ZPO). Eine fehlerhafte Feststellung kann deshalb nur durch rechtzeitige Tatbestandsberichtigung korrigiert werden.
Abgrenzung zu ähnlichen verfahrensrechtlichen Institutionen
Die Tatbestandsberichtigung ist von der Urteilsberichtigung gemäß § 319 ZPO abzugrenzen, welche auf die Korrektur von Schreibfehlern, Rechenfehlern und ähnlichen offensichtlichen Unrichtigkeiten im gesamten Urteil (einschließlich Tenor und Entscheidungsgründen) gerichtet ist. Die Tatbestandsberichtigung betrifft ausschließlich den Tatbestand als prozessuale Grundlage.
Bedeutung in anderen Verfahrensordnungen
Auch in anderen Verfahrensordnungen, wie der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 119 VwGO) oder der Finanzgerichtsordnung (§ 107 FGO), existieren die Möglichkeit der Berichtigung des Sachverhalts und vergleichbare Regelungen zur Tatbestandsberichtigung.
Literatur und Rechtsprechung
Die Tatbestandsberichtigung ist Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen und gerichtlicher Entscheidungen. Die Detailausgestaltung, insbesondere zu Umfang, Inhalt und Verfahren, ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung – etwa des Bundesgerichtshofs – bestimmt.
Fazit
Die Tatbestandsberichtigung ist ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung der Richtigkeit und Vollständigkeit gerichtlicher Tatsachendarstellungen. Sie gewährleistet einen fairen und korrekten Fortgang des Rechtsmittelverfahrens und dient der Wahrung prozessualer Rechte der Parteien. Fristgerechtes und begründetes Tätigwerden ist für die erfolgreiche Durchführung der Tatbestandsberichtigung unerlässlich.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für eine Tatbestandsberichtigung gemäß § 320 ZPO vorliegen?
Eine Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO kann nur erfolgen, wenn das Urteil einen Fehler im Tatbestand aufweist, der auf einer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit beruht. Dies betrifft insbesondere protokollwidrige Angaben, Sachverhaltsverfälschungen oder das Übersehen von unstreitigen Tatsachen. Die Behebung ist jedoch auf objektive Fehler beschränkt, subjektive Wertungen der Parteien oder des Gerichts können nicht berichtigt werden. Relevant ist, dass der Fehler bereits im Zeitpunkt des Urteils vorlag und nicht erst nachträglich entstanden ist. Die Parteien müssen den Berichtigungsantrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils einreichen. Zudem darf durch die Tatbestandsberichtigung keine inhaltliche Änderung oder Erweiterung des Urteils selbst erfolgen; der eigentliche Entscheidungsinhalt bleibt unberührt.
Wer ist zur Stellung eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung berechtigt?
Zur Stellung eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung sind grundsätzlich die Parteien des zugrundeliegenden Gerichtsverfahrens berechtigt. Dies sind im Zivilprozess typischerweise Kläger und Beklagter beziehungsweise deren gesetzliche Vertreter oder Prozessbevollmächtigte. Auch das Gericht kann von Amts wegen vorgehen, wenn ihm ein Fehler auffällt. Dritte, die nicht Verfahrensbeteiligte sind, haben jedoch kein Antragsrecht. Zudem ist zu beachten, dass der Berichtigungsantrag fristgebunden ist und innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils eingereicht werden muss, um zulässig zu sein.
Wie läuft das Verfahren zur Tatbestandsberichtigung ab?
Nach Eingang eines fristgerechten und bezeichnenden Antrags prüft das erkennende Gericht zunächst, ob tatsächlich ein berichtigungsfähiger Fehler vorliegt. In der Regel gibt es dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme. Oftmals entscheidet das Gericht schriftlich, eine mündliche Verhandlung ist nicht erforderlich, aber in Einzelfällen möglich. Im Anschluss erlässt das Gericht einen Berichtigungsbeschluss, in dem der Tatbestand des Urteils korrigiert wird, sollte ein entsprechender Fehler festgestellt werden. Dieser Beschluss wird den Parteien förmlich zugestellt und dem Originalurteil beigefügt beziehungsweise in der Urteilsabschrift ergänzt.
Welche Rechtsmittel stehen gegen die Entscheidung über eine Tatbestandsberichtigung zur Verfügung?
Gegen die Entscheidung über die Tatbestandsberichtigung ist grundsätzlich kein eigenständiges Rechtsmittel gegeben, da es sich um eine verfahrensinterne Korrektur handelt. Sollte der Antrag auf Tatbestandsberichtigung abgelehnt werden, kann dies jedoch in bestimmten Fällen mit der Berufung oder mittels Rechtsbeschwerde überprüft werden, sofern der Fehler Auswirkungen auf die Entscheidung oder auf den Berufungsvortrag hat. Des Weiteren bleibt im Einzelfall eine sogenannte Gegenvorstellung möglich. Das Nachholen einer unterbliebenen Berichtigung per isoliertem Rechtsmittel ist hingegen nicht möglich; stattdessen muss der Fehler im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens geltend gemacht werden.
Wie ist das Verhältnis der Tatbestandsberichtigung zu anderen Berichtigungsinstrumenten wie § 319 ZPO?
Die Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO ist von der Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 319 ZPO abzugrenzen. Während § 320 ZPO die Berichtigung inhaltlicher Fehler im tatsächlichen Teil des Urteils (Tatbestand) betrifft, regelt § 319 ZPO die Korrektur reiner Schreib- und Rechenfehler sowie ähnlicher offenbarer Unrichtigkeiten, die an beliebiger Stelle des Urteils auftreten können. Die beiden Verfahren überschneiden sich nicht und sind jeweils eigenständig zu beantragen. Wichtig ist, den zutreffenden Antrag zu wählen, da ein falsch adressierter Antrag am unzutreffenden Rechtsgrund scheitern kann.
Welche Bedeutung hat die Tatbestandsberichtigung im Berufungsverfahren?
Im Berufungsverfahren kommt der Tatbestandsberichtigung eine erhebliche Bedeutung zu, da gemäß § 314 ZPO der Tatbestand des angefochtenen Urteils bis zum Beweis des Gegenteils für das Berufungsgericht bindend ist. Fehler im Tatbestand können dazu führen, dass maßgebliche Tatsachen vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt werden können, sofern sie nicht rechtzeitig berichtigt wurden. Eine nicht rechtzeitig beantragte Tatbestandsberichtigung kann prozessuale Nachteile für die Parteien haben, etwa wenn bestimmte unstreitige Tatsachen im Ausgangsurteil nicht berücksichtigt wurden. Es empfiehlt sich daher, etwaige Fehler umgehend nach Erhalt des Urteils zu prüfen und gegebenenfalls die Berichtigung zu beantragen.
Ist eine Tatbestandsberichtigung auch nach Rechtskraft des Urteils möglich?
Eine Tatbestandsberichtigung kann grundsätzlich auch nach Rechtskraft des Urteils erfolgen, sofern sie fristgerecht beantragt wurde. Die Rechtskraft des Urteils steht einer bloß deklaratorischen Berichtigung nicht entgegen, da durch die Berichtigung lediglich der tatsächliche, bereits im Zeitpunkt der Urteilsverkündung bestehende Sachverhalt klargestellt wird. Kommt es jedoch dazu, dass die zweiwöchige Antragsfrist aus § 320 Abs. 2 ZPO abgelaufen ist, ist eine Tatbestandsberichtigung ausgeschlossen, unabhängig davon, wann die Rechtskraft eingetreten ist.
Welche Formerfordernisse gelten für einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung?
Für den Antrag auf Tatbestandsberichtigung ist keine besondere Form vorgeschrieben; er kann schriftlich, theoretisch auch zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle gestellt werden. Es empfiehlt sich jedoch aus Gründen der Nachweisbarkeit und Klarheit stets die schriftliche Form. Im Antrag müssen der konkrete Fehler im Tatbestand sowie die begehrte Berichtigung exakt und nachvollziehbar bezeichnet werden, möglichst unter Bezugnahme auf das Protokoll oder andere verfahrensrelevante Schriftstücke. Der Antrag ist an das erkennende Gericht zu richten und muss die Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Urteils wahren.