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Tagebuchaufzeichnungen


Begriff und rechtliche Bedeutung von Tagebuchaufzeichnungen

Tagebuchaufzeichnungen sind schriftliche oder digitale Aufzeichnungen privater Gedanken, Erlebnisse oder Informationen einer natürlichen Person, die regelmäßig oder anlassbezogen erstellt werden. In rechtlicher Hinsicht fallen Tagebuchaufzeichnungen unter unterschiedliche Schutzbereiche, die insbesondere durch das Persönlichkeitsrecht, das Datenschutzrecht, das Urheberrecht und prozessrechtliche Vorschriften geprägt werden.


Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht

Verfassungsrechtlicher Rahmen

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, verankert in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG), schützt die Privatsphäre und die persönliche Entfaltung der Einzelnen. Tagebuchaufzeichnungen, die typischerweise hochpersönliche Informationen enthalten, werden diesem Schutzbereich umfassend zugeordnet. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass insbesondere schriftliche Ausdrucksformen privater Gedanken und Gefühle einen besonders hohen Schutz genießen.

Konsequenzen für Eingriffe und Veröffentlichung

Eingriffe in die Vertraulichkeit von Tagebuchaufzeichnungen, wie etwa das unerlaubte Lesen, Kopieren oder Veröffentlichen solcher Inhalte, stellen regelmäßig einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht dar. Derartige Handlungen können sowohl zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.


Datenschutzrechtliche Aspekte

Schutz im Rahmen der DSGVO

Sobald Tagebuchaufzeichnungen personenbezogene Daten enthalten und digital verarbeitet werden, greift die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Hierbei kommt es sowohl auf die Identifizierbarkeit der betroffenen Personen als auch auf die Form und den Zweck der Verarbeitung an. Im rein privaten Umfeld findet die DSGVO jedoch gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. c keine Anwendung. Werden Aufzeichnungen allerdings online gespeichert, geteilt oder auf Plattformen veröffentlicht, können umfassende datenschutzrechtliche Pflichten ausgelöst werden.

Besondere Schutzmechanismen

Die Weitergabe, Veröffentlichung oder sonstige Verarbeitung von Tagebuchaufzeichnungen, die dritte Personen betreffen, ist auch nach nationalem Datenschutzrecht, wie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), unzulässig, sofern keine Einwilligung vorliegt oder ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand greift.


Urheberrechtlicher Schutz von Tagebuchaufzeichnungen

Werke persönlicher geistiger Schöpfung

Tagebuchaufzeichnungen können nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) als Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt sein, sofern sie eine persönliche geistige Schöpfung aufweisen. Der Schutz entsteht unabhängig von einer Veröffentlichung und bereits ab der Schöpfung des Werkes. Auch nicht-literarische, rein schlichte Eintragungen genießen jedoch keinen urheberrechtlichen Schutz.

Rechte des Urhebers

Dem Verfasser kommen Urheberpersönlichkeitsrechte (u.a. Recht auf Anerkennung der Urheberschaft, Recht auf Erstveröffentlichung) sowie Verwertungsrechte (Vervielfältigung, Verbreitung, Veröffentlichung) zu. Bei Verletzungen des Urheberrechts, etwa durch unbefugte Verwendung oder Veröffentlichung, stehen dem Urheber Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und ggf. Vernichtung unbefugt hergestellter Kopien zu.


Prozessrechtliche Behandlung von Tagebuchaufzeichnungen

Beweisverwertung in Zivil- und Strafverfahren

Tagebuchaufzeichnungen können unter bestimmten Voraussetzungen als Beweismittel im Zivil- oder Strafprozess dienen. Die Verwertbarkeit hängt maßgeblich davon ab, ob und in welchem Maße in geschützte Persönlichkeitsbereiche eingegriffen wird. Das Gericht muss in jedem Einzelfall abwägen, ob und in welchem Umfang die Interessen der beweisführenden Partei an einer Verwendung überwiegen oder ob das Recht auf Schutz der Persönlichkeit vorgeht.

Beispiel Zivilverfahren

Im Familienrecht können Tagebuchaufzeichnungen beispielsweise zum Nachweis von Sachverhalten wie Ungleichbehandlung, Gewalt oder ähnlichem vorgelegt werden. Allerdings unterliegt die Verwertung strengen Anforderungen, insbesondere wenn schutzwürdige Interessen Dritter oder minderjähriger Beteiligter betroffen sind.

Beispiel Strafverfahren

Im Strafverfahren ist die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen ebenfalls stark eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung ist in Fällen, in denen Tagebücher ohne Wissen und Willen des Verfassers beschlagnahmt werden, eine besondere Abwägung vorzunehmen. Unverhältnismäßige Eingriffe können zu einem Beweisverwertungsverbot führen.


Schutz bei Diebstahl, Verlust und Veröffentlichung

Zivil- und strafrechtliche Ansprüche bei unerlaubter Nutzung

Wird ein Tagebuch entwendet, verloren oder ohne Erlaubnis veröffentlicht, kommen Ansprüche auf Herausgabe, Unterlassung und Schadensersatz in Betracht. Nach § 202 StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen und durch unbefugtes Offenbaren von Tagebuchaufzeichnungen) kann zudem eine Strafbarkeit gegeben sein.

Haftung von Internetplattformen

Werden digitale Tagebuchaufzeichnungen unrechtmäßig im Internet veröffentlicht, können neben den unmittelbaren Veröffentlichern auch die Betreiber von Internetplattformen bei Kenntnis haftbar gemacht werden. Hier greifen insbesondere die Regelungen des Telemediengesetzes (TMG) und des Netzdurchsetzungsgesetzes (NetzDG).


Sonderregelungen und Praxisbeispiele

Minderjährige als Verfasser

Auch Aufzeichnungen von Minderjährigen sind in vollem Umfang durch das Persönlichkeitsrecht geschützt. Eltern dürfen grundsätzlich keine privaten Tagebücher ihrer Kinder einsehen, sofern kein überwiegendes Erziehungsinteresse besteht und das Alter sowie die persönliche Reife des Kindes eine eigene Privatsphäre gebieten.

Tagebuchaufzeichnungen Verstorbener

Die Schutzwürdigkeit von Tagebuchaufzeichnungen endet nicht zwingend mit dem Tod des Verfassers. Angehörige können gegebenenfalls im Wege des postmortalen Persönlichkeitsrechts oder Urheberrechts gegen unbefugte Verwertung oder Veröffentlichung vorgehen.


Zusammenfassung

Tagebuchaufzeichnungen sind umfassend durch verschiedene Rechtsgebiete geschützt. Sie genießen Schutz durch das Persönlichkeitsrecht, datenschutzrechtliche Vorschriften, das Urheberrecht und prozessuale Regeln. Unerlaubte Nutzung oder Veröffentlichung kann zivil-, straf- und datenschutzrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die besondere Schutzwürdigkeit von Tagebuchaufzeichnungen wird von Gerichten streng anerkannt und durch konkrete gesetzliche Regelungen flankiert.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.12.1999, Az. 1 BvR 653/96
  • §§ 823, 1004 BGB (Schutz des Persönlichkeitsrechts)
  • § 2 UrhG (Schutz von Sprachwerken)
  • Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG (Allgemeines Persönlichkeitsrecht)
  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
  • § 202 StGB (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs)

Häufig gestellte Fragen

Sind Tagebuchaufzeichnungen vor Gericht als Beweismittel zulässig?

Tagebuchaufzeichnungen können grundsätzlich als Beweismittel im Zivil- und Strafverfahren herangezogen werden, wobei jedoch deren Beweiswert und Zulässigkeit im Einzelfall beurteilt werden. Sie zählen formal zu den sogenannten „Privaturkunden“. Nach § 416 ZPO (Zivilprozessordnung) wird lediglich der Nachweis erbracht, dass die Eintragungen vom Aussteller vorgenommen wurden, nicht jedoch, dass der Inhalt der Wahrheit entspricht. Im Strafverfahren gilt gem. § 249 StPO (Strafprozessordnung): Eingereichte Tagebücher können im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden, sofern keine berechtigten Einwände gegen die Verwertung, wie etwa Zeugnisverweigerungsrechte oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht, bestehen. Tagebuchaufzeichnungen können außerdem zur Entlastung oder Belastung von Parteien oder Beschuldigten beitragen, wobei ihr objektiver Beweiswert anhand ergänzender Indizien kritisch zu prüfen ist.

Wer hat Zugriffsrechte auf fremde Tagebücher im Ermittlungsverfahren?

Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sind Zugriffsrechte auf Tagebücher in Deutschland durch die Regelungen zur Beschlagnahme und Durchsuchung bestimmt. Grundsätzlich sind Tagebücher als persönliche Aufzeichnungen geschützt; sie können jedoch von der Polizei oder Staatsanwaltschaft sichergestellt oder beschlagnahmt werden (§§ 94 ff. StPO), wenn sie als Beweismittel für die Ermittlung von Straftaten erforderlich sind. Besonderer Schutz gilt für Tagebücher, die der Schweigepflicht unterliegenden Personengruppen (z. B. Ärzten, Psychologen) anvertraut wurden. Darüber hinaus kann ein Beschuldigter unter bestimmten Voraussetzungen der Beschlagnahme seiner eigenen Tagebuchaufzeichnungen widersprechen, wenn durch deren Auswertung das Selbstbelastungsverbot verletzt würde.

Können Tagebuchaufzeichnungen im Sinne des Persönlichkeitsrechts veröffentlicht werden?

Die Veröffentlichung fremder Tagebuchaufzeichnungen berührt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Grundgesetz). Somit ist die Veröffentlichung grundsätzlich unzulässig, sofern keine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Autors vorliegt oder ein überwiegendes öffentliches Interesse gegeben ist. Eine Ausnahme kann nur dann vorliegen, wenn die Veröffentlichung zur Wahrung höherer Rechtsgüter unvermeidlich ist. Bei Verstößen drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen, etwa auf Unterlassung, Schadensersatz oder Schmerzensgeld.

Unterliegen Tagebuchaufzeichnungen einer besonderen Archivierungspflicht?

Für privat geführte Tagebuchaufzeichnungen besteht keine allgemeine rechtliche Pflicht zur Archivierung. Anders verhält es sich im geschäftlichen beziehungsweise dienstlichen Kontext (z. B. bei Therapiebegleitung oder Protokollpflichten), wenn die Aufzeichnungen Bestandteil von Geschäftsunterlagen oder medizinischen Akten sind. In solchen Fällen greifen die einschlägigen Vorschriften zur Aufbewahrung (z. B. § 257 HGB, § 147 AO, § 630f BGB), die festlegen, wie lange und in welcher Form diese Dokumente aufbewahrt werden müssen.

Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei Diebstahl oder Veröffentlichung eines fremden Tagebuchs?

Der unbefugte Zugriff auf ein fremdes Tagebuch erfüllt aus strafrechtlicher Sicht den Tatbestand des Diebstahls (§ 242 StGB) beziehungsweise der Datenhehlerei oder des Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) bei digitalen Tagebüchern. Die unautorisierte Veröffentlichung kann zudem als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB), als Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) oder als Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB) gewertet werden. Neben strafrechtlichen Sanktionen drohen zivilrechtliche Folgen, etwa Ansprüche auf Schmerzensgeld oder Unterlassung.

Können Erben Einsicht in die Tagebuchaufzeichnungen Verstorbener verlangen?

Nach dem Tod des Autors gehen die Tagebuchaufzeichnungen im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) an die Erben über. Dennoch bleibt das postmortale Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen. Das heißt: Die Erben sind grundsätzlich berechtigt, über die Verwendung der Aufzeichnungen zu entscheiden, müssen aber auf den geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen Rücksicht nehmen. Eine Veröffentlichung ohne Rücksicht auf die Intimsphäre des Verstorbenen kann auch nach dessen Tod unzulässig sein.

Sind digitale Tagebuchaufzeichnungen besonders schützenswert?

Digitale Tagebuchaufzeichnungen unterliegen denselben rechtlichen Schutzmechanismen wie analoge Aufzeichnungen, erfahren aber durch das Datenschutzrecht (insbesondere die DSGVO) eine zusätzliche Absicherung, sofern personenbezogene Daten verarbeitet werden. Hier greifen Vorgaben zur Datensicherheit, Zweckbindung und Rechte wie das Recht auf Löschung. Zugriffe ohne Einwilligung oder rechtliche Grundlage stellen regelmäßig eine Datenschutzverletzung dar und können Bußgelder oder zivilrechtliche Ansprüche nach sich ziehen.