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Tätlicher Angriff


Begriff und Definition des Tätlichen Angriffs

Ein tätlicher Angriff ist ein strafrechtlich relevanter Begriff, der in unterschiedlichen deutschen Gesetzeswerken, insbesondere im Strafgesetzbuch (StGB), verwendet wird. Er beschreibt eine unmittelbar gegen eine Person gerichtete feindselige Handlung, die darauf abzielt, den Körper oder die körperliche Integrität eines anderen Menschen zu verletzen oder unmittelbar zu gefährden.

Legaldefinition und Abgrenzung

Im deutschen Strafrecht wird der Begriff „tätlicher Angriff“ nicht explizit legaldefiniert. Typischerweise findet er im Rahmen des § 114 StGB („Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“) oder in § 113 StGB („Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“) Anwendung. Der tätliche Angriff stellt eine qualifizierte Form der Angriffshandlung dar, die über bloße Drohungen oder verbale Angriffe hinausgeht. Maßgeblich ist die Unmittelbarkeit und Körperbezogenheit der Handlung.

Rechtliche Einordnung

Voraussetzungen des Tätlichen Angriffs

Für die Annahme eines tätlichen Angriffs müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Gegenrichtung: Die Handlung muss zielgerichtet gegen eine andere natürliche Person erfolgen.
  • Feindseliger Wille: Die Aktion muss bewusst und gezielt ausgeführt werden.
  • Unmittelbarkeit: Die Handlung muss unmittelbar in eine körperliche Berührung, Verletzung oder eine unmittelbare Gefährdung der körperlichen Integrität münden.
  • Keine bloße Androhung: Reine Gesten oder verbale Drohungen sind nicht ausreichend.

Abgrenzung zu verwandten Delikten

Der tätliche Angriff ist von folgenden Begriffen zu unterscheiden:

  • Körperverletzung (§ 223 ff. StGB): Während die Körperverletzung zwingend eine schädigende Auswirkung auf die Gesundheit des Opfers voraussetzt, reicht beim tätlichen Angriff bereits der Versuch einer solchen Handlung, ohne dass eine Verletzung eintritt.
  • Bedrohung (§ 241 StGB): Hier genügt eine ernstliche Ankündigung eines künftigen Angriffs, die Körperlichkeit fehlt jedoch.
  • Versuch: Der tätliche Angriff ist regelmäßig bereits durch die unmittelbare Ausführungshandlung vollendet – unabhängig vom Eintritt einer tatsächlichen Verletzung.

Tätlicher Angriff im Strafrecht

Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§ 114 StGB)

Der bedeutendste Anwendungsbereich für den Begriff liegt im Kontext des Schutzes von Amtsträgern. § 114 StGB stellt den tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte unter Strafe. Geschützt sind insbesondere Beamte, Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungskräfte und Soldaten der Bundeswehr während Vollstreckungshandlungen.

Tatbestand

Ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte ist gegeben, wenn eine Person während einer Dienstausübung tätlich gegen einen Amtsträger vorgeht. Dabei werden regelmäßig Handlungen wie Schubsen, Stoßen, Schlagen, Treten, Würgen, das Bewerfen mit Gegenständen oder der Einsatz von gefährlichen Werkzeugen erfasst.

Rechtsfolgen

Der Strafrahmen beträgt grundsätzlich Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Geringere Strafen können in minder schweren Fällen verhängt werden.

Weitere Anwendungsfelder im StGB

Außerhalb des Schutzes von Amtsträgern kann der tätliche Angriff auch Relevanz in Bezug auf andere Schutzgüter erlangen, etwa durch § 224 StGB (gefährliche Körperverletzung) und im Zusammenhang mit Widerstandsdelikten, Straßenverkehrsdelikten oder dem Hausfriedensbruch (§ 123 StGB).

Täterschaft, Teilnahme und Versuch

Täterschaft und Teilnahme

Ein tätlicher Angriff kann von einem oder mehreren Tätern gemeinschaftlich begangen werden (§ 25 StGB). Auch die Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) zu einem tätlichen Angriff sind strafbar, sofern eine unmittelbare körperbezogene Handlung gegen eine Person vorliegt.

Versuch und Vollendung

Der tätliche Angriff ist bereits mit Beginn der unmittelbaren Ausführungshandlung, die auf den Körper des Opfers gerichtet ist, als Versuch gestraft. Eine tatsächliche Verletzung ist nicht Erfordernis der Vollendung.

Besonderheiten im Ordnungswidrigkeitenrecht und Zivilrecht

Im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts kommt der tätliche Angriff als eigenständiger Tatbestand nur selten vor, da die Schwelle zur Strafbarkeit relativ niedrig ist. Im Zivilrecht kann ein tätlicher Angriff Haftungsansprüche nach §§ 823 ff. BGB auslösen, zum Beispiel auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld.

Rechtsprechung und Auslegung

Rechtsprechung

Die Gerichte setzen hohe Maßstäbe an das Vorliegen eines tätlichen Angriffs. Nach höchstrichterlicher Ansicht (Bundesgerichtshof, BGH) reicht jede unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende feindselige Handlung aus, wobei eine tatsächliche Verletzung nicht erforderlich ist.

Beispiele:

  • Schubsen und Stoßen eines Polizeibeamten.
  • Werfen von Gegenständen auf eine Person während eines Einsatzes.
  • Jeder körperliche Übergriff, der aus Sicht eines objektiven Beobachters als aggressiv und unmittelbar gegen die körperliche Unversehrtheit gerichtet erscheint.

Auslegung durch die Literatur

Die Auslegung des Begriffs folgt dem Schutzzweck der jeweiligen Norm. Entscheidend ist die Abgrenzung zu weniger intensiven Formen der Gewaltausübung sowie zur Androhung oder Beleidigung. Die Rechtsprechung orientiert sich an einem objektiven Maßstab: Entscheidend ist, ob das Verhalten aus Sicht eines Dritten als unmittelbarer körperlicher Angriff erscheinen muss.

Besonderheiten bei minder schweren Fällen und Strafzumessung

Im Rahmen der Strafzumessung spielt die Intensität des Angriffs, das Ausmaß der Gefährdung, die Motivation des Täters sowie eine mögliche Provokation durch das Opfer eine Rolle. Auch Reue und Schadenswiedergutmachung können strafmildernd berücksichtigt werden.

Fazit

Der Begriff des „tätlichen Angriffs“ ist ein zentrales Element des deutschen Strafrechts und dient dem besonderen Schutz bestimmter Personengruppen, insbesondere von Vollstreckungsbeamten. Ein tätlicher Angriff setzt eine feindselige, unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende Handlung voraus und ist gegenüber anderen Delikten, wie der Bedrohung oder Körperverletzung, abzugrenzen. Die Relevanz spiegelt sich vor allem im Schutz öffentlichen Interesses und des Gewaltmonopols wider. Die konsequente Sanktionierung soll sowohl das individuelle Rechtsgut als auch den gesellschaftlichen Frieden sichern.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei einem tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte?

Für einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte sieht das deutsche Strafrecht im § 114 StGB eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. In minder schweren Fällen kann das Gericht auf eine Freiheitsstrafe abweichen, die jedoch nicht weniger als drei Monate betragen darf. Wird durch den tätlichen Angriff eine schwere Gesundheitsschädigung verursacht, droht ein höheres Strafmaß, da dann Qualifikationen nach § 224 oder § 226 StGB herangezogen werden können. Eine Geldstrafe ist gesetzlich ausgeschlossen. Das Gericht berücksichtigt bei der Strafzumessung insbesondere die Intensität des Angriffs, das Maß der Gewaltanwendung, mögliche Verletzungsfolgen und ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorlag. Zudem wird geprüft, ob eine tätige Reue vorliegt und der Täter Schadenswiedergutmachung geleistet hat. Das Gesetz stellt den Schutz der Amtsträger und der Funktionsfähigkeit staatlicher Gewalt in den Vordergrund und sanktioniert daher Angriffe vergleichsweise streng.

Welche Personen sind durch den Straftatbestand des tätlichen Angriffs geschützt?

Geschützt sind gemäß § 114 StGB primär Vollstreckungsbeamte wie Polizisten, Justizvollzugsbeamte und weitere Amtsträger, die mit Vollstreckungstätigkeiten betraut sind. Daneben umfasst der Schutz auch Rettungskräfte (z.B. Feuerwehrmänner, Notärzte, Sanitäter), wenn diese bei Ausübung ihrer Diensthandlungen angegriffen werden. Wichtig ist hierbei, dass sich der Angriff gegen die betreffende Person in ihrer Dienstausübung oder im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit richten muss. Privatpersonen, die keine offiziöse Stellung innehaben oder nicht in Ausübung ihres Dienstes sind, werden durch diesen Tatbestand nicht erfasst. Allerdings kommen andere Schutzvorschriften, wie etwa die Körperverletzung nach § 223 StGB, in Betracht.

Welche Rolle spielt der Vorsatz bei einem tätlichen Angriff?

Für die Strafbarkeit nach § 114 StGB ist grundsätzlich Vorsatz erforderlich. Der Täter muss also bewusst und gewollt einen tätlichen Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten oder eine gleichgestellte Person verüben. Eventualvorsatz (also das billigende Inkaufnehmen der Tatbestandsverwirklichung) genügt ebenfalls. Will der Täter nur fahrlässig handeln, ist der Straftatbestand nicht erfüllt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass dem Täter bewusst sein muss, dass es sich um einen Vollstreckungsbeamten handelt, wenn dieser als solcher erkennbar aufgetreten ist. Fehlender Vorsatz z. B. durch Irrtum über den Status der angegriffenen Person kann jedoch einen Schuldausschluss rechtfertigen.

Gibt es Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe für einen tätlichen Angriff?

Wie bei anderen Straftatbeständen auch, können Rechtfertigungsgründe – insbesondere Notwehr (§ 32 StGB) oder Notstand (§ 34 StGB) – einen tätlichen Angriff rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Handlung erforderlich ist, um einen rechtswidrigen Angriff abzuwehren oder ein überwiegendes Interesse zu wahren. In der Praxis ist Notwehr bei Angriffen auf Vollstreckungsbeamte selten, da diese in der Regel rechtmäßig handeln. Entschuldigungsgründe können beispielsweise psychische Ausnahmesituationen (insbesondere §§ 35, 21 StGB), z.B. aufgrund einer vorübergehenden Störung oder Affekthandlung, die Schuld mindern oder ausschließen. Das Gericht prüft solche Umstände im Einzelfall sehr genau.

Unterscheidet sich der tätliche Angriff von der Körperverletzung?

Ja, der tätliche Angriff im Sinne des § 114 StGB unterscheidet sich von der Körperverletzung nach § 223 StGB vor allem in der Schutzrichtung und dem zu schützenden Rechtsgut. Während die Körperverletzung auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Opfers abzielt, ist der tätliche Angriff vorrangig darauf gerichtet, die Funktionsfähigkeit des Staates und die Ausübung dienstlicher Tätigkeiten staatlicher Amtsträger sicherzustellen. Ein tätlicher Angriff setzt nicht zwingend eine tatsächliche Körperverletzung voraus, sondern bereits eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper abzielende Handlung. Beide Delikte können in Tateinheit gleichzeitig verwirklicht werden, was eine Strafschärfung nach sich zieht.

Besteht eine Versuchsstrafbarkeit beim tätlichen Angriff?

Der Versuch eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ist gemäß § 114 Abs. 3 StGB ausdrücklich strafbar. Dies bedeutet, dass bereits ein Handlungsbeginn, der objektiv zur Ausführung des tätlichen Angriffs ansetzt, auch dann verfolgt werden kann, wenn der Angriff nicht vollendet wird – beispielsweise, wenn der Beamte dem Angriff rechtzeitig ausweicht oder der Täter aus anderen Gründen scheitert. Die Versuchsstrafbarkeit soll präventiv wirken und die besondere Schutzbedürftigkeit der Amtsträger bereits im Vorfeld eines vollendeten Angriffs absichern. Die Strafe für den Versuch kann milder ausfallen als für das vollendete Delikt, aber das Gericht hat hier nach § 23 Abs. 2 StGB einen eigenen Ermessensspielraum.