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Sukzessive Mittäterschaft oder Beihilfe


Sukzessive Mittäterschaft oder Beihilfe – Begriffserklärung und rechtliche Einordnung

Definition und Abgrenzung

Die sukzessive Mittäterschaft und die sukzessive Beihilfe sind Begriffe aus dem Strafrecht, die sich auf die Beteiligung an einer Straftat während deren Ausführung beziehen. Sukzessive Mittäterschaft beschreibt das nachträgliche Hinzutreten einer Person als Mittäter im laufenden Tatgeschehen, während sukzessive Beihilfe die nachträgliche Unterstützung der Haupttat während deren Begehung bezeichnet. Beide Konzepte unterscheiden sich insbesondere im Hinblick auf die jeweiligen Anforderungen an Tatbeitrag und subjektive Tatseite.

Sukzessive Mittäterschaft

Begriff und Voraussetzungen

Die sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn sich eine Person zu einem fortdauernden Tatgeschehen hinzugesellt, das von anderen Tätern bereits begonnen wurde, und dabei Tatherrschaft oder einen wesentlichen Tatbeitrag leistet. Im Unterschied zur bloßen Teilnehmerrolle wird der hinzutretende Akteur wie ein ursprünglicher Mittäter behandelt, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Fortdauernde Haupttat: Es muss sich um einen Vorgang handeln, der noch andauert und in dessen Verlauf wesentliche tatbestandsmäßige Handlungen noch ausstehen.
  • Tatherrschaft oder gleichwertige Beteiligung: Der hinzutretende Täter muss einen eigenen, wesentlichen, funktionalen Tatbeitrag leisten, der das Gesamtgeschehen mitbestimmt.
  • Konsens mit bisherigen Tätern: In der Regel ist ein zumindest stillschweigendes Einvernehmen zwischen den handelnden Tätern erforderlich.

Abgrenzung zur Beihilfe

Sukzessive Mittäterschaft ist von der Beihilfe abzugrenzen. Entscheidend ist, ob der Beitrag die Schwelle zur Tatherrschaft überschreitet oder sich auf eine unterstützende Handlung beschränkt. Während der Mittäter das Geschehen (mit-)lenkt, unterstützt der Gehilfe die Haupttat lediglich.

Anwendungsbeispiele

Ein klassischer Fall der sukzessiven Mittäterschaft ist das Mitwirken einer Person bei fortgesetzten Eigentumsdelikten, etwa wenn ein dritter Beteiligter während eines laufenden Einbruchdiebstahls in das objektive Geschehen eintritt und einen entscheidenden Beitrag (wie das Verschaffen des Zugangs) leistet.

Sukzessive Beihilfe

Begriff und rechtliche Einordnung

Die sukzessive Beihilfe bezeichnet die Unterstützung einer bereits begonnenen und andauernden Tat durch eine außenstehende Person, die nach Tatbeginn aber vor Tatbeendigung einen Gehilfenbeitrag leistet. Zentrale Voraussetzung ist, dass die Haupttat zum Zeitpunkt der Hilfeleistung noch nicht vollendet ist.

Voraussetzungen

  • Tatvollzug ist noch nicht beendet: Die Unterstützung muss während des Tatgeschehens, spätestens vor dessen Vollendung, erfolgen.
  • Beihilfebeitrag: Es genügt jede Förderung der Haupttat, die kausal und objektiv geeignet ist, deren Ausführung zu erleichtern.

Abgrenzung zu Mittäterschaft

Bei der Beurteilung, ob eine Handlung als sukzessive Beihilfe oder als sukzessive Mittäterschaft zu qualifizieren ist, ist maßgeblich, ob Tatherrschaft bzw. ein gleichwertiger Mitführungseffekt vorliegt (Mittäterschaft) oder lediglich eine Hilfeleistung (Beihilfe) gegeben ist.

Beispiel der sukzessiven Beihilfe

Kommt eine Person während eines laufenden Diebstahls hinzu und hält „nur“ Wache, so kann dies als sukzessive Beihilfe anzusehen sein, falls der Beitrag im Gesamtgeschehen nicht mehr als bloße Unterstützung gewertet wird.

Strafrechtlicher Rahmen

Relevanz im Strafprozess

Sowohl Mittäterschaft als auch Beihilfe finden ihre rechtliche Grundlage in den §§ 25 bis 27 des Strafgesetzbuchs (StGB). Ein wesentliches Kriterium ist hierbei der Zeitpunkt des Hinzutretens und die Natur des geleisteten Beitrags:

  • Mittäterschaft (§ 25 II StGB): Jede Person, die einen eigenen, maßgeblichen Beitrag zur Tat leistet, wird als Täter bestraft.
  • Beihilfe (§ 27 StGB): Der Gehilfe wird für seinen Unterstützungsbeitrag strafrechtlich verantwortlich gemacht, wobei eine Strafmilderung vorgesehen ist.

Besonderheiten bei sukzessiver Beteiligung

Bei sukzessiver Beteiligung wird die Strafbarkeit für den Hinzutretenden ab dem Zeitpunkt seines Eintritts angenommen. Eine rückwirkende Täterschaft/Gehilfenschaft für bereits vollständig vollendete Tathandlungen ist ausgeschlossen. Die sukzessive Mittäterschaft findet daher nur Anwendung, solange das Tatgeschehen noch nicht abgeschlossen ist.

Rechtsprechung und Literatur

Die strafrechtliche Beurteilung der sukzessiven Mittäterschaft und Beihilfe ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Entscheidung und rechtswissenschaftlicher Diskussion. Die höchstrichterliche Rechtsprechung (u. a. des Bundesgerichtshofs) betont stets die Einzelfallbetrachtung und die klare Abgrenzung zwischen Tatherrschaft (Mittäterschaft) und bloßer Unterstützung (Beihilfe).

Wichtige Entscheidungen

  • BGHSt 40, 218 („Gehilfenexzess“): Die Gerichte betonen die Notwendigkeit eines wesentlichen Tatbeitrags für die Annahme der Mittäterschaft und grenzen diese scharf von der bloßen Beihilfe ab.
  • BGH, Entscheidung vom 21.02.1995, Az. 1 StR 705/94: Klärung der Anforderungen an die sukzessive Mittäterschaft insbesondere bei fortdauernden Delikten wie Raub oder Diebstahl.

Zusammenfassung der wesentlichen Unterschiede

Kriterium Sukzessive Mittäterschaft Sukzessive Beihilfe
Zeitpunkt des Hinzutretens Während der Tatbegehung Während der Tatbegehung
Tatherrschaft Erforderlich Nicht erforderlich
Beitrag zur Tat Wesentlicher Tatbeitrag Unterstützender Beitrag
Strafandrohung Wie Täter Wie Gehilfe (milder)
Beteiligungsform Täter (§ 25 II StGB) Gehilfe (§ 27 StGB)

Bedeutung und Praxisrelevanz

Die sukzessive Mittäterschaft und Beihilfe sind für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von erheblicher Bedeutung, da sie die nachträgliche Verantwortlichkeit für laufende Tathandlungen regeln. Die genaue Abgrenzung hat insbesondere im Bereich der Bandendelikte, Eigentumsdelikte und Raub großen Einfluss auf Strafmaß und Tatbestandsverwirklichung.


Weiterführende Quellen

  • §§ 25-27 StGB
  • BGHSt 40, 218; BGH Urteil vom 21.02.1995 – 1 StR 705/94
  • Wessels/Beulke/Satzger: Strafrecht Allgemeiner Teil

Diese Begriffe sind im Kontext komplexer Tatgeschehensabläufe von besonderer Bedeutung für Strafverfolgung und Rechtsprechung. Eine präzise Einordnung ist für eine gerechte Beteiligungsbewertung unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Kann sukzessive Mittäterschaft auch nach Beendigung der Haupttat begründet werden?

Sukzessive Mittäterschaft setzt voraus, dass ein zunächst außenstehender Dritter nach Tatbeginn, also während der Ausführungshandlung, planmäßig und mit Täterwillen („animus auctoris“) in die Tatausführung eingreift und das strafbare Geschehen fördert oder mitgestaltet. Eine nachträgliche Mittäterschaft, die erst nach der Beendigung der Haupttat einsetzt, ist nach überwiegender Meinung in Rechtsprechung und Literatur hingegen nicht möglich. Dies hängt damit zusammen, dass Mittäterschaft auf einer gemeinsamen Tatbegehung („gemeinsamer Tatentschluss“ und „gemeinschaftliche Tatausführung“) aufbaut und sich auf den Zeitraum der Tatausführung beschränken muss. Jegliche Handlungen, die ausschließlich nach der vollendeten Straftat erfolgen, kommen nur als Teilnahmehandlungen, insbesondere in Form einer Begünstigung oder Strafvereitelung, nicht aber als (sukzessive) Mittäterschaft in Betracht.

Wie unterscheiden sich sukzessive Mittäterschaft und Beihilfe im Ablauf der Tat?

Der wesentliche Unterschied zwischen sukzessiver Mittäterschaft und Beihilfe liegt in der Qualität und im Zeitpunkt der Beteiligung. Während bei der Beihilfe eine Unterstützung fremden Tatgeschehens, bewusst und willentlich im Sinne des § 27 StGB, ohne eigenen „Täterwillen“ vorliegt, zeichnet sich (die sukzessive) Mittäterschaft dadurch aus, dass ein Beteiligter nach Tatbeginn in das Geschehen eintritt und die Tat wie ein eigenständiger Täter planvoll mitgestaltet oder fördert. Die Beihilfe ist grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt bis zur Beendigung der Haupttat möglich. Die sukzessive Mittäterschaft verlangt daneben stets, dass der neue Mittäter noch während des „Tatgeschehens“ einsteigt und sich aktiv an der Tatausführung beteiligt, sodass er auch für das bereits Geschehene mit Verantwortlichkeit trägt.

Welche Anforderungen gelten an den Willen des nachträglich Eintretenden bei sukzessiver Mittäterschaft?

Für die Annahme sukzessiver Mittäterschaft spielt der subjektive Tatbestand eine zentrale Rolle. Der eintretende Beteiligte muss ausdrücklich mit „Täterwillen“ („animus auctoris“) handeln, also die Tat als eigene wollen, sie planvoll fördern und nicht bloß als Gehilfe unterstützend tätig werden. Dies ist insbesondere daran zu messen, ob der Betroffene wesentliche Tatbeiträge leistet und mit dem oder den ursprünglichen Tätern einvernehmlich zusammenarbeitet. Bloßes Billigen oder Duldung reichen daher nicht aus; vielmehr muss ein bewusstes, auf gleichberechtigte Mittäterschaft gerichtetes Tätigwerden vorliegen.

Ab welchem Zeitpunkt ist eine sukzessive Mittäterschaft noch möglich?

Sukzessive Mittäterschaft ist ab dem Beginn der Tatausführung, also nach Überschreiten des Stadiums des Versuchs, bis zum Abschluss der Tatausführung, das heißt bis zur Vollendung der Tat, möglich. Der Eintritt in die Mittäterschaft setzt zwingend voraus, dass die Tat noch nicht abgeschlossen ist – eine Beteiligung allein nach Beendigung schließt eine Mittäterschaft aus und zieht stattdessen eine strafbare Teilnahme (z.B. Beihilfe zur Begünstigung) nach sich. Entscheidend ist deshalb die genaue Abgrenzung zwischen Vollendung und Beendigung sowie der tatsächliche Beitrag während der noch laufenden Tatausführung.

Ist eine rückwirkende Haftung für bereits erfolgte Tatabschnitte denkbar?

In der Konstellation der sukzessiven Mittäterschaft ist eine Haftung für bereits von den anderen Mittätern verwirklichte Tatabschnitte dann möglich, wenn der neue Mittäter während der laufenden Tatausführung mit „Täterwillen“ eintritt und von da an die Tat (auch hinsichtlich des bereits Geschehenen) als gemeinsames Werk fortgesetzt wird. Eine extensive Rückwirkung auf vollendete Tatabschnitte ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Beitritt erst nach der Tatvollendung oder nach deren Beendigung erfolgt. Die Strafbarkeit als Mittäter setzt daher einen „tatsächlichen und gewichtigen Beitrag“ zum Tatablauf voraus, der noch kausal für den Erfolg werden kann.

Welche Rolle spielt der gemeinsame Tatentschluss bei sukzessiver Mittäterschaft?

Auch im Rahmen der sukzessiven Mittäterschaft ist das Vorliegen eines (zumindest konkludenten) gemeinsamen Tatentschlusses, also eine Mitwirkung am Gesamttatgeschehen im Einverständnis mit den übrigen Tätern, unverzichtbar. Der neue Mittäter muss sich dem gemeinschaftlichen Plan anschließen und durch aktives Handeln zur Tatausführung beitragen. Ein fehlendes Einvernehmen oder bloße Duldung genügt insoweit nicht; vielmehr muss der Beitritt zum gemeinsamen Tatentschluss spätestens während der Tatausführung und nicht erst nach Vollendung erfolgen.

Wie erfolgt die strafrechtliche Abgrenzung zur Teilnahmeform der Beihilfe?

Für die strafrechtliche Abgrenzung zwischen sukzessiver Mittäterschaft und Beihilfe ist maßgeblich, ob der Eintretende eine gleichberechtigte, wesentliche Rolle innerhalb der Tat einnimmt und mit entsprechender Tatherrschaft agiert. Während der Gehilfe einen fremden Tatentschluss lediglich unterstützt, trägt der Mittäter durch eigenständige Tatbeiträge maßgeblich zum Gelingen der Tat bei, entscheidet mit über das „Ob“ und „Wie“ der Tatausführung und ist im Tatgeschehen eingebunden. Die genaue Abgrenzung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls unter Würdigung der objektiven und subjektiven Tatbeiträge sowie der Willensrichtung.

Kann bei sukzessiver Mittäterschaft eine Strafmilderung in Betracht kommen?

Ob im Kontext sukzessiver Mittäterschaft eine Strafmilderung in Betracht kommt, richtet sich nach allgemeinen strafzumessungsrechtlichen Grundsätzen. Es kann strafmildernd berücksichtigt werden, wenn der später Eintretende einen geringeren Beitrag leistet oder sein Beitrag weniger gewichtig für das Gesamtgeschehen ist. Allerdings ist auch zu bedenken, dass der sukzessiv eingetretene Mittäter grundsätzlich für die gesamte ausgeführte Tat mitverantwortlich bleibt, sofern die Voraussetzungen der Mittäterschaft erfüllt sind. Besondere strafmildernde Erwägungen können bei einem minderschweren Fall, einem späten oder „halbherzigen“ Tatbeitritt oder einer nur kurzfristigen Mitwirkung zur Anwendung kommen.